• Keine Ergebnisse gefunden

Werden im Rahmen der forstlichen Zertifizierung alle Waldfunktionen

9   Interviewbefragung zertifizierter Betriebe in Sachsen-Anhalt

10.2   Erkenntnisse aus dem Dokumentenvergleich und allgemeinen Befragungen

10.2.4   Werden im Rahmen der forstlichen Zertifizierung alle Waldfunktionen

Bei der Betrachtung der Zertifikate wurde ein besonderes Augenmerk auch auf die Berücksichtigung aller Wald-Funktionen (Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion) im Rahmen der forstlichen Zertifizierung gelegt, um zu ermitteln, ob sie diesen im Kontext des Klimawandels eine entsprechende Bedeutung zukommen lässt.

So wurden unter anderem im Rahmen des Dokumentenvergleiches die an die zertifizierten Betriebe gerichteten Vorgaben der einzelnen Zertifizierungssysteme betrachtet. Hierbei ist festzustellen, dass die Vorgaben über alle Zertifikate hinweg, d.h.

sowohl in den Waldbewirtschaftungszertifikaten als auch den Unternehmens- und CoC-Zertifikaten im Wesentlichen in die folgenden Gruppen unterteilt werden können:

– Vorgaben für die Umsetzung/Durchführung betrieblicher Prozesse, – Vorgaben bezüglich der Dokumentation betrieblicher Prozesse,

– Vorgaben zum Nachweis der Einhaltung sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Bestimmungen (z.B. Arbeitsschutz, Entlohnung, Versicherungen, …).

Des Weiteren ist allgemein festzustellen, dass insbesondere die Waldbesitzerzertifikate darauf ausgerichtet sind, einen betrieblichen Nachweis zu erbringen, dass im Rahmen der wirtschaftlichen Nutzung des Waldes (Nutzfunktion) weitere Waldfunktionen angemessen berücksichtigt werden. Auf die Ausarbeitungen in Anlage 1 sei an dieser Stelle verwiesen. In der tabellarischen Gegenüberstellung der Zertifikate des FSC und des PEFC wird dies u.a. im Abschnitt II „Waldentwicklung und Waldzustand“

besonders deutlich. Dies bedeutet, dass – ausgehend von den Ansprüchen weiterer Nutzergruppen des Waldes – durch die Zertifizierungssysteme entsprechende Vorgaben (z.B. zum Erhalt der Biodiversität und von Schutzgütern, Gewährleistung der Erholungsfunktionen) auf die Waldbesitzer wirken und diese den Nachweis erbringen müssen, bei der Nutzung des Waldes als Rohstofflieferant entsprechend zu handeln.

Die beiden Waldbesitzerzertifikate berücksichtigen sowohl die Schutz- als auch die Erholungsfunktion des Waldes umfangreich und gehen dabei teilweise über bestehende gesetzliche Vorgaben hinaus. Dies bedeutet, dass Waldeigentümer nur bei Einhaltung der Vorgaben zu den jeweils formulierten Kriterien bezüglich der Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes entsprechend zertifiziert werden.

Die in den Waldbesitzerzertifikaten verankerten Vorgaben wirken indirekt auch auf die bei der Waldarbeit eingesetzten Forstunternehmen. Wesentliche, die Schutz- und Erholungsfunktionen betreffende Kriterien der Waldstandards wirken dabei mindestens in dem Umfang auf die zertifizierten Forstunternehmen, in dem die Leistungserbringung der Unternehmen auf dem Waldzustand Einfluss nimmt. Neben direkten Vorgaben für die zertifizierten Forstunternehmen, die ein

Projektbericht: Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme 153 Dokumentenvergleich und allgemeine Befragungen zu den Zertifizierungssystemen

zertifizierungssystemkonformes (wirtschaftliches) Handeln der Unternehmer als Arbeitgeber und Dienstleister überprüfen, stehen auch bei den Zertifikaten DFSZ, KUQS, KFP und RAL die Überprüfung der Konformität der Leistungserbringung im Hinblick auf Schutz- und Erholungsfunktionen im Vordergrund. So muss die Leistungserbringung für einen zertifizierten Waldbesitzer auch dessen Vorgaben z.B.

für den Erhalt der Multifunktionalität des Waldes, der Biodiversität und des Umwelt- und Naturschutzes entsprechen. Während im PEFC-Waldstandard der Einsatz zertifizierter Forstunternehmer explizit gefordert ist, werden Forstunternehmerzertifikate vom FSC empfohlen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Einhaltung der Vorgaben des FCS-Waldstandards durch eingesetzte Unternehmer bei einer Überprüfung FSC zertifizierter Waldbesitzer im Audit jedoch immer mit überprüft wird. Insofern wirken die Vorgaben des FSC-Waldstandards ebenfalls auf die in FSC-zertifizierten Wäldern eingesetzten Forstunternehmer.

Die CoC-Standards selbst enthalten keine direkten Vorgaben bzgl. der Multifunktionalität des Waldes. Sie sind im Wesentlichen darauf ausgerichtet, einen sorgsamen Umgang eines zertifizierten Verarbeiters (oder Händlers) mit zertifizierten Rohstoffen bei der Beschaffung und Verarbeitung des Rohstoffes (im Managementsystem) nachzuweisen. Da diese Zertifikate in einem direkten Zusammenhang mit den anderen forstlichen Zertifizierungssystemen stehen, bewirken sie indirekt eine Berücksichtigung der Ansprüche verschiedener Nutzer an den Wald.

Neben diesen im Ergebnis des Dokumentenvergleiches ermittelten Feststellungen, wurden zertifizierte Betriebe im Rahmen der den Dokumentenvergleich ergänzenden Interviews zu ihren Erfahrungen bzgl. „gesellschaftlicher“ Nutzung (Schutz- und Erholungsfunktion) des Waldes befragt. Hierbei war festzustellen, dass gerade Waldbesitzer im Rahmen ihrer Zertifizierung, d.h. im Rahmen ihrer regelmäßigen Überprüfungen zur Einhaltung der Vorgaben durch das Zertifizierungssystem, zunehmend in Konflikt mit ihren Zertifizierungsvorgaben kommen, weil weitere Nutzergruppen des Waldes (Freizeit, Erholung, Sport, …) bei der Ausübung ihrer Aktivitäten die Vorgaben einer nachhaltigen, umweltgerechten „Waldnutzung“

missachten. Beispiele sind das Hinterlassen von Müll in zertifizierten Wäldern, die Beschädigung von Beständen, Holzdiebstahl oder die Befahrung von Flächen abseits ausgewiesener Wege sowie allgemeine Störungen der Schutzfunktionen durch die (laut Aussage der Befragten meist urbane) Bevölkerung. Im Rahmen der Interviews war diesbezüglich festzustellen, dass es nach Meinung mehrerer zertifizierter Waldbesitzer und Forstunternehmer diesen Nutzergruppen des Waldes (Freizeit und Erholung) u.a.

an entsprechendem Wissen und an entsprechender Sensibilität bzgl. der Bedeutung einer nachhaltigen multifunktionalen Waldentwicklung und -nutzung sowie der sich daraus auch für den Einzelnen ergebenden Anforderungen mangelt.

Festzustellen ist im Ergebnis der Gesamtbetrachtung, dass forstlich zertifizierte Betriebe im Rahmen ihres wirtschaftlichen Handelns (Nutzfunktion des Waldes) durch die Zertifizierungssysteme bislang einseitig zur Berücksichtigung der gesellschaftlichen Ansprüche (Schutz- und Erholungsfunktion) verpflichtet werden und ihr Handeln entsprechend geprüft wird. Aktuell werden durch diese einseitige Wirkrichtung der Zertifizierungssysteme auf diejenigen, die den Wald wirtschaftlich nutzen, zunehmend Konflikte hinsichtlich der forstlichen Zertifizierung erkennbar.

Eine entsprechende Verpflichtung oder Überprüfung des Handelns „gesellschaftlicher Waldnutzer“ bezüglich der Einhaltung von waldbezogenen Mindestanforderungen bei der Ausübung z.B. der Erholungsfunktion erfolgt derzeit nicht. Ebenso sind im Rahmen des Projektes keine Untersuchungen bekannt geworden, anhand derer die in den letzten Jahren stetig zunehmende Nutzung des Waldes für Freizeit und Erholung umfassend hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Waldzustand, die Folgen für zertifizierte Betriebe oder die anderen Nutzfunktionen allgemein überprüft wurde.

Projektbericht: Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme 154

Auswertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen

1 1

Auswertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen

In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der umfangreichen Untersuchung, die ausgehend von den durch die Praktiker formulierten

„Thesen“ zu fördernden und hemmenden Faktoren einer forstlichen Zertifizierung durchgeführt wurde, dokumentiert. Im Rahmen der Ausführungen konnte, entsprechend dem Ziel der Untersuchung, bezüglich einer Vielzahl der aufgestellten

„Thesen“ durch die Darstellung von Hintergründen und Zusammenhängen, durch Gegenüberstellungen sowie durch die Ermittlung ergänzender Informationen bereits Transparenz geschaffen werden. Da allein Wissen und Verständnis von Zusammenhängen und Hintergründen jedoch nicht zwingend Veränderungs- und Verbesserungsprozesse initiieren, sollen im Folgenden Empfehlungen einen Anstoß für entsprechende Maßnahmen geben.

Hierbei werden zunächst allgemeine Hinweise zur Zertifikatauswahl und Zertifizierungsentscheidung für die Betriebe zusammengefasst, die als (potenzielle) Zertifikathalter die Zielgruppen der forstlichen Zertifizierungssysteme sind.

Die anschließende Darstellung der (betriebs-)internen und unternehmensübergreifenden Wirkzusammenhänge der forstlichen Zertifikate greift nochmals die enge Vernetzung der Betriebe der Branche Forst-Holz untereinander und mit ihrem Umfeld auf. Anhand dieser Zusammenhänge werden direkte und indirekte Effekte der Zertifizierung verdeutlicht.

Vor dem Hintergrund der Zielstellung, mögliche Maßnahmen zum Auf- und Ausbau der forstlichen Zertifizierung zu identifizieren und vorzuschlagen, werden im Anschluss die im Rahmen der Untersuchung ermittelten positive Motivationen der forstlichen Zertifizierung als eine wichtige Grundlage für die Ableitung von allgemeinen und spezifischen Empfehlungen hervorgehoben.

Weitere Grundlagen für die Ableitung Handlungsempfehlungen bilden die Reflexion der im Rahmen der Untersuchung ermittelten Ursachen für die den Auf- und Ausbau der Zertifizierung hemmenden Aspekte sowie der bisher vermittelten und vermittelbaren Erfolge der forstlichen Zertifizierung in Deutschland.

Die im Sinne der (betrieblichen) Praktikabilität bewusst knapp formulierten Hinweise und Empfehlungen basieren auf den im Rahmen der Untersuchung gewonnenen und in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Erkenntnissen. Sie fassen diejenigen Punkte zusammen, die für die verschiedenen Akteure im Umfeld der forstlichen Zertifizierung Ansatzpunkte für den Abbau erkannter hemmender Aspekte bezüglich der „Akzeptanz“ der forstlichen Zertifizierung im jeweils eigenen Wirkungskreis darstellen.

Die abschließend aufgezeigten Verbesserungspotenziale gehen auf die Handlungsoptionen ein, die im Zusammenwirken aller Akteure, d.h. der zertifizierten Betriebe, der Systemträger, Zertifizierungsstellen sowie der Stakeholder und Entscheidungsträger im Umfeld der Holz- und Forstwirtschaft zu einer erhöhten Akzeptanz forstlicher Zertifizierungsprozesse einerseits und einer verbesserten (gesellschaftlichen und politischen) Wahrnehmung der Leistungen und Herausforderungen der Branche andererseits beitragen können.

Projektbericht: Vergleich forstlicher Zertifizierungssysteme 155

Auswertung und Ableitung von Handlungsempfehlungen