• Keine Ergebnisse gefunden

2.3 TNFα

2.3.3 TNF-α in der humanmedizinischen Literatur

In zahlreichen Studien wurde der Zusammenhang zwischen der vermehrten Ausschüttung von TNF-α bei adipösen Patienten mit dem Auftreten des Diabetes mellitus Typ II untersucht. Dabei ergab sich, dass die Konzentration von TNF-α stark positiv mit dem Grad der Adipositas, dem body mass index (BMI), dem Grad der Hyperinsulinämie und negativ mit der Lipoproteinlipase-Aktivität korrelierte (HOTAMISLIGIL 1999). Der Mechanismus, der hierbei zugrunde liegt, ist die Inhibition der insulinstimulierten Tyrosinphosphorylierung am Insulinrezeptor IRS-1.

Außerdem hemmt TNF-α die Aktivität der für den insulinstimulierten Glucosetransport essentiellen Phospoinositol-3-Kinase (LIU et al. 1998).

Auch bei immunvermittelten Erkrankungen wurden erhöhte Konzentrationen von TNF-α festgestellt. BIESIADA et al. detektierten bei Patienten mit Colitis ulcerosa in Exazerbation signifikant höhere TNF-α-Konzentrationen im Serum als bei Patienten in Remission (BIESIADA et al. 2012).

Auch in der Synovia von Patienten mit rheumatoider Arthritis wurde unter anderen pro-inflammatorischen Zytokinen TNF-α gemessen (DI GIOVINE et al. 1988). In diesem Rahmen unterhält es die Entzündung und trägt darüber hinaus zur Zerstörung des Gelenkknorpels und der Resorption des Knochengewebes bei. Der Pathomechanismus beruht darauf, dass Antigen-präsentierende Zellen T-Lymphozyten aktivieren. Faktoren wie INF-γ stimulieren indes Makrophagen, die ihrerseits TNF-α, IL-1 und IL-6 ausschütten. TNF-α und auch IL-1 induzieren die Produktion von Kollagenasen und anderer neutraler Proteasen in synovialen Fibroblasten und Chondrozyten im angrenzenden Gelenkknorpel. Diese Enzyme spalten Proteoglykane und Kollagen, was in der Zerstörung des Gelenkknorpels resultiert (AREND u. DAYER 1990). Der Faktor GM-CSF ist dafür bekannt, diese Reaktion zu verstärken, indem er die Expression von HLA-DR auf Makrophagen und anderen APC fördert (ALVARO-GRACIA et al. 1989). In der Synovialzellkultur wurden vermehrt lösliche TNF-Rezeptoren exprimiert, wobei der Gehalt bei

rheumatoider Arthritis im Vergleich zu nicht immunbedingter Osteoarthritis höher war.

Die Rezeptorproteine übten jedoch einen hemmenden Effekt auf TNF-α aus, so dass ein Regulationsmechanismus zur Wahrung der Homöostase angenommen wurde (BRENNAN et al. 1995).

Im Hinblick auf die Rolle des TNF-α beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) wurden kontroverse Ergebnisse ermittelt. Zum Formenkreis der systemischen Autoimmunerkrankungen gehörend ergeben sich unterschiedlichste Lokalisationen der entzündlichen Veränderungen wie Haut, Niere, dem muskuloskelettalen und auch hämatologischen Organsystem (COOPER et al. 2002). In einigen Studien wurde herausgefunden, dass die Höhe der TNF-α-Konzentration mit der Ausprägung bzw. dem Aktivitätsstatus der Erkrankung positiv korreliert (STUDNICKA-BENKE et al. 1996; GABAY et al. 1997). Im Gegensatz dazu stellten andere Quellen keine Korrelation mit steigender Rekrudeszenz des SLE fest, wiederum andere Studien bewiesen höhere Konzentrationen in inaktiven Phasen der Erkrankung. In diesem Zusammenhang wurde TNF-α eine protektive Rolle zugewiesen (GOMEZ et al. 2004;

ZHU et al. 2010). Neben der systemischen wurde auch eine lokale Produktion von TNF-α in den Nieren erkrankter Patienten nachgewiesen, das einen Beitrag zur Ausprägung von SLE leisten kann. HERRERA-ESPARZA et al. (1998) stellten in 52 % der Nierenbiopsien eine erhöhte TNF-α-Expression fest.

Bei der Pathogenese der Psoriasis als immunvermittelte chronische Erkrankung spielt TNF-α neben anderen pro-inflammatorischen Zytokinen eine besonders hervorzuhebende Rolle (BOYMAN et al., 2007). TNF-α interagiert dabei mit INF-γ, welches ebenfalls von aktivierten Lymphozyten freigesetzt wird. Daraus resultieren eine Aktivierung von STAT1 und die Expression nachfolgender Gene, die Aktivierung von NF-κB-Signalwegen, eine Leukotaxis zum Entzündungsherd und eine Vasodilatation. Alle Wirkungen zusammengenommen ergeben die für Psoriasis typischen Läsionen (LEW et al. 2004; LOWES et al. 2004). TNF-α und IFN-γ stimulieren Keratinozyten, die ihrerseits durch Produktion von Zytokinen die Reifung dendritischer Zellen aktivieren. VERGHESE et al. detektierten im Jahre 2011

signifikant erhöhte TNF-α-Serum-Konzentrationen bei Patienten mit Psoriasis gegenüber der Kontrollgruppe.

Auch für die Entwicklung des zentralen Nervensystems ist TNF-α von Bedeutung. Er bewirkt die Apoptose derjenigen Nervenzellen, deren Proliferation nicht ausreichend durch neurotrophe Faktoren wie NGF (nerv growth factor) stimuliert wird (BARKER et al. 2001). Andererseits wirkt TNF-α als ein proneurogenes Zytokin. Er begünstigt die Neurogenese und Axonogenese der Subventrikularzone, eine Reaktion, die TNFR-1-vermittelt ist (BERNARDINO et al. 2008). Eine andere Studie unterstrich den proneurogenen Effekt durch die Erkenntnis, dass sich im Falle der Neutralisierung von TNF-α durch Antikörper unreife neuronale Zellinien nicht zu reifen differenzierten (OBREGON et al. 1999). Bei der Multiplen Sklerose resultiert der TNF-α-Signalweg in einer Demyelinisierung der weißen Substanz, einer gesteigerten entzündlichen Reaktion, einer progressiven Degradation der Axone und einer Gliose (LASSMANN et al. 2007; KEOHANE et al. 2010).

Die Parkinson-Krankheit ist charakterisiert durch massiven Verlust dopaminerger Neuronen im Mittelhirn. Als Ursache der Erkrankung wird die Apoptose von Neuronen der Substantia nigra durch den Anstieg der Konzentration von pro-inflammatorischen Zytokinen und verminderte Konzentrationen von Neurotrophinen genannt. Demnach ist die Parkinson-Krankheit eine Folge neuroinflammatorischer und apoptotischer Zustände (NAGATSU u. SAWADA 2005). REALE et al. (2009) fanden in diesem Zusammenhang erhöhte Serumkonzentrationen bei Parkinson-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Bei der Alzheimer-Krankheit finden sich vermehrt β-Amyloid-Ablagerungen, sogenannte senile Plaques, in Gehirn und Blutgefäßen (MASTERS et al. 1985). β-Amyloid hat in normaler Konzentration eine wichtige Funktion bei der Übertragung neuronaler Informationen. Als Ursache der Erkrankung wird entweder eine Überproduktion des β-Amyloids oder eine Defizienz in der Abbaufähigkeit desselben vermutet. Die amyloiden Plaques sind in der Regel assoziiert mit reaktiven

Astrozyten und Mikroglia, die ihrerseits potente Produzenten vieler pro-inflammatorischer Zyto- und Chemokine und Komplementfaktoren sind (RUAN et al.

2009). Somit wurden auch erhöhte Level von TNF-α in Seren von Alzheimer-Patienten gemessen - sogar signifikant höhere im fortgeschrittenen, klinisch schwerwiegenden Fällen (PAGANELLI et al. 2002; BONOTIS et al. 2008).

Auch in neoplastische Erkrankungen ist TNF-α involviert. Bei Patientinnen mit endometrialen Neoplasien wurden TNF-α in Zellkultur-Überständen aus Kulturen von Tumor-, Metastasen- und Tumorstroma-Zellen nach Hysterektomie gemessen. TNF-α war im Falle der fortgeschrittenen Tumorerkrankung oder bei myometrialer Invasion signifikant erhöht (SMITH et al. 2013). Der im Speichel von Patienten mit dem Plattenepithelkarzinom der Zunge gemessene TNF-α erreichte die signifikant höchsten Konzentrationen bei Probanden mit endophytisch wachsenden Tumoren.

Die mittlere Überlebenszeit war hierbei am kürzesten. Somit konnte TNF-α als prognostischer Faktor für diese Erkrankung ermittelt werden (KOROSTOFF et al.

2011). Im Zusammenhang mit Pankreastumoren, dem duktalen Adenokarzinom sowie dem intraduktalen papillär-muzinen Tumors wurden erhöhte TNF-R1-Gehalte im Serum nachgewiesen. Der TNF-R1 vermittelt die Wirkung von TNF-α, so dass eine hohe apoptotische Aktivität bei Patienten vermutet wird, die an diesen Tumoren leiden. Im Falle der Metastasenbildung beim Adenokarzinom wurden noch höhere Konzentrationen ermittelt, was eventuell eine Differenzierung der kurativen bzw.

palliativen Möglichkeiten erlaubt (PEZZILLI et al. 2010). In einer Studie zum Vergleich verschiedener Zytokinkonzentrationen – darunter auch TNF-α - im Serum bei an nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen erkrankten Patienten von vor und zwölf Wochen nach Chemotherapie ergab sich kein Unterschied in den Gehalten der Zytokine zu den verschiedenen Messzeitpunkten. Jedoch konnte konstatiert werden, dass Werte oberhalb des Medians der TNFα-Ergebnisse mit einer schlechten Prognose assoziiert waren (SU et al. 2011). Bei Patientinnen mit unbehandeltem epithelialem Ovarialkarzinom wurden im Plasma sowohl erhöhte Konzentrationen von TNF-α als auch der sTNF-R detektiert. Die Höhen der Konzentrationen standen dabei in positiver Korrelation mit dem Fortschreiten der Erkrankung, das durch

Staging ermittelt wurde. Auch das Verhältnis zwischen Plasmakonzentrationen von TNF-α und dem löslichen TNF-Rezeptor und dem Therapieerfolg durch chirurgische und chemotherapeutische Behandlung wurde untersucht. Patientinnen mit hohen Gehalten an Plasma-TNF-α und sTNF-Rezeptoren hatten eine signifikant geringere mittlere Überlebenszeit als jene mit geringeren Konzentrationen (DOBRZYCKA et al.

2009).

Die Arbeitsgruppe um KOTHARI untersuchte 2013 Plasmakonzentrationen von TNF-α in verschiedenen Stadien der Reaktion des Organismus auf eine systemische Entzündungsreaktion. Die Stadien waren der aufsteigenden Bedrohlichkeit nach eingestuft in SIRS, Sepsis und septischen Schock. Innerhalb der Gruppen erfolgte eine Einteilung in Überlebende und Verstorbene im Rahmen dieser schweren Komplikationen. Es konnte festgestellt werden, dass TNF-α als Ausdruck der steigenden Fulminanz der Symptome in aufsteigenden Konzentrationen detektierbar war. Auch wurde ein Unterschied hinsichtlich des Ausgangs der Zustände ersichtlich.

Bei Patienten, die innerhalb ihres Aufenthaltes auf der Intensivstation verstarben, wurden ansteigende Konzentrationen des TNF-α gemessen. Andersherum verhielt es sich bei den Überlebenden, bei denen der Gehalt im Plasma kontinuierlich sank.

Zusammenfassend konnte ermittelt werden, dass TNF-α in diesem Zusammenhang als prognostischer Faktor für den Ausgang eines SIRS, einer Sepsis oder eines septischen Schocks dienen kann (KOTHARI et al. 2013)