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5 DISKUSSION

5.3 Klinische Befunde

5.3.5 Verhalten und Schmerzreaktionen

Große Unterschiede hinsichtlich des Verhaltens und der Schmerzreaktionen zeigten sich zwischen den Gesamtgruppen 1 und 3, d. h. dass die Isoflurannarkose einen wesentlichen Einfluss auf diese Parameter hatte. Der größte Teil der betäubten Ferkel mit Kastration aus der Gesamtgruppe 1 wies weder Schmerzrektionen noch Lautäußerungen oder schmerz- bzw. aufregungsbedingte Bewegungen auf.

Die Ferkel, die konventionell ohne Schmerzausschaltung kastriert wurden (Gesamtgruppe 3), zeigten am deutlichsten vermehrte Abwehrbewegungen und Lautäußerungen während der Kastration (HAY et al. 2003). 75 % der Tiere aus dieser Gesamtgruppe wurden mit den maximalen Scores für die Schmerzreaktionen bewertet. Bei 56 % der Tiere, die unter Isoflurannarkose operiert wurden (Gesamtgruppe 1), erfolgte keine Schmerzreaktion. 51 % der Tiere dieser Gruppe

zeigten zudem keine veränderten Verhaltensreaktionen. In den Untersuchungen von WALKER et al. (2004) zeigten 62,5 % (15 aus 24) der mit Isofluran anästhesierten Versuchsferkel keine Schmerz- oder Verhaltensreaktionen, wobei die leicht höheren Werte möglicherweise auch auf die kleinere Kohorte von 24 Ferkeln gegenüber 68 Tieren in der eigenen Untersuchung zurückzuführen sind.

Allerdings wurden bei ca. 30 % der Tiere der Gesamtgruppe 1 Scores zwischen 4 und 12 Punkten als Zeichen einer Schmerzreaktion ermittelt. Möglicherweise lag dies an der vom Narkosegerät vorgegebenen Einleitungszeit von nur 70 sec, andere Untersuchungen empfahlen eine Einleitungsphase von 90 sec. (BURREN und JÄGGIN 2008, KUPPER et al. 2009), sodass noch keine genügende Narkosetiefe erreicht werden konnte und einige Tiere mit Schmerzverhalten und Abwehrbewegungen reagierten. Zudem kann nach EGER (2004) durch das Isofluran selbst eine gezielte vorübergehende Abwehr verstärkt werden. Aus diesem Grund wird bei Schweinen größerer Gewichtsklassen (über 10 kg) statt einer Mononarkose mit Isofluran eine zusätzliche Prämedikation per injectionem empfohlen (METTE 2008), da es bei den schwereren Tieren zu lange dauert bis das Isofluran anflutet.

Die Ergebnisse zeigten hochsignifikante Unterschiede (p < 0,0001) sowohl im Verhalten als auch in den Schmerzreaktionen zwischen den Gesamtgruppen 1 und 3, was den Schluss zulässt, dass eine Anästhesie mit Isofluran einen erheblichen Einfluss auf die Abwehrreaktionen und auch das Schmerzempfinden der Ferkel hat.

Zudem waren bei den betäubten Ferkeln ohne eine analgetische Prämedikation (Gruppe 3) in der Tendenz höhere Scores für das Schmerzempfinden aufgefallen, was auch im EEG bestätigt wurde, denn zu allen drei Messzeitpunkten waren die Scores für die Narkosetiefe niedriger als bei den anästhesierten Ferkeln mit Analgesie. Daraus lässt sich ableiten, dass die Narkose mit Isofluran ohne präoperative Schmerzmedikation, wie sie hier durchgeführt wurde, zum einen nicht ausreichend tief ist und zum anderen das Nozizeption nicht wesentlich reduziert wird.

Eine Isofluran-Narkose anlässlich der Ferkelkastration mit dem automatisiert arbeitenden Narkosegerät ist demnach nur bei zusätzlicher Analgetikagabe effektiv wirksam, wobei bezüglich des Applikationszeitpunkt des Analgetikums (20 oder 60 Min. vor der Kastration) kein wesentlicher Unterschied festzustellen war.

5.3.6 Wundheilung

Besonders bei der 1. Wundkontrolle 4 – 8 Tage postoperativ, aber auch bei der 2.

Wundkontrolle (11. – 15. Tag post op.) traten signifikant mehr Wundheilungs-störungen bei den unter Isofluranbetäubung kastrierten Ferkeln (Gruppe 3) auf. Hier waren die Samenstrangstümpfe post operationem vorübergehend weniger stark kontrahiert als bei den Ferkeln aus den Kontrollgruppen 7, 8, 9 (Kastration ohne Betäubung). Dieses Phänomen wurde auch bei Ferkeln nach Kastration unter Lokalanästhesie von RITTERSHAUS (2009) beschrieben. Diese Gruppen zeigten vermehrte Wundheilungsstörungen in Form von mangelnder Adaption der Wundränder, Austreten geringgradigen eitrigen Sekretes und einer beginnenden Schwellung des Samenstrangsstumpfes. Dagegen traten nach Untersuchungen von SCHULZ (2007) keine signifikanten Unterschiede zwischen den ohne Narkose und den anästhesierten Ferkeln bei den ersten drei Wundkontrollen am 1., 4. und 7. Tag nach der Kastration auf. Hingegen zeigte sich eine signifikant bessere Wundheilung bei den anästhesierten kastrierten Ferkeln gegenüber den Kastraten ohne Isoflurannarkose bei der Verlaufskontrolle 14 Tage post operationem.

Als Wundheilungsstörungen in unseren Versuchen wurden bei 9 von 102 kastrierten Ferkel (8,82 %) eitrige Entzündungen der Operationswunde bis zur Bildung von Abszessen festgestellt, die auch in anderen Untersuchungen eine der häufigsten Komplikation bei der Wundheilung darstellten (DIETZ und LITZKE 2004). Bei den Versuchsgruppen 1-3 fielen sieben von 60 Tieren (10,29 %) mit Wundheilungsstörungen auf, ähnliche Ergebnisse fand auch ZÖLS (2006); die Gabe von Analgetika, wie NSAIDs, förderte die Wundheilung kurz nach der Operation nicht, was auch in der vorliegenden Arbeit beobachtet wurde (ZÖLS 2006, LANGHOFF 2008). Bei den Kontrollgruppen ohne Narkose waren nur zwei von 34 Tieren (5,88 %) betroffen.

Eine Altersabhängigkeit der Wundheilungsvorgänge, wie sie LACKNER (2003) in Form geringerer Wundheilungsstörungen bei jüngeren Ferkeln feststellte, konnte hier wegen der geringen Altersdifferenzen nicht validiert werden; allerdings zeigte die insgesamt niedrige Rate von Wundheilungsstörungen das zu erwartende gute Ergebnis aufgrund des jungen Alters der kastrierten Ferkel. Nach ZANKL (2007) ist

der Heilungsverlauf der Kastrationswunden entscheidend von den Haltungsbedingungen und dem Keimdruck im Betrieb abhängig. Eine Ursache für die eitrigen Entzündungen kann die anfängliche Protrusion der Samenstrangstrümpfe sein. Die Kastrationswunden können durch Schmutz kontaminiert werden, was besonders bei den Ferkeln, die nach der Narkose noch schläfrig sind, ein Risiko darstellt (HEINRITZI 2006). Auch LAHRMANN und Kollegen (2006) beobachteten vermehrt Wundheilungsstörungen und signifikant höhere Verluste bei mittels Injektionsnarkose anästhesierten Ferkeln, insbesondere in der Gewichtsklasse unter 2,3 kg. Allerdings hielten sie die Anästhesie dennoch vor dem Hintergrund der damit erreichten Schmerzfreiheit und des geringen Auftretens ernsthafter Erkrankungen für eine praktikable und tierschutzrechtlich vertretbare Alternative zur betäubungslosen Kastration.

SCHULZ (2007) konnte dagegen weder eine schlechtere Wundheilung infolge der Isoflurannarkose noch einen positiven Einfluss des Meloxicams auf die Heilung feststellen, ähnlich den Ergebnissen von ZÖLS (2006). Bei den Untersuchungen von LANGHOFF (2008) und BARZ (2009) konnte eine Verbesserung der Wundheilung durch Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika ebenfalls nicht nachgewiesen werden.

5.3.7 Einfluss von Flunixin-Meglumin

Eine präoperative Applikation nichtsteroidaler Antiphlogistika reduziert das Ausmaß postoperativer Schmerzen (ZÖLS 2006; LANGHOFF 2008; BARZ 2009). Die alleinige Anwendung eines Antiphlogistikum hat aber keinen wesentlichen Einfluss auf die Schmerzempfindung während der Kastration, nur in Kombination mit einer Allgemein- oder Lokalanästhesie wurde eine derartige Wirkung nachgewiesen (RITTERSHAUS 2009). Dies konnte auch in der vorliegenden Arbeit beobachtet werden, bei der die anästhesierten Ferkel mit präoperativer Schmerzmedikation geringere Schmerzscores während der Kastration aufwiesen als jene, die keine Gabe eines Analgetikums erhalten hatten, allerdings waren diese Unterschiede nicht signifikant. Auch die Ergebnisse von LANGHOFF (2008) bestätigten eine Reduktion kastrationsbedingter Schmerzen bei Ferkeln durch die Gabe von

Nicht-Opioid-Analgetika, wie Flunixin. Ebenso empfahlen HENKE und ERHARDT (2004) die perioperative Analgesie mittels NSAIDs oder Metamizol zur Schmerzreduktion.

Signifikant waren dagegen die festgestellten Unterschiede in der Tiefe der Narkose zwischen den Versuchsgruppen. Die Gruppe 3, in der die Ferkel keine Injektion von Finadyne® RPS vor der Kastration bekamen, wurden mit kleineren Scores für die Tiefe der Anästhesie bewertet. Vermutlich ist dies mit den „Weckreaktionen“

verbunden (MALLY 2002). Die Ferkel ohne vorherige NSAID-Gabe konnten die Schmerzen bei der Kastration offenbar stärker empfinden. Diese Reaktionen ließen sich auch durch die EEG-Aktivierung mit Zunahme von α- und β-Aktivität der EEG-Wellen (SCHWINDEL und STOECKEL 1980, OTTO et al. 1996) sowie den leicht aber nicht signifikant erhöhten Scores für die Schmerzreaktionen bestätigen. EGER (2004) wies darauf hin, dass bei perioperativer Medikation mit Analgetika die Dosierung des Isofluran für eine ausreichende Narkosetiefe reduziert werden kann, d. h. andererseits, dass bei konstanter Dosierung die Narkose tiefer wird.

Bei Tieren, denen zusätzlich zu der Anästhesie ein NSAID appliziert worden war, waren die Kortisolwerte nach der Kastration signifikant niedriger als bei mit und ohne Anästhesie kastrierten Tieren ohne verabreichtes NSAID, was auf eine Reduktion der kastrationsbedingten Schmerzen und der postoperativen Stressantwort schließen lässt (SCHULZ 2007, ZANKL 2007). Die narkotisierten Ferkel ohne vorherige Schmerzmedikation zeigten einen signifikant besseren Wundheilungsverlauf bei der 2. Wundkontrolle zwischen dem 11. und 15. postoperativen Tag als jene, die 20 Min vor der Kastration ein Analgetikum erhalten hatten. Obwohl gerade NSAIDs, wie Flunixin, bei akuten lokalen Entzündungsprozessen antiphlogistisch wirken, ohne dabei die Wundheilung zu stören (MATHEWS 1996), konnte auch in anderen Untersuchungen keine Verbesserung der Wundheilung durch den Einsatz eines Antiphlogistikums (Meloxicam) beobachtet werden (ZÖLS 2004, SCHULZ 2007, ZANKL 2007).

Bezüglich der verschiedenen Applikationszeitpunkte des Analgetikums (Flunixin-Meglumin) vor der Kastration (20 vs. 60 Minuten) im Hinblick auf deren Einfluss auf den Verlauf der Narkose waren keine signifikanten Unterschiede feststellbar.

Tendenziell zeigte sich nur, dass das EEG der betäubten Ferkel vor der Kastration höhere Scores bei der Gruppe der Ferkel, die 20 Minuten vor der Operation eine Medikation mit Flunixin erhalten hatten, aufwies als diejenigen mit der

Analgetikumgabe 60 Minuten vor der Kastration. Hier war bei einigen Tieren eine nur ungenügende Narkosetiefe erzielt worden, während die meisten Ferkel mit einer Prämedikation 20 Minuten vor dem Eingriff eine gute Narkosetiefe erreicht hatten und demzufolge im idealen Narkosebereich kastriert worden waren (WALDMANN et al. 2010). Auch die Scores für Schmerzreaktionen waren bei dieser Gruppe -allerdings nicht signifikant - niedriger, d. h. eine kurz vor dem Eingriff stattfindende Schmerzmedikation hatte einen besseren analgetischen Effekt. Bei der präoperativen Schmerzmedikation unterschiedlicher Präparate wählten auch andere Studien einen ähnlichen Applikationszeitpunkt von 15 Minuten. So hatten SCHULZ (2007) und BARZ (2009) die Wirkung von Meloxicam, ZÖLS (2006) von Meloxicam in Kombination mit Metamizol und LANGHOFF (2008) von Meloxicam und Flunixin untersucht. Die einmalige präoperative Injektion des nichtsteroidalen Antiphlogistikums Meloxicam erwies sich sowohl im Hinblick auf die Schmerzreduzierung als auch aus Praktikabilitätsgründen als die Methode der Wahl (ZÖLS 2006).