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Therapeutenangaben zu den Themen Schweigepflicht, Intuition, Lügen und

Im Dokument 3. ERGEBNISSE FORENSISCHE PSYCHIATRIE (Seite 182-185)

4. ERGEBNISSE SUCHTPSYCHIATRIE

5.3 Freiheit

5.3.2 Therapeutenangaben zu den Themen Schweigepflicht, Intuition, Lügen und

Wenden wir uns nun also wieder den Therapeuten zu so sind hier lediglich drei Themen zu behandeln. Wir beginnen mit der Schweigepflicht, deren Verletzung zum Wohle des Patienten die Therapeuten nicht richtig finden, sich jedoch sehr wohl Situationen vorstellen können, in denen eine Verletzung zum Wohle des Patienten gewesen wäre. Tatsächlich verletzt haben die Schweigepflicht relativ viele Therapeuten (Fo 45,5%, Su 75%), was aber nicht zum Schaden der Patienten geschehen sei. Im Übrigen haben nicht nur Therapeuten die Schweigepflicht verletzt die meinten, dies könnte zum Wohle des Patienten sein. Ist bei diesen Therapeuten von einer Verletzung des auch für sie gültigen Grundsatzes des Nichtschadens auszugehen?

[10] Zunächst ist eine Schweigepflichtverpflichtung nicht nur entweder zum Schaden oder zum Nutzen des Patienten einzuschätzen, vielmehr ist ein Kontinuum vorzustellen, in dem jede Tat zu verorten wäre, wobei Voraussagen bekanntermaßen schwierig sind. Demzufolge ist einem Therapeuten, der sich nicht vorstellen kann, Schweigepflichtverletzung sei zum Wohle des Patienten, nicht gleich böse Absicht zu unterstellen. Gehen wir angesichts der Häufigkeit nicht von einer Unachtsamkeit aus, so bleibt die Frage nach den Motiven und Umständen dieser Vertrauensbrüche.

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Behandeln wir nun inwieweit Intuition bei Lockerungsentscheidungen eine Rolle spielt, so kann dies auch als Gegenpart zur Nachvollziehbarkeit von Bestrafungen gesehen werden.

Prinzipiell lassen sich die Therapeuten eher nicht von ihrer Intuition leiten, wobei einzelne Therapeuten angeben, dies geschehe ziemlich oft. Insbesondere bei den Suchtpsychiatrietherapeuten lässt sich dieser Hang zur Intuition sehen. Hinter dieser Frage stehen auch Befürchtungen, die Therapeuten könnten ihre Machtposition willkürlich ausüben.

Diese Gefahr ist wohl eher nicht gegeben, denn es ist wohl wahrscheinlicher anzunehmen, hinter der schon zur Anwendung kommenden Intuition stecke etwas anderes als Willkür.

Beim Umgang mit zahlreichen Patienten bildet sich auch eine Erfahrung heraus, die nicht unbedingt rational zu fassen ist und die der Therapeut auch eher als Intuition erlebt. Nach Dörner spielen dabei gute und schlechte Erfahrungen in ähnlichen Situationen eine Rolle14. Entwickelt man sein Handeln aus Erfahrung, einer Grundhaltung und Beziehung heraus so setzt man sich nicht so stark Entscheidungsdilemmas aus, die nicht mehr begründet oder nur durch Anwendung äußerer ethischer Prinzipien gelöst werden können (vgl. [16] S. 86ff.).

Nehmen wir an die Intuition der Therapeuten entspräche der Dörnerschen Mischung aus Erfahrung Grundhaltung und Beziehungsführung, so wäre dies durchaus als positiv zu werten, wobei diese These in einer weiteren Untersuchung zu überprüfen wäre. Dass Intuition im psychiatrischen Alltag eine Rolle spielt ist unbestritten. So zeigte Srivastava auf, dass sich Psychiater in ihrer Diagnosefindung stark von ihrer Intuition leiten lassen und dies aber anderen Methoden nicht unterlegen sei [63]. Dennoch fordert er eine stärkere Diskussion unter den Psychiatern über dieses Thema. Neben dem wäre noch Verortung der Intuition in der klinischen Erfahrung der Psychiater zu untersuchen.

Entgegen der Einschätzung der Patienten zu sich selbst gehen die Therapeuten sehr wohl davon aus belogen zu werden. Die Maßregelvollzugstherapeuten gehen bei 65,4% ihrer Patienten davon aus, wobei sie glauben eher selten als häufig belogen zu werden. Die Suchttherapeuten glauben von 81% ihrer Patienten belogen zu werden und dies häufig. Als Gründe hierfür wird zumeist die Persönlichkeitsstruktur angegeben. Dies und auch die im Freitext geäußerten Bemerkungen würden sich mit der oben geäußerten These decken, das Lügen erfülle bei den Patienten auch die Funktion des Selbstschutzes. Ausdrücklich soll

14 Ein Psychiater berichtete mir im persönlichen Gespräch, dass er sich im Umgang mit Patienten auch davon leiten lasse, ob ihm diese Leid täten oder nicht. Sei dies der Fall so habe der Patient eine Depression, welche für sein Handeln mitverantwortlich zu machen sei.

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erwähnt werden, dass der Glaube durch Lügen schneller wieder in Freiheit zu gelangen keine Rolle zu spielen scheint.

Das Thema Abhängigkeit fördert aus Therapeutensicht nichts Bahnbrechendes zutage, denn generell schätzen die Therapeuten ihre Patienten nicht so ein, als würden sie sich von ihnen abhängig machen. Einen Hinweis auf große innere Unfreiheit finden wir also nicht.

5.3.3 Direkt verglichene Angaben

Wir beginnen auch hier wieder mit dem Thema Schweigepflicht. Auffällig erscheint hier nur, dass die Patienten ihren Therapeuten viel weniger die Verletzung der Schweigepflicht unterstellen, als die Therapeuten glauben sie täten dies. Bei vier tatsächlichen Verletzungen der Schweigepflicht gab nur einmal ein Betroffener dies an. Allgemein gesprochen scheinen Schweigepflichtverletzungen Patienten keine Sorgen zu bereiten, ungeachtet des mit psychischen Erkrankungen verbundenen Stigmas.

Zum Thema Lügen wurde auch schon allerhand erörtert und wir wollen uns nun auf einen Vergleich der Einschätzungen des gegenseitigen Verhaltens konzentrieren. Grundsätzlich schätzen sich die Patienten als ehrlicher ein, als die Therapeuten dies tun. Die Therapeuten schätzen ihre Patienten selten dann als ehrlich ein, wenn die Patienten sie belügen. Auf der anderen Seite glauben sie viel öfter belogen zu werden, ohne dass Patienten dies auch angeben. Wie vertrauenswürdig die Patientenangaben gerade im Hinblick auf Selbstbetrug bei diesen sind, wurde bereits erörtert, sodass die Schlussfolgerung die Therapeuten seien zu misstrauisch nicht unbedingt zutreffend ist. Es stellt sich nun vor allem die Frage, inwieweit dieses Klima des Misstrauens die Patienten-Therapeuten-Beziehung beeinflusst. Es ist vorstellbar, dass unter solchen Voraussetzungen Lockerungsentscheidungen eher nicht gewährt werden, obwohl der Patient den Anforderungen der wieder erworbenen Freiheiten gerecht würde. Diese Überlegungen sind als Anregung für das therapeutische Arbeit zu verstehen, die Problematik des Lügens und des daraus resultierenden Misstrauens zu thematisieren, um ggf. zu einer tragfähigeren gemeinsamen Beziehung zu kommen, zum Wohle der Patientenautonomie.

Schließlich sei noch die Problematik der Abhängigkeit besprochen wobei die Kritik der Methodik bestand hat. Nun stellen wir fest, im Maßregelvollzug schätzen die Therapeuten das

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Ausmaß der Abhängigkeit stärker ein, als die Patienten ihre Therapeuten um Rat fragen und in der Suchtpsychiatrie gibt es Fälle, in denen dies auch der Fall ist und solche, in denen die Patienten die Therapeuten häufiger um Rat fragen als die Therapeuten sie als abhängig einstufen. Letztere Fälle beschreiben schlichtweg die Situation der Beratung nicht abhängiger Patienten. Gehen wir von eine korrekten Einschätzung der Therapeuten aus, so sind erstere Fälle schwieriger zu erklären, gingen wir doch davon aus, die Ratsuche sei Voraussetzung für Abhängigkeit. Wahrscheinlich ist dies dem methodischen Fehler geschuldet.

5.4 Angaben zu den Themen Informiertes Einverständnis, Medikamentenaufklärung

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