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Zusammenh¨ange zwischen Sektoren

Im Dokument Methoden der Sozialstrukturforschung (Seite 68-71)

9.3 Input-Output-Tabellen als Graphen

9.3.1 Zusammenh¨ange zwischen Sektoren

1.Einer der Vorschl¨age besteht darin, Komponenten zu untersuchen.

Dar¨uber wurde bereits ausf¨uhrlich in den Abschnitten 3.3 und 3.4 ge-sprochen. Auf den ersten Blick erscheint das Konzept auch f¨ur die Input-Output-Analyse sinnvoll. Denn angenommen, dass sich eine Vorleistungs-matrix in KomponentenA1, . . . ,Amzerlegen l¨asst. Dann kann man stets eine passende Umnummerierung der Sektoren finden, so dass f¨ur je zwei KomponentenAi undAj gilt:

a) Entweder gibt es keinerlei G¨uterstr¨ome zwischenAi undAj, oder b) es isti < j, d.h. die G¨uterstr¨ome zwischen den Komponenten verlaufen

in einer einheitlichen Richtung.

Die Frage der Zerlegbarkeit einer Vorleistungsmatrix in Komponenten spielt deshalb bereits in der Arbeit von Czayka (1972) eine zentrale Rolle.

Zur Diskussion verwendet Czayka eine fiktive Tabelle, die aus 11 Sektoren besteht und in der es vier Komponenten gibt.7Allerdings sollte untersucht werden, ob man auch in empirisch ermittelten Input-Output-Tabellen re-levante Komponenten findet, denn in ¨Okonomien mit weit entwickelter Verflechtung zwischen den Sektoren erscheint dies eher unwahrscheinlich.

2.Um die Frage zu untersuchen, beziehen wir uns auf die Matrix der Vor-leistungen in der A-Tabelle f¨ur 1995. Eine einfache M¨oglichkeit besteht darin, nach einer Permutation der Zeilen und Spalten zu suchen, so dass

6Eine der ersten Arbeiten stammt von L. Czayka (1972). Weitere Beitr¨age gibt es u.a.

von H. Schnabl und H.-W. Holub (1979); Holub, Schnabl und Tappeiner (1985); Holub und Schnabl (1994, S. 184 ff.).

7Dasselbe Beispiel wurde auch in den bereits erw¨ahnten Beitr¨agen von Schnabl und Holub (1979) und von Holub und Schnabl (1994, S. 184 ff.) verwendet.

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Box 9.3.1 Skript zur Erzeugung einer oberen Blockdiagonalmatrix.

mfmt = 10.0; Einstellen des Druckformats mdef(A,59,59) = iot95ip.dat; Einlesen der Vorleistungsmatrix mpbu(A,B,P,N,U); Erzeugen der Blockdiagonalmatrix

mpr(B); Ausdruck der permutierten Matrix

eine obere Blockdiagonalmatrix entsteht (man vgl. die Ausf¨uhrungen in Abschnitt 3.4). Box 9.3.1 zeigt das Skript. Untersucht man die resultie-rende Matrix B, findet man, dass es keine relevanten Komponenten gibt.

Tats¨achlich geh¨oren 57 der 59 Sektoren einer gemeinsamen Komponente an. Nur zwei Sektoren, Nr. 6 (Uran- und Thoriumerze) und Nr. 59 (DL privater Haushalte) bilden jeweils eine eigene triviale Komponente, denn beide Sektoren weisen keinerlei Verbindung zu anderen Sektoren auf.8 3.In der Literatur ist gelegentlich vorgeschlagen worden, dadurch zu Zerle-gungen in Komponenten zu gelangen, dass man nur G¨uterstr¨ome ber¨ uck-sichtigt, die einen gewissen Schwellenwert ¨ubertreffen.9 Es ist klar, dass man auf diese Weise zu Komponenten gelangen kann. Ber¨ucksichtigt man z.B. nur G¨uterstr¨ome, die mindestens 100 Mio. DM betragen, findet man 2 echte Komponenten, bei G¨uterstr¨omen, die mindestens 500 Mio. DM betragen, findet man 9 echte Komponenten. Aber dieser Vorgehensweise haftet offenbar eine große Willk¨ur an, und sie soll hier deshalb nicht n¨aher verfolgt werden.10

4.Eine der Begr¨undungen f¨ur eine

”qualitative Input-Output-Analyse“

bezieht sich auf konjunkturpolitische Fragen. Dazu heißt es bei Holub und Schnabl (1994, S. 195):

”In manchen F¨allen mag es dem Wirtschaftspolitiker zweckm¨aßig erscheinen, f¨ur bestimmte Maßnahmen einen Sektor auszuw¨ahlen, der einen besonders effekti-ven Einsatzder finanziellen Mittel verspricht. Diese Auswahl wird man sicherlich von der Input-Verflechtung eines solchen Sektors abh¨angig machen, da diese die erhoffte Ausstrahlung auf die anderen Sektoren und darum eine gewisse

Mit-8Zu einem entsprechenden Ergebnis kaum auch bereits H. Wessels (1981, S. 13) bei einer Untersuchung der Input-Output-Tabellen des DIW:

Die Nachfrage nach Pro-dukten irgendeines Produktionssektors in H¨ohe einer Einheit bedingt nach der Matrix der inversen Leontief-Koeffizienten f¨ur die Bundesrepublik mit wenigen Ausnahmen ei-ne Produktion in allen Branchen. Die Ausnahmen sind in den Matrizen des DIW beim Staat und bei den Privaten Haushalten zu finden. Beim Staat wird bei der Inversion der Matrizen des DIW n¨amlich unterstellt, daß der Input nur aus Beitr¨agen zum Bruttoin-landsprodukt besteht, d.h. keine Vorleistungen auftreten (dadurch kann der Vektor der Bez¨uge des Staates als exogene Variable behandelt werden), und die Privaten Haushalte leisten nur h¨ausliche Dienste, die nur in den Privaten Verbrauch eingehen und ebenfalls ohne Vorleistungen erstellt werden.“

9Man vgl. Schnabl und Holub (1979) sowie Holub, Schnabl und Tappeiner (1985).

10Man vgl. auch die kritischen Ausf¨uhrungen von E. Kleine und B. Meyer (1982).

9.3 INPUT-OUTPUT-TABELLEN ALS GRAPHEN 139

ziehwirkung produziert. Die graphentheoretische Behandlung dieses Zusammen-hangs ist durch die Definition der sog.INPUT-Basis gegeben. Eine Input-Basis ist definiert als dieMenge der Sektoren, von denen ausalle ¨ubrigen – nicht zur Input-Basis rechnenden –Sektoren erreichbar sind.“

Wenn eine Input-Output-Tabelle aus mehreren Komponenten besteht, muss man also aus jeder Komponente einen Sektor ausw¨ahlen, um zu einer Input-Basis zu gelangen. Wenn es aber, wie in unserem Beispiel, im we-sentlichen nur eine Komponente gibt, bildet jeder Sektor (mit Ausnahme der vollst¨andig isolierten Sektoren) eine Input-Basis, so dass die Idee ihren potentiellen Sinn verliert.11

5.Auch wenn eine Input-Output-Tabelle im wesentlichen nur aus einer Komponente besteht, kann man nat¨urlich versuchen, Sektoren nach ir-gendwelchen Gesichtspunkten zu Gruppen zusammenzufassen. Im Prinzip k¨onnen die meisten Methoden der sog. Clusteranalyse f¨ur diesen Zweck verwendet werden. Hier erw¨ahnen wir nur eine Idee, die zuerst von H.

Wessels (1981) verfolgt worden ist. Holub und Schnabl (1994, S. 174), die diese Idee aufgreifen, sprechen von einer

”Blocktriangulation“:

”Intrablock- oder Interblock-Beziehungen der Sektoren sind dadurch definiert, daß die Summe der Intra-Vorleistungsstr¨ome gr¨oßer sein muß als die Summe der Vorleistungen, die an andere, nicht blockzugeh¨orige Sektoren gehen, und zwar sowohl f¨ur gelieferte als auch f¨ur empfangene Vorleistungen.“

Versuchen wir zun¨achst, die Definition zu pr¨azisieren. Es seiN die Knoten-menge (in unserem Beispiel die Zahlen von 1 bis 59 f¨ur die Sektoren), und die Adjazenzmatrix sei durchA= (aij) gegeben. Nach der eben zitierten Idee ist eine TeilmengeB ⊂ N dann ein Block, wenn folgende Bedingung erf¨ullt ist:

min{aij|i, j∈ B, aij >0} > max{akl|k∈ B, l∈ N \ B, akl>0}

Auf der linken Seite steht das Minimum der G¨uterstr¨ome zwischen den Knoten innerhalb des Blocks, auf der rechten Seite steht das Maximum der G¨uterstr¨ome, die es zwischen irgendeinem Knoten innerhalb des Blocks und irgendeinem anderen Knoten außerhalb des Blocks gibt.12 Folgendes Beispiel illustriert die Definition:

11Ein weiterer Einwand bezieht sich nat¨urlich darauf, dass f¨ur konjunkturpolitische Fragen der angedeuteten Art nicht nur die Existenz, sondern auch das quantitative Ausmaß von G¨uterstr¨omen relevant ist, um Multiplikatorwirkungen einsch¨atzbar zu machen. Man vgl. hierzu den bereits erw¨ahnten Beitrag von Kleine und Meyer (1982).

12MitN \ Bist die Menge aller Elemente vonN, die kein Element vonBsind, gemeint.

10 4 1

6 5

1 2 3

4 5

6

In diesem Beispiel gibt es folgende Bl¨ocke:{1,2}und{1,2,3}, und schließ-lich auch noch{4,6}und{1,2,3,5}(denn jede Semi-Komponente ist auch ein Block in der eben gegebenen Definition).13

6.Allerdings gibt es f¨ur gr¨oßere Graphen keinen praktikablen Algorithmus, um Bl¨ocke dieser Art zu ermitteln. Der Versuch, alle m¨oglichen Kombina-tionen zu pr¨ufen, endet bereits bei relativ kleinen Blockgr¨oßen. In unse-rem Beispiel mit 59 Sektoren haben wir jedenfalls keinen Block gefunden, der weniger als 7 Knoten umfasst; und die Frage, ob es vielleicht gr¨oßere Bl¨ocke gibt, muss unentschieden bleiben.14 Es sei jedoch erw¨ahnt, dass es in der Literatur ¨uber Graphen ein ¨ahnliches Konzept f¨ur ungerichtete Graphen gibt: sog.kompakte Mengen, die sich auf effiziente Weise auch f¨ur gr¨oßere Graphen berechnen lassen.15Verwendet man die oben eingef¨uhrte Notation, lautet die Definition:Bist eine kompakte Menge, wenn folgende Bedingung erf¨ullt ist:

max{aij|i, j∈ B, aij>0} < min{akl|k∈ B, l∈ N \ B, aij>0}

Will man diese Definition zur Analyse einer Input-Output-Tabelle anwen-den, stellen sich zwei Probleme. Das erste Problem besteht darin, dass der Begriff einer kompakten Menge einen ungerichteten Graphen, also ei-ne symmetrische Adjazenzmatrix voraussetzt. Um das zu erreichen, k¨onnte man z.B. zur Definition einer ungericheten Kante zwischen je zwei Sektoren iundjdie Summe der korrespondierenden gerichteten Kanten verwenden, also:bij:=aij+aji. Dann istB= (bij) eine symmetrische Adjazenzmatrix.

Das zweite Problem bezieht sich auf die Definition kompakter Mengen, die sich im Unterschied zur oben besprochenenen Definition von Bl¨ocken an minimalen Kantenbewertungen innerhalb der kompakten Mengen orien-tiert. Deshalb m¨ussen die Kantenbewertungen so transformiert werden, dass sich die Reihenfolge umkehrt, z.B. auf folgende Weise:

˜bij :=

( bmax−bij+ 1 wennbij >0 ist

0 andernfalls

Dabei istbmax das Maximum der Koeffizientenbij.

13In einem Graphen, der nicht in mehrere Komponenten zerlegbar ist, gibt es auch nicht unbedingt Bl¨ocke. G¨abe es in dem oben angef¨uhrten Beispiel außerdem die Kanten a5,1= 6,a3,2= 12 unda3,4= 7, k¨onnte man keinen Block finden.

14Abgesehen nat¨urlich von den Komponenten, die per Definition auch Bl¨ocke sind.

15Man vgl. Liang (1993).

Box 9.3.2 Skript zur Berechnung kompakter Mengen in der A-Tabelle.

mdef(A,59,59) = iot95ip.dat; # Einlesen der Vorleistungsmatrix A mtransp(A,AT); # AT = Transponierte von A

mexpr(300000 - (A + AT),B); # B = 300000 - (A + AT)

gdd( # Definition eines Graphen

opt= 8, # Option: Verwendung einer Matrix

gt = 2, # Option: ungerichteter Graph

sc = 1, # Minimum fuer gueltige Kante

) = B; # Adjazenzmatrix

gcset = gcset.out; # Berechnung kompakter Mengen

# Ausgabefile ist gcset.out

1

1 Erzeugnisse der Landwirtschaft und Jagd 9 Nahrungs- und Futtermittel, Getr¨anke 2

4 Kohle und Torf

32 Energie (Strom, Gas) und DL der Energieversorgung 3

11 Textilien 12 Bekleidung 4

34 Bauarbeiten

47 DL des Grundst¨ucks- und Wohnungswesens 5

39 Landverkehrs- und Transportleistungen in Rohrfernleitungen 42 DL bez¨uglich Hilfs- und Nebent¨atigkeiten f¨ur den Verkehr 6

50 Forschungs- und Entwicklungsleistungen 53 Erziehungs- und Unterrichts-DL 7

52 DL der ¨offentlichen Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung 54 DL des Gesundheits-, Veterin¨ar- und Sozialwesens

7.Zur Illustration verwenden wir wieder die A-Tabelle f¨ur 1995. Box 9.3.2 zeigt das Skript:

a) Aus den Zeilen und Spalten 1–59 des Datenfilesiot95ip.datwird die VorleistungsmatrixAgebildet.

b) Dann wird die MatrixAtransponiert, und es wird, wie oben besprochen worden ist, die MatrixBgebildet.16

c) Im n¨achsten Schritt wird der bereits bekannte gdd-Befehl verwendet, um einen ungerichteten bewerteten Graphen zu definieren. Im Unter-schied zu Verwendungen dieses Befehls in fr¨uheren Kapiteln wird jetzt jedoch nicht auf eine Kantenliste Bezug genommen, sondern direkt auf die AdjazenzmatrixB(dies wird durch den Parameteropt=8kenntlich gemacht). Außerdem wird der Parameter sc=1angegeben, um zu er-reichen, dass nur diejenigen Koeffizienten der MatrixBg¨ultige Kanten

16Man bemerkt, dass sich bei dieser Berechnung auch die Elemente in der Hauptdiago-nalen verdoppeln. Das ist jedoch unproblematisch, da bei der Berechnung kompakter Mengen ggf. vorhandene Schlingen ignoriert werden.

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des Graphen bilden, deren Bewertung mindestens 1 ist.17

d) Schließlich wird dergcset-Befehl verwendet, um die kompakten Men-gen zu berechnen.18 Das Ergebnis wird in ein Ausgabefilegcset.out geschrieben.

Die untere H¨alfte von Box 9.3.2 zeigt die kompakten Mengen, die in diesem Beispiel gefunden worden sind. Sie bestehen aus jeweils zwei Sektoren, die durch G¨uterstr¨ome besonders eng verflochten sind. Es ist nat¨urlich eine offene Frage, ob man in einem ungerichteten Graphen gr¨oßere Bl¨ocke finden k¨onnte, die der anfangs gegebenen Definition entsprechen. Da jedoch keine der kompakten Mengen mehr als zwei Sektoren umfasst, erscheint dies eher unwahrscheinlich.

Im Dokument Methoden der Sozialstrukturforschung (Seite 68-71)