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Die wesentlichen Bewertungen der Ergebisse sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst (Tab. 4.20)

Tab. 4.20: Darstellung der Supplementierungseffekte für die Untersuchungsparameter Carnitin im Plasma, Herzfrequenz und Lactat

Parameter Zeitpunkt Effekt

Plasmacarnitin

Gesamtcarnitin ST 2 u. 3: R, S, E C+ ↑ Freies Carnitin ST 2 u. 3: R, S, E C+ ↑ Acylcarnitin / freies Carnitin ST 1: E C+ ↑ Herzfrequenz

Ruhe ↔

ST, absolut (Mittelwerte) ↔

ST, Differenzen ↔

EP, absolut (Mittelwerte) ↔

EP, Differenzen ↔

AB, absolut TP 1: 1. AB C- ↑

AB, Differenzen Diff AB 8 – AB 1 C- ↑ (neg.) Diff AB 16 – AB 9: 45 min C+ ↑ (neg.)

IB, absolut 1. IB: G 1 C- ↑

IB, Differenzen ↔

Lactat

ST, absolut ↔

ST, Differenzen ↔

EP, absolut ST 2: 15 min C- ↑

EP, Differenzen ST 2 – ST 1: 15 u. 30 min C+ ↑ (pos.)

↑: größer bzw. höher; ↔: kein Effekt

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5 Diskussion

Aufgrund der Schlüsselrolle von Carnitin bei der Energiebereitstellung in menschlichen und tierischen Zellen, erscheint ein positiver Effekt auf die körperliche Leistungsfähigkeit denkbar. Beim Menschen wird Carnitin bereits als leistungssteigernde Substanz eingesetzt. Über den Einsatz von Carnitin im Pferdeleistungssportbereich liegen in der Literatur Untersuchungen vor, deren Ergebnisse bisher keinen eindeutigen Schluss erlauben. Die Frage ob und bei welcher Belastungsintensität sich eine Carnitinzulage positiv auf die körperliche Leistung auswirkt, bedarf noch der Klärung.

In der vorliegenden Studie sollte überprüft werden, inwieweit sich eine orale Supplementierung von L-Carnitin auf die körperliche Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Herzfrequenz und die Lactatwerte junger Pferde auswirkt. Neben Effekten der Carnitinzulage auf die Herzfrequenz- und Lactatentwicklung unter Ruhe- und Belastungsbedingungen, waren supplementierungsbedingte Veränderungen dieser Parameter in der Erholungsphase von Interesse. Des Weiteren sollte untersucht werden, ob durch die Zulage von L-Carnitin die Carnitinkonzentrationen im Plasma erhöht werden können.

5.1 Kritik der Methode

5.1.1 Pferde

Für die Durchführung der Versuche standen 16 Traber zur Verfügung, die zum Teil von demselben Vater abstammten und unter gleichen Aufzuchtbedingungen gehalten wurden.

Drei Pferde der Kontrollgruppe mussten während der ersten Trainingsperiode aus dem Versuch genommen werden und konnten in der abschließenden Auswertung der Ergebnisse nicht berücksichtigt werden. Weiterhin absolvierte ein Pferd der Carnitingruppe nur die erste Trainingsperiode einschließlich des zweiten Stufentests. Dieses Pferd floss somit nicht in die Auswertung der Ergebnisse der zweiten Trainingsperiode ein. Durch den Ausfall von drei Pferden der Kontrollgruppe lag eine ungleiche Gruppenverteilung mit acht bzw. sieben Pferden (zweite Trainingsperiode) in der Carnitingruppe und lediglich fünf

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Pferden in der Kontrollgruppe vor. Eine größere Versuchstiergruppe mit identischer Gruppenverteilung wäre von Vorteil gewesen.

Mit Ausnahme eines siebenjährigen Pferdes, betrug das Alter der Versuchstiere zwei Jahre. Nach FOSTER et al. (1988) ist beim Pferd eine bedarfdeckende Eigensynthese von L-CarnitinIn erst ab einem Alter von drei Jahren gegeben. Daher erschien eine Supplementierung von L-Carnitin bei den jungen Pferden sinnvoll. Da das siebenjährige Pferd aufgrund seines Alters einen physiologisch höheren Carnitinstatus aufweist, wäre eine Gleichaltrigkeit der Tiere vorteilhaft gewesen. Zudem kam es durch den Ausschluß dieses Pferdes bei der statistischen Auswertung der Carnitingehalte im Plasma und der Herzfrequenzen zu einer weiteren Reduzierung der Probandenzahl in der Kontrollgruppe von fünf auf vier Versuchspferde.

5.1.2 Versuchsdurchführung

Da dieser Versuch als Doppelblindstudie durchgeführt wurde, war eine größtmögliche Objektivität bei der Auswertung und Beurteilung der Versuchsergebnisse gewährleistet.

Das L-Carnitin bzw. das Placebo wurden in einem Gemisch mit Sojaextraktionsschrot und Sojaöl verabreicht, dessen Aufnahme vor der Kraftfuttergabe kontrolliert worden ist. Den Pferden der Carnitingruppe wurde eine tägliche Dosis von 10 g L-Carnitin supplementiert, wobei diese Tagesdosis auf zwei Portionen verteilt wurde. Die Zulagenhöhe von täglich 10 g L-Carnitin erwies sich bereits in den Studien von FOSTER et al. (1988 und 1989b), BENAMOU und HARRIS (1993), HARRIS et al. (1995a) und CHROBOK (2000) als effektiv. Nach einer täglichen Zulage von 15, 30 und 60 g Carnitin konnten FOSTER und HARRIS (1989) bei der Gabe von 30 und 60 g Carnitin nur geringfügig höhere Plasmacarnitinspiegel im Vergleich zu der Zulagenhöhe von 15 g Carnitin beobachten. Die Autoren empfahlen daher eine niedrige, jedoch mehrmalige Supplementierung von L-Carnitin am Tag.

In dieser Studie wurden die Trainingseinheiten und Stufentests auf dem Laufband durchgeführt, was eine Standardisierung der Belastungbedingungen ermöglichte.

Störfaktoren, wie beispielweise eine variierende Bodenbeschaffenheit oder individuelle Beeinflussungen durch den Reiter konnten so ausgeschlossen werden. Da sich das Laufband in einem halboffenen Raum befand, war bei den niedrigen Geschwindigkeiten

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eine Ablenkung aus der Umgebung möglich, bei höheren Geschwindigkeiten konnten exogene Einflüsse jedoch vernachlässigt werden.

LAMBERTZ (1999) beobachtete eine postprandiale Kinetik der Konzentration von Gesamtcarnitin mit einem Maximum sieben Stunden nach der Morgenfütterung bei einer Carnitinzulage von 5 g bzw. vier Stunden bei einer Zulage von 15 g Carnitin. An den Tagen der Stufentests und der Ruheblutprobenentnahme war die Fütterung identisch, wodurch die Effekte der unterschiedlichen postprandialen Kinetik ausgeschlossen werden konnten. Bei den Ausdauer- und Intervallbelastungen hingegen blieb eine tageszeitliche Schwankung der Untersuchungsparameter möglich, da diese Belastungen zu unterschiedlichen Tageszeiten absolviert wurden.

Zu Beginn des dreimonatigen Trainings absolvierten die Versuchstiere auf dem Laufband eine standardisierte Leistungskontrolle in Form eines Stufentests. Um Effekte der Carnitinzulage und Trainingseffekte nach Beendigung der Trainingsperioden beurteilen zu können, erfolgte nach Beendigung der ersten Trainingsperiode und am Ende der gesamten Trainingsdauer ein weiterer Stufentest unter identischen Testbedingungen.

Derartige Tests werden beim Pferd zur Erfassung des aktuellen Leistungspotentials eingesetzt (LINDNER 1997). Die Laufgeschwindigkeiten der Pferde für die Ausdauer- und Intervallbelastungen der ersten Trainingsperiode wurden anhand der Laufgeschwindig-keitskurve individuell bestimmt, die mit Hilfe der erzielten Lactatwerte des ersten Stufentests in Abhängigkeit von der jeweiligen Laufgeschwindigkeit erstellt werden konnte.

Eine lactatgesteuerte Anpassung der Trainingsintensität konnte in der zweiten Trainingsperiode nicht durchgeführt werden, da die anhand der Laufgeschwindig-keitskurve des zweiten Stufentests ermittelten Laufgeschwindigkeiten relativ hoch waren.

Um Lahmheiten vorzubeugen, wurden in der zweiten Trainingsperiode die Laufgeschwindigkeiten der Ausdauer- und Intervallbelastungen der ersten Periode bei jedem Pferd lediglich um jeweils 0,5 m/s pauschal erhöht. Tabelle 5.1 zeigt einige Beispiele der errechneten Laufgeschwindigkeiten für die Ausdauer- und Intervall-belastungen der zweiten Trainingsperiode.

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Tab. 5.1: Laufgeschwindigkeiten für die Ausdauer- und Intervallbelastungen der zweiten Trainingsperiode

Trainingsperiode TP 1 TP 2

errechnet errechnet + 0,5 m/s % d. Errechneten Geschwindigkeit

(m/s) v2 v10 v2 v10 v2 v10 v2 v10

Pferd 6

Belastung AB 5,8 6,9 6,3 91,3

IB 5,8 8,3 6,9 9,3 6,3 8,8 91,3 94,6

Pferd 12

Belastung AB 6 7,3 6,5 89

IB 6 8,8 7,3 10,5 6,5 9,3 89 88,6

Das Pferd 6 hätte bei einer individuellen, lactatgesteuerten Trainingsanpassung in der zweiten Trainingperiode in den Ausdauerbelastungen eine Geschwindigkeit von 6,9 m/s und in den Sprints der Intervallbelastungen eine Geschwindigkeit von 9,3 m/s laufen müssen. Für das Pferd 12 fielen die errechneten Laufgeschwindigkeiten für die zweite Trainingsperiode noch prägnanter aus. In den Ausdauerbelastungen hätte dieses Pferd eine Laufgeschwindigkeit von 7,3 m/s, und in den Sprints der Intervallbelastubgen eine Laufgeschwindigkeit von 10,5 m/s erreichen müssen.

Da keine individuelle, lactatgesteuerte Anpassung der Trainingsintensität in der zweiten Trainingsperiode erfolgte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der neue Trainingsreiz zu niedrig gewählt wurde, um deutliche, mit der ersten Trainingsperiode vergleichbare Trainingseffekte zu erzielen.

5.1.3 Auswahl der Untersuchungsparameter

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Pferde wurden die Lactatkonzentrationen im Blut und die Herzfrequenzen herangezogen. Die Herzfrequenz ist im Unterschied zu den Lactatwerten außer vom Grad der Belastung von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise dem Alter, der Psyche und dem Flüssigkeitshaushalt der Tiere, sowie den äußeren Umwelteinflüssen abhängig. Daher ist die Herzfrequenz nicht immer geeignet, die Belastungsintensität objektiv zu beurteilen. Um Einflüsse der Außentemperatur und Luftfeuchtigkeit auf die Herzfrequenzen, Lactatkonzentrationen im Blut oder auf die

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Schweißverluste ausschließen zu können, wurden diese Parameter bei der statistischen Auswertung der Ergebnisse als Kovariablen berücksichtigt.

Bei der Beurteilung der Effekte einer Carnitinsupplementierung auf die Herzfrequenz– und Lactatentwicklung wäre eine Bestimmung des Carnitingehaltes in der Muskulatur als ein weiterer Untersuchungsparameter vorteilhaft gewesen. In einer Studie von RIVERO et al. (2002) konnte durch die Zulage von Carnitin eine Zunahme des Kapillar-/

Muskelfaserverhältnisses beobachtet werden. Durch die Entnahme von Muskelbioptaten könnte neben der Bestimmung des Carnitingehaltes auch eine mögliche supplemen-tierungsbedingte Verbesserung der Muskeldurchblutung untersucht werden. Im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Muskels ist eine verbesserte Kapillarisierung bei sportlicher Belastung postitv zu werten, da durch eine bessere Versorgung des Muskels mit Sauerstoff und Nährstoffen eine spontane Zunahme der Kraft auftreten kann. Ob sich eine supplementierungsbedingte Verbesserung der Muskeldurchblutung auch unter Wettkampfbedingungen positiv auswirkt, wurde im Rahmen der Studie von RIVERO et al. (2000) nicht untersucht. Langfristig kann durch eine vermehrte Muskeldurchblutung eine anaerobe Stoffwechsellage hinausgezögert und Muskelschäden durch Überbelastung und Übersäuerung reduziert werden. VOLEK (2002) stellte beim Menschen durch die Carnitinsupplementierung eine geringere belastungsinduzierte Muskelfaserzerstörung im Vergleich zur Kontrollgruppe fest. In einer Studie von GIAMBERARDINO et al. (1996) konnten beim Menschen durch die Zulage von Carnitin eine Abnahme der Creatinkinase im Muskel nach extremer Belastung des M. quadriceps beobachtet werden. Auch der Grad der Muskelfaserzerstörung und die Aktivität der Creatinkinase könnten bei der Untersuchung der Muskelbioptate Berücksichtigung finden. Weiterhin wäre die Bestimmung der Aktivität der Enzyme der Atmungskette in der Muskulatur von Interesse, die bei zunehmender Übersäuerung des Muskels mehr und mehr blockiert werden.

HUERTAS et al. (1992) konnten bei Marathonläufern nach einer Supplementierung von L-Carnitin eine Zunahme der Aktivität der muskulären Enzyme der Atmungskette beobachten.

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5.2 Diskussion der Ergebnisse

Im Rahmen dieser Studie war zunächst von Interesse, ob eine tägliche orale Supplementierung von 10 g L-Carnitin zu einem Anstieg der Plasmakonzentrationen von Gesamtcarnitin führt, aus dem die zu untersuchenden Effekte auf die Herzfrequenz- und Lactatentwicklung resultieren könnten. Die zu Trainingsanfang und somit vor Beginn der Supplementierung in beiden Gruppen gemessenen Gehalte an Gesamtcarnitin im Plasma (16,3 µmol/L Carnitingruppe, 17,4 µmol/L Kontrolle) lagen in einem Bereich, der auch von anderen Autoren angegeben wird. FOSTER et al. (1989b) berichteten bei Jährlingen über eine Gesamtcarnitinkonzentration im Plasma von 18,3 µmol/L. LAMBERTZ (1999) ermittelte bei drei- bis fünfjährigen Pferden Konzentrationen an Gesamtcarnitin im Plasma von 25 µmol/L im Tagesmittel, wobei Schwankungen zwischen 18 µmol/L und 40 µmol/L auftraten. In einer Studie von CHROBOK (2000) lagen bei zweijährigen Pferden Gehalte an Gesamtcarnitin im Plasma zwischen 19,6 µmol/L und 25,3 µmol/L vor. Auch die Gesamtcarnitinkonzentration im Plasma des siebenjährigen Pferdes mit 34,2 µmol/L war vergleichbar mit Angaben aus anderen Studien. So ermittelten HARRIS et al. (1995) bei vier- bis siebenjährigen Pferden Gehalte an Gesamtcarnitin im Plasma von 35,2 µmol/L im Tagesmittel mit Schwankungen zwischen 28,6 µmol/L und 43,8 µmol/L. In einer Studie von WITTEK u. SOBIRAJ (2004) betrugen die Konzentrationen von Gesamtcarnitin im Plasma bei fünf- bis dreizehnjährigen Pferden 27,5 µmol/L bis 31,7 µmol/L.

Studien aus der Literatur belegen, dass eine orale Zulage von L-Carnitin zu einem Anstieg der Gehalte an Gesamtcarnitin im Plasma füht. FOSTER et al. (1989b) beobachteten einen 1,8 fachen Anstieg der Konzentration von Gesamtcarnitin im Plasma von 18,3 µmol/L auf 33,9 µmol/L nach der Zulage von 10 g Carnitin jeweils vier bis fünf Stunden vor der Messung. Bei identischer Zulagenhöhe von 10 g Carnitin vier Stunden vor der Messung stellten HARRIS et al. (1995a) eine 1,7- fache Zunahme der Gesamt-carnitinkonzentration im Plasma von 28,5 µmol/L auf 49,1 µmol/L fest. Nach viermonatiger Supplementierung von täglich 10 g Carnitin ermittelte CHROBOK (2000) einen 2,4- fachen Anstieg des Gehaltes an Gesamtcarnitin im Plasma von 25,3 µmol/L auf 63,7 µmol/L. In der hier vorliegenden Untersuchung erhöhte sich die Konzentration an Gesamtcarnitin im Plasma nach einem Supplementierungszeitraum von ca. drei Monaten

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mit einer täglichen Gabe von 10 g Carnitin von 17,9 µmol/L auf 45,7 µmol/L. Es lag somit ein 2,6- facher Anstieg der Gesamtcarnitinkonzentration im Plasma vor. In der Kontrollgruppe konnten keine Unterschiede der Gehalte von Gesamtcarnitin im Plasma über den gesamten Versuchszeitraum beobachtet werden. Die Werte waren mit 19,3 µmol/L zu Beginn des Trainings und 17,9 µmol/L am Ende der dreimonatigen Trainingsdauer annähernd konstant. Diese Beobachtung stimmt mit Untersuchungs-ergebnissen von ARENAS et al. (1991) und BORDIN et al. (1992) beim Menschen überein, die keinen Unterschied in der Konzentration an Gesamtcarnitin im Plasma bei trainierten und untrainierten Menschen belegen konnten.

Die Zulage von L-Carnitin führte beim freien Carnitin auf vergleichbare Weise wie beim Gesamtcarnitin zu einer signifikanten Zunahme der Gehalte im Plasma. Während des gesamten Versuchszeitraumes blieb das Verhältnis von freiem zu Gesamtcarnitin unter Ruhebedingungen in beiden Gruppen annähernd konstant (78 ± 3 % des Gesamtcarnitins als freies Carnitin). Ähnliche Beobachtungen stellten FOSTER et al. (1988) an, in deren Untersuchungen unter Ruhebedingungen 70 bis 80 % des Gesamtcarnitins auf freies Carnitin entfielen. Ebenso konnte CHROBOK (2000) ein annähernd gleiches Verhältnis von freiem Carnitin zu Gesamtcarnitin über eine viermonatige Versuchsperiode feststellen.

In dieser Studie bestanden in Ruhe 77 ± 6 % des Gesamtcarnitin aus freiem Carnitin.

Während der Belastung stieg der Gehalt an Gesamtcarnitin im zweiten und dritten Stufentest bei den mit Carnitin supplementierten Tieren signifikant an. Ein tendenzieller Anstieg des Gesamtcarnitins war sowohl in der Carnitingruppe im ersten Stufentest, und somit vor Beginn der Zulage, als auch bei den Kontrolltieren über den gesamten Versuchszeitraum erkennbar. Auch IBEN et al. (1992) stellten einen Anstieg der Plasmakonzentrationen an Gesamtcarnitin im Verlaufe einer siebenminütigen Trabbelastung bergauf sowohl bei den Pferden, die mit 5 g L-Carnitin täglich supplementiert wurden (von 34,4 µmol/L auf 38 µmol/L), als auch bei den Kontrolltieren (von 23 µmol/L auf 24,2 µmol/L) fest. Weiterhin konnte CHROBOK (2000) im Laufe der Belastungen einen hochsignifikanten Anstieg des Gehaltes an Gesamtcarnitin bei sechs von sieben mit Carnitin supplementierten Pferden beobachten. Eine solche Tendenz war auch bei den Kontrolltieren erkennbar (Anstieg um 8 %).

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L-Carnitin kann innerhalb der Zelle organische Säureester binden und dann unterschiedlich lange Acylcarnitine bilden. Wird die Aufnahmekapazität der Membranen für Acylcarnitine jedoch überschritten, kommt die detergene Wirkung von Acylcarnitinen zum Tragen und in Folge von Mizellenbildung brechen die Membranen auf und werden durchlässig (BILLIGMANN u. SIEBRECHT, 2004). Dieses Leckschlagen der Membranen von Muskelzellen könnte den belastungsinduzierten Anstieg des Gesamtcarnitins im Plasma erklären. Daneben könnte die Ursache dieses Anstieges auch in den Plasmavolumenveränderungen während der Belastung begründet sein. Die belastungsinduzierten Flüssigkeitsverluste (Schweißverluste) könnten neben einem Anstieg des Gesamtproteins im Plasma (APPELT, Dissertation in Vorbereitung), auch zu einer Aufkonzentrierung des Plasmagesamtcarnitins führen. In der eigenen Untersuchung lag in den drei Stufentests ein signifikanter Anstieg der Acylcarnitine während der Belastung in der Supplementierungsgruppe vor, und auch in der Kontrollgruppe konnte ein tendenzieller belastungsinduzierter Anstieg der Gehalte an Acylcarnitinen beobachtet werden. Aufgrund der Funktion des L-Carnitins als Acetylpuffer steigt im arbeitenden Muskel der Bedarf an freiem Carnitin an, was den Abfall an freiem Carnitin im Plasma verursachen könnte. Diese Annahme setzt voraus, dass es einen Aufnahmemechanismus gibt, der eine kurzfristige Aufnahme von L-Carnitin aus dem Plasma in die Muskulatur ermöglicht. Das Vorhandensein eines Transportmechanismus für L-Carnitin in die Muskulatur demonstrierten BAHL et al. (1981) an isolierten Herzmuskelzellen von Ratten.

In einer Studie von LIEDTKE et al. (1982) stellten die Autoren am schlagenden Schweineherzen einen aktiven Transport von L-Carnitin in die Herzmuskelzelle innerhalb von 30 Minuten fest. REBOUCHE (1977) beobachtete bei Ratten einen aktiven Carrier-vermittelten Transport von L-Carnitin in den Musculus extensor digitalis longus. WILLNER et al. (1978) stellten weiterhin fest, dass der Transportmechanismus des Musculus soleus eine höhere Affinität für L-Carnitin aufweist, als der des Musculus extensor digitalis longus, wodurch die unterschiedlichen Carnitingehalte in den roten und weißen Muskelfasern erklärt werden können. Auch VARY und NEELY (1983) wiesen im Herzmuskel von Ratten einen Carrier-vermittelten Transport von L-Carnitin nach YORK et al. (1983) konnten bei Hamstern ein Carnitin-bindendes Protein im Herzmuskel identifizieren.

Diskussion 114

In der vorliegenden Arbeit konnte im ersten und dritten Stufentest eine Abnahme der Gehalte an freiem Carnitin im Plasma beobachtet werden. Lediglich im zweiten Stufentest lagen in der Carnitin- und Kontrollgruppe annähernd konstante Gehalte unter Ruhebedingungen und nach der Belastung vor. Das Verhältnis von freiem Carnitin zum Gesamtcarnitin fiel somit in der Carnitin- und Kontrollgruppe von 78 ± 3 % (vor der Belastung) auf 62 ± 5 % (nach der Belastung). Dieser Abfall war vergleichbar mit den Beobachtungen von CHROBOK (2000), in deren Studie in der supplementierten Gruppe und in der Kontrollgruppe im Mittel ein belastungsinduzierter Abfall des Verhältnisses von freiem zu Gesamtcarnitin von 80 % vor der Belastung auf 60 % nach der Belastung vorlag.

Da jedoch der Quotient Acylcarnitin/freies Carnitin während der Belastung keine Unterschiede zwischen der supplementierten Gruppe und der Kontrolle zeigte, muss an dieser Stelle offen bleiben, ob die endogenen Vorräte an freiem Carnitin vielleicht ausreichend sind, um der Pufferfunktion des L-Carnitins gerecht zu werden, so dass durch eine Supplementierung von L-Carnitin keine weiteren Vorteile mehr erzielt werden können.

Die Gehalte an Gesamtcarnitin, freiem und Acylcarnitin, die unmittelbar nach der Stufenbelastung der Stufentests vorlagen, wiesen keine signifikanten Unterschiede zu den Gehalten auf, die nach den zweistündigen Erholungsphasen ermittelt wurden. In der Gruppe der carnitinsupplementierten Pferde konnte sogar ein weiterer Anstieg der Gehalte an Gesamt- und Acylcarnitin während der Erholungsphase des zweiten Stufentests festgestellt werden. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass der Erholungszeitraum von zwei Stunden nicht ausreichend ist, um die Verhältnisse der Carnitinfraktionen, die unter Ruhebedingungen vorlagen, wieder herzustellen. Übereinstimmende Ergebnisse liegen in einer Studie von CARLIN et al. (1986) vor, in dessen Untersuchungen ein im Vergleich zu den Ruhewerten erhöhter Spiegel an Carnitinestern bei gleichzeitig reduziertem Gehalt an freiem Carnitin nach 75-minütiger und 90-minütiger Erholung nachgewiesen werden konnte. Die Probanden absolvierten zuvor ein Fahrradtraining über 90 Minuten. Im Unterschied dazu stellten HIATT et al. (1989) und SAHLIN (1990) beim Menschen fest, dass nach einer 10- minütigen Belastung hoher Intensität gemessen am Gesamtcarnitinpool des Muskels ~40 % als Carnitin und 60 % als kurzkettiges Acylcarnitin vorlagen (vor der Belastung ~80-90 % Carnitin, 10-20 % kurzkettiges Acylcarnitin und

<5 % langkettiges Acylcarnitin). Diese belastungsinduzierten Veränderungen der

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Carnitinfraktionen in der Muskulatur normalisierten sich während der 60-minütigen Erholungsphase nicht vollständig. Im Plasma hingegen konnten während der Belastung und der Erholungsphase nur minimale Veränderungen in den einzelnen Fraktionen des Carnitins beobachtet werden.

Die Frage, ob eine tägliche orale Supplementierung von 10 g L-Carnitin zu einem Anstieg der Carnitingehalte in der Muskulatur führt, muss offen bleiben, da die Carnitingehalte in der Muskulatur in der vorliegenden Studie nicht untersucht worden sind. Verschiedene Studien belegen einen Effekt der Carnitinsupplementierung auf den Gehalt des Gesamtcarnitins in der Muskulatur. So beobachtete CHROBOK (2000) bei zweijährigen Trabern nach einer fünfwöchigen Zulage von täglich 10 g L-Carnitin eine Zunahme des Gehaltes an Gesamtcarnitin in der Muskulatur (Musculus glutaeus medius) um 50 %. Im Rahmen dieser Studie wurde zudem von RIVERO et al. (2002) neben einer Zunahme des Anteils der Typ II-Fasern bei gleichzeitiger Atrophie der Typ I-Fasern eine Zunahme des Kapillar-/Faser- Verhältnisses dokumentiert. In Untersuchungen bei Ratten führte eine dreiwöchige tägliche Zulage von 100 mg L-Carnitin pro kg Körpermasse zu einer Zunahme des Gesamtcarnitins in der Muskulatur von 4,2 auf 7,56 mmol/kg TM (DECOMBAZ et al.,1990). Einen ähnlichen Anstieg des Gehaltes an Gesamtcarnitin in der Muskulatur von 3,8 auf 6,6 mmol/kg TM verzeichneten HEINONEN et al. (1992), nachdem sie Ratten über einen Zeitraum von sechs Wochen täglich 500 mg L-Carnitin pro kg Körpermasse supplementierten.

Diskussion 116

In dieser Arbeit konnten keine signifikanten Effekte der oralen Carnitinsupplementierung auf die Herzfrequenz- und Lactatentwicklung sowohl während der Belastung und der anschließenden Erholungsphase, als auch unter Ruhebedingungen festgestellt werden.

In der Erholungsphase des dritten Stufentests zum Zeitpunkt 15 min waren die maximalen Herzfrequenzen der Kontrollgruppe zwar signifikant höher als bei den Pferden der Carnitingruppe, dieser Effekt ist jedoch maßgeblich auf das Pferd 5 der supplementierten Gruppe zurückzuführen, welches zu diesem Zeitpunkt eine deutlich niedrigere maximale Herzfrequenz aufwies als bei denselben Zeitpunkten in den vorherigen Stufentests. Auch die Unterschiede zwischen der Carnitin- und Kontrollgruppe in den mittleren Herzfrequenzen zu allen Zeitpunkten der ersten Ausdauerbelastung und in der Galoppphase 1 der ersten Intervallbelastung lassen sich durch die im Vergleich zum Gruppendurchschnitt deutlich höheren mittleren Herzfrequenzen des Pferdes 8 der Kontrollgruppe erklären und sind somit nicht auf einen frequenzmindernden Effekt des Carnitins zurückzuführen. Eine Lahmheit dieses Pferdes 8, welche die Ursache für die hohen Herzfrequenzen darstellen könnte, wurde zu diesem Zeitpunkt nicht beobachtet.

Das Pferd machte insgesamt einen klinisch gesunden Eindruck. Auffallend in diesen

Das Pferd machte insgesamt einen klinisch gesunden Eindruck. Auffallend in diesen