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5 DISKUSSION

5.1 Methodenkritik

5.1.1 Versuchsdurchführung

Als Versuchsferkel dienten insgesamt 135 klinisch gesunde Ferkel im Alter zwischen einem und acht Tagen und einem Gewicht zwischen 1,5 bis 2,5 kg, die randomisiert auf die verschiedenen Gruppen verteilt worden waren. Die konventionelle Ferkelkastration wird an Ferkeln im Alter bis zu sieben Tagen und ohne Gewichtsbegrenzung durchgeführt (LINK 2008). Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, dass das Narkosegerät PIGNAP® für Tiere mit einem Gewicht von über 2,5 kg nicht optimal geeignet war, weil sie sowohl für die Fixationsvorrichtung als auch die Atemmaske zu groß waren. Auch bei den kleinen Ferkeln unter 1,5 kg bot das Gerät keine genügende Fixation des Tieres. Obwohl der Hersteller keine Angaben über das Mindestgewicht und –alter der Ferkel für den Einsatz an diesem Gerät macht (AGROCOMP 2008), zeigten die hier durchgeführten Versuche deutlich, dass eine ordnungsgemäße Durchführung der Narkose nur bei Ferkeln zwischen 1,5 kg und maximal 2,5 kg Körpergewicht möglich ist. Dem stehen auch die Ergebnisse anderer Studien nicht entgegen, in denen Ferkel im Alter von zwei bis sechs Tagen, d. h. dann auch mit einem geringeren Gewicht als in der vorliegenden Studie, narkotisiert wurden und somit die oben beschriebene Problematik damit wahrscheinlich nicht beobachtet werden konnte (BURREN und JÄGGIN 2008, KUPPER et al. 2009).

Um eine möglichst große Objektivierbarkeit der Ergebnisse zu schaffen, wurde als Studiendesign eine Randomisierung gewählt, bei der die Versuchstiere zufällig den vier Gruppen mit jeweils drei Untergruppen mit und ohne Betäubung und anschließender Kastration bzw. nur Fixation zugewiesen wurden. Dies bietet den Vorteil, dass randomisierte Studien im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen am aussagekräftigsten bewertet werden (WILLICH 2006) und bei klinischen Studien überwiegend eingesetzt werden (ZÖLS 2006, SCHULZ 2007, ZANKL 2007, METTE 2008).

Zudem sollte die Beurteilung verschiedener, schwer objektivierbarer Parameter, wie Schmerzempfinden oder Wundheilung, von der gleichen Person durchgeführt werden, um auch hierbei eine größtmögliche Vergleichbarkeit der Werte zu erreichen (ZANKL 2007).

HODGSON (2006) führt die für eine Narkose benötigten Mengen von Isofluran für unterschiedlich schwere Saugferkel auf. Tiere mit einem Körpergewicht von 1,36 kg benötigten 0,129 ml Isofluran, im Vergleich dazu mussten die Ferkel mit dem Körpergewicht von 2,27 kg schon 0,181 ml Isofluran erhalten. In der hier durchgeführten Studie wurde die Narkose - vom Narkosegerät automatisch vorgegeben - mit 5 Vol. % Isofluran in Verbindung mit einer Flussrate von 2 l Sauerstoff eingeleitet und zeigte, dass für die kleinen Tiere die Konzentration des Narkosegemisches zu hoch, für die größeren Tiere zu niedrig war, was sich in der Narkosetiefe bzw. an Abwehrbewegungen widerspiegelte. Auf eine Nachdosierung von Isofluran bei den schwereren Ferkel wurde bewusst verzichtet, da sie einerseits nur sehr ungenau durchzuführen ist und andererseits eine Vergleichbarkeit damit nicht mehr gegeben gewesen wäre. METTE (2008) kam nach ihren Studien zu dem Schluss, dass eine reine Isoflurannarkose nur bei Schweinen mit einem Körpergewicht von unter 10 kg empfohlen werden sollte und die Dosierung bei zusätzlicher Sauerstoffzufuhr zwischen 2,24 – 3,38 Vol. % liegen sollte. Die deutlich höhere Konzentration des Narkosegemisches in der eigenen Untersuchung lässt sich damit erklären, dass ein Maximalgewicht der Versuchstiere von 2,5 kg vorlag und die höhere Atemfrequenz und Stoffwechselvorgänge jüngerer und kleinerer Tiere auch einen höheren Bedarf des Narkotikums erfordern (ENSINGER 2005).

5.1.2 Angewandte diagnostische Methoden

Die diagnostischen Methoden, die angewendet wurden, sollten möglichst konkrete, reproduzierbare Ergebnisse zum Schmerzempfinden der Saugferkel während der Kastration unter der Isoflurannarkose liefern. Da Schmerz eine komplexe, individuelle Sinneswahrnehmung darstellt, ist es besonders bei Tieren schwierig, diesen zu messen (SNEDDON und GENTLE 2000). Zwar wurde der Einsatz eher unspezifischer Messgrößen und Parameter, wie Abwehrbewegungen oder die Vokalisation, wie sie auch von anderen Autoren zur Beurteilung von Schmerzen herangezogen wurden (WHITE et al. 1995, PUPPE et al. 2005, RITTERSHAUS 2009, HOPPE 2011), hier ebenfalls verwendet, allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass Ferkel häufig auch Lautäußerungen und Abwehrbewegungen ohne

Bezug zu eigentlich schmerzhaften Prozessen zeigen (HORN et al. 1999). Zudem kann es in der Narkosephase zu unwillkürlichen Exzitationen kommen, die eine vorübergehende gezielte Abwehr verstärken können (EGER 2004) und somit die entsprechend dem Score ermittelten Abwehrreaktionen falsch interpretiert werden können.

Zudem sind diese Messgrößen zum Schmerzempfinden subjektive Parameter im Gegensatz zu den hier auch verwendeten objektiven und präziser auswertbaren Parametern EKG, EEG, Herzfrequenz oder sPO2 und sollten, um eine objektivierbarere Auswertung zu schaffen, vom gleichen Untersucher ermittelt werden. Mit Hilfe der Messung der Herzfrequenz und der peripheren Sauerstoffsättigung kann nicht nur eine gute Narkoseüberwachung erfolgen (SCHMIDT und BISCHOFF 2006), diese objektiven Parameter lassen auch Aussagen über das Schmerzempfinden der Ferkel zu. Herzfrequenzsteigerungen treten so, bedingt durch die Stimulation des Sympathikus oder Ausschüttung von Katecholaminen infolge von Stresszuständen, wie Angst oder Schmerzen, auf (LARSEN 2006). Auch bei Tieren, die sich nicht verbalisieren können, wird die Herzfrequenz zur Erkennung von Schmerzzuständen eingesetzt (SAGER 1993).

Somit ist die Bestimmung der Herzfrequenz eine präzise Methode nicht nur zur Beurteilung der Vitalfunktionen der Ferkel sondern auch zur Schmerzerkennung.

Darüber hinaus provoziert das nicht invasive Verfahren im Rahmen der EKG-Messung keine zusätzlichen Abwehrreaktionen von Seiten des Tieres und ist eine leicht durchzuführende Methode mit objektivierbaren Ergebnissen (HOPPE 2011).

Die Messung der Sauerstoffsättigung und Pulsfrequenz mittels Pulsoxymetrie erwies sich besonders bei den willkürlichen Bewegungen oder starken Exzitationen als schwierig oder nicht möglich, da die Größe und Fixationsmöglichkeit des Sensors nicht optimal waren (HOPPE 2011). Einschränkend bezüglich der Werte der arteriellen Sauerstoffsättigung muss auch erwähnt werden, dass das verwendete Gerät bei einem systolischen Blutdruck unter 70 mmHg nicht mehr korrekt funktioniert (ERHARDT und HENKE 2002). Mit der infraroten Methode für die Messung der sPO2 gibt es den Nachteil nicht (CLARKE 2013).

Das in dieser Arbeit zusätzlich verwendete Elektroenzephalogramm ermöglichte eine Beurteilung der Tiefe der Anästhesie (Grad der Hypnose) (ROSE et al. 1972,

SCHNEIDER und BOKLISCH 1980, HARTUNG et al. 2002, ERHARDT et al. 2004) sowie die Feststellung von Bewegungsartefakten z. B. bei der Emaskulation (WILHELM et al. 2006). Die optische Auswertung des Roh-EEG-Signals anhand der EEG-Scores für die Narkosetiefe und Bewegungsartefakte erlaubte nur eine Semiquantifizierung, allerdings machte die Beurteilung durch die immer gleiche Person eine bessere Vergleichbarkeit möglich. Durch die starken Abwehrreaktionen besonders wacher Tiere waren deren Hirnströme nicht auswertbar (HOPPE 2011).

Hinsichtlich der Bewegungsartefakte konnte nicht klar differenziert werden, ob die Bewegungen als Reaktion auf die Kastration bewusst ausgeführt wurden oder reflektorisch bedingt waren, weshalb eine Reflexprüfung zur Bestimmung des Bewusstseinszustand, wie sie bei SAERS (2005) durchgeführt wurde, sinnvoll erscheint.

Hinsichtlich der doch recht subjektiven Ermittlung der Wundheilung mittels Wundheilungsscore nach LACKNER (2003) schaffte auch hier die Auswertung durch die gleiche Person eine gewisse Objektivierbarkeit. Allerdings wurden die Wundkontrollen nicht an einem festgelegten Tag sondern in einem Zeitraum von mehreren Tagen durchgeführt, was wiederum in der Interpretation der Ergebnisse zu gewissen Unsicherheiten führen kann (HOPPE 2011).