• Keine Ergebnisse gefunden

Deformations- und Überwachungsmessung

5.1 Effekte und Ursachen

5.1.5 Zielgeometrie und Einfallswinkel

Die Art der Reflexion hat auf die Messung nur insoweit Auswirkung, als dass die Streckenmessung fehlschlägt falls nicht genügend Energie zurückgeworfen wird oder die Streckenmessung systematisch zu kurz ausfällt, falls das reflektierte Signal zu stark ist und der Empfänger dadurch übersteuert. Ein Einfluss auf die Genauig-keit und ZuverlässigGenauig-keit der Messergebnisse ist abgesehen dieser Extremverhältnisse nach Kern (2003) nicht zu erwarten. Unter realen Bedingungen sind aber zusätzliche Parameter wie Mehrwegeffekte, die Strahldiver-genz sowie die Intensitätsverteilung innerhalb der Messkeule, aber auch die Objektentfernung und die Ausrich-tung zum Sensor, zu berücksichtigen. All diese Faktoren beschreiben eine Zielgeometrie und sind durchaus als potentielle Einflussfaktoren auf die Streckenmessung anzunehmen.

Für die weiterer Betrachtung gilt die Konvention, dass der Einfallswinkelγ(engl.incidence angle) dem Winkel zwischen der Flächennormale und der Einfallsrichtung und der Auftreffwinkelψdem Winkel zwischen Einfalls-richtung und der Oberfläche entspricht.

In (Kern, 2001) werden Auswirkungen unterschiedlicher Einfallswinkel auf die reflektorlose Distanzmessung eines Lasermeters des Typs DISTO GSI diskutiert. Hierzu wurde eine verschwenkbare Zieltafel in 5-Schritten

5.1 Effekte und Ursachen 79 verdreht und jeweils zehn Distanzmessungen ausgelöst. Anhand der Messdaten wird auf empirischem We-ge versucht, eine Systematik nachzuweisen. Die ErWe-gebnisse zeiWe-gen einen tendenziellen Einfluss, der jedoch innerhalb der Messunsicherheit des Instrumentariums liegt. Da eine solche Versuchsanordnung über eine Rotationsachse verfügen muss, die direkt auf der Oberfläche liegt, sind solche Resultate jedoch nur bedingt aussagekräftig. Eine wesentlich geeignetere Vorgehensweise besteht in der Messung identischer Punkte von unterschiedlichen Standpunkten aus, was eine vorherige Freie Stationierung in einem Grundlagennetz höchs-ter Präzision voraussetzt. Auf diese Weise wird auch von Kuhlmann (2002) die berührungslose Distanzmes-sung in Bezug auf Abhängigkeiten des Einfallswinkels untersucht. Von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus werden mehrere Punkte berührungslos vermessen und die ermittelten Koordinaten verglichen. Die erhal-tenen Differenzen zwischen einem frontalen und schleifenden Auftreffwinkel spiegeln ebenfalls eine deutliche Abhängigkeit der berührungslosen Distanzmessung vom Einfallswinkel wieder.

Abbildung 5.2:Schematische Seitenansicht der Zielgeometrie mit den Zielentfernungenzi, den Einfallswinkelγi, einer konstanten StrahldivergenzΘund den SpotgrößenAiam Messobjekt

Ebenso wie Kern (2003) beziehen sich Joeckel u. a. (2008) auf eine divergenzbedingte ungleichmäßige Be-leuchtung des Zielobjekts, welche bei großen Einfallswinkeln zwischen Laserstrahl und Oberflächennormale zu systematischen Verfälschungen der Streckenmessung führen kann. Abbildung 5.2 veranschaulicht dieses Phänomen ausgehend von einem Laserstrahl mit konstanter StrahldivergenzΘ, der an unterschiedlichen Stel-len auf die Brückenunterseite (vgl. auch Abschnitt 6.3) trifft. Mit zunehmender Entfernungziund Einfallswinkel γivergrößert sich auch der SpotdurchmesserAi. Ausgehend von der Mittelachse des Laserstrahls lässt sich dieser Spot in einen linken und rechten Bereich unterteilen, wobei leicht ersichtlich ist, dass die vorhandene Lichtenergie im jeweils linken Bereich eine kleinere Fläche beleuchtet und somit die Energiedichte hier höher ist. Folglich wird dieser Bereich bei der Auswertung des Mischsignals höher gewichtet und es kommt zu einer systematischen Verkürzung des Streckenmessergebnisses.

Dieser Effekt ist jedoch nur bei deutlich größeren Divergenzwinkeln (bei gängigen berührungslosen Lase-rentfernungsmessgeräten beträgt dieser lediglich 1-2 mrad) bemerkbar und kann nicht als ausschlaggebende Erklärung der Abhängigkeit vom Einfallswinkel angesehen werden. Kern (2003) liefert für den Vorgang der Interaktion des Laserstrahls am Objekt daher eine weitere Erklärung, deren Wirkungsweise in Abbildung 5.3 dargestellt ist und in der Quelle folgendermaßen beschrieben wird:

„Die Wellenfronten des Laserstrahls entsprechen im Fernfeld denjenigen von Kugelwellen, wobei die Leis-tungsdichte von der Strahlmitte ausgehend entsprechend einer Gaußschen Glockenkurve exponentiell abfällt.

Trifft nun solch ein Gaußscher Strahl auf eine schiefe Ebene, so wird er hinsichtlich seiner Ausrichtung und seiner Energie gemäß des Reflexionsgesetzes zum größten Teil reflektiert und nur ein geringer Energieanteil gelangt zum Messgerät zurück (bei Annahme einer diffusen Reflexion mit Spiegelung). Bei der Reflexion wird die Energiewellenfront(wie in Abbildung 5.3) dargestellt)verformt. Für den Teil der Reflexionsfläche, der näher zum Lasergerät zeigt (Anm.: Bereich∆r1), rücken die wirksamen Intensitäten näher zusammen. Für den Teil

80 Interaktion zwischen Laserstrahl und Oberfläche

der Reflexionsfläche, der weiter weg vom Lasergerät ist (Anm.: Bereich∆r2), ziehen sich die wirksamen In-tensitäten auseinander. Am Photodetektor wirkt damit eine Intensitätsverteilung, die zu Gunsten der näheren Reflexionsteilfläche zeitlich(Anm.: Bereich∆t1)verschoben ist. Eine systematisch verkürzte Laufzeitmessung und damit eine zu kurze Entfernungsmessung werden registriert. Dieser Effekt ist umso deutlicher je größer der Einfallswinkel und je größer die Strahldivergenz ist.“

Abbildung 5.3:Veränderung der abgestrahlten Wellenfront durch Reflexion an einer geneigten Zielfläche mit Einfallswinkel γund dessen Auswirkung auf das Entfernungsresultat (nach Kern (2003))

In der Fachliteratur werden zur analytischen Beschreibung Genauigkeitsmodelle für die Streckenmessgenauig-keit in AbhängigStreckenmessgenauig-keit des Auftreffwinkels vorgeschlagen und diskutiert. Abbildung 5.4 zeigt drei GenauigStreckenmessgenauig-keitsmo- Genauigkeitsmo-delle, die den rein funktionalen (dimensionslosen) Zusammenhang zwischen Auftreffwinkel ψals Winkel zwi-schen Einfallsrichtung und der Oberfläche beschreiben. Auf eine Angabe von weiteren Parametern zur Über-führung in eine metrische Größe sei an dieser Stelle verzichtet, da allen Arbeiten unterschiedliche Instrumente zu Grunde liegen und hier keine vergleichende Untersuchung angestrebt wird.

Von Soudarissanane u. a. (2007, 2009) werden durch einen terrestrischen Laserscanner erzeugte Punktwol-ken hinsichtlich Intensitätsvariationen und ihr Rauschverhalten im Sinne einer Standardabweichung betrachtet.

Dabei wird ein Zusammenhang zwischen Rauschniveau und dem Einfallswinkel erkannt und in Anlehnung an das Lambertsche Kosinusgesetz (vgl. hierzu auch Abschnitt 5.3.2) als 1/cos-Funktion beschrieben. In Abbil-dung 5.4 wird diese aufgrund der einheitlichen Darstellung des Auftreffwinkels anstelle des Einfallswinkels durch eine1/sin-Funktion ausgedrückt.

Innerhalb des von Gordon (2008) vorgestellten Ausgleichungsalgorithmus zur Bestimmung von Orientierungs-und Kalibrierparametern terrestrischer Laserscanner werden durch die Einbindung einer Varianzkomponen-tenschätzung zusätzliche Komponenten des stochastischen Modells geschätzt, um äußere Einflussfaktoren zu beschreiben. Dadurch wird eine realistischere Modellierung der tatsächlichen Messgenauigkeit ermöglicht und eine Abnahme der Distanzmessgenauigkeit mit zunehmender Messentfernung und Einfallswinkel nach-gewiesen. Die von Runne (1993) vorgeschlagene Kotangensfunktion zur Beschreibung der Genauigkeit der Streckenmessung auf schräg angezielte Flächen wird hierbei mit einer weiteren Sinusschwingung überla-gert, wobei eine Bestimmung des tatsächlichen Fehlereinflusses nicht diskutiert wird. Zámeˇcniková u. Neu-ner (2014) berichten von einem experimentell ermittelten Einfluss des Einfallswinkels im Nahbereich von 3,5 bis 5,2 m. Im Unterschied zu früheren Untersuchungen werden hier die gescannten Messpunkte im Nach-gang abgesteckt und durch ein Theodolitmesssystem, welches als Bezugsmessung anzusehen ist, analy-siert.

5.1 Effekte und Ursachen 81

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

−2 0 2 4 6 8 10

Auftreffwinkelψ []

f(ψ)

f(ψ) = 1/sin(ψ) f(ψ) = cot(ψ)

f(ψ) = cot(ψ)2·sin(4ψ)

Abbildung 5.4:Genauigkeitsmodelle für die Streckenmessgenauigkeit in Abhängigkeit des Auftreffwinkels

Insbesondere die in diesem Abschnitt dargelegten Studien belegen, dass Zielgeometrie und Einfallswinkel als systematische Einflussgröße bei berührungslosen Distanzmessungen angesehen werden.

5.1.6 Schlussfolgerung

Unternimmt man zunächst den Versuch, alle an der Reflexion beteiligten Einflussfaktoren zusammenzufassen, sind folgende Punkte anzuerkennen:

• Die Laserspotgröße ist abhängig von Messentfernung, Strahldivergenz und Einfallswinkel.

• Die Strahldivergenz kann in Breite und Höhe unterschiedlich sein und der Laserstrahl bereits bei Verlas-sen der Optik einen elliptischen Querschnitt aufweiVerlas-sen.

• Die Einfallswinkel innerhalb der beleuchteten Objektoberfläche sind i. d. R. nicht konstant – insbesondere bei rauen Oberflächen und Zielpunkten, die kleiner als die Laserspotgröße sind.

• Die Intensitätsverteilung innerhalb eines idealisierten Laserstrahls ist abhängig vom radialen Abstand zur Messachse sowie von der Messentfernung. Aufgrund von Absorption, Streuung, Beugung und Reflexion kommt es zudem zu einer Abschwächung der Intensitäten.

In Anbetracht der komplexen Geometrien von Laserstrahl und Oberfläche erscheint die Formulierung ei-nes funktionalen Zusammenhangs zur Ermittlung des Fehlereinflusses äußerst problematisch. Zwar lässt sich ein idealisierter Laserstrahl, wie im Folgeabschnitt 5.2.1 beschrieben, analytisch formulieren – eine be-liebige, reflektierende Oberfläche hingegen lässt sich vereinfacht nur als Dreiecksvermaschung beschrei-ben. Die Ableitung von Korrekurparametern auf Basis von Labormessungen scheint ebenfalls wenig attrak-tiv: Zu groß sind die Kombinationsmöglichkeiten aus Messentfernung, Einfallswinkel und Rauheitsklassen un-terschiedlicher Oberflächen. Diese Faktoren legen nahe, einen numerischen Ansatz zu entwickeln, in dem die angesprochenen Laser- und Oberflächenparameter einer Simulation unterzogen werden können. Eine solche Simulation umfasst im Wesentlichen die Bereiche der Modellierung eines Laserstrahls, der Berück-sichtigung externer Einflüsse auf die Signalabschwächung (Atmosphäre, Abschnitt 5.2.2), der Integration von Testoberflächen (5.3.1), einer Sichtbarkeitsanalyse (5.3.3) sowie die Berücksichtigung von Reflexionsmodellen (5.3.2).

82 Interaktion zwischen Laserstrahl und Oberfläche