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Tauschprozesse und Preise

Im Dokument Methoden der Sozialstrukturforschung (Seite 46-49)

p0y = ˜p0(I−Π)x

der Preisausdruck der Nettoproduktion. Dem Lohn entspricht dabei der Anteilw0x, der restliche Teil entspricht den kapitalistischen Ertr¨agen.

Kapitel 7

Marktpreise und Preisstatistik

Wenn man die Produktion, den Austausch und die Verwendung von G¨utern in einer ¨Okonomie empirisch erfassen m¨ochte, ist es infolge der großen Vielzahl unterschiedlicher G¨uter praktisch unvermeidbar, Bewer-tungen zu verwenden, um G¨uter unterschiedlicher Sorten zu aggregieren.

In der empirischen Wirtschaftsforschung werden meistens Marktpreise ver-wendet. In diesem Kapitel besch¨aftigen wir uns zun¨achst mit einigen Va-rianten des Preisbegriffs, dann wird die Konstruktion von Preisindizes be-sprochen.

7.1 Tauschprozesse und Preise

1.Zun¨achst betrachten wir eine ¨Okonomie, in der G¨uter direkt, d.h. ohne Vermittlung von Geld, getauscht werden. Es wird angenommen, dass esn Sorten von G¨utern

c1, . . . , cn

gibt, die untereinander getauscht werden k¨onnen. Der Austauschprozess besteht aus einer Folge von Tauschereignissen. Jedes Tauschereignis be-steht darin, dass eine bestimmte Menge eines Gutescigegen eine bestimm-te Menge eines Gubestimm-tes cj ausgetauscht wird. Um einen Austauschprozess zu beschreiben, muss man also auf die Austauschereignisse Bezug nehmen, die w¨ahrend einer bestimmten Zeitperiode (die im folgenden als gegeben vorausgesetzt wird, z. B. ein Tag, ein Monat oder ein Jahr) stattgefunden haben.

2.Als Beispiel wird angenommen, dass es nur vier Sorten von G¨utern gibt und dass folgende Austauschereignisse stattgefunden haben:

3c1 ∼ 5c2 4c2 ∼ 8c3 8c3 ∼ 7c4 7c4 ∼ 2c1

3c1 ∼ 6c2 4c2 ∼ 8c3 8c3 ∼ 8c4 8c4 ∼ 2c1

2c1 ∼ 4c2 4c2 ∼ 9c3 8c3 ∼ 9c4 8c4 ∼ 3c1

Beim ersten Tauschereignis wurden 3 Einheiten von c1 gegen 5 Einhei-ten von c2 getauscht, beim zweiten Tauschereignis wurden 3 Einheiten vonc1gegen 6 Einheiten vonc2getauscht usw. Nat¨urlich k¨onnen die Aus-tauschverh¨altnisse variieren, denn jedes Austauschereignis spielt sich unter jeweils spezifischen Bedingungen und im allgemeinen unter Beteiligung un-terschiedlicher Akteure ab. Außerdem gibt es meistens mehr oder weniger viele G¨utersorten, die gar nicht direkt ausgetauscht werden.

94 7 MARKTPREISE UND BEWERTUNGEN

3.Sind Daten ¨uber die individuellen Austauschereignisse gegeben, kann man f¨ur jedes Paar von G¨utern (ci, cj) feststellen: ob mindestens ein tausch stattgefunden hat und, wenn ja, wie das durchschnittliche Aus-tauschverh¨altnis w¨ahrend des Beobachtungszeitraums beschaffen war.1 Mit den oben angegebenen Daten kann man z. B. feststellen, dass zwischen den G¨utersortenc1undc3kein Austausch stattgefunden hat. Andererseits gab es drei Austauschereignisse, in denen die G¨utersortenc1undc2 ausge-tauscht worden sind, insgesamt 8 Einheiten vonc1gegen 15 Einheiten von c2. Die durchschnittlichen Austauschverh¨altnisse k¨onnen durch Koeffizien-tenuij ausgedr¨uckt werden, wobei uij diejenige Menge des Gutes cj ist, die im Durchschnitt gegen eine Einheit des Gutescigetauscht worden ist.

Z. B. ist u12 = 15/8. Aus Symmetriegr¨unden kann man annehmen, dass uij = 1/ujiist. Auf diese Weise gelangt man zu einer schief-symmetischen, im allgemeinen unvollst¨andigen Matrix

die die durchschnittlichen Austauschrelationen zusammenfasst. Die lee-ren Felder zeigen, welche G¨utersorten nicht miteinander getauscht worden sind.

4.Es ist bemerkenswert, dass Austauschrelationen im allgemeinen nicht transitiv sind, d.h. im allgemeinen gilt die Transitivit¨atsregel

αici∼αjcj und αjcj∼αkck =⇒ αici∼αkck

nicht. Z. B. gilt diese Regel in unserem Beispiel nicht; denn einerseits ist u12u23u34 = 15 andererseits ist jedochu14 = 237 = 3.286.

5.Hier liegt ein Ansatzpunkt f¨ur ¨Uberlegungen, die mit einem Begriff des ”wirtschaftlichen Gleichgewichts“ operieren. Eine Minimaldefinition kann auf folgende Weise formuliert werden: Eine Menge von Austauscher-eignissen befindet sich in einem wirtschaftlichen Gleichgewicht, wenn die im Durchschnitt realisierten Austauschrelationen transitiv sind. Orientiert man sich an dieser Definition, kann man sagen, dass sich Mengen von Aus-tauschereignissen im allgemeinen nicht in einem wirtschaftlichen Gleichge-wicht befinden.

1Da sich Daten immer nur auf vergangene Sachverhalte beziehen k¨onnen, verwenden wir die sprachliche Vergangenheitsform.

7.1 TAUSCHPROZESSE UND PREISE 95

6.Jetzt betrachten wir eine ¨Okonomie, in der Austauschprozesse monet¨ar vermittelt stattfinden. Das soll bedeuten: Es gibt eine besondere Warec (Geld), und in Tauschereignissen werden stets nur G¨uter gegen Geld ge-tauscht.2 Dann kann man von Preisen (im Unterschied zu Austauschrela-tionen) sprechen. Allerdings h¨angt die Bedeutung des Begriffs vom theore-tischen Kontext ab. Einerseits kann man im Rahmen von Modellen Preise konstruieren; wir sprechen dann vonModellpreisenoderBewertungen. An-dererseits kann man sich aufMarktpreise beziehen, also auf Preise, die bei realen Transaktionen vereinbart und gezahlt werden.3Eine weitere Unter-scheidung bezieht sich auf das Reden von Marktpreisen. Denn einerseits kann man sich mit dem Begriff auf jeweils spezifische Transaktionen bezie-hen; aber dann gibt es nicht f¨ur jede G¨utersorte einen bestimmten Markt-preis, sondern sowohl die G¨utermengen als auch ihre Marktpreise weisen zwischen den Transaktionen mehr oder weniger große Unterschiede auf.

Andererseits kann man eine statistische Betrachtungsweise einnehmen und sich auf durchschnittliche Marktpreise w¨ahrend einer gewissen Zeitperiode beziehen. Wir sprechen im ersten Fall vonindividuellen, im zweiten Fall vonstatistischen Marktpreisen. Nat¨urlich bilden individuelle Marktpreise das Ausgangsmaterial f¨ur die Konstruktion statistischer Marktpreise. Der Konstruktionsprozess verl¨auft dabei im Prinzip genauso, wie es zu Beginn dieses Abschnitts f¨ur nicht-monet¨are Transaktionen dargestellt worden ist.

Wenn im folgenden ohne Zusatz von Marktpreisen gesprochen wird, sind stets statistische Marktpreise gemeint.

7.Es ist bemerkenswert, dass sich bei Marktpreisen das oben erw¨ahn-te Transitivit¨atsproblem nicht serw¨ahn-tellt. Denn wenn Tauschereignisse, in de-nen direkt Mengen eines Gutes gegen Mengen eines anderen Gutes aus-getauscht werden, nicht mehr stattfinden, entf¨allt gewissermaßen die em-pirische Grundlage, um Intransitivit¨aten feststellen zu k¨onnen. Man kann sogar zu jedem System von Marktpreisen auf einfache Weise ein System transitiver Austauschrelationen konstruieren. Sei n¨amlich pi der Markt-preis f¨ur das Gut ci. Dann kann man Austauschrelationen

uij := pi

pj

definieren und folgendermaßen interpretieren:uij ist die Menge des Gutes cj, die sich – monet¨ar vermittelt – gegen eine Einheit des Gutes ci

aus-2Geld ist bei dieser Betrachtungsweise eine spezifische G¨utersorte, die dem Zweck dient, monet¨are Austauschprozesse zu vermitteln. Man kann zwar im Rahmen von Mo-dellen die Preise der G¨uter durch Einheiten beliebiger anderer G¨uter (oder auch durch Arbeitszeit) ausdr¨ucken, die dann als

Num´eraire“ (L. Walras) verwendet werden. Da-durch werden aber diese G¨uter nicht zu Geld.

3Das Wort ‘Transaktion’ bezieht sich hier und im folgenden auf Austauschereignisse, in denen eine bestimmte Menge eines Guts gegen einen bestimmten Geldbetrag ihren Besitzer wechselt.

tauscht. Diese konstruierten Austauschrelationen sind offensichtlich tran-sitiv, denn:

uijujk = pi

pj

pj

pk

= pi

pk

= uik

So gelangt man zu der Schlußfolgerung, dass sich eine Menge monet¨ar ver-mittelter Austauschereignisse immer in einem (fiktiven)

”wirtschaftlichen Gleichgewicht“ befindet.

8.Zur Vermeidung von Mißverst¨andnissen sei darauf hingewiesen, dass die hier verwendete Definition eines

”wirtschaftlichen Gleichgewichts“ keines-wegs alle Vorstellungen erfasst, die in den Wirtschaftswissenschaften mit diesem Konzept verbunden werden. Eine dieser weiteren Vorstellungen be-zieht sich darauf, dass G¨uter angeboten und nachgefragt werden. Um ein rudiment¨ares Verst¨andnis der damit verbundenen Probleme zu gewinnen, erweitern wir die bisherigen ¨Uberlegungen und stellen uns vor, dass sich bestimmte Mengen der G¨uterc1, . . . , cn im Besitz von Akteuren befinden.

Um zu einem m¨oglichst einfachen Modell zu gelangen, werden folgende Annahmen getroffen:

a) Es gibtnAkteure, auf die durch die Symboleω1, . . . , ωnverwiesen wer-den kann. Jeder Akteur ist im Besitz einer bestimmten Menge genau einer G¨utersorte, und zwar besitztωi die Mengesi der G¨utersorteci. b) Jeder Akteur ist bereit, die gesamte G¨utermenge, die er besitzt, zum Tausch anzubieten.4 Das Angebot l¨asst sich also durch einen Vektor

s := (s1, . . . , sn)0 repr¨asentieren.

c) Jeder Akteur m¨ochte durch den Tauschprozess in den Besitz bestimm-ter Mengen der insgesamt vorhandenen G¨uter gelangen, so dass die Nachfrage nach G¨utern durchωi durch einen Zeilenvektor

di := (di1, . . . , din) repr¨asentiert werden kann.

Somit stellen sich zwei Fragen: Sind Angebot und Nachfrage ¨uberhaupt vereinbar? Und, wenn dies der Fall ist, gibt es Marktpreise, zu denen der Austausch stattfinden k¨onnte?

9.Die erste Frage kann leicht beantwortet werden. Vereinbarkeit ist dann gegeben, wenn f¨ur jede G¨utersortecj die Gleichung

n

X

i=1

dij = sj (7.1.1)

4Das ist keine Einschr¨ankung, denn man kann sich vorstellen, dass die f¨ur den Eigen-verbrauch bestimmen G¨uter bereits abgezogen worden sind.

gilt. Denn auf der linken Seite steht die gesamte Nachfrage, auf der rechten das gesamte Angebot f¨ur die G¨utersortecj. Dies soll im folgenden voraus-gesetzt werden, um die zweite Frage zu ¨uberlegen. Die Frage bezieht sich darauf, ob es Modellpreise

p := (p1, . . . , pn)0

gibt, so dass das Angebot und die Nachfrage auch dann vereinbar sind, wenn sie mit solchen Preisen bewertet werden.

10.Betrachtet man den Preisvektor p als eine zun¨achst unbestimmte Gr¨oße, kann man eine hypothetische Gegen¨uberstellung vornehmen. Auf der einen Seite kann man jedem Akteur ωi einen hypothetischen Geld-besitz vonsipi Geldeinheiten zurechnen. Auf der anderen Seite ben¨otigt ωi Geld, um die G¨uter, die er haben m¨ochte, kaufen zu k¨onnen, n¨amlich:

di1p1+. . .+dinpn. Vereinbarkeit setzt also voraus, dass folgende Glei-chungen erf¨ullt sind:

n

X

j=1

dijpj = sipi (7.1.2)

Um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen das der Fall ist, ist es n¨utzlich, die Matrixschreibweise zu verwenden. Definiert man n¨amlich eine MatrixZ= (zij) durchzij :=dij/si, kann man die Gleichungen (7.1.2) in folgender Weise zusammenfassen:

Z p = p (7.1.3)

Hieraus sieht man, dass es eine L¨osung nur dann geben kann, wenn einer der Eigenwerte der MatrixZgleich 1 ist. Dies folgt jedoch bereits aus der in (7.1.1) formulierten Annahme, dass Angebot und Nachfrage in Form von G¨utern miteinander vereinbar sind. Denn aus (7.1.1) folgt, dass alle Zeilensummen von Z gleich 1 sind; und infolgedessen hat Z auch einen Eigenvektor gleich 1 (vgl. Anhang A). Als L¨osung erh¨alt man also einen Preisvektor, der zu dem Eigenvektor proportional ist, der zum Eigenwert 1 der MatrixZgeh¨ort. Allerdings handelt es sich um Modellpreise, die auf der sehr restriktiven Voraussetzung (7.1.1) beruhen.

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Im Dokument Methoden der Sozialstrukturforschung (Seite 46-49)