• Keine Ergebnisse gefunden

Zielgruppenspezifische Hinweise und Empfehlungen

9   Interviewbefragung zertifizierter Betriebe in Sachsen-Anhalt

11.3   Ableitung von Empfehlungen

11.3.4   Zielgruppenspezifische Hinweise und Empfehlungen

Neben den allgemeinen Grundsätzen und Empfehlungen können auf Basis der Erkenntnisse und Ergebnisse der Untersuchung Empfehlungen und Hinweise zielgruppenspezifisch wie folgt formuliert werden.

Empfehlungen für Betriebe:

Eine Zertifizierung muss, um für den Betrieb erfolgreich zu sein (vgl. Nutzeffekte), folgendem Ablauf folgen:

1. Innerbetriebliche Zieldefinition,

d.h. die gewünschten Ergebnisse der betrieblichen Zertifizierung sind zu bestimmen (und ggf. zu dokumentieren)

2. Planung und Vorbereitung,

d.h. Auswahl des Zertifizierungssystems und Vorgehen für die Umsetzung planen.

Dies schließt u.a. die Prüfung von betriebsinternen Prozessabläufen, Kapazitäten ebenso ein, wie ggf. die Kontrolle des Vorhandenseins notwendiger Unterlagen und Dokumentationsgrundlagen.

3. Umsetzung,

d.h. Durchführung des Zertifizierungsprozesses von der Antragstellung bis zum Erhalt des Zertifikates, kontinuierliche Einhaltung der Zertifikatvorgaben in den laufenden Prozessen sowie (Zwischen-)Auditierungen und Re-Zertifizierungsprozesse 4. Betriebliches Review zur Erfolgskontrolle,

d.h. Bewertung und Überprüfung des betrieblichen Vorgehens (war es effektiv?) und der betrieblichen Umsetzung (war sie effizient?) im Kontext der definierten Ziele (vgl.

Punkt 1).

5. Fallweise Anpassung und Neuausrichtung, d.h. falls im Ergebnis von Schritt 4 notwendig, müssen Prozesse und Maßnahmen korrigiert und/oder angepasst werden!

Hinweise an Systemträger:

Die Hinweise an Systemträger nehmen zunächst Bezug auf die im Rahmen der Untersuchung festgestellten Herausforderungen in der internen und externen Kommunikation sowie den erkannten „Unsicherheiten“ sowohl auf Seiten zertifizierter als auch (noch) nichtzertifizierter Betriebe.

Den Systemträger wird empfohlen, in der Interaktion mit ihren Zertifikathaltern die mit dem Zertifizierungssystem verbundenen strategischen und (politischen) Zielstellungen auf Ebene der Betriebe herunterbrechen, d.h. sie zielgruppenorientiert klar(er) und greifbar zu . Die Zielstellungen der Zertifikate und Systemträger sollten dabei in den Kontext betrieblich (realistisch) erreichbarer und erzielbarer Nutzeffekte gesetzt werden. Wichtig ist bei diesen Kommunikationsprozessen die sogenannte SMART-Regel zu beachten und Aussagen, insbesondere zu Zielen wie folgt zu formulieren:

– Spezifisch (konkret), – Messbar,

– Aktionsorientiert, – Realistisch und – Terminiert.

Unter Bezugnahme auf die in Abschnitt „Ausgewählte Ursachen hemmender Aspekte beim Auf- und Ausbau der Zertifizierung“ 11.3.1 sollten die Systemträger darüber

Projektbericht: Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme 177

Auswertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen

hinaus die dort dargestellten Ursachen hemmender Aspekte beim Auf- und Ausbau der Zertifizierung bei der Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Systembeschreibungen (Revisionen) beachten.

So müssten sich die Systembeschreibungen, sofern relevant unter Berücksichtigung der Vorgaben des internationalen Standards, künftig stärker an „neuen“

Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Herausforderungen orientieren, um ein weiteres „Auseinanderdriften“ von historischer Motivation der forstlichen Zertifizierung und aktuellen Rahmenbedingungen zu verhindern. So sollte zum Beispiel eine angestrebte positive Wirkung der Zertifizierung auf Klimaschutzaspekte in einer erweiterten Betrachtung der Prozesse, die im Zusammenhang mit der Zertifizierungsabläufen erfolgen und sich nicht auf eine primäre Betrachtung des Waldzustand beschränken. Zu berücksichtigen wären hierbei u.a. Verschiebungen in den Beschaffungswegen und -mengen (internationale Märkte), damit verbundene Logistikaufwände und deren klimarelevante Wirkungen, die klimabezogenen Wirkungen einer höheren Holzproduktion bzw. eines erhöhten Holzexportes in den Beschaffungsländern (ökologische, ökonomische, soziale Wirkungen), um nur wenige Beispiele zu nennen.

Derartige Aspekte sollten die Systemträger im Interesse der Stabilisierung und Erhöhung der Akzeptanz ihrer Systeme einerseits bemüht sein, allen an Revisionsprozessen beteiligten Vertretern und Organisationen (auf nationaler wie auf internationaler Ebene) vermitteln, andererseits sollten die Entscheidungsträger in den Revisionsprozessen ein entsprechendes (Selbst-)Verständnis entwickeln.

In diesem Zusammenhang sollte gerade auch auf nationaler Ebene ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, die von den Befragten angesprochene

„Spiralwirkung“ der Anforderungen nach oben überdenken, ggf. Kriterien „neu justieren“. Obgleich eine „Rücknahme“ einmal definierter (hoher) Anforderungen unbestritten schwer an alle Interessengruppen vermittelbar sein wird, scheint eine intensive, kritische und abwägende Auseinandersetzung mit denjenigen, von den Praktikern und Fachleuten besonders angemahnten Schwerpunkten (z.B.

Pflanzenschutz, Baumartenwahl im Zusammenhang mit der Anpassung der heimischen Wälder an den Klimawandel sowie Restholznutzung und Nutzungsverzicht (Flächenstilllegungen) erforderlich.

Hinweise an (alle) Entscheidungsträger

Die Hinweise an (alle) weiteren Entscheidungsträger, sei es der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Politik oder gesellschaftlicher Gruppen, greifen zunächst die in der Untersuchung festgestellten Herausforderungen bezüglich der erwarteten und (nicht) erreichten Nutzeffekte der Zertifizierung für einzelne Betriebe und die Branche Forst-Holz als Ganzes auf.

Während bislang ausgebliebene einzelbetriebliche, direkte monetäre bzw.

wirtschaftliche Positiv-Effekte der Zertifizierung (höhere Einnahmen, verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, …) von den Befragten häufig zwar beklagt wurden, so standen diese doch in der Gesamtbetrachtung weniger in der Kritik, als nichterreichte Effekte in der (gesellschaftlichen) Außenwirkung und -wahrnehmung der zertifizierten Betriebe und der Branche insgesamt.

Dass sich die geäußerte Kritik ausdrücklich nicht allein an die Systemträger richtet, sondern als Gesamtproblem der Branche gesehen wird, sollen die (nicht kommentierten) Zitate aus den Befragungen zeigen. Sie mögen dabei auch als

Projektbericht: Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme 178

Auswertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen

Denkanstoß für die im Abschnitt 11.3.5 abschließend aufgezeigten möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Akzeptanz der Zertifizierung dienen.

Auf die Frage, „Warum hat die Branche die gewünschte Außenwahrnehmung bzw.

Außenwirkung bislang nicht erreicht?“ wurden u.a. folgende Antworten gegeben (Quelle: Allgemeine Befragungen und Interviewbefragungen):

– „ein einziges Schlagwort gibt es hierfür nicht…“

– „unter anderem die Tatsache, dass wir nicht wissen, was uns die Öffentlichkeit

»wert sein sollte«“

- „wir sind »zu geizig«, d.h. wir zeigen zu wenig finanziellen Einsatz“

- „nötig sind Investitionen“

– „Die Branche kann in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit von anderen Branchen nur lernen (Automobilbranche etc.)“

- „Lernen müssen wir vor allem, Öffentlichkeitsarbeit professionell zu machen. Es kann nicht sein, dass solche Aufgaben z.B. von Forstamtsleitern übernommen werden sollen. Das kann ein Forstamtsleiter erstens nicht, zweitens hat er genug andere Aufgaben…“

- „Der Glaube, man tut etwas Gutes, reicht nicht. Noch schlimmer aber ist es, wenn man, wenn man dann feststellt, die Anderen nehmen gar nicht wahr, dass man etwas Gutes tut, auch noch beleidigt ist“

- „Richtig wäre es, aktive, selbstbewusste Aktionen zu starten und auch sonst schon pro-aktiv Dinge in die Hand zu nehmen „

- „in der Außenkommunikation ist es letztlich nicht das Ziel, nur den Gegenüber (einen Umweltverband) zu überzeugen, sondern stets alle im Umfeld

- „ wir haben (wie andere auch) ein grundsätzliches Problem: Wir erkennen nicht (an), dass wir als NUTZER der Natur, grundsätzlich die »Bösen« sind. Die Autobauer haben das Problem auch (Abgas), aber sie machen weiter, weil alle wissen, Autos werden gebraucht. Das ist der Ansatz, den wir auch haben müssen. Letztlich muss man auch ein Schwein schlachten, wenn man Wurst essen will. Holz ist als Rohstoff wichtig, daher muss man auch "Bäume schlachten", wenn man Holz haben will. Kurz: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aber es ist in der Natur auch so, dass Verletzungen (kleine Schrammen) heilen. Der Fehler ist also, dass wir der Öffentlichkeit stets (nur) erzählen, was man hören will.“

– „ in keinem anderen Wirtschaftszweig agieren die eigenen Leute so widersprüchlich, wie im Forst. „

- „Man kann sich wirklich nicht vorstellen, dass ein »VW-Arbeiter» mit einem Transparent herumrumläuft und sagt »Autos sind die größten

Umweltverschmutzer vor dem Herren«. Einem Förster ist es aber immer zuzutrauen (leider nachweisbar), dass er - mit Uniform und Hund - das Abholzen z.B. von Buchen als »Umweltverbrechen« bezeichnet)“

- „Dieser Aspekt wiegt schwer, speziell dann, wenn man den Gesamtblick für die Branche hat. Umweltverbände (und andere gesellschaftliche Gruppen), das muss uns klar werden, sind nicht die Freunde oder Verbündeten der Branche.

Wir sitzen definitiv nicht in einem Boot, auch wenn wir vielleicht auf demselben Teich rudern.

Unsere Aufgabe ist es, gesellschaftliche Gruppen und Verbände mit entsprechend Sachkenntnis zu versorgen.“

Zu schlussfolgern ist u.a. aus solchen Aussagen und Diskussionen, dass zum Abbau der Hemmnisse in Bezug auf bislang nicht erreichte Nutzeffekte der forstlichen Zertifizierung die Maßnahmen zur Verbesserung der Wertigkeit (und Wahrnehmung) der Zertifikate im gesellschaftlichen Umfeld mit einer breiter angelegten allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit bezüglich der Leistungen der Branche insgesamt einhergehen

Projektbericht: Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme 179

Auswertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen

sollten. Hierbei sollten alle Beteiligten ihre Kommunikation und ihr „Auftreten“ im Außenraum überprüfen.

Wichtig für eine abgestimmte Außendarstellung ist wiederum, die Nutzeffekte nicht nur der Zertifizierung, sondern auch der Leistungen der Branche insgesamt für alle (gesellschaftlich) relevanten Bereiche bezüglich des Waldes und seiner Produkte (Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion) entsprechend „belastbar“ zu bewerten. Wie bereits angesprochen sollten dabei regional, überregional und international wirkende Kausalketten und Wechselwirkungen (Klima - Natur - Wald - Rohstoff - Wirtschaft - Gesellschaft - Klima - …) berücksichtigt werden.

Bezogen auf die im Rahmen der Untersuchung festgestellten Unsicherheiten der von den forstlichen Zertifizierungssystemen adressierten Betriebe sollte darüber hinaus branchenintern und in der Öffentlichkeit, d.h. gegenüber den (End-)Verbrauchern von Holzprodukten mehr auf die Herausarbeitung der Alleinstellungsmerkmale und Vorteile der Systeme in einem komplexen Wirkungsgefüge gesetzt werden. Die Bewertung oder gar eine „(Ab-)Wertung“ eines jeweils komplementären Systems im Kontext der eigenen Zielstellungen hingegen könnte Unsicherheiten verstärken und die Akzeptanz der Forstlichen Zertifizierung innerhalb der Branche schwächen.