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Deformations- und Überwachungsmessung

3.3 Grenzen des Laserscannings in der Deformationsmessung

Die klassische geodätische Vorgangsweise zur Überwachungsmessungen von natürlichen und künstlichen Strukturen diskretisiert ein Untersuchungsobjekt durch wenige, repräsentative Objektpunkte. Diese werden mit geeigneten Zieleinrichtungen (z. B. mit Reflektoren oder Passmarken) bestückt und epochenweise ver-messen. Verglichen werden dann die Koordinatendifferenzen der Punkte zwischen den vorliegenden

Epo-3.3 Grenzen des Laserscannings in der Deformationsmessung 53 chen. In Relation zu den Messgenauigkeiten werden die Differenzen statistisch geprüft, um so signifikante geometrische Veränderungen bestimmen zu können. Diese statistischen Tests im Sinne einer strengen De-formationsanalyse können nur auf Punkte angewendet werden, die in jeder Epoche als identische Punkte vorliegen.

Werden sehr große Flächen mittels Laserscanning in Punktwolken abgebildet und diese nach lokalen Defor-mationen abgesucht, kann die oben beschriebene Strategie nicht 1:1 angewendet werden. Bisherige Auswer-teverfahren wie in Abschnitt 3.1 beschrieben, basieren zumeist auf der Ermittlung von Differenzen zwischen Punktwolken. Dabei werden bei scannenden Verfahren in zwei Epochen naturgemäß eben nicht exakt die identischen Rasterunkte wiederholt gemessen – wenngleich dies aufgrund der inzwischen hohen Punktdichte immerhin näherungsweise zutrifft. Hinzu kommt, dass bei Deformationen nicht nur von Verformungen, son-dern auch von globalen Verschiebungen ausgegangen werden muss: Verschiebt sich ein zu beobachtender, nicht signalisierter Objektpunkt, kann dieser ebenfalls nicht mit reinen Laserscanmethoden wiederholt ange-zielt und gemessen werden. Ein Ansatz hierzu liefert die Kombination aus Messungen zu signalisierten und nicht signalisierten Punkten, wie er in Kapitel 6 ausführlich vorgestellt wird.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur klassischen Deformationsanalyse besteht in den Redundanzan-teilen der Beobachtungen. Betrachtet man ein geodätisches (z. B. ein tachymetrisches, satellitengestütztes oder hybrides) Netz, besteht dieses aus einer Vielzahl von unabhängigen Beobachtungselementen von un-terschiedlichen Netzpunkten zu den Objektpunkten. Die daraus resultierende Redundanz des Netzes ent-spricht der Anzahl der überschüssigen und unabhängigen Beobachtungen abzüglich der für die eindeutige Lagerung erforderlichen Parameter und den unbekannten, zu schätzenden Punktkoordinaten und ist für die Beurteilung der inneren und äußeren Zuverlässigkeit des Netzes erforderlich. Nur mit einer hohen Redun-danz können zuverlässige Aussagen über erzielte Punktgenauigkeiten getroffen und schließlich zwischen signifikanten und nicht signifikanten Punktveränderungen zwischen zwei Messepochen unterschieden wer-den.

Bei TLS-Netzen findet sich diese Redundanz oftmals in der Einpassung in das übergeordnete Festpunktfeld mit Hilfe von Passmarken. Die Punktwolke an sich besteht de facto aber lediglich aus Polarpunkten. Lediglich in den vom Scanner erfassten Überlappungsbereichen besteht das Potenzial einer Redundanz zu den Ob-jektpunkten. Diese Überlappungsbereiche können und werden zwar in die Feinregistrierung mit einbezogen, die statistischen Maße hierfür werden aber nicht in der Deformationsauswertung berücksichtigt. Dafür bietet die hohe Punktdichte die Möglichkeit durch geeignete Filtermethoden das Messrauschen in einer lokalen Um-gebung zu reduzieren – die Ableitung etwa eines mittleren Punktes liefert dabei ein stochastisches Maß für die Präzision des Messpunktes. Kombiniert mit weiteren Genauigkeitsmodellen zu den in Kapitel 4 erläuterten Fehlereinflüssen kann so ebenfalls eine Abschätzung der 3D-Punktgenauigkeit getroffen werden. Diese sind allerdings nicht mit der Redundanz im Sinne einer äußeren Genauigkeit gleich zu setzen und dienen somit eher als Netzprognosen.

Ein direkter Nachweis von Veränderungen der Punktwolke gelingt beim Laserscanning durch Punktverglei-che. Bei einem solchen Epochenvergleich können Punktbewegungen durchaus aufgedeckt werden und man kann von einer Bewegungsanalyse sprechen. Die Deformationsanalyse hingegen vergleicht nicht Punktwol-ken sondern Netze miteinander, da nur aus der Kenntnis aller Beobachtungen die Genauigkeit der Koordinaten abgeleitet und somit eine gesicherte Aussage über die Signifikanz der Veränderungen getroffen werden kann.

Aussagekräftige und belastbare Resultate auch aus laserscanbasierten Überwachungsmessungen zu gewin-nen, stellt demnach weiterhin einen Gegenstand der Forschung dar (Wunderlich u. a., 2016). Die Kombination von tachymetrischen und scannenden Verfahren (vgl. Abschnitt 2.4.3) zur hochpräzisen Messung von signa-lisierten Einzelpunkten einerseits und der schnellen, flächenhaften Erfassung von Punktwolken andererseits eröffnen dabei neue Möglichkeiten für die geodätische Deformationsmessung. Aktuelle Entwicklungen der hy-briden Messtechnik kommen dieser Entwicklung stark entgegen (Wagner, 2017).

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Kapitel 4

Instrumentelle Einflussfaktoren auf das Messergebnis

Nach einem einführenden Abschnitt über die Terminologie von Prüf-, Kalibrier- und Justierverfahren behan-delt der Inhalt dieses Kapitels die grundlegenden instrumentellen Einflussfaktoren auf die Winkel- und Stre-ckenmessung. Insbesondere die Fehlergrößen der reflektorlosen Distanzmesseinheit dienen hierbei als Ent-scheidungsgrundlage für die grundsätzliche Eignung des tachymetrischen Scannings für geodätische Über-wachungsmessungen. Die Prüfergebnisse des eingesetzten Instrumentariums werden abschließend heran-gezogen, um die systematischen Auswirkungen von unberücksichtigten Korrekturen durch eine Simulation zu veranschaulichen. Diese visuellen Abschätzungen können bei der Analyse von vorliegenden Deformationen herangezogen werden, um Effekte etwaiger unerkannter Resteinflüsse von realen Deformationen zu trennen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

4.1 Terminologie

DasPrüfender Messmittel bedeutet, festzustellen, ob ein Prüfgegenstand/Instrument die festgelegten Kriterien oder die im Datenblatt des Instrumentenherstellers beschriebenen Spezifikationen erfüllt. Regelmäßige Prüf-routinen sind daher ein wesentlicher Indikator, um Funktionsstörungen frühzeitig zu erkennen.

EineKalibrierung erfolgt in der Regel durch einen Vergleich der Messwerte mit Sollwerten, die von Messge-räten übergeordneter Genauigkeit und unter Laborbedingungen stammen. Dabei wird neben der Feststellung und Dokumentation der Abweichung des angezeigten Messwertes vom wahren Wert auch der Zusammen-hang zwischen Eingangsgröße (der zu messenden physikalische Größe – z. B. eines Drehwinkels) und Aus-gangsgröße (dem elektrischen Ausgangssignal des Messgeräts bzw. dessen angezeigtem Wert) ermittelt. Die Kenntnis über den funktionalen Zusammenhang dieser beiden Größen lässt eine mathematische Beschrei-bung zu, in der auch systematische Störeinflüsse modelliert werden können. So deutet eine mit der Entfer-nung linear zunehmende Abweichung von der Sollstrecke auf einen Maßstabsfehler hin, dessen Ursache in den Resteinflüssen der meteorologischen Korrektur liegen mag.

DasJustieren beschreibt schließlich alle Maßnahmen, mit denen erreicht wird, dass die Abweichungen der Messwertanzeige vom wahren Wert minimal werden. Im Idealfall sind nach der Justierung die verbleibenden Abweichungen vernachlässigbar klein und vom zufälligen Messrauschen nicht mehr zu trennen. Prinzipiell können solche Maßnahmen mit einem mechanischen Eingriff, z. B. durch eine Verstellung des Fadenkreuzes, verbunden sein. Insbesondere bei elektronischen Messinstrumenten werden heute jedoch zunehmend rech-nerische Korrekturen mit Hilfe von geräteintern abgespeicherten Korrekturwerten oder Korrekturfunktionen zur Justierung herangezogen.

Eine weitere Möglichkeit zur Korrektur systematischer Gerätefehler kann auch durch geeignete, in der Regel symmetrische Messanordnungen erfolgen. Als Beispiel hierfür sei die Winkelmessung in zwei Fernrohlagen genannt. Allerdings existieren heute in der kinematischen Geodäsie durch das Aufkommen motorisierter und zielverfolgender Tachymeter zahlreiche Anwendungen, die auf eine Messung in zwei Fernrohlagen grundsätz-lich verzichten müssen. Eine rechnerische Berücksichtigung der entsprechenden Korrekturen ist in diesen Fällen zwingend erforderlich.

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