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4.2 TNF-α

5.1.4 IL-10 bei neoplastischen Erkrankungen

56 Hunde des gesamten Kollektivs litten an neoplastischen Erkrankungen. In 15 Fällen wurde histopathologisch ein benigner Tumor diagnostiziert, wovon bei einem Patienten eine messbare IL-10-Konzentration auftrat. Es handelte sich um eine ältere, unkastrierte Hündin mit multiplen komplexen Mamma-Adenomen. Der Wert lag mit 12,48 pg/ml unter dem kleinsten Standard des ELISA-Tests. Maligne Tumoren wurden bei 41 Hunden festgestellt, wobei bei elf von ihnen erhöhte Serumlevel zu beobachten waren.

Das Immunsystem scheint eine duale Rolle in Tumorentwicklung und –progression zu spielen. Entzündliche Immunantworten, vermittelt u. a. durch pro-inflammatorische Interleukine, sind bei Neoplasien häufig zu beobachten und fördern das Tumorwachstum, während tumorantigenspezifische zytotoxische Zellen die Progression verhindern, aber zumeist nur in geringer Zahl im Tumorgewebe zu finden sind. IL-10 unterstützt dies mit seinen ambivalenten Fähigkeiten: Es hemmt die inflammatorische Immunantwort und aktiviert auf der anderen Seite zytotoxische Zellen, die als Haupteffektoren der Tumorregression bekannt sind. Wie wichtig eine Homöostase pro- und antiinflammatorischer Zytokine ist, zeigt die Tatsache, dass IL-10 als potenter immunsupprimierender Faktor eine Anergie in der Tumorumgebung erzeugen kann, so dass die Abwehr der Tumorzellen durch körpereigene Mechanismen sabotiert wird. Andererseits weiß man, dass in IL-10-Knockout-Mäusen, also IL-10-defizienten Organismen, eine Inflammatory Bowel Disease hervorgerufen wird, die nachfolgend zur Entstehung eines Kolonkarzinoms führt.

Auch Menschen mit Mutation für die Genexpression des IL-10-Rezeptors können im jungen Alter Lymphome entwickeln (OFT 2014).

An Tumorzellen wurde beobachtet, dass sie in der Lage sind, selbständig IL-10 zu produzieren und damit die Immunabwehr des Wirtes zu unterwandern. Berichtet wurden eine IL-10mRNA-Expression und auch in drei von 13 Fällen eine Detektion des Proteins in Zellen des malignen Melanoms und dessen Metastasen (DUMMER et al. 1996). In einer veterinärmedizinischen Studie fand man dieselbe Genaktivität bei einem Hund mit einer Melanommetastase im mandibulären Lymphknoten (CATCHPOLE et al. 2002). In der Kohorte der Tumorerkrankungen dieser Arbeit befanden sich zwei Patienten mit okkulären Melanomen und einer mit oralem Melanom. Bei keinem war ein Anstieg der IL-10-Konzentration zu verzeichnen.

Möglicherweise ist die Erfassung des Faktors im Serum hier nicht die sensitivste Methode.

Dasselbe Phänomen konnte in Zellen des Basalzellkarzinoms dargestellt werden.

KIM et al. entdeckten dort eine starke Genexpression für das IL-10-Molekül (KIM et

al. 1995). Eine andere Arbeitsgruppe detektierte IL-10 per ELISA aus Zellkulturüberständen von renalen, Kolon-, Mamma- und Pankreaskarzinom-Zellinien (GASTL et al. 1993).

Bei 20 Patienten unseres Kollektivs wurden Karzinome diagnostiziert, von denen sieben eine erhöhte IL-10-Konzentrationen aufwiesen. Hier gibt es einen schwach signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe der Hunde, die an einem Karzinom erkrankt war gegenüber der gesunden Gruppe (p = 0,073). Fraglich ist, ob die Neoplasien für die Ausschüttung von IL-10 verantwortlich waren oder ob der Konzentrationsanstieg auf eine lokale Entzündungsreaktion durch den Tumor zurückzuführen war.

Adenokarzinome der Mamma sind eine interessante Unterkategorie der Karzinomgruppe, da sie eine große Bedeutung in der tiermedizinischen Praxis haben. In unseren Beobachtungen waren es elf der 20 Karzinompatienten, und vier davon hatten gesteigerte IL-10-Werte. Mittlerweile gelang es einigen Arbeitsgruppen, zirkulierendes IL-10 im weitesten Sinne als prognostischen Marker für Mammatumoren zu begreifen. In humanmedizinischen Studien war eine erhöhte Serumkonzentration mit einer schlechteren Prognose korreliert (KOZLOWSKI et al.

2003); bei Hunden hingegen wurde bei vermehrtem Vorkommen von IL-10 auf einen günstigeren Krankheitsverlauf geschlossen (MARTINS et al. 2016). Das inflammatorische Mammakarzinom des Hundes ist mit einer sehr schlechten bis infausten Prognose assoziiert und die Überlebenszeit gilt gemeinhin als sehr kurz. In einer Vergleichsstudie zwischen gesunden, Hunden mit benignen Mammatumoren, denjenigen mit malignen und schließlich inflammatorischen Karzinomen zeigten die Patienten in genannter Reihenfolge steigende Werte von IL-10 im Serum (DE ANDRES et al. 2013). Unsere Arbeit konnte diese These leider nicht unterstützen.

Ein Patient mit bestätigtem inflammatorischen Mammakarzinom hatte vergleichsweise niedrige IL-10-Konzentration (5,88 pg/ml). Ein anderer Hund mit ähnlicher Symptomatik aber einer histopathologisch bestätigten eitrig-nekrotisierenden Mastitis und einem komplexen Mammakarzinom ohne

Lymphangiosis carcinomatosa hatte trotz Tumor und Entzündungsreaktion keinen messbaren Serumgehalt des Faktors (siehe Tabelle 6).

Leberzelltumoren wurden von HSIA et al. (2007) im Hinblick auf veränderte Serum-IL-10-Werte untersucht. Die Autoren verglichen humane Patienten mit Hepatitis, nicht-hepatozellulären Tumoren und Leberzellkarzinomen mit einer Gesundgruppe.

Gesteigerte IL-10-Level korrelierten positiv mit dem Vorkommen des hepatozellulären Karzinoms und dessen Größe (HSIA et al. 2007). In Bezug auf noduläre Leberalterationen konnten wir drei Patienten in die Studie aufnehmen. Zwei davon litten an einem hepatozellulären Karzinom und einer an einem Adenom. Bei einem der Hunde mit malignen Veränderungen war ein erhöhter Wert messbar, jedoch unterhalb des kleinsten Standards (9,4 pg/ml).

Dass sowohl humane als auch canine Patienten mit multizentrischem T-Zell-Lymphom (CALVALIDO et al. 2016) bzw. B-Zell-T-Zell-Lymphom (KITABAYASHI et al.

1995) erhöhte Serum-Interleukin-10-Werte aufweisen, fanden außer den genannten bereits verschiedene Arbeitsgruppen heraus. Eine lokale IL-10 mRNA wurde bei Mycosis fungoides nachgewiesen (ASADULLAH et al. 1996). Erneut wurde postuliert, dass IL-10 dabei von entarteten Lymphozyten selber gebildet wird.

CALVALIDO und Kollegen berichteten außerdem, dass erhöhte IL-10-Konzentrationen mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet sind und niedrige Werte bei einer Regression nach Chemotherapie zu verzeichnen sind. An unserer Studie nahmen zwei Patienten mit multizentrischem T-Zell-Lymphom teil, wovon in einem Fall ein messbarer Wert von 14,42 pg/ml zu evaluieren war. Bei einem Hund mit High-Grade-B-Zell-Lymphom und einem anderen mit kutanem Lymphom war kein IL-10 detektierbar.

Das Hämangioendotheliom erfährt auch große praktische Bedeutung bei caninen Patienten. Im Zusammenhang mit serologisch ermittelbarem IL-10 wurde über diese Erkrankung unseres Wissens noch nicht publiziert. Unter den Neoplasie-Patienten

waren auch drei Hunde mit bereits metastasiertem Hämangioendotheliom, wovon bei einem eine messbare IL-10-Konzentration von 29,7 pg/ml feststellbar war.

Patienten mit Mastzelltumoren traten ebenfalls in unserer Klientel auf. Es waren drei Hunde, wovon zwei histo-pathologisch nach PATNAIK et al. (1984) nach Grad I eingeteilt worden sind und kein detektierbares IL-10 im Serum messen ließen. Bei einem dritten Hund mit Mastozytom war eine stark erhöhte IL-10-Konzentration von 603,42 pg/ml ermittelbar. Dieser Tumor ist leider auf Besitzerwunsch nicht näher klassifiziert worden. Bisher liegen keine Veröffentlichungen zu Mastzelltumoren beim Hund im Zusammenhang mit IL-10 vor. Der hohe Gehalt an IL-10 bei diesem Patienten ist womöglich dadurch zu erklären, dass zum Pathomechanismus der Tumorerkrankungen in Bezug auf IL-10 noch die Besonderheit hinzukommt, dass Mastzellen bei Degranulation eine starke Entzündungsreaktion hervorrufen. Zum einen werden leukotaktische Substanzen wie TNF-α sezerniert und zum anderen Entzündungsmediatoren wie Eicosaniode, PAF, und auch proinflammatorische Zytokine. Für die Antwort darauf könnte eine kompensatorische Ausschüttung von Interleukin 10 stehen, die sich derart in der Höhe der Serumkonzentration widerspiegelt.

IL-10 besitzt sowohl pro- als auch antitumorale Effekte. Durch seine Fähigkeit, die Ausschüttung pro-inflammatorischer Zytokine zu verringern und eine Tumorzelllyse zu veranlassen, wirkt es der Tumorbildung entgegen. Weil es aber immunosupressive Effekte auf dendritische Zellen und Makrophagen besitzt, dämpft es die Antigenpräsentation und verhindert damit die Reifung und Differenzierung der Abwehrzellen. Dies wirft die Frage auf, ob das Vorkommen von Neoplasien zwingend mit einer erhöhten IL-10- Konzentration assoziiert sein muss. Einige Arbeitsgruppen verwenden zur Bestimmung von IL-10 Tumorzellhomogenate. Da Zytokine lokal nach Erfordernis produziert werden, ist es im Fall geringer Konzentrationen profitabler, sie am Ort des Geschehens zu messen. Allerdings ist diese Methode aufwändiger als eine Blutabnahme und erfordert wenigstens die Entnahme einer Biopsie.