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Ziele und wissenschaftliche Fragestellung

Über 50 Seen, Teiche und Tümpel sind im Stadtgebiet vorzufinden, unter anderem auch 100 Hektar gepflegte Grünanlagen entlang des Mains und der Nidda sowie der bekannte Frank-furter Palmengarten. Mehr als 40 Parks im Stadtgebiet können als Erholungsraum genutzt werden, z. B. der Volkspark Niddatal oder der chinesische Garten. Der vorhandene Grüngür-tel (ca. 8000 Hektar Umfang) (Abbildung 4) macht ein DritGrüngür-tel der gesamten Stadtfläche aus, der sich über 70 Kilometer lang rund um Frankfurts Kern erstreckt. Dieses grüne Band bietet sehr viele Möglichkeiten und lädt zudem zum Wandern und Radfahren ein (Stadt Frankfurt am Main 2010c).

Bei einer Umfrage über den Grüngürtel von April bis Ende September 2010 (Stadt Frankfurt am Main 2010d) konnte ermittelt werden, dass der Grüngürtel als Ausflugsziel von den Bür-gern genutzt wird, z. B. entlang der Nidda, zum alten Flugplatz, Lohrberg, Volkspark Nidda-tal, zum Stadtwald oder dem Berger Rücken. Wichtig bis sehr wichtig waren den Befra-gungsteilnehmern im Grüngürtel die offene Landschaft, der verfügbare Wald sowie die Rad- und Wanderwege. Als störend wurde von den Befragungsteilnehmern das Vorkommen von Müll, Vandalismus und ungepflegter Areale empfunden. Ebenso wurden Lärm und rücksicht-lose Mitmenschen als störend von den Nutzern des Grüngürtels angegeben.

Die Daten zeigen, dass neben einer erheblichen Belastungsstruktur durch umweltbezogene Faktoren auch ein sehr großer Anteil an förderlichen Umweltressourcen (Grünflächen) in Frankfurt vorzufinden ist. Folgend werden weiter die Ziele der hier vorliegenden Arbeit darge-legt und die zu bearbeitenden Fragestellungen in Bezug auf Umwelt, Soziale Lage und Ge-sundheit bei Kindern in Frankfurt beschrieben.

Mielck 2010). In Deutschland wurde sowohl die sozialräumliche Verteilung von umweltbezo-genen Belastungen als auch von umweltbezoumweltbezo-genen Ressourcen lange Zeit vernachlässigt und erst in den letzten Jahren zunehmend als ein Gegenstand der Forschung betrachtet (exempl. Bolte 2006). Ein Ergebnis dieser Forschungen ist, dass auch in Deutschland Men-schen unterer Sozialschichten vermehrt durch Umweltbelastungen betroffen sind und weni-ger von Ressourcen profitieren (Hoffmann et al. 2003; Swart/ Hoffmann 2004; Bolte/ Mielck 2004; Mielck et al. 2007; Bolte/ Fromme 2008b; Bunge 2008; Bunge/ Katzschner 2009).

Gerade in den urbanen Regionen Deutschlands wird die sozialräumliche Verteilung von Umweltbelastungen bisher nur vereinzelt thematisiert (exempl. Kolaghar et al. 2006 in Nord-rhein-Westfalen; Bolte/ Fromme 2008b in Bayern; Lakes/ Klimeczek 2011 in Berlin), obwohl gerade in großen Städten die Umweltbelastungen höher ausfallen und – bedingt durch die verdichtete Bebauung – weniger Grün- und Freiflächen zur Verfügung stehen. Frankfurt am Main hat sich als weitere deutsche Stadt dieser Thematik angenommen und richtet den Fo-kus auf Kinder, da diese – bedingt durch ihre höhere Vulnerabilität gegenüber umweltbezo-genen Einflussfaktoren – zu einer Risikogruppe gehören und besonderer Beachtung bedür-fen (Tamburlini et al. 2002; Bolte et al. 2010; WHO 2010c).

Für die politischen Entscheidungsträger der Stadt Frankfurt am Main ist es nützlich zu eruie-ren, ob in einer Stadt mit ca. 700.000 Einwohnern sozialräumliche Unterschiede bei umwelt-bezogenen Belastungen bzw. Ressourcen vorzufinden sind und ob diese Unterschiede evtl.

Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern haben.

Schon im Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2007 wurde eine umfassende Darstellung der Zusammenhänge zwischen sozialer Lage und Ge-sundheitschancen gefordert, in der auch umweltbezogene Aspekte berücksichtigt werden müssen, um gleiche Teilhabechancen in Bezug auf Lebens- und Umweltbedingungen zu erreichen (SVR 2007). Dabei wird in dieser Dissertation der eindringlichen Forderung nach-gekommen, umweltbezogene Einflüsse hinsichtlich der sozialen Lage und deren Auswirkung auf die Gesundheit (hier bei Kindern) in die Gesundheitsberichterstattung zu integrieren (El-vers 2005; Bolte 2009). Mit Hilfe dieses Vorgehens können umweltbezogene Problemlagen von gesundheitlicher Relevanz identifiziert werden, die einen gezielten, adressatengerechten und gewinnbringenden Einsatz der vorhandenen Ressourcen vor Ort erlauben. Dieses Vor-gehen ist zielführend für eine nachhaltige Stadt- und Raumplanung im Sinne von Umweltge-rechtigkeit und kann langfristig dazu beitragen, eine attraktive, lebenswerte sowie umweltge-rechte Wohnumgebung für Kinder und Erwachsene im gesamten Stadtgebiet zu ermögli-chen. Dementsprechend wird als ein wesentliches Ziel des Studienvorhabens definiert, die Verteilung und das Vorkommen umweltbezogener Belastungen und -ressourcen im unmittel-baren Lebensraum von Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren in Frankfurt am Main nach sozialen Faktoren zu ermitteln. Ein weiteres Ziel besteht darin, mögliche Zusammenhänge

zwischen umweltbezogenen Einflussgrößen auf gesundheitsrelevante Endpunkte zu unter-suchen. Des Weiteren wird beabsichtigt zu erforschen, ob umweltbezogene Einflussgrößen neben anderen relevanten Faktoren einen unabhängigen Einfluss auf die Lebensqualität und den allgemeinen Gesundheitszustand von Kindern haben. Um diese Ziele adäquat umsetzen zu können, wurde in Frankfurt am Main ein Studienvorhaben im Rahmen der Gesundheits-berichterstattung initiiert. Durch die Ergebnisse können gezielt Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger im Sinne von „Daten für Taten“ abgeleitet werden, um lang-fristig allen Frankfurter Kindern ein höchstmögliches Maß an Wohlbefinden und Gesundheit durch die Umwelt in ihrer Wohnung bzw. in ihrem Wohnumfeld zu ermöglichen.

Die gesamte Studie umfasst mehrere Studienbausteine, von denen zwei in der hier vorlie-genden Dissertation bearbeitet werden. Der erste Schwerpunkt der Dissertation besteht da-rin, alle Frankfurter Stadtteile (n = 45) hinsichtlich ihrer umweltbezogenen Qualität und ihrer sozialen Lage einzuschätzen und Stadtteilgruppierungen zu identifizieren, die sich nach so-zialen und umweltbezogenen Gesichtspunkten voneinander abgrenzen. Die Einschätzung der umweltbezogenen Qualität sowie der sozialstrukturellen Ausstattung der Stadtteile Frankfurts erfolgt durch spezifische umwelt- sowie sozialbezogene Daten, die auf aggregier-ter Stadtteilebene vorliegen. Dabei wird das Ziel verfolgt, datengestützt eine Auswahl von vier Erhebungsstandorten für die Primärerhebung zum Thema „Umwelt, Soziale Lage und Gesundheit bei Kindern in Frankfurt am Main“ vorzunehmen. Des Weiteren wird durch die erstmalige Verknüpfung von Sozial- und Umweltdaten in einer sozialräumlichen Analyse der Vergleich aller Frankfurter Stadtteile ermöglicht. Bis dato steht eine solche Untersuchung auf Stadtteilebene in Frankfurt am Main nicht zur Verfügung.

Um dieses Vorhaben umsetzen zu können, wird in dieser Arbeit eigens ein Umwelt- und So-zial-Index-Modell entwickelt und statistisch geprüft. In dieses Modell werden vorhandene umweltbezogene Variablen (z. B. Anteil durch Straßenlärm betroffener Bewohner im Stadt-teil) als auch soziodemografische Variablen (z. B. spezifische Arbeitslosendichte im Stadtteil 15 - 65Jähriger) integriert, mittels derer ein Umweltindex sowie Sozialindex für die Stadtteile getrennt berechnet wird. Erfahrungen mit Auswertungen auf sozialräumlicher Ebene liegen bereits aus einigen Untersuchungen vor (vgl. Strohmaier/ Mai 2007; Latzitis et al. 2011). Da-bei werden in Frankfurt am Main erstmals zusätzlich umweltbezogene Parameter auf Stadt-teilebene berücksichtigt, wodurch eine Einschätzung der Stadtteile nicht nur nach sozialbe-zogenen, sondern auch nach umweltbezogenen Parametern möglich wird.

Konkret sollen folgende Fragestellungen durch die Voranalyse beantwortet werden:

• Sind die Umweltbelastungen bzw. -ressourcen in Frankfurter Stadtteilen sozial ungleich verteilt (Expositionsvariation)?

• Können bestimmte, unterschiedliche Stadtteilgruppen (Cluster) hinsichtlich ihrer Umwelt- und sozialstrukturellen Ausstattung identifiziert werden?

• Können mit Hilfe der genutzten Informationen zur Indexbildung die Dimensionen „Um-welt“ und „Soziale Lage“ abgebildet werden?

• Kann das entwickelte Umwelt- und Sozial-Index-Modell bestätigt werden?

• Ermöglicht diese Voranalyse eine datengestützte Auswahl von Studienstandorten für die Primärstudie?

Der zweite Schwerpunkt der hier vorliegenden Arbeit liegt auf der Erhebung von individuellen Daten von Kindern zum Thema „Umwelt, Soziale Lage und Gesundheit“ durch eine standar-disierte Befragung der Eltern. In Deutschland fehlt es noch an Primärstudien, in denen um-weltbezogene Belastungen und Ressourcen nach sozialer Lage mit gesundheitlichen End-punkten, wie z. B. Asthma, Übergewicht oder Lebensqualität der Kinder verknüpft werden.

Die hier durchgeführte Analyse trägt dazu bei, die Datenlage weiter zu verbessern, worin ein zweiter wesentlicher Nutzen dieser Dissertation zu sehen ist. In der Primärstudie werden subjektive Einschätzungen der Eltern mit Bezug auf ihre Kinder zu umweltbezogenen, ge-sundheitlichen und sozialen Faktoren erhoben. Dies erfolgt durch einen eigens aufgestellten Fragebogen. Folgende Fragestellungen werden im Rahmen der Studie untersucht:

• Sind Unterschiede bei gesundheitsbezogenen Parametern bzw. bei der Lebensqualität der Kinder, beim Vorkommen von Unfällen bei Kindern, bei den Wohn- und Lebensbe-dingungen (u. a. auch Wahl der Wohngegend und Betroffenheit in der Wohngegend), bei der Sicherheit im Stadtteil, bei den umweltbezogenen Belastungen, dem Grünzugang, dem Bewältigungsverhalten bei Umweltbelastungen, der Partizipationsbereitschaft im Stadtteil, dem Freizeitverhalten der Kinder, dem Rauchverhalten der Eltern sowie bezo-gen auf die Zufriedenheit nach Geschlecht, (so sinnvoll Alter), Migrationshintergrund, so-zialer Schichtzugehörigkeit und Stadtteilherkunft der Kinder vorhanden?

• Bestehen Zusammenhänge zwischen umweltbezogenen Faktoren und gesundheitlichen Endpunkten?

• Haben umweltbezogene Faktoren unter Berücksichtigung der sozialen Lage und weiterer Einflussgrößen einen Einfluss auf die Lebensqualität und auf den allgemeinen Gesund-heitszustand der Frankfurter Kinder?

• Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aufgrund der vorzufindenden Ergebnisse für die kommunale Politik in Frankfurt am Main ableiten?

Der dritte Studienschwerpunkt umfasst die qualitätsbezogene Bewertung aller vorhandenen Grünflächen der Studienstandorte, um neben der Quantität an Grün innerhalb der Stadtteile auch Aussagen über die Qualität der Grünflächen treffen zu können. Dieser Studienbaustein ist jedoch nicht Teil dieser Dissertation und wird aus diesem Grund hier nicht weiter themati-siert.