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4.2 TNF-α

5.1.8 Zusammenfassende Bewertung

Grundsätzlich ist es demnach möglich und praktikabel, das „Canine IL-10 Quantikine® ELISA Kit“ (Fa. R&D Systems, Minneapolis, USA) zur Ermittlung von IL-10 aus dem Serum von Hunden anzuwenden. Schwierigkeiten hat die Untersuchung gesunder Hunde bereitet und damit die Erstellung von Referenzwerten, denn nur bei fünf von 35 Hunden war eine Konzentration feststellbar, von denen drei zudem noch

unter 15,6 pg/ml und damit in den wenig sensitiven Bereich fielen. Vergleichbare ELISA-Kits für Hunde haben einen ähnlichen oder noch höheren Erfassungsbereich, bei dem zuverlässige Messungen erst ab 100 pg/ml möglich sind. Natürlich stehen noch humane Tests zur Verfügung, wobei man aber bedenken muss, dass die Sequenzhomologie im Vergleich zwischen Mensch und Haushund nur bei 79 % liegt.

Aufgrund der Tatsache, dass die Gesundwerte nicht normalverteilt waren und somit keine verlässlichen Normalwerte erstellt werden konnten, haben wir folglich jede positive IL-10 Konzentration als pathologisch angesehen.

Unter dieser Voraussetzung wurden bei 23,2 % der kranken Hunde positive Konzentrationen gemessen. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen hinsichtlich der IL-10-Konzentrationen festgestellt werden (p = 0,262).

Innerhalb der Untergruppen zeigten sich gehäuft positive Messwerte bei den entzündlichen Erkrankungen, insbesondere im Fall einer Pyometra, was die These unterstützt, dass IL-10 bei hochgradig entzündlichen Prozessen – vor allem bakterieller Ursache - regulierend eingreift. Dabei korrelierte die Höhe der gemessenen Serumkonzentration nicht unbedingt mit der Schwere der Erkrankung bzw. der Prognose ad vitam.

Auch in der Fraktion der Tumorerkrankungen konnte, insbesondere in Bezug auf Mammatumoren, IL-10 ermittelt werden. Hierbei kann der Anstieg von IL-10 auf zwei Wegen begründet werden. Zum einen wird eine Tumorentwicklung von einer Entzündungsreaktion begleitet, wobei IL-10 kompensatorisch agiert, zum anderen wird IL-10 von Tumorzellen selber produziert. Eine Aussage zur Prognose im Zusammenhang mit gesteigerten Werten unterbleibt auch hier. Auch ein Zusammenhang mit der Höhe der Konzentration und der Tumordignität war statistisch gesehen nicht von wesentlicher Bedeutung.

Innerhalb der Lebererkrankungen, die meist degenerativer Natur waren, war IL-10 in zumindest einem Fall erhöht bei einem Hund mit Leberzirrhose, bei dem das Zytokin für einen antifibrotischen Effekt rekrutiert wird.

Sicherlich muss ein größeres Kollektiv an Patienten ausgewählter Erkrankungen untersucht werden, um eine Aussage über den diagnostischen Nutzen dieses Faktors zu treffen. Besonders zur Erstellung von Referenzwerten wäre die Benutzung einer sensitiveren Testmethode zu überdenken. Möglicherweise ist IL-10 allein nicht zuverlässig in seiner Aussagekraft.

5.2 TNF-α

Bei TNF-α stellte sich die Situation anders dar. In den Serumproben der gesunden Kohorte, auf deren Grundlage auch die Haltbarkeitsstudie erstellt werden sollte, war in keinem Fall eine Konzentration messbar und somit auch die Möglichkeit der Evaluierung von Normwerten hinfällig. Als Referenzwert für humanes TNF-α wird der Bereich ≤8,1 pg/ml angegeben (IBELGAUFTS 2017). Für die Veterinärmedizin wurden bislang noch keine Normwerte beschrieben.

In der Gruppe der kranken Hunde konnte in nur vier Fällen ein positiver Wert ermittelt werden. Diese vier Diagnosen sind vereinbar mit einem Anstieg von TNF-α. Bei einem Tumorgeschehen wie dem malignen Trichoepitheliom (0,318 pg/ml) oder dem malignen Melanom (0,152 pg/ml) wird TNF-α produziert, um eine Apoptose der malignen Zellen einzuleiten. Ein dritter Patient litt gleichzeitig an einer Pankreatitis und einer chronischen Niereninsuffizienz (2,69 pg/ml) und musste einige Tage später aufgrund der Schwere der Symptome euthanasiert werden. Eine Infektion mit Anaplasma spp. rekrutiert ebenfalls TNF-α durch ihren Charakter einer bakteriellen Infektion, was eine Erhöhung des Faktors rechtfertigt (0,9 pg/ml). Sämtliche Werte befanden sich unterhalb der kleinsten Detektionskonzentration von 7,8 pg/ml für das canine Testkit respektive 0,5 pg/ml für den humanen High-Sensitivity Test, mit welchem die Probe des Patienten mit dem malignen Melanom gemessen wurde. Die

Ähnlichkeit der exprimierten TNF-α-Proteine beweist die Sequenzhomologie zwischen humanem und caninem TNF-α von immerhin 90,99 % (www.uniprot.org), womit eine Kreuzreaktion wenig problematisch sein sollte.

In der Literatur wird des Öfteren von ähnlichen Fällen mit schwierig detektierbarem Serum-TNF-α berichtet. In einer Studie zur Untersuchung verschiedener Zytokine und TNF-α im Zusammenhang mit dem duktalen Mammakarzinom war der Growth Factor nur geringgradig erhöht in Patienten mit Erkrankung im Vergleich zu gesunden Probanden und eskalierte erst in der Finalphase und bei Metastasenbildung, während IL-6 mit den Graden des Tumorstagings korrelierte (MA et al. 2017). Andere Beispiele erläutern die insuffiziente Messung bei bakteriellen Infektionen. Obwohl TNF-α als früher Marker einer Exposition zu Endotoxin ist, war der Faktor bei Patienten mit Pyometra im Vergleich zu Schwangerschaft, Metöstrus und Anöstrus nicht angestiegen (MACIEL et al. 2014). Zu demselben Ergebnis kam auch KARLSSON et al. (2012), die TNF-α-Konzentrationen zwischen Patienten mit Pyometra mit und ohne SIRS und gesunden Kontrolle verglichen. Sie ermittelten niedrige TNF-α-Werte und keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen (KARLSSON et al. 2012). In einem anderen Fall war TNF-α entgegen aller Erwartungen gar nicht messbar. Hier ging es um Patienten mit hämorrhagischem Fieber und Nierenversagen aufgrund einer Infektion mit Hantaviren (KYRIAKIDIS u.

PAPA 2013).

Wenn TNF-α ein derart potenter Entzündungsmediator ist und auch bei vielen anderen Entitäten eine Rolle spielt, drängt sich die Frage auf, warum dieser Faktor derart schwierig nachzuweisen war. Dazu muss der Charakter des Markers und dessen Kinetik genauer beleuchtet werden. Zytokine sind aufgrund ihrer auto- und parakrinen Effekte zunächst auf lokaler Ebene zugegen. Geraten sie schließlich in den Blutkreislauf, zirkulieren sie meist in sehr niedrigen Konzentrationen, die vom Großteil der Immunoassays schlecht detektiert werden können. Darüber hinaus können sie in unterschiedlichen Molekülformationen vorkommen, z. B. als Mono- oder Trimere, in verschieden glykolysierten Formen, als Vorstufen oder zum Teil im

Abbau befindlich und haben dergestalt eine niedrige oder keine Rezeptoraffinität.

TNF-α ist in seiner aktiven Form ein trimeres, nicht glykolysiertes Molekül.

Weiterhin ist sein biologisches Verhalten interessant. Am Beispiel der Sepsis erklärt, ist TNF-α - wörtlich genommen - das Zytokin „der ersten Stunde“. Es erreicht ein bis zwei Stunden nach Kontakt des Organismus mit Endotoxin bereits seine maximale Konzentration. Systemisch zirkulierendes LPS bindet im Blut an ein spezifisches Lipopolysaccharid-binding Protein. Dieser Komplex wird zum Liganden für den CD14-Rezeptor eines Monozyten oder Makrophagen und vermittelt damit die Sezernierung weiterer pro-inflammatorischer Faktoren. Daneben koordiniert es zusammen mit IL-1, einem ebenfalls frühen Marker der Sepsis, die Symptome des Schockgeschehens wie Schwankungen der Körpertemperatur, Gefäßpermeabilität, Leukozytose oder Azidose. An der Hypophyse bewirkt es die vermehrte Ausschüttung von ACTH. TNF-α bewirkt unter anderem die Freisetzung von IL-6, welches nicht der ursächliche Mediator des septischen Schocks, aber durch Amplifikation in verschiedene Zellen in reichlichem Maße vorhanden ist und ein etwa 100fach sensitiverer systemisch messbarer Marker ist. Im Unterschied zu TNF-α gipfelt die IL-6-Konzentration im Blut etwa nach drei Stunden nach dem Insult und ist für mindestens 24 Stunden messbar, während TNF-α bereits nach vier bis sechs Stunden nicht mehr detektierbar ist. Die im Vergleich dazu gemessene von PBMC exprimierte TNF-mRNA war durch RT-PCR nach zwölf Stunden noch messbar, was ein größeres Zeitfenster für das Aufspüren von TNF-α bietet (SONG et al. 2012).

Die Halbwertszeit des Faktors wird je nach Autor mit fünf Minuten bzw. sechs bis 20 Minuten abgegeben. Der schnelle Abfall von zirkulierendem TNF-α nach Erreichen der maximalen Konzentration ist der Ausschüttung von TNF-Binding-Proteinen geschuldet, die TNF-α neutralisieren und durch Rezeptorbindung nicht mehr für die Detektion verfügbar machen. Darüber hinaus gibt es andere Faktoren, die die Menge des produzierten TNF-α modulieren. Eine verminderte Ausschüttung bewirken z. B.

Glucocorticoide, Pentoxifyllin, Ciclosporin A, Prostaglandine oder ungesättigte Fettsäuren, während andere Mediatoren wie LTB4, PAF, INF-γ, Bradykinin oder

Phospholipase-2 die Sezernierung steigern (TRACEY u. CERAMI 1993). Daneben gibt es Zytokininhibitoren. Natürlich ist auch an antiinflammatorische Zytokine wie IL-10 und IL-4 zu denken, die die Ausschüttung von TNF-α wenigstens zeitversetzt ausbremsen, womit der Detektionszeitraum von TNF-α wiederum verkürzt wird.

Lösliche Rezeptoren können Zytokine binden und deaktivieren im Fall von TNF-α dessen biologische Funktion, weil es nicht mehr an funktionsvermittelnde Rezeptoren binden kann. Auch neutralisierende Autoantikörper wurden für diesen Faktor beschrieben.

Abbildung 11: Faktoren, die die Messung von Zytokinen beinträchtigen können (Quelle: Bienvenu et al. (2000) „The clinical usefulness of the measurement of cytokines“)

Auch bei der Aufbereitung der Proben in der präanalytischen Phase können artifizielle Veränderungen in der Konzentration entstehen. Nach der Blutabnahme kann die zelluläre Produktion von Zytokinen noch anhalten. Andersherum können die Faktoren während der Lagerung durch Proteasen abgebaut werden. Daher ist eine baldmögliche Abtrennung des Serums vonnöten. Eine große Rolle spielt auch die Lagerungstemperatur. Die meisten Autoren berichten im Rahmen ihrer Arbeiten über die Lagerung ihrer Serumproben bei -80°C bis -70°C. Dies wäre in Falle unserer Arbeit als mögliche Fehlerquelle zu berücksichtigen, da wir – gemäß Anleitung des ELISA-Herstellers – die Proben nur bei -≤20°C verwahrt haben. Auch in der Arbeit von KARLSSON et al. (2012) wird beschrieben, dass die Probenlagerung bei -70°C erfolgte, obwohl der Hersteller des dort verwendeten Assays ebenfalls die Lagerung bei -20°C empfiehlt. Die Autoren hatte immerhin niedrige Konzentrationen von TNF-α messen können.

Die oben genannten Einschränkungen gelten natürlich für alle Zytokine, die mittels Immunoassay gemessen werden. Jedoch nimmt TNF-α aufgrund seiner bemerkenswerten kinetischen Eigenschaften eine Sonderrolle ein. Durch das schnelle und frühe Ansteigen des Faktors, seine kurze Halbwertszeit und den rapiden Abfall ist die Analyse auf wenige Stunden zeitnah zum Ausbruch der Erkrankung begrenzt, was den diagnostischen Nutzen vor dem Hintergrund der Fragestellung dieser Arbeit nicht bestätigt.