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2.3 Messprinzipien der berührungslosen Distanzmessung

2.3.1 Grundlagen der direkten und indirekten Laufzeitverfahren

Für optische Laufzeitverfahren gilt das Prinzip des doppelten Weges, da ein Signal zwischen der Aussendung, der Reflexion an einem kooperativen oder nicht-kooperativen Ziel und dem Empfang einen Hin- und Rückweg absolviert. In diesem Zusammenhang kann also von einer gemeinsamen Anordnung von Sende- und Emp-fangsoptik gesprochen werden (s. Abb. 2.8). Bei Laufzeitverfahren (engl.Time-Of-Flight, TOF) werden an dem

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erwünschten Reflexionspunkt vornehmlich Tripelprismen eingesetzt; für die berührungslose Distanzmessung muss die Oberfläche des Messobjektes selbst als Reflektor wirken, wobei eine diffuse Reflexion starke Verluste der Signalstärke mit sich führt und die Reichweite deutlich einschränkt.

Daraus folgt für die zu messende Distanz D und die direkt zu messenden Signallaufzeit ∆t die einfache Beziehung

D=1 2·c0

n ·∆t (2.2)

mit der im Vakuum gültigen Lichtgeschwindigkeitc0unter Berücksichtigung der atmosphärischen Bedingungen resp. des integralen Brechungsindexn.

Harmonische Wellen aus dem Spektralbereich des sichtbaren Lichts und des nahen Infrarots können nur bei interferometrischen Verfahren unmittelbar für eine (relative) Distanzmessung einsetzten lassen. Wird auf eine solche Welle jedoch ein zusätzliches Signal in Form einer weiteren Welle oder einer Wellengruppe aufgeprägt, kann dieses als identifizierbares Merkmal auf der Trägerwelle angesehen werden, was wiederum Distanz-messungen auch über große Reichweiten ermöglicht. Ein solches Vorgehen wird als Modulation bezeichnet, welche aufgrund unterschiedlicher Modulationstechniken eine weitere Untergliederung der Laufzeitverfahren erfordert.

Aus diesen Modulationstechniken resultieren für die Laufzeitmessung eine direkte Zeitmessung über ge-pulste Signale (Pulsmessverfahren, vgl. Abschnitt 2.3.2 bzw. Abbildung 2.8) oder eine indirekte Zeitmessun-gen durch Amplitudenmodulation (Phasenvergleichsverfahren, vgl. Abschnitt 2.3.3) oder Frequenzmodulation (2.3.6).

Die in terrestrischen Laserscannern für den mittleren und fernen Distanzmessbereich oder in Tachymeter eingebauten EDM-Einheiten mit einer Laufzeitmessung nutzen zumeist das Pulsmessverfahren oder das Pha-senvergleichsverfahren.

2.3.2 Pulsmessverfahren

Für das Pulsmessverfahren wird ein Modulationsverfahren eingesetzt, das die Amplitude einer hochfrequenten Trägerwelle mit einem niederfrequenten Nutzsignal vereinigt. Abbildung 2.7 illustriert eine solche Amplituden-modulation für einen einzelnen Puls.

Modulationswelle PulsPulsmodulierte Welle

Abbildung 2.7:Signale der Amplitudenmodulation für das Pulsmessverfahren

Beim Pulsmessverfahren sendet das Instrument demnach kurze (typischerweise im Bereich von wenigen Na-nosekunden; eine Pulslänge von 10 ns entspricht dabei einem Lichtbalken von 3 m Länge) Laserpulse aus und bestimmt die Laufzeit ∆t über eine direkte Zeitmessung, womit sich Formel (2.2) eindeutig bestimmen lässt. Berücksichtigt man die hohe Geschwindigkeit des Lichts, ergeben sich für eine gewünschte Distanzauf-lösung von 1 mm eine Anforderung an die AufDistanzauf-lösung der Uhr von 6,7·10-12 Sekunden oder 6,7 Pikosekun-den (ps). Mit heutigen Zeitmessbausteinen, die sich in Pulslaufzeitgeräten für größere Distanzen realisieren lassen, erzielt man eine zeitliche Auflösung von etwa 50 ps, was einer Abstandsauflösung von ca. 7 mm entspricht (Wölfleschneider, 2009). Die Streckengenauigkeit ist beim Pulsmessverfahren demnach in erster Linie von der Qualität der Uhr, resp. deren Linearität und Auflösung, und nicht von der Entfernung abhän-gig.

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Abbildung 2.8:Anordnung von Sende- und Empfangsoptik beim Pulsmessverfahren. Zeichnung nach (Joeckel u. a., 2008)

Da zudem Laserpulse mit einer hohen Intensität versehen werden können, bietet sich dieses Verfahren auch zur Messung sehr großer Entfernungen an – z. B. im Rahmen desLunar Laser Ranging(LLR), bei dem durch Pulsmessung auf Reflektoren der Abstand zwischen Erde und Mond bestimmt wird. Jedoch beeinträchtigen bei großen Distanzen atmosphärische Einflüsse die Stabilität der Pulsform und bei berührungslosen Distanz-messungen werden die Pulsformen zudem durch die Oberflächenbeschaffenheit stark deformiert, was die Detektion eines exakten Zeitpunktes des wieder eintreffenden Pulses erschwert. Angewandte Detektionsme-thoden werden z. B. in (Stilla u. a., 2009) vorgestellt.

Um eine höhere Auflösung und Präzision zu erhalten, werden daher häufig mehrere Wiederholungsmes-sungen durchgeführt, ausgewertet und gemittelt, wobei vor dem Aussenden des nächsten Pulses so lan-ge lan-gewartet wird, bis kein Echosignal mehr unterwegs sein kann. Dies führt zu einer Beschränkung der Messgeschwindigkeit, insbesondere im Vergleich zum anschließend vorgestellten indirekten Laufzeitverfah-ren.

Befinden sich innerhalb der Messkeule mehrere kleine oder halbtransparente Objekte, so erzeugen diese unter Umständen mehrere Echos des Laserpulses. Einfache Geräte werten an dieser Stelle nur das erste und/oder das letzte Echo aus (First-Pulse/Last-Pulse) – manche Instrumente erlauben hingegen die Speicherung des vollständigen Echosignals, woraus sich in einem weiteren Auswerteprozess die Entfernungen zu diesen zu-sätzlichen Objekten extrahieren lassen. Diese Mehrzielfähigkeit (Full Waveform Analysis) fand aufgrund des großen Beleuchtungskegels bzw. Spotgröße (Footprints) im Dezimeter- bis Meterbereich in luftgestützten La-serscannern (Airborne Laserscanning, kurz ALS) eine Anwendung, um unterschiedliche Vegetationsschichten von der Geländeoberfläche trennen zu können. So lässt sich beispielsweise aus der Verwendung des ersten und des letzten Echosignals bei der Befliegung von Waldgebieten die Baumhöhe oder gar die Biomasse be-stimmen. Die Übertragung auf kleinere Beleuchtungskegel – also Laserstrahlen mit geringerer Strahldivergenz – für terrestrischen Anwendungen wurde erstmals von der Firma Riegl im System VZ-400 mit einer Spotgröße von 10,5 cm in 600 m Entfernung vollzogen.

2.3.3 Phasenvergleichsverfahren

Beim Phasenvergleichsverfahren wird die Energie des Lasers nicht in wenige Pulse hoher Leistung inves-tiert, vielmehr basiert das Verfahren auf einer Amplitudenmodulation, wobei z. B. ein sinusförmiges Signal mit der Modulationswellenlängeλmod auf die kontinuierliche Trägerwelle des Laserlichts aufgebracht wird (S.

Abbildung 2.9) – aus dieser Beschreibung ergibt sich das häufig verwendete Akronym AMCW (Amplitude-Modulated Continuous Wave).

Für harmonische Schwingungen gilt eine direkte Proportionalität zwischen der Laufzeittund der Phasenlage ϕ. Die für Formel (2.2) benötigte Laufzeit kann somit auch indirekt über die Differenz der Phasenlagen, der Phasenverschiebung∆ϕzwischen ausgesendeter und empfangenen Modulationswelle berechnet werden. Die DistanzDist hierbei gegeben durch

D=1

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Da die Phase nur in einem Intervall von[0,2π[bestimmbar ist, ist eine solche Abstandsmessung nur für Ent-fernungen kleiner als die halbe Wellenlänge des modulierten Signals eindeutig bestimmbar. Wird dieser als Eindeutigkeitsbereich bezeichnete Wert überschritten, so ist zudem eine unbekannte Anzahl N ganzer Wel-lenlängen zu berücksichtigen.

Die traditionelle Lösung von Mehrdeutigkeiten erfolgt bei den meisten tachymetrischen Systemen durch die Verwendung mehrerer Modulationen mit unterschiedlichen Wellenlängen. In diesem Vorgang lässt sich die Gesamtstrecke aus Teilmessungen zusammenführen: zuerst eindeutig durch eine Grobmessung und anschlie-ßend durch Feinmessungen mit hoher Auflösung. Die größte Wellenlänge (Grobmaßstab) bestimmt dabei die maximale Reichweite und die kleinste Wellenlänge (Feinmaßstab) beeinflusst die Auflösung des Systems, gleichwohl letztere schlussendlich durch die Feinmessung der Phasenlagen definiert wird. Diese beträgt in modernen Instrumenten etwa 1 bis 2·10-4 der verwendeten Modulationswellenlänge. Um demzufolge eine Auflösung von 1 mm zu erzielen, sind für die Feinmessung Modulationswellen mit λmod <10 m zu verwen-den.

Tr¨agerwelle Modulationswelle Messwelle

Abbildung 2.9:Signale der Amplitudenmodulation für das Phasenvegleichsverfahren

Es ist offensichtlich, dass dieses sequentielle Auswerten unterschiedlicher Modulationswellen auf Kosten der Messrate geht. Daher wird bei den meisten terrestrischen Laserscannern auf diese Vorgehensweise verzichtet und eine limitierte Reichweite akzeptiert. Im Allgemeinen wird das Phasenvergleichsverfahren in Verbindung mit terrestrischen Laserscannern für Abstandsmessungen nur bis zu einer Entfernung von etwa 100 m einge-setzt.

Eine weitere, zeitsparende Lösung der Mehrdeutigkeiten ist von Köhler (2012) für die Distanzeinheit moder-ner Tachymeter der Firma Trimble beschrieben. Auch hier wird auf eine sequentielle Aussendung von Grob-und Feinmaßstäben verzichtet, um stattdessen sieben Modulationswellen simultan auszusenden Grob-und beim Empfang deren Reststücke auszumessen. Diese sind aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge (etwa 40 cm) den Feinmaßstäben zuzuordnen und tragen daher allesamt zur Steigerung der Präzision bei ohne direkt eine Mehrdeutigkeit zu lösen (vgl. Abbildung 2.10).

Die geringe Frequenzverschiebung der einzelnen Modulationswellen führt zu einem Eindeutigkeitsbereich der überlagerten Welle von 7,4 km. Um eine erste eindeutige Näherung der Distanzmessung zu erhalten und die Mehrdeutigkeit zu lösen, werden künstliche Grobmaßstäbe rechnerisch über Differenzbildungen unterschiedli-cher Feinmaßstäbe erzeugt. Diese Überlagerungen führen zu Schwebungen, deren Restphasen laut Hersteller nicht gemessen werden müssen, sondern sich ebenfalls aus den Reststücken der Feinmaßstäbe berechnen lassen.

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R1 R2

R3

F1 (Feinmaßstab) F2 (Feinmaßstab) F3 (Feinmaßstab) Messsignal

F1-F2 (Grobmaßstab) F1-F3 (Grobmaßstab)

Abbildung 2.10:Phasenvergleichsverfahren und Mehrdeutigkeitslösung über Differenzbildung nach Trimble (hier mit drei generierten Feinmaßstäben und zwei künstlichen Schwebungen, die als Grobmaßstäbe verwendet wer-den.