• Keine Ergebnisse gefunden

Das Frontispiz − Die Widmung an Valentinus

Im Dokument Das Kalenderhandbuch von 354 (Seite 91-95)

IV. Der Bildteil des Chronographen

1. Das Frontispiz − Die Widmung an Valentinus

1.1 Einleitung

Die zeichnerisch ausgestaltete doppelte Widmung an Valentinus steht in der Überlieferung der antiken Literatur und Buchproduktion einmalig da und ist offensichtlich der erste Beleg für eine bildnerische Gestaltung der Widmung eines Buches. Dieses Widmungsblatt diente als Vorsatzblatt für das gesamte Konvolut, das wir als den Chronographen von 354 bezeichnen, und leitete zugleich den Bildteil ein. Es ist unter den Zeichnungen das einzige Blatt, das einen Bezug zum Christentum aufweist.

Die Gestaltung folgt in Text und Bildformen deutlich bekannten epigraphischen Dedikationsmustern. Bemerkenswert ist, dass hier eine Künstlerinschrift zu finden ist. Der Gestalter schreibt auf die Ansae der Tabula: Furius Dionysius Filocalus titulavit und steht mit dieser Formulierung innerhalb antiker Traditionen. Durch diese Positionierung seines Namens betont Filocalus seinen Anteil an der Gestaltung.1

1.2 Abbildungen Abb 6 R2, 218r Abb 7 R1, 1r Abb 8 B, 197r

Abb 9 Bucherius (1633), S.275 Abb 10 V, 1r

1.3 Die handschriftliche Überlieferung:2

Das Deckblatt ist enthalten in R2, R1, B; V bringt das Frontispiz ebenfalls, allerdings wurde es nach 1633 aus der Ausgabe des Bucherius übernommen3.

In R1 am unteren Rande steht primo foglio della secunda parte del MStto. Entsprechende Beischriften fehlen in R2, weil dort die Seiten stark beschnitten sind. Es stellt sich die Frage, ob diese Beischriften von der Hand des Peiresc stammen4 oder wohl eher der Hand eines römischen Kopisten zu verdanken sind. Die erwähnte Beischrift ist, da wir aus keiner Quelle etwas über einen ersten Teil der Handschrift erfahren, dahingehend zu verstehen, dass wir es mit dem erstes Blatt der zweiten Fassung des Manuskriptes zu tun haben.

1.4 Die Widmung an Valentinus

Die Unterschiede in der Bildüberlieferung verlangen eine detaillierte Besprechung der einzelnen Zeugen.

1. Die Handschriften R2 und R1

Das Blatt wird in zwei Zonen geteilt. Die untere Zone zeigt zwei gegenständige geflügelte nackte Eroten, je mit Halsband, Bulla, Fußreifen an jedem Bein und Mantel. Sie stehen im Kontrapost, wobei das Spielbein zur Mitte und das stark abgewinkelte Standbein nach außen gerichtet ist, um das Gewicht der Tabula tragen zu können. Unter den Flügeln wehen je rechts und links die Zipfel eines Mantels, dessen Sitz am Rücken unklar bleibt. Beine und Unterleib der Eroten sind sehr muskulös gebildet. Die jugendlich nackten Gestalten scheinen verschiedenen Altersstufen

1 Wesentliche Literatur: Bucherius (1633); Strzygowski 23f.; Stern 118- 123; Salzman 25f.

2 Vgl S. 68 (R2), S.69 (R1), S.67 (B).

3 Bucherius 275.

4 So zuerst Strzygowski 21.

anzugehören. Während die linke mit ihrem runden Gesicht und ihren Kulleraugen wie ein Kleinkind anmutet, weist das Gesicht der rechten auf einen jungen Heranwachsenden. Beide stehen auf einem mit wenigen kurzen Strichen angedeuteten Grund.

Die Eroten halten zwischen sich eine doppelt gerahmte Tabula mit Ansae, die vier Texteinheiten enthält,

1. den Wunsch: VALENTINE LEGE FELICITER im Zentrum, der durch die Buchstabengröße als wichtigster Text markiert wird,

2. links davon die Akklamation: VALENTINE5 VIVAS FLOREAS;

3. rechts: VALENTINE VIVAS GAUDEAS6;

4. auf den beiden Ansae: FVRIVS DIONYSIVS (links) und FILOCALVS TITVLAVIT (rechts).

In der oberen Zone befindet sich zentral ein Monogramm mit seiner Auflösung, die am Rande zweizeilig rechts und links daneben steht: VALEN//TINE − FLOREAS // IN DEO.7

R1 entspricht dem Befund von R2, ist aber, was die Ausfertigung insbesondere der Buchstaben des oberen Bildteils angeht, etwas sorgfältiger ausgeführt.8

2. Die Handschrift B

Die Überlieferung in der etwa eine Generation älteren Handschrift B unterscheidet sich von den römischen Handschriften in zweierlei Hinsicht. Zum einen, was die Arbeit des Kopisten angeht.

Dieser hat über der eigentlichen Widmung einen Teil der Texte wiederholt und diese Notizen anscheinend nach der Integration in das Bild zum Teil durchgestrichen. Zum anderen zeigt sich ein grundlegender ikonographischer Unterschied darin, dass die Szene vor einem überhöhenden Velum dargestellt ist. Dies wirft die Frage auf, ob die Vorlage der römischen Kopien identisch ist mit derjenigen der Brüsseler Handschrift, zumal der Druck des Bucherius 1633/34 und die Kopie in V auch diese Gestaltung aufweisen.9 Wenn man diese Frage negativ beantwortet, gehört die römische Überlieferung einem anderen Überlieferungsstrang an als B. Diese Verschiedenheit spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Lesarten der Listentexte, vor allem in FastCons.

In B ist die Zone mit diesen Inschriften getrennt von der Widmung durch ein mit Eckknoten gerahmtes helles, leicht durchhängendes Velum, dessen oberer Abschluss am rechten und am linken Rand mit nach vorne hängenden Quasten gebildet wird, während sein unterer Abschluss nicht erkennbar ist. Die nackten Eroten sind ähnlich dargestellt wie in R2, weisen allerdings deutlich barockere Formen auf; sie stehen sich aber auf einer schraffierten Grundlinie. Beim Halsband des linken Eros fehlt die Bulla wie bei Bucherius und in V. Haartracht und Gesichtsformen beider Figuren weisen auf ein kindliches Alter.

5 NT steht in Ligatur.

6 Beide Akklamationen sind rubriziert.

7 Diese Auflösung gilt unter zwei Bedingungen:

1. Wenn die Buchstaben des Monogramms mehrfach Verwendung finden.

2. Wenn sich in der Tat neben dem Monogramm in der Antike schon seine Auflösung befunden hat, was nicht üblich gewesen sein dürfte.

Diese doppelte Irregularität kann Zweifel an der Authentizität von Beischrift und Lesung wecken.

8 Vergleich von R2 und R1 S.46.

9 Strzygowski 24 nimmt an der Darstellung des Velums Anstoß: In beiden Stichen nämlich dient unserem Bildchen eine Draperie als Folie: ein Vorhang, oben in übereinstimmender Weise in bauschige Knoten zusammengefasst und mit Bändern an Nägel befestigt, die in den Zwickeln eines mächtigen Rustica -Thorbogens stecken. Eine Geschmacklosigkeit, die ohne Frage für das Original ausgeschlossen ist. Zwar sehen wir sie auch in der Wiener Copie, doch erkennt man leicht, dass sie von einem Fälscher mit Benutzung der ursprünglich leeren ersten Seite nach Bucherius ausgeführt ist. Allerdings ist das Velum in B ebenfalls vorhanden; das heißt, dass diese von Rom unterschiedliche Bildgestaltung schon in B bzw. oder wahrscheinlicher in der Vorlage von B vorhanden gewesen ist.

Bei den Inschriften, die in B nicht rubriziert sind, tauchen in der Akklamation VALENTINE VIVAS FLOREAS zwei Unterschiede auf: NT in VALENTINE ist nicht legiert, beim FLOREAS ist das A sekundär hinzugefügt. Beim Monogramm fehlen beim großen Senkrechtstrich der Querstrich zum L und das sich daran anschließende S. Unter der Darstellung weist eine waagrechte Doppellinie auf ein Rahmensystem. Diese Varianten weisen auch die folgenden Darstellungen auf.10

3. Das Frontispiz bei Bucherius und V

In der Druckfassung bei Bucherius11 und dann genau kopiert in V findet sich ein weiteres über die Brüsseler Darstellung hinausgehendes Bildelement: Das Velum hängt vor einem Torbogen, der sich im Zusammenhang eines größeren Blockmauerwerkes befindet. Auf einer gestuften Basis erheben sich zwei Pilaster, die das Gewände des Torbogens bilden. Er besteht anscheinend aus Monolithen, die den eigentlichen Bogen tragen. Dieser ist gebildet aus drei Keilsteinen und vier Bogenstücken, die in einer raffinierten Untersicht perspektivisch zu sehen sind. Dem entspricht die raumschaffende vortretende Ansicht des Gewändes im unteren Teil. In das Mauerwerk oberhalb des Bogens sind zwei große Nägel, wohl aus Metall, eingeschlagen, an die mit in Quasten endenden Schlaufen das Velum so aufgehängt ist, dass der obere Rand des Vorhangs mit seinen Quasten nach vorne fallen kann, während die herabhängenden Ränder eine kunstvoll Perspektive gebende Drapierung erfahren. Deutlicher als in B scheint die Schrift in den Stoff eingewebt zu sein.

Die von Erotenflügeln und den wehenden Mänteln symmetrisch gerahmte Tabula enthält denselben Text wie die übrigen Darstellungen des Frontispiz, jedoch ohne Ligaturen. Die trapezoide Form der Ansae tritt zurück. Die unter dem Leib durchgezogenen Mäntel verhüllen purifizierend die Scham der kindlich anmutenden Eroten. Wie in Brüssel fehlt die am Halsband befestigte Bulla der linken Gestalt. Auch das Monogramm ist deutlich Brüssel bzw. der Vorlage von B nachgebildet: somit fehlen die untere Querhaste des L und das S. Das im Unterteil mit Fransen versehene Velum endet in Hüfthöhe der Eroten. Der Schrifttyp ist in Bucherius und daran angelehnt in V deutlich von der Druckgrafik bestimmt. In V scheint die Darstellung darüber hinaus leicht laviert zu sein.

1.5 Kommentar

Die Ikonographie und die akklamierenden Texte zeigen die Funktion der Seite als Widmungsblatt einer dem Valentinus gewidmeten Luxusbuchausgabe in Codexform. Die Akklamationen sind aus der heidnisch-christlichen Antike bekannt; für FLOREAS IN DEO lässt sich auf die kleinasiatischen Parallelen ζῆν ἐν θεῷ bzw. χαίρειν ἐν θεῷ verweisen.12 Dieses Monogramm mit der Akklamation bildet die einzige monotheistische Aussage im Bildteil des Kalenders. Die traditionellen neutralen Darstellungen (Eroten, Velum, Tabula) sind in der ältesten christl.

Bildkunst besonders auf Sarkophagen häufig rezipiert.

Furius Filocalus ist durch seine epigraphisch-kalligraphischen Arbeiten im Zusammenhang der Erneuerungen in den Katakomben durch Damasus (366384) bekannt. Seine Tätigkeit am Chronographen, die er selbst als titulavit beschreibt, bleibt unklar. Denn “titulavit” hat eher die Bedeutung: „mit einem Titelblatt versehen“ und weist nicht, wie zumeist interpretiert, auf die Gestaltung des gesamten Konvolutes oder auch nur des Bildteiles hin. Der Adressat Valentinus ist nicht zu identifizieren.13

10 Vgl Strzygowski 24.

11 Bucherius 275.

12 Vgl ILCV 1978 (aus Numidien): <h>ic in cristo floreat.

13 Salzman 201f. identifiziert Valentinus als Bruder des Symmachus: Avianius Valentinus; das hieße, dass es Christen in der Symmachusfamilie lange vor Aurelius Anicius Symmachus PUR 419/20 gegeben hat, vgl Cameron 13.

Abb. 11 Codex R2, DedicatioAbb. 12 Codex R1, Dedic

Im Dokument Das Kalenderhandbuch von 354 (Seite 91-95)