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Erfolge forstlicher Zertifizierung in Deutschland

9   Interviewbefragung zertifizierter Betriebe in Sachsen-Anhalt

11.3   Ableitung von Empfehlungen

11.3.2   Erfolge forstlicher Zertifizierung in Deutschland

Im Verlauf der durchgeführten Untersuchungen und Befragungen baten verschiedene Unternehmen darum, in der Ergebnisdarstellung zum Projekt eine Aussage zu den bislang erzielten Erfolgen der forstlichen Zertifizierung bzw. einzelner Systeme zum Beispiel bezüglich der Waldentwicklung oder der Effekte auf den Klimawandel zu treffen.

Anzumerken sei, dass eine forstliche Analyse und Bewertung zur Ermittlung entsprechender Aussagen ebenso wenig Gegenstand der Untersuchung war, wie die bewertende oder vergleichende Betrachtung entsprechender (forstlicher) Sekundärliteratur. Daher wurden, auf der Suche nach entsprechenden Antworten, einerseits die Systemträger und forstliche Experten befragt, andererseits wurden in einer allgemeinen Literaturrecherche entsprechende Angaben gesucht. Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass sogenannte „Impact“-Studien oder konkrete Untersuchungen zur fördernden Wirkung (Erfolge) der einzelnen forstlichen Zertifizierungssysteme für den Betrachtungsbereich Deutschland weder von den Systemträgern benannt werden konnten, noch anhand der Literaturrecherche ermittelbar waren. So kommt auch eine vom FSC publizierte Literaturstudie zu den Ergebnisse und Auswirkungen der FSC-Zertifizierung zu dem Ergebnis, dass ein Bedarf

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besteht, geeignete Studien zu den Wirkungen einer Zertifizierung durchzuführen, um politische Entscheidungsträger und Interessengruppen in geeigneter Form zu beraten.

So werden im Ergebnis dieser Studie insbesondere systematische Untersuchungen der Auswirkungen auf nationaler Ebene, die nur selten systematisch bewertet werden, empfehlen und künftige Forschung mit breiterem Fokus als nur Waldbewirtschaftung, d.h. auch der indirekten Auswirkungen empfohlen [Karmann, Smith 2009].

Die Meinungen der Befragten zu dem Punkt „Erfolge der forstlichen Zertifizierung“

weisen auf Pro- und Contra-Argumente hin, die in der weiteren Diskussion um den Ausbau der forstlichen Zertifizierung und deren Erfolgsmessung nicht unberücksichtigt bleiben sollten. Diese werden daher in diesem Abschnitt aufgegriffen und lediglich als Beitrag zur Schaffung von „Transparenz“ bezüglich der brancheninternen Diskussionen, jedoch ohne Anspruch auf Prüfung der „(forst-)fachlichen Richtigkeit“

wiedergegeben.

Allgemein, und das ist unbestrittene Meinungen aller, hat die forstliche Zertifizierung zur Bewusstseinsbildung innerhalb der Branche durchaus einen positiven Beitrag geleistet. So wurden grundsätzlich in den vergangen Jahren deutliche Fortschritte bzgl.

der Waldbewirtschaftung im Sinne z.B. multifunktionaler Ansätze und der Biodiversität erzielt. Ebenso positiv wurden die Verbesserungen in den Bereichen Arbeitsschutz und Sicherheit bei der Waldarbeit benannt. Da der größte Anteil zertifizierter Flächen in Deutschland auf den öffentlichen Wald entfällt, weisen viele Befragte jedoch darauf hin, dass offen bleiben muss, ob die genannten Effekte auf die Zertifizierung zurückzuführen ist, oder auf die Entwicklung und Umsetzung der ohnehin geltenden hohe Standards i.S. gesetzlicher Vorgaben und geltender Vorschriften.

Diesbezüglich vertreten viele Befragte die Meinung, dass die Zertifizierung mit Verweis auf die Verbindlichkeit „staatlicher“ Regelungen für den größten Teil des zertifizierten Waldbesitzes „überflüssig“ sei. Dies gilt zu wesentlichen Teilen auch für die Forstunternehmer, die verpflichtet sind, die „strengen“ Vorgaben ihrer (öffentlichen) Auftraggeber einzuhalten. Lediglich, so die Meinung der Kritiker, die Kontrolldichte der

„staatlichen“ Vorgaben, die letztlich auch eine Grundlage der Zertifizierungssysteme sind, wird erhöht. Diese Kontrollen werden wiederum einerseits als „hilfreich“

befürwortet, andererseits auf Grund der Wahrnehmung durch „privatwirtschaftliche“

Instanzen als „Verlagerung öffentlicher Aufgaben in den privaten Bereich“ in Frage gestellt.

Häufig, auch das sei an dieser Stelle erwähnt, verwiesen die Befragten vor dem Hintergrund der Erhebung von Ansätzen zur Erfolgsmessung der forstlichen Zertifizierung auf Untersuchungen und Studien zu eher einschränkenden „Folgen“ der Entwicklungen in den vergangenen Jahren hin. Diese betreffen z.B. Untersuchungen zu wirtschaftlichen Folgen und zur Entwicklung der Rohstoffverfügbarkeit im Kontext von Schutzgebietsausweisungen und Biodiversitätsstrategien, sich entwickelnde Einschränkungen der Waldeigentümer bezüglich der Maßnahmen zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel (Baumartenwahl) oder auch nichtöffentliche innerbetriebliche Betrachtungen zu den (wirtschaftlichen) Folgen geltender Vorschriften bei der Kalamitätsbekämpfung (Schädlinge). Bei den verschiedenen Betrachtungen (vgl.

u.a. [BfR 2012], [Dieter 2009], [Junker et. al. 2014], [Möhring 2009], [Petercord et. al.

2009], [Rosenkranz et. al. 2012 und 2015]) ist der direkte Bezug zu einzelnen forstlichen Zertifizierungssystemen allerdings ebenso wenig konkret angegeben, wie bei denen zu ihren Erfolgen.

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Zusammenfassend ist im Ergebnis der Datenerhebung festzustellen, dass die Erfolgsmessung im Wesentlichen anhand folgender Kriterien erfolgt (vgl. u.a. [SRU 2012], [FSC Deutschland o.J. g], [PEFC Deutschland o.J. j], [Karmann, Smith 2009]):

– Anzahl zertifizierter Betriebe bzw. Flächen (Kunden),

– Bekanntheitsgrad der Systemlabel (Logos) bei Endnutzern, sowie

– teilweise anhand der Nachfrage nach dem Zertifikat (Marktdurchdringung).

Die genannten Parameter bilden, obgleich ihre Aussage zu „Nutzeffekten“ der forstlichen Zertifizierung für die Betriebe eher gering ist, in Ermangelung weitergehender Wirkungsanalysen bislang vielfach die Basis von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und die Grundlage der Auswahl eines Zertifikates in Prozessen der betrieblichen Entscheidungsfindung zur Zertifizierung.

Unbenommen dessen ist festzuhalten, dass die Effekte der deutschen (multifunktionalen) Waldbewirtschaftung und -nutzung auf nationaler, lokaler sowie betrieblicher Ebene durchaus ermittelt werden.

Beispiele für solche Erhebungen sind regelmäßige Bundeswaldinventuren [BMEL 2015], Waldzustandserhebungen [BMEL 2014] oder Untersuchungen zur Entwicklung von FFH1-Gebieten [BFN 2013], die Aufschluss über die Entwicklung und den Zustand der Wälder in der Gesamtheit und teilweise auch ihres multifunktionalen Nutzens geben.

Daneben werden (forst-)betriebsintern auch betriebliche Entwicklungen, die unter dem Einfluss der forstlichen Zertifizierung stattfinden, i.d.R. durchgeführt. Allerdings lassen weder die regelmäßigen Erhebungen auf nationaler und regionaler Ebene noch die betrieblichen Auswertungen pauschalisierte Aussagen zur Wirkung der forstlichen Zertifizierung zu. Einer der möglichen Gründe hierfür ist, dass z.B. das Biodiversitätsmonitoring in Deutschland laut [NeFo o.J.] „entwicklungsbedürftig“ ist, da derzeit viele wichtige Fragestellungen mit den verfügbaren Daten nicht präzise beantwortet werden können. [Doerpinghaus 2012] stellt auch fest, dass bundesweite Programme zum Naturschutzmonitoring inhaltliche Lücken bzgl. der Biodiversitätsforschung aufweisen.

So sind letztlich zum einen sind die den einzelnen forstlichen Zertifizierungssystemen zuzurechnenden Effekte auf Waldentwicklung, -zustand, Klimawandel und andere gesellschaftliche Ziele sind nicht eindeutig ermittelbar. Neben den o.g. Ursachen liegen Gründe unter anderem auch darin, dass erstens eine Unterscheidung in zertifizierte und nicht zertifizierte Flächen bei diesen Erhebungen bislang nicht vorgesehen ist. Zweitens sind die Flächen einiger großer Waldeigentümer doppelzertifiziert, d.h. sie werden nach den Vorgaben beider Waldbewirtschaftungszertifikate bewirtschaftet. Drittens lassen Ergebnisse einzelbetrieblicher Erhebungen keine Verallgemeinerung zu, da die hier entstehenden Effekte jeweils im Kontext betrieblicher Strukturen und Prozesse sowie regionaler Gegebenheiten stehen.

Auf Grund der geschilderten Herausforderungen bezüglich der Eindeutigkeit von Aussagen zu Erfolgen, d.h. positiven Effekten der forstlichen Zertifizierung, die sich bislang ohnehin weitgehend auf die Ermittlung von Aussagen zur Entwicklung des Waldes beschränkt, und den im Rahmen der Untersuchung ermittelten Notwendigkeiten, den Nutzen der Zertifizierung für die verschiedenen Zielgruppen

1 FFH = Flora-Fauna-Habitat

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darzustellen, sind entsprechende Analysen gewiss schwierig, aber unbestritten nötig.

Da diese Notwendigkeit dabei sowohl innerbetriebliche als auch überbetriebliche und gesellschaftliche Nutzenanalysen umfasst sind entsprechende Maßnahmen zu ihrer Erstellung dringend zu empfehlen.