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2 B EHANDLUNG DES P ROBLEMS IN DER L ITERATUR

2.2 Zum Bewegungsverhalten der schwimmenden Einbaubohle

Die maschinelle Methode des Einbaus und der Verdichtung bituminöser Mischgüter wird seit den 30er Jahren angewendet [271], wobei in den USA andere Philosophien als in Eu-ropa herrschen.

Auf der AVUS in Berlin wurde 1929 ein für die Herstellung von Betonfahrbahndecken geeigneter Fertiger versuchsweise für den Einbau einer Asphalt-Deckschicht eingesetzt.

Die in der Folgezeit entwickelten Geräte waren für die Verteilung des Mischgutes in der geforderten Einbaudicke konzipiert, wurden anfänglich vom anliefernden Transportfahr-zeug geschleppt und erst 1936 mit einem, in der Regel auf Raupenketten wirkenden, eige-nen Fahrantrieb ausgestattet [27].

Die US-amerikanischen Unternehmen Barber-Greene und Blaw-Knox entwickelten par-allel den Finisher mit eigenem Antrieb und einem trogartigen Behälter zur Aufnahme des Mischgutes, um die unweigerlich mit dem Abkippen auf die Straße verbundenen Verdich-tungsunterschiede im Haufwerk ausschließen zu können. So zeigte Barber-Greene auf der Straßenbau-Ausstellung in St. Louis im Jahr 1931 erstmalig ein derartiges Gerät, das von einer Mischanlage gezogen, auf Stahlschienen mit vorher festgelegter Neigung geführt wurde und mit einer Verteilerschnecke zur Ausbreitung des Materials sowie einer Ab-streifbohle für eine Fertigungsbreite von 6,10 m ausgerüstet war [10].

Die Entwicklung verlagerte sich in Richtung Fertiger mit schwimmender Bohle und größe-rer Aufstandsfläche zur Gewährleistung der erforderlichen Tragfähigkeit sowie einem (teilweise) vorgeschalteten Stampfmesser zur besseren Vorverdichtung des Materials. Be-reits 1932 wurden Fertiger mit schwimmend aufgehängter Bohle zum Abstreifen und Ver-dichten des Einbaugutes getestet.

Abb. 6: Modell79 der Barber-Greene-Company aus dem Jahr 1934 [10]

Das 1934 in Produktion gegangene Modell 79 der Barber-Greene Company (Abb. 6) besaß noch keinen Kratzbandförderer, der das Material vom Trog zu den Verteilerschnecken führte, aber die Drehgelenke der Nivellierholme13 wurden auf den Raupenfahrwerksrah-men abgestützt [10] – ein Grundprinzip, das sich bis heute in jedem Fertiger wiederfindet.

Die Maschine führte drei Hauptfunktionen aus, von denen jede einzelne für den gesamten Einbauvorgang von wesentlicher Bedeutung ist: Materialtransport, Materialeinbau und Vorwärtsbewegung.

Unter Berücksichtigung des 1687 von NEWTON als drittem fundamentalen Gesetz der Be-wegung definierten Prinzips actio gleich reactio präsentierte BLUMER [22] rd. 30 Jahre nach der Markteinführung des Modells 79 einen unvollständigen Zusammenhang bez. der Gleichgewichtsbedingung der am Einbauelement angreifenden Kräfte (Abb. 7). Ein Hin-weis auf das Versuchskonzept und die Ergebnisse der dafür erforderlichen umfangreichen, praktischen Untersuchungen findet sich bedauerlicherweise weder hier noch an einer ande-ren Literaturstelle.

G F

v

A=ρ⋅ 2⋅ ⋅sin2α= , (15)

( )

s f v p

p

v = ⋅ ⋅

⋅ ρ

=

α 1 1

sin , (16)

mit A Auftrieb,

G Gewicht des Einbauelementes, F Fläche des Einbauelementes,

p spezifischer Druck des Einbauelementes: p = G/F, s Belagsdicke,

ρ Belagsdichte: ρ = f (1/s), v Arbeitsgeschwindigkeit und α Anstellwinkel.

Abb. 7: Fertiger mit schwimmendem Balken nach [22]; verfasser- seitig ergänzt um α

Der dynamische Auftrieb A befindet sich im Gleichgewicht mit dem Gewicht G des Ein-bauelementes. Als weitere Kräfte sind in Abb. 7 der Widerstand des Materials W sowie die

13 In den wiedergegebenen Literaturstellen werden unterschiedliche Begriffe benutzt: Holm, Nivellierholm, Nivellierarm, Zugarm. Mit der in der Anl. A.1.1 gegebenen Terminologie werden für die sich daran anschließenden Ausführungen einheitliche Begriffe verwendet.

Zugkraft Z am Anlenkpunkt des Holmes angedeutet. Die Funktion der frei schwimmend aufgehängten Bohle hängt folglich von einem Kräftesystem ab, das sich während des Ein-baus im Gleichgewicht befinden muß, um die Ebenflächigkeit des verlegten Mischgutes gewährleisten zu können. Auf die unkontrollierte Abweichung einer Systemkraft wird die Einbaubohle unweigerlich mit einer Höhenkorrektur reagieren.

Nach BLUMERs Ansatz ist die Belagsdicke der Belagsdichte indirekt (s ~ 1/ρ) und dem Sinus-Quadrat des Anstellwinkels direkt proportional (s ~ sin2 α).

YUANJI [268]14 analysiert das Kräftespiel an der Bohle bei der Einstellung der Einbaudicke mit Hilfe der Spindel und beschreibt mit Abb. 8, daß die beiden Holme (2) als Schleppglied fungieren, während die Bohle mit ihrem auf das Mischgut übertragenen Eigengewicht und den anteiligen Holmgewichten in der Einbaustrecke wie ein Ski läuft.

Abb. 8: Prinzipskizze zur Erklärung des Kräftespiels an der Bohle bei der Ein-stellung der Einbaudicke mit Hilfe der Spindel nach [268]; verfasserseitig ergänzt um das Kräftepolygon

1Drehgelenk, 2Holm, 3Spindel, 4Glättblech, AStellort, Nsenkrechte Gegenkraft des Mischgutes gegen die Bohle (Eindringwiderstand), OZugpunkt, PGegenkraft am Gelenkpunkt, QGewicht der Bohle auf den Punkt A, SZugkraft am Gelenkpunkt, S‘Resultierende am Gelenkpunkt, T Reibkraft an der Unterseite des Glättbleches

Wenn die Einstellspindel (3) ihre Position beibehält, läuft die Bohle in einem stabilen Zu-stand auf der Einbauschicht, zu der sich in Einbaurichtung ein Arbeitswinkel α ausgebildet hat. Verbindet man den Mittelpunkt O des Drehgelenkes (1) und Punkt A mit einer geraden Linie, ist A der Stellort, an dem das Gesamtgewicht Q (gesamtes Gewicht der Bohle und anteiliges Gewicht der Holme) an der Unterseite des Glättbleches (4) auf das Mischgut wirkt. Die Gerade O¯¯A bildet zur Bewegungsrichtung einen Winkel γ. Unter konstanten

14 Auszug aus einer Abhandlung mit unbekannter Veröffentlichung (mit freundlicher Überlassung von Herrn Prof. Dr.-Ing. A.ULRICH, FH Köln)

Einbauverhältnissen führt „jede Änderung des Winkels α auch zur Änderung des Winkels γ“ und damit zur Veränderung der Einbaudicke. Der Abstand L zwischen Zugpunkt O und Stellort A darf aufgrund des sehr kleinen Winkels α als konstant betrachtet werden. Zur Erleichterung des Verständnisses soll das in Abb. 8 zusätzlich eingetragene Kräftepolygon dienen.

Im stationären Zustand (v = const.) bilden alle an der Bohle angreifenden Kräfte ein ge-schlossenes Polygon. Die am Zugpunkt O angreifende Resultierende S‘ wird von den grau dargestellten Komponenten P und S gebildet, die Summe der äußeren Momente um O er-gibt sich zu:

0 cos sin

cosγ− ⋅ ⋅ β− ⋅ ⋅ β=

L T L N L

Q , (17)

mit dem Winkel β zwischen der Geraden O¯¯A und der Unterseite des Glättbleches.

Aus T = N · tan p, (18)

mit p als Reibungswinkel zwischen Mischgut und Glättblech, folgt:

(

−β

)

γ

= ⋅

p p N Q

cos

cos

cos . (19)

Wird an der Spindel (3) gedreht, „um den Arbeitswinkel α von α1 auf α2 zu vergrößern, dann wird der Winkel β von β1 auf β2“ reduziert, wobei „(p – β) größer und“ somit

„cos (p – β) kleiner wird. Weil Q und cos p konstant sind und sich der Winkel γ nicht ver-ändert, wenn der Wert N“ in Abhängigkeit von α von N1 auf N2 steigt, wird das Kräfte-gleichgewicht gestört. Um das KräfteKräfte-gleichgewicht wiederherzustellen, muß sich die Rich-tung und Größe der Resultierenden S’ am Zugpunkt verändern, damit der Winkel γ kleiner wird. Unter der Bedingung v = const. ist die Gegenkraft P am Zugpunkt ebenfalls konstant, weshalb die Zugkraft S größer werden muß, damit sich die Bohle heben kann. Steigt die Bohle auf, werden die Winkel α und γ kleiner: das neue Kräftegleichgewicht hat sich mit α3, β3 und γ3 eingestellt.

YUANJI führt weiter aus, daß eine Regelfunktion zur Einstellung der Einbaudicke nur unter der Bedingung β < p, d.h. γ – α < p, gegeben ist. „Je kleiner der Winkel γ ist, desto empfindlicher ist die“ Korrektur der Einbaudicke mit der Spindel (3).

Abb. 9: An der Bohle angreifende Kräfte nach [253]

F1 Zugkraft des Fertigers, F2 Eigengewicht der Bohle, F3 Reibung des Asphaltes gegen die Bohlenunterseite, F4 Versetzungswider- stand, Fr Resultierende

VAN DER STEEN stellt im Jahr 2005 die Kraftwirkung in Form eines geschlossenen Kraft-ecks gem. Abb. 9 dar und weist auf die horizontale und vertikale Komponente der auf das Asphaltmischgut wirkenden resultierenden Kraft Fr hin [253].

In späteren Abhandlungen wurden auch die dynamischen Kraftanteile aus der Stampfer-, Vibrations- und Nachverdichter-Wirkung graphisch berücksichtigt [157, 266].

Barber-Greene veröffentlicht 1972 eine Funktionsgleichung, mit der das „Einschwing-verhalten“15 der Bohle nach einer Höhenänderung des Zugpunktes („senkrechte Stufenan-hebung“) abgeschätzt werden kann:

L x e

y= , (20)

mit y prozentuale Stufenbewegung nach einem zurückgelegten Weg x, x zurückgelegter Weg ab Stufenanhebung und

L Länge des Nivellierarms.

Durch Subtraktion des auf ihr neues Niveau bezogenen Raumverhältnisses der Bohle von der Zahl 1 erhält man den Wert von y in Bezug auf das Ausgangsniveau:

L x e

y=1− . (21)

Mit dem Einsetzen verschiedener Werte von x in Gl. (21) kann nachgewiesen werden, daß nach Durchlaufen einer Nivellierarm-Länge 63,20 %, nach zwei 86,50 %, nach drei 95,02 %, nach vier 98,17 % und nach fünf Längen 99,33 % des neuen Niveaus erreicht werden [10].

ULRICH weist darauf hin, daß der Zeitpunkt der Höhenänderung von anderen Einflüssen, wie der Verdichtung des Materials oder dem Materialfluß unter die Bohle, überlagert wird und demzufolge die Nivellierung nicht ausschließlich von einer Höhenkorrektur an den Zugpunkten bestimmt wird. Die Korrektur der Bohle korreliert mit der Länge des Zug-armes und der zurückgelegten Entfernung [280].

2.3 Einfluß der Mischguttemperatur auf das Bewegungsverhalten der Bohle