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Zulassungsverfahren für Biozide

B. Entwicklungen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

B.7 Gefahrstoffe

B.7.3 Zulassungsverfahren für Biozide

Während mit der REACH-Verordnung die gesetzli-chen Grundlagen für die Regelung von Industrieche-mikalien geschaffen wurden, galten für chemische

Stoffe mit speziellen Anwendungen teilweise bereits zuvor eigene Regelungen. Zu nennen sind hier bei-spielsweise Pflanzenschutzmittel oder Arzneimittel.

Für Produkte mit einer bioziden Anwendung trat am 28. Juni 2002 das deutsche Biozid-Gesetz in Kraft, das im Wesentlichen die zur Umsetzung der Biozid-Produkte-Richtlinie (98/8/EG) erforderlichen Rege-lungen in das Chemikaliengesetz integriert hat. Kern der Neuregelung des Chemikaliengesetzes und damit auch der Richtlinie ist ein Zulassungsverfahren für Biozid-Produkte. Als Biozid-Produkte sind dabei ge-mäß der Definition im Chemikaliengesetz Wirkstoffe und Zubereitungen anzusehen, „die dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, un-schädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu ver-hindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“.

Insgesamt listet die Biozid-Richtlinie 23 verschiedene Produktarten auf, die als Biozide anzusehen sind.

Diese Produktarten lassen sich in vier Gruppen eintei-len:

– Desinfektionsmittel, die z. B. in Krankenhäusern, Küchen, bei Trinkwasserversorgern, in Schwimm-bädern, aber auch in privaten Haushalten einge-setzt werden,

– Schutzmittel wie z. B. Holzschutzmittel, Schutz-mittel für Textilen oder für Metallbearbeitungs-Abb. B 8: Zahl der in der Bewertung befindlichen Wirkstoffe pro Produktart

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Biozid-Produkte für die menschliche Hygiene Desinfektionsmittel im Privatbereich/ öffentliche Gesundheit Biozid-Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich Trinkwasserdesinfektionsmittel Topf-Konservierungsmittel Beschichtungsschutzmittel Holzschutzmittel Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und Polymere Schutzmittel für Mauerwerk Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen Schleimbekämpfungsmittel Schutzmittel für Metallbearbeitungsflüssigkeiten Rodentizide Avizide Molluskizide Fischbekämpfungsmittel Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden Repellentien und Lockmittel Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel Antifouling-Produkte Flüssigkeiten für Einbalsamierung und Taxidermie Produkte gegen sonstige Wirbeltiere

Tabelle Tabelle

XLS-Fassung XLS-Fassung

flüssigkeiten,

– Schädlingsbekämpfungsmittel wie z. B. Insektizi-de oInsektizi-der RoInsektizi-dentiziInsektizi-de (Mittel zur Bekämpfung von Nagetieren),

– „Sonstige“, z. B. Einbalsamierungsmittel oder Antifoulings (Mittel gegen unerwünschte Anlage-rung von Feststoffen z. B. an Schiffen).

Das Biozid-Gesetz regelt, dass Biozid-Produkte in Zukunft nur noch dann vermarktet werden dürfen, wenn sie vorher zugelassen worden sind. Dadurch sollen Produkte mit „unannehmbaren Risiken“ vom Markt genommen und die Risikokommunikation über Etikett und Sicherheitsdatenblatt verbessert werden.

Als Zulassungsstelle wird im Chemikaliengesetz die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Fachbereich 5 „Bundesstelle Chemikalien / Zulassung Biozide“, genannt. Zuständiges Ressort ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). Im Verfahren zur Risiko-bewertung der Biozide sind außerdem verschiedene nationale Fachbehörden beteiligt. Hierbei ist der Fachbereich 4 der BAuA „Gefahrstoffe und biologi-sche Arbeitsstoffe“ zuständig für den Schutz von Arbeitnehmern, die Tätigkeiten mit Biozid-Produkten ausüben.

Das Biozid-Verfahren

Die Bewertung der Biozide ist in drei Phasen unter-teilt:

1. Die Bestandsaufnahme

Bis zum Jahr 2000 war auch in Deutschland kaum bekannt, welche Wirkstoffe in Biozid-Produkten eingesetzt wurden. Die Biozid-Richtlinie sah da-her vor, dass in einem ersten Schritt eine Be-standsaufnahme der Biozid-Wirkstoffe vorge-nommen werden sollte. Hierzu mussten Unter-nehmen melden, welche Wirkstoffe sie in ihren Produkten verwendeten. Die gemeldeten Wirk-stoffe wurden in einer Verordnung aufgelistet, Produkte mit nicht gemeldeten Biozid-Wirk-stoffen dürfen bereits seit 2003 in der EU nicht mehr vermarktet werden bzw. müssen seitdem das Zulassungsverfahren durchlaufen haben, be-vor sie vermarktet werden dürfen.

2. Die europäische Wirkstoffprüfung

Im Jahr 2004 begann die Bewertung der einzelnen Wirkstoffe. Dieses zweistufige Verfahren sieht zunächst eine Bewertung durch eine nationale Behörde vor, die dann im europäischen Rahmen diskutiert und abgestimmt wird. Hierzu mussten Unternehmen Unterlagen einreichen, an Hand de-rer die Behörden bewerten können, ob ein siche-Abb. B 9: Zahl der in Deutschland gemeldeten Biozid-Produkte pro Produktart

1.138

0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000 8.000 Biozid-Produkte für die menschliche Hygiene

Desinfektionsmittel im Privatbereich/ öffentliche Gesundheit Biozid-Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich Trinkwasserdesinfektionsmittel Topf-Konservierungsmittel Beschichtungsschutzmittel Holzschutzmittel Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und Polymere Schutzmittel für Mauerwerk Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen Schleimbekämpfungsmittel Schutzmittel für Metallbearbeitungsflüssigkeiten Rodentizide Avizide Molluskizide Fischbekämpfungsmittel Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden Repellentien und Lockmittel Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel Antifouling-Produkte Flüssigkeiten für Einbalsamierung und Taxidermie Produkte gegen sonstige Wirbeltiere

Tabelle Tabelle

XLS-Fassung XLS-Fassung

rer Umgang mit dem jeweiligen Wirkstoff mög-lich ist. Biozid-Produkte mit Wirkstoffen, für die keine Unterlagen zur Wirkstoffprüfung einge-reicht worden sind, dürfen seit September 2006 nicht mehr in Verkehr gebracht werden.

Anders als bei den Industriechemikalien unter REACH werden bei allen bioziden Wirkstoffen die potentiell gefährlichen Eigenschaften und die Wirksamkeit des Stoffes betrachtet und bewertet.

Im Rahmen der Wirkstoffprüfung müssen daher ausführliche Informationen zu

– der Stoff-Identität, – der Wirksamkeit und

– dem Risiko für Mensch und Umwelt

vorgelegt werden. Außerdem müssen Exposition von Mensch und Umwelt, die sich aus der geplan-ten Anwendung ergeben, berücksichtigt werden.

Welche genaueren Informationen jeweils notwen-dig sind, wird in den Anhängen der Biozid-Richtlinie festgelegt.

Kommen die Behörden bei der Bewertung zu dem Ergebnis, dass eine sichere Verwendung mit dem eingereichten Wirkstoff nicht möglich ist, müssen Biozid-Produkte mit diesem Wirkstoff vom Markt genommen werden. Kann er sicher verwendet werden, wird er in eine „Positivliste“ aufgenom-men.

Ursprünglich sollte die Bewertung der Wirkstoffe bis Mai 2010 abgeschlossen sein; ein ambitionier-tes Vorhaben, das sich nicht realisieren ließ. Da-her wurde die entsprechende Frist in der Biozid-Richtlinie bzw. dem Chemikaliengesetz dahinge-hend geändert, dass das Ende der Bewertungspha-se nunmehr bis Mai 2014 vorgeBewertungspha-sehen ist. Bis Ok-tober 2010 sind 38 Wirkstoffe in die Positivliste

aufgenommen worden

stoff-Verfahrens dürfen Biozid-Produkte nur noch Wirkstoffe enthalten, die sich in o. g. Positivliste befinden (s. a. Abb. B 8).

3. Das nationale Zulassungsverfahren

Aufbauend auf der Wirkstoffprüfung erfolgt das eigentliche Zulassungsverfahren. Ist ein Stoff in diese Positivliste aufgenommen worden, muss an-schließend für Biozid-Produkte mit diesem Wirk-stoff ein Zulassungsantrag gestellt werden. Den Mitgliedsstaaten stehen zwölf Monate zur Prü-fung der Antragsunterlagen und zur Entscheidung über die Zulassung zur Verfügung.

Das Zulassungsverfahren für Biozid-Produkte be-gann Ende Dezember 2008.

Zur Überprüfung eines Produkts müssen Unterla-gen eingereicht werden, die eine Bewertung des von der Verwendung des Produktes ausgehenden Risikos ermöglichen.

Nach der Prüfung und Bewertung der Daten durch die zuständigen Behörden trifft die Zulas-sungsstelle eine Entscheidung über die Zulassung, d. h. für oder gegen das Inverkehrbringen eines Biozid-Produktes. Die Zulassung kann an be-stimmte Auflagen und Bedingungen geknüpft werden, wodurch Bestimmungen für den sicheren Umgang und mögliche Schutzmaßnahmen fest-legt werden. Im Arbeitsschutz sind bei der Aus-wahl der Schutzmaßnahmen die Gefahrstoffe bzw. Expositionen gemäß dem „STOP-Prinzip“

der Gefahrstoff-Verordnung zu vermindern:

- „S“ wie Substitution: Ersetzen der Gefahrstoffe durch weniger gefährliche – oder zumindest in geringerer Menge zu verwendende – Stoffe oder Techniken, die bevorzugt anzuwenden sind.

- „T“ wie Technische Maßnahmen: Verringerung der Exposition durch z. B. geschlossene Syste-me, Lüftung oder ein sicheres Produktdesign, die bei nicht-ersetzbaren Gefahrstoffen umzu-setzen sind.

- „O“ wie Organisatorische Maßnahmen: Die verbleibende Exposition ist durch z. B. räumli-che Trennung, Anwenderschulungen oder einen Hautschutzplan zu reduzieren.

- „P“ wie Persönliche Schutzausrüstung: Die Schutzausrüstung sollte nur zur Verringerung des noch verbliebenen Risikos empfohlen wer-den, da falsche oder falsch angewandte Schutz-kleidung kontraproduktiv wirken kann. Durch die vielgestaltige, ortsunabhängige Anwendung von Bioziden ist eine Schutzausrüstung aller-dings oft unverzichtbar.

Das Meldeverfahren

Das Zulassungsverfahren für Biozid-Produkte hat erst Ende 2008 begonnen, so dass bislang nur wenige Produkte dieses Verfahren durchlaufen haben. Um dennoch eine Marktüberwachung zu ermöglichen, müssen Biozid-Produkte in Deutschland seit 2005 gemäß der Biozid-Meldeverordnung gemeldet wer-den. Diese Meldung ist mit keiner Bewertung verbun-den, sondern dient lediglich der Übersicht über die auf dem Markt befindlichen Biozid-Produkte. Sie ermög-licht eine Überwachung der regelkonformen Risiko-kommunikation, denn für Biozid-Produkte gelten neben den Kennzeichnungspflichten gemäß der CLP-Verordnung und der Pflicht zur

Informationsweiter-gabe in der Lieferkette gemäß der REACH-Ver-ordnung spezielle Regelungen. Gemäß der Biozid-Richtlinie müssen Biozid-Produkte beispielsweise mit Hinweisen zu Wirkstoff und Wirkstoffkonzentration, Angaben zur sicheren Verwendung, Anweisungen zur sicheren Entsorgung und möglichen Nebenwirkungen versehen sein. Außerdem sind verharmlosende Begrif-fe wie „ungiftig“ oder „unschädlich“ nicht zu verwen-den.

Seit 2005 sind der BAuA mehr als 30.000 Biozid-Produkte gemeldet worden. Hierzu zählen auch viele Produkte, die als „antibakteriell“ oder „desinfizie-rend“ beworben werden wie Putztücher, Wandfarben, Müllbeutel oder Waschmittel (s. a. Abb. B 9).

Nähere Informationen zu den gemeldeten Produkten, zum Verfahren und zu Produktzulassungen finden

B.7.4 Nanomaterialien – Auswirkungen einer