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Maria Steigmann:

Evaluierung der Schmerzausschaltung bei der Kastration männlicher Ferkel unter automatisierter Isoflurannarkose

In Deutschland kann die Kastration von Saugferkeln bis zum 8. Lebenstag noch ohne Anästhesie erfolgen und stellt somit für die Neugeborenen einen stressbelasteten und schmerzhaften Prozess dar (JÄGGIN et al. 2006, ZÖLS et al. 2006). Alternativen zur betäubungslosen Kastration bietet u. a. die Isoflurannarkose, die in der Schweiz schon mehrfach erfolgreich getestet wurde (WALKER et al. 2004, HODGSON 2006, BURREN und JÄGGIN 2008, KUPPER et al. 2009).

In der Zeit von März bis Dezember 2009 wurden im Schweinebestand des Lehr- und Forschungsgutes Ruthe der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Untersuchungen zur Schmerzausschaltung bei der Kastration von Saugferkeln unter automatisierter Isoflurannarkose durchgeführt. Dabei sollte die Praktikabilität und der klinische Einsatz des mobilen automatisierten Narkosesystems PIGNAP® (Fa.

Agrocomp, CH), welches für den Einsatz im Stall konstruiert ist, zur Schmerzausschaltung mit Isofluran evaluiert werden. Zudem sollte der optimale Zeitpunkt für die zusätzliche Applikation des Schmerzmittels Flunixin-Meglumin (Finadyne® RPS) bestimmt werden.

Als Untersuchungsmethoden dienten neben der klinischen Befunderhebung von Allgemein- und Kreislaufstatus das EKG zur Beurteilung von Herzfrequenzveränderungen, die Pulsoxymetrie (EOM) zur Messung der Sauerstoffsättigung des Blutes sowie das EEG zur Bestimmung der Narkosetiefe und Schmerzreaktionen auf die Eingriffe. Postoperative Wundkontrollen wurden in der ersten, zweiten und dritten Woche nach dem Einsatz durchgeführt.

Es wurden 135 Saugferkel untersucht, die zwischen ein und acht Tagen alt waren und zwischen 1,5 und 2,5 kg wogen; sie wurden randomisiert auf die verschiedenen Gruppen verteilt. Dabei erhielt Gesamtgruppe 1 eine Narkose mit Isofluran vor der Kastration, die Gesamtgruppe 2 wurde unter Betäubung lediglich fixiert. Die Ferkel der Gesamtgruppe 3 wurden konventionell ohne Narkose kastriert und in der Gesamtgruppe 4 erfolgte nur eine Fixation ohne Betäubung. Zur Eruierung einer möglichen Schmerzreduktion erhielten Untergruppen der jeweiligen Gesamtgruppe

eine Schmerzmedikation mit Flunixin-Meglumin (Finadyne® RPS) 20 min bzw. 60 min vor der Kastration/Fixation.

Die Verlustrate während der Studie lag bei neun Ferkeln, wobei eines unter der Narkose aufgrund eines Herzstillstands verendete, während acht weitere in der Säugeperiode von der Muttersau erdrückt wurden.

Die Anästhesie mit Isofluran hatte bei den gesunden Ferkeln keinen signifikanten Einfluss auf die Kreislaufparameter; lediglich bei drei hochgradig anämischen Tieren (2,2 %) traten Kreislaufstörungen und verlängerter Nachschlaf auf. In der Gruppe der Kastranden ohne Allgemeinnarkose fielen aufgrund der Belastung erhöhte Puls- und Atemfrequenzen auf.

Unter Isoflurananästhesie waren leichte Zunahmen der arteriellen Sauerstoffsättigung nach der Kastration bei den Ferkeln in Gesamtgruppe 1 zu beobachten; bei den Ferkeln, die ohne Allgemeinanästhesie kastriert wurden, fiel die arterielle Sauerstoffsättigung dagegen ab, dieser Unterschied zwischen den Gesamtgruppen 1 und 3 war hochsignifikant.

Änderungen der Herzfrequenz vor und während der Kastration/Fixation traten bei allen Ferkeln auf, wobei bei den kastrierten Tieren ohne Betäubung Maximalwerte von 300 Herzschlägen/min erreicht wurden; die Herzfrequenzveränderungen dieser Tiere unterschieden sich signifikant von denjenigen der Ferkel aller anderen Gruppen. Bei den kastrierten bzw. fixierten Ferkeln unter Narkose sank die Herzfrequenz im Laufe der Untersuchung dagegen ab. Hier zeigte sich auch eine Abhängigkeit der Herzfrequenz vom Alter und Gewicht der Tiere: die Herzfrequenz war um so höher, je älter und größer die Ferkel waren.

Nach Auswertung mit dem EEG waren 66 % der Ferkel ausreichend anästhesiert, während bei 34 % eine nicht ausreichende Narkosetiefe beobachtet wurde.

Grundsätzlich wurde eine tiefere Anästhesie bei den Ferkeln, die lediglich fixiert worden waren, erreicht. Die Ferkel ohne Schmerzmedikation zeigten eine geringere Anästhesietiefe als die Ferkel der anderen Gruppen, d. h. ohne ein zuvor verabreichtes Analgetikum war die Narkosetiefe geringer. Die deutlich reduzierten Bewegungsartefakte bei den anästhesierten Ferkeln zeigten einen hochsignifikanten Unterschied zu denen der Gruppe der ohne Betäubung kastrierten Ferkel.

Die höchsten Scores für Verhalten und Schmerzreaktionen wurden in der Gruppe der Ferkel, die ohne Betäubung kastriert wurden, ermittelt. Demgegenüber lagen die mittleren Scores für die betäubten und kastrierten Ferkel ausschließlich im niedrigen

Bereich. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren für beide Parameter hochsignifikant.

Die Wundheilung war in der frühen postoperativen Phase (4. – 8. Tag bzw. 11. – 15.

Tag postop) bei den nicht anästhesierten Tieren besser als bei denen unter Narkose kastrierten, diese wiesen mehr eitrige Entzündungen im Wundgebiet auf, allerdings wurde bei den abschließenden Wundkontrollen dieser Unterschied nicht mehr beobachtet.

Die Analgesie vor der Kastrationseinleitung wirkte sich positiv auf die Narkosetiefe aus. Bei der Evaluation des günstigsten Applikationszeitpunktes fanden sich allerdings keine signifikanten Unterschiede zwischen einer Analgetikumgabe 20 Minuten oder 60 Minuten vor der Kastration. Ein Mindestzeitraum von 20 Minuten sollte aber trotzdem eingehalten werden, um bereits zum Kastrationszeitpunkt einen gewissen Wirkspiegel im Gewebe zu garantieren.

Insgesamt hat sich anlässlich der Saugferkelkastration die Allgemeinanästhesie mit Isofluran in Verbindung mit einer Analgesie mittels NSAID hinsichtlich einer sicheren Schmerzausschaltung und erheblichen Reduktion der Stressbelastung als positiv erwiesen. Das verwendete automatisierte Narkosegerät PIGNAP® eignet sich allerdings nur für Ferkel in dem Gewichtsbereich zwischen 1,5 kg und maximal 2,5 kg aufgrund der vorgegebenen Größen von Fixationseinrichtung und Narkosemaske sowie des nicht genauer zu beeinflussenden Narkosevorganges. Um einen routinemäßigen Einsatz in der Praxis zu rechtfertigen und den günstigsten Applikationszeitpunkt für das Analgetikum zu bestimmen, sind weiterführende Untersuchungen angezeigt.