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ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Im Dokument 3. ERGEBNISSE FORENSISCHE PSYCHIATRIE (Seite 192-195)

In der vorliegenden Arbeit wurden zwei Populationen von geschlossen untergebrachten Patienten der Psychiatrie und deren Therapeuten (Psychiater und Psychologen), hinsichtlich Wunsch und Realität verschiedener Aspekte von Patientenautonomie befragt und zueinander in Beziehung gesetzt.

Zur Untersuchung der autonomierelevanten Beziehungsgestaltung wurde das Modell von Emanuel und Emanuel herangezogen. Dieses erwies sich als wenig praxistauglich, da die Beziehungsstile nicht sicher voneinander abgrenzbar sind, sondern auf die zwei Gegensätze Paternalismus und eine Mischung aus informativen, deliberativen sowie interpretativen Stil reduziert werden können. Von Seiten der Therapeuten wird der informative und interpretative Beziehungsstil bevorzugt, der deliberative und paternalistische dagegen abgelehnt, was im Einzelnen durch theoretische Grundlagen der Psychotherapie erklärbar ist. Zudem ist ein starker Einfluss der äußeren Rahmenbedingungen auf die Beziehungsgestaltung anzunehmen, insofern als die Therapeuten mehr Paternalismus praktizieren als sie gerne würden. Die Patienten hingegen lehnen einzig den Paternalismus ab und bevorzugen die anderen Stile. Es wird deutlich, dass sich gemäß der Aufenthaltsdauer und dem Fortschreiten im Therapieprogramm der Kliniken die Einstellungen zu den Beziehungsstilen ändern. So kommt es nach einer Ablehnung des Paternalismus zu einer stärkeren Akzeptanz, um mit der bevorstehenden Entlassung wieder abgelehnt zu werden. Die anderen Stile werden zumeist gegenläufig mehr oder weniger bevorzugt. Im direkten Vergleich werden wohl wegen selektiven Wahrnehmungseffekten bei den Patienten unterschiedliche Einschätzungen der Psychotherapeuten-Patienten-Beziehung deutlich. In der Forensik wird paternalistischer agiert als in der Suchtpsychiatrie. Generell zeigt sich Bezug auf die Beziehungsstile eine weite Bandbreite an Wünschen und Einschätzungen.

Beim Thema Freiheit ist eine Abhängigkeit vom Bildungsgrad der Patienten beobachtbar, wobei sich höher Gebildete als unfreier sehen. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen kommen bei der Hälfte der Patienten vor, wobei die Entscheidungen dazu nachvollziehbar sind.

Lockerungsentscheidungen werden durch die Therapeuten nicht selten auf dem Boden von Intuition gefällt. Bei Bestrafungen zeigen sich Forensikpatienten nicht immer einsichtig und meinen es werde zu viel Einfluss auf ihren Tagesablauf genommen. Innere Unfreiheit im Sinne einer Abhängigkeit des Patienten vom Therapeuten ist nicht zu beobachten. Generell trägt die Therapie zum Abbau innerer Unfreiheit bei. Lügen durch die Patienten als häufiges Phänomen ist wohl als Selbstschutz der Patienten anzusehen. Schweigepflichtverletzungen

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kommen überraschend häufig vor, belasten aber nicht das Vertrauensverhältnis von Patient und Therapeut.

Zum Thema Informiertes Einverständnis zeigt sich eine schlechtere Aufklärung in der Forensik als in der Suchtpsychiatrie. Generell ist von einem prozesshaften Verlauf von Aufklärung auszugehen. Angebote, aus denen ausgewählt werden kann, werden eher nicht unterbreitet. Mit der Behandlung einverstanden zeigten sich die meisten Suchtpsychiatriepatienten und ein Teil der Forensikpatienten, wobei von äußerem Zwang und einer unsicheren Zustimmungsfähigkeit auszugehen ist. Ein Mitspracherecht bei den Therapiezielen findet sich nur bei den Suchtpsychiatriepatienten. Diese sind auch mit dem Einfluss ihrer Wünsche und Nöte auf den Therapieverlauf größtenteils zufrieden, während die Forensikpatienten dies nur zum Teil sind. Gleiches gilt auch für die Zufriedenheit mit der Therapie allgemein. Im Sinne eines Informierten Einverständnis wird nur in der Suchtpsychiatrie aufgeklärt. Die Medikamentenaufklärung dagegen ist in beiden Stichproben gut und sogar besser als in somatischen Kliniken. Mangelnde Zeit seitens der Therapeut ist kein limitierender Faktor für die Patientenautonomie.

Schließlich ist noch zu erwähnen, dass nicht zu viel Einfluss auf Patientenbeziehungen genommen wird. Um ihr Recht auf ein externes Gutachten wissen nur 60% der Patienten, jedoch war das Unwissen nicht der Grund für einen Verzicht auf eine Anforderung. Bei häufigen Gefängnisvorerfahrungen wäre ein Drittel der Patienten lieber im Gefängnis als in der Forensik auch wegen mehr innerer Freiheit dort.

Neben diesen Einzelaspekten sind auch allgemeine Beobachtungen zu berichten. So hat sich die Unterscheidung nach Straftaten als häufig signifikant erwiesen. Bisher fehlt ein allgemeines Konzept, das Straftaten mit Persönlichkeitstypen in Verbindung bringt. Für die Existenz solche Zusammenhänge sprechen diese Daten.

Erwähnenswert sind auch die vorhandenen Extremwerte in allen Bereichen. Die befragten Patienten haben demnach sehr unterschiedliche Wahrnehmungen, was wohl in den Patienten begründet liegt.

Die untersuchte forensische Klinik erweckt den Eindruck die Patientenautonomie nicht hoch zu achten. Es ist allerdings fraglich, ob es an dieser Klinik liegt oder generell in der Spannung zwischen Sicherungsauftrag und Verantwortlichkeit gegenüber dem einzelnen Patienten begründet ist.

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Es ergaben sich auch Anregungen für eine zukünftige Erforschung dieses Themas. So wäre sinnvoll in einer weiteren Untersuchung zu klären wie stark der Einfluss der Rahmenbedingungen auf die Arbeit der Psychiater und Psychologen ist. Hierbei wären Vergleiche zwischen gleichen Berufsgruppen in verschiedenen Tätigkeitsbereichen sinnvoll.

Nach Schjodt unterscheiden sich die Wahrnehmungen von Patienten und Therapeuten in geschlossenen Einrichtungen nur in Nuancen [68]. Vielleicht würden mit einem validierten Fragebogen sich auch ähnliche Ergebnisse einstellen, wofür diese Dissertation als Vorarbeit dienen kann.

Nach Jasper ist „Psychotherapie (…) gebunden an die Wirklichkeit gemeinsamen Glaubens“

([55] S. 663) was als weiteres Argument für eine Untersuchung kultureller Unterschiede im Bezug auf Patientenautonomie gelten kann.

Generell bleibt Patientenautonomie in der Psychiatrie beeinflusst von innerer wie äußerer Unfreiheit sowie von Ansprüchen der Individuen und der Allgemeinheit und bedarf wegen dieses Komplexität weiterer Forschungsanstrengungen.

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Im Dokument 3. ERGEBNISSE FORENSISCHE PSYCHIATRIE (Seite 192-195)