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Zertifizierung durch die TU Dortmund

3. Zertifizierungskonzepte in der GG

3.8 Zertifizierung durch die TU Dortmund

3.8.1 Beschreibung

Abschließend soll auf ein Zertifizierungsangebot fu r die Schulverpflegung vom "Institut fu r Gesundheitsfo rderung im Bildungsbereich e.V." der TU Dortmund in NRW46,47 noch kurz einge-gangen werden. Da nach diesem Zertifizierungskonzept inzwischen schon viele Schulen zerti-fiziert wurden und die Initiatoren von sich selbst behaupten, "die bedeutendsten und

erfolg-46 Wehmöller D: Geprüfte Qualität. Schülermenü, Jahreskompendium 2014/2015, 30-33, Huss-Medien GmbH, Berlin 47 Institut für Gesundheitsförderung im Bildungsbereich e.V.: Navigation Ernährungsqualität. www.institutfgb.de

reichsten Serviceanbieter in Deutschland" fu r die Verpflegung von Kitas und Schulen zu sein48, soll das Konzept kurz vorgestellt und kritisch kommentiert werden.

Zuna chst handelt es sich bei der Zertifizierung dieses Instituts nur um ein Segment der GG, na mlich Kitas und Schulen. Alle anderen hier beschriebenen Zertifizierungsangebote bzw. -konzepte sind wesentlich breiter aufgestellt und zertifizieren im Grunde das ganze Spektrum der GG. Lediglich der IFS ist ein Sonderfall.

Der Ansatz der Dortmunder Zertifizierung besteht darin, "angelernte hauswirtschaftliche Kra fte" zu schulen und die Schulen dann zu zertifizieren. Das Konzept der Qualifizierung von Laien ist auf Dauer jedoch nicht tragfa hig. Dieser Ansatz widerspricht der Forderung nach ei-ner Professionalisierung aller Bereiche der GG, wie er im gesamten Handbuch vertreten wird.

Die Seminare des Instituts vermitteln den Servicemitarbeitern in nur 3 x 3 Stunden das Ru st-zeug fu r ihre Ta tigkeit in den Schulen. Nach zwei Jahren gibt es ein Folgeseminar u ber einen Vormittag, wobei nur zwei Bereiche behandelt werden, und auch diese - schon aufgrund der kurzen Zeit - nur unvollsta ndig.

3.8.2 Kommentar

Man setze diese kurze Zeit einmal der Ausbildungszeit fu r eine Fachkraft gegenu ber und be-denke ferner, dass die Ausbildung Einzelner fu r eine erfolgreiche Arbeit in einem GG-Betrieb nicht ausreicht. In einem professionellen Betrieb sind verschiedene, erfahrene Fachkra fte und angelernte Kra fte ta tig, wobei ein breites Themenspektrum zu beru cksichtigen ist. Um einen aktuellen Wissensstand zu haben, sind immer wieder Schulungen sowie die Teilnahme an di-versen Bildungsangeboten notwendig - interne wie externe. Die Fachkra fte mu ssen die ange-lernten Kra fte kontrollieren und sta ndig nachschulen, um Fehler weitgehend zu vermeiden.

Nur in einem solchermaßen zusammengesetzten Team ist eine erfolgreiche Arbeit vorstellbar.

Daher sollte klar sein, dass eine so kurze Schulung, wie sie in diesem Konzept vorgesehen ist, schwerlich ausreichen kann, um die notwendige und dauerhafte Qualifikation zu erreichen.

Eine kurze Schulung von angelernten Kra ften wa re nur sinnvoll, wenn es sich hierbei um ein temperaturentkoppeltes System handeln wu rde, wobei die Fu hrungskra fte Fachkra fte sein mu ssten49. Das gesamte Zertifizierungskonzept des Instituts der TU Dortmund ist aber nicht auf die Temperaturentkopplung ausgelegt. Dann wa re dieses Schulungskonzept sehr zu begru -ßen, weil damit das geeignetste System fu r Deutschland gefo rdert wu rde. Vielmehr wird auf-grund der engen Kooperation mit der Verbraucherzentrale NRW, gleichzeitig die Vernetzungs-stelle des Landes, auf eine offene Fo rderung Wert gelegt, bei der es keine Pra ferenzen gibt.

Dieser pluralistische Ansatz, wie er auch bei allen anderen Vernetzungsstellen u blich ist, ent-spricht dem Gießkannenprinzip, indem versucht wird, bei allen Ansa tzen, unabha ngig von ih-rer Sinnhaftigkeit, einen kleinen Input zu geben, um die Verha ltnisse etwas zu verbessern.

Dies reicht fu r das Ziel einer Professionalita t nicht aus.

Es sei darauf hingewiesen, dass in anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht akzeptiert wird, dass sich Amateure auf einem Spezialgebiet beta tigen. So wird wohl kaum jemand

un-48 TU Dortmund: 500 Servicekräfte für bessere Schulverpflegung geschult. Pressemitteilung vom 30.9.2014 zum "Tag der Schulverpflegung". ww-w.mynewsdesk.com/de/schulmilch/pressreleases/tu-dortmund-500-servicekraefte-fur-bessere-schulverpflegung-geschult-1060104 49 Peinelt V, Gemüth P: Produktionssysteme in der GG. https://ewd-gastro.jimdo.com/speisenangebote/produktionssysteme/

gelernten Kra ften, die einen Schnellkurs fu r Kfz-Reparaturen absolviert haben, seinen Wagen anvertrauen. Im U4brigen ist dies verboten. Hier gibt es also strenge Vorschriften fu r die Qua-lifikation. Fu r die Schulverpflegung fehlen diese. Das sagt viel daru ber aus, welche Bedeu-tung der Staat diesem Thema beimisst.

Wie bereits angesprochen, ist das Schulungs- und Zertifizierungsspektrum sehr schmal. Es handelt sich im Grunde nur um die Vollwertigkeit und einige Themen zur Hygiene. Nach den gleichen Kriterien wird auch auditiert. Hiermit wird weder das Spektrum der Qualita tsstan-dards der DGE in seiner Breite behandelt, geschweige denn, dass die vielseitigen Aspekte aus-reichend vertieft werden. Was die Vielseitigkeit betrifft, so sei auf die Ausfu hrungen u ber das Zertifizierungskonzept verwiesen50. Sieht man sich allein das wichtige Thema der Personalhy-giene an, so wird man schnell feststellen, dass schon hiermit die knappe Zeit fu r Schulungen vollkommen auszufu llen wa re.

Die Seminarblo cke ko nnen also nicht mehr als elementares Wissen vermitteln. Und auch dies mu sste nun noch mehrfach wiederholt werden, um das Gelernte in routiniertes und sicheres Handeln zu u berfu hren. Ob der vermittelte Stoff in diesem Crash-Kurs noch abgepru ft wird, ist nicht bekannt. Es wu rde auch nicht reichen, das Wissen zu u berpru fen, da das einmal Gelernte bekanntlich schnell wieder vergessen wird. Daher ist das kontrollierende Auge von erfahre-nen Fachkra ften unabdingbar, damit die angelernten Kra fte immer wieder beobachtet und ggf.

korrigiert werden. Doch Fachkra fte sind keine Vorgabe fu r das Konzept der Schulverpflegung, da das Land NRW glaubt, mit kurzen Seminaren in Verbindung mit einer Zertifizierung ange-lernten Kra fte eine ausreichende Qualifikation vermitteln zu ko nnen. Dieser Ansatz wird von den Autoren ausdru cklich nicht geteilt.

Die Kosten fu r die Schulung und ein Audit betragen jeweils nur 100 Euro und liegen somit weit unter den Marktpreisen. Derartige Dumpingpreise sind nur mo glich, weil die Schulung und die Zertifizierung vom Staat unterstu tzt werden. Man mag die staatliche Unterstu tzung fu r derartige Maßnahmen fu r erfreulich und lo blich halten, doch diese Preisgestaltung ist lei-der aus Gru nden des EU-Rechts problematisch. Seit 1.1.2009 wird eine Trennungs- und Voll-kostenrechnung verlangt, urspru nglich gema ß Art. 87 EG-Vertrag, heute gema ß Art. 107 AEUV (Vertrag u ber die Arbeitsweise der EU)51. Hiermit sind staatliche Zuschu sse fu r wirtschaftliche Ta tigkeiten nicht mehr zula ssig, da dies zu einer Verzerrung des Wettbewerbs am gemeinsa-men Markt fu hren kann. Angesichts der Gro ßenordnung der Zertifizierung der Schulverpfle-gung in NRW durch das Institut der TU Dortmund du rfte es schwer fallen, eine Ausnahmere-gelung geltend zu machen.

Zusammenfassend mo gen die Schulungs- und Zertifizierungsaktivita ten der TU Dortmund die desolaten Verha ltnisse der Verpflegung in vielen Schulen in NRW etwas mildern. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass sie wesentlich zu einer Professionalisierung des Bereichs beitragen, es sei denn, dass NRW hiermit konsequent die temperaturentkoppelten Systeme zu fo rdern gedenkt.

Davon ist aber weit und breit nichts zu sehen.

50 Peinelt V: "Ausgezeichnete Gemeinschaftsgastronomie". https://ewd-gastro.jimdo.com/zertifizierung/ausgezeichnete-gg/

51 Europäische Kommission: Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung, Entwicklung und Innovation (2014/C 109/01). Amtsblatt der Europäischen Union vom 27.6.2014, II (Mitteilungen), C198/1-29