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1. Einleitung

1.4 Zelluläre Mechanismen der Tonusregulation glatter Muskulatur:

Die Bedeutung von Ca2+, K+ und K+-Kanälen

Der kontraktile Apparat glatter Muskelzellen wird durch eine Erhöhung der intrazellulären (zy-toplasmatischen) Konzentration freien Ca2+ über einen definierten Schwellenwert, dieser be-trägt etwa 0.1 µM, aktiviert. Die elektromechanische Kopplung beschreibt den Zusammenhang zwischen der elektrischen Aktivität glatter Muskulatur und der Ca2+-abhängigen mechanischen Kraftentwicklung. Die Depolarisierung der Zellmembran infolge eines Aktionspotentials führt zur Aktivierung spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle in der Membran der glatten Muskelzelle und so-mit zur Bewegung extrazellulären Ca2+ in das Zytoplasma. Dieser passive Transport von Ca2+

entlang eines Konzentrationsgradienten stimuliert die Aktivierung Ca2+-abhängiger K+-Kanäle, was eine Bewegung von K+ in den extrazellulären Raum auslöst. Die Tatsache, daß die kontraktile Wirkung depolarisierender Agentien, dazu zählt auch K+, in vitro durch die Applikation geringer

Konzentrationen von Ca2+-Antagonisten blockiert wird, bestätigt die Notwendigkeit eines anhal-tenden Ca2+-Einstroms in das Zytoplasma der Muskelzelle während des Kontraktionsvorgangs (16).

Die Ca2+-Abhängigkeit der Muskelkontraktion wird von einer Gruppe spezifischer Proteine ver-mittelt, die mit den Actin-Filamenten der Zelle assoziiert sind. Die Ca2+-Wirkung wird durch Calmodulin, ein Ca2+-bindendes Protein vermittelt. Der Komplex aus Ca2+ und Calmodulin akti-viert das Enzym Myosin Light Chain Kinase (MLCK), welches die Phosphorylierung der leichten 20 KD Kette des Myosins katalysiert. Diese Phosphorylierung ist Voraussetzung für die Stimulation der Mg2+/ATPase-Aktivität des Myosins durch Actin, die zur zyklischen ATP-Hydrolyse während der Muskelkontraktion führt. Um eine Kontraktion glatter Muskulatur zu antagonisieren, ist es notwendig, daß die intrazelluläre Konzentration freien Ca2+ unter 0.1 µM sinkt. Dazu wird zyto-solisches Ca2+ in zelluläre Kompartimente aufgenommen, über Ionen-Kanäle der Zellmembran in den extrazellulären Raum verbracht oder innerhalb der Zelle an Proteine und Membranstrukturen gebunden. Der Transport von Ca2+ über die Zellmembran in den extrazellulären Raum erfolgt in der Regel gegen den elektrischen und chemischen Gradienten des Ions, ist also ein ener-gieabhängiger Vorgang, der ATP-abhängige Ca2+-Pumpen benötigt. Als intrazelluläre Ca2+ -Speicher dienen das Sarcoplasmatische Reticulum (SR) und die Mitochondrien, die bis zu 30 mmol Ca2+/kg Trockengewicht akkumulieren können. Diese Menge ist ausreichend, um bei ei-ner dem Konzentrationsgradienten folgenden, passiven Freisetzung in das Zytoplasma den kon-traktilen Apparat zu aktivieren. Der Transport des Ca2+ aus dem Zytoplasma in das SR erfolgt ebenfalls durch ATP-abhängige Ca2+-Pumpen, die in der Membran des SR lokalisiert sind (17).

Die Relaxation glatter Muskulatur setzt eine Interaktion zwischen einem Membranrezeptor, einem endogenen Liganden, einem G-Protein und die kontrollierte Bewegung von Ca2+- und K+-Ionen über die Zellmembran voraus. Die Bindung eines externen Liganden - dabei kann es sich um einen Neurotransmitter oder endogene, nicht-cholinerge Signalsubstanzen mit va-soaktiven Eigenschaften wie das Vasoaktive Intestinale Polypeptid (VIP), das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) oder Adenosin handeln - an einen Membranrezeptor bewirkt zunächst eine Änderung der Konformation des Rezeptorproteins. Diese Konformationsänderung teilt sich einem Rezeptor-assozierten Bindungsprotein (G-Protein) mit, welches Guanosintriphosphat (GTP) bindet. Eine anschließende Dislokation des G-Proteins innerhalb der Membran und seine Assoziierung mit einem K+-Kanalprotein induziert die Aktivierung (Öffnung) des Kanals und den Efflux von K+ in den extrazellulären Raum, was zu einer Hyperpolarisierung der Membran führt.

Diese Hyperpolarisierung reduziert die open state probability (Popen) spannungsabhängiger Ca2+ -Kanäle, der Verschluß dieser Kanalproteine blockiert den Transport von Ca2+ in das Zytoplasma, was zu einer Depletion der Konzentration freien Ca2+ und schließlich zur Inhibition der kon-traktilen Kraftentwicklung der glatten Muskelzelle führt (18). Das Öffnen oder Schließen eines K+-Kanals ist ein stochastischer Prozeß, der einer dynamischen Kinetik folgt, es können daher lediglich Wahrscheinlichkeiten dafür angegeben werden, welcher Zustand unter definierten phy-siologischen Bedingungen dominiert. Die Kopplung des G-Proteins an einen K+-Kanal aktiviert die GTPase-Aktivität des G-Proteins, wodurch dieses erneut seine Ausgangskonfiguration einnimmt

Einleitung

und damit für den nächsten Aktivierungszyklus bereit ist. Die von einem Rezeptor und einem G-Protein unabhängige Aktivierung von K+-Kanälen ist ebenfalls beschrieben, der Mechanismus ist die direkte Bindung endogener, vaso-relaxierender Aktivatoren wie CGRP, VIP oder Adenosin, die aus Nervenendigungen, Endothelzellen oder nicht-vaskulärem, nicht-neuronalem Gewebe freigesetzt werden, an das Kanalprotein. Auch der metabolische Zustand der Zelle kann die Aktivierung von K+-Kanälen beeinflußen und den Popen-Wert erhöhen, von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang der zelluläre pH-Wert, die ATP-Konzentration und der O2-Partialdruck.

So wird die durch Hypoxie induzierte koronare Vasorelaxation von der Öffnung von K+-Kanälen und einem Efflux von K+ aus dem Zytosol vermittelt, denn die Dilatation kann durch Glibenclamid, einen K+-Kanal-Antagonisten, blockiert werden (19). Experimente an isolierten Segmenten des Ureters des Meerschweinchens zeigten eine Zunahme der Kontraktilität der glatten Muskulatur nach der Azidifizierung des Zytoplasmas durch die Zugabe von Buttersäure oder die Einleitung von CO2 in das Puffermedium. Der Zusammenhang zwischen der Änderung des pHi und der Aktivität von K+-Kanälen ergibt sich aus der Beobachtung, daß die Azidifizierung in Gegenwart des K+ -Kanalblockers Tetraethylammonium (TEA) keinen Effekt auf die kontraktile Kraftentwicklung der Gewebesegmente hatte (20).

Die prevalenten K+-Kanäle in der Membran vaskulärer glatter Muskelzellen sind die sogenann-ten large conductance Ca2+-abhängigen Kanäle und spannungssensitive (voltage sensitive) Kanalproteine, die auch mit dem Begriff Maxi-K+-Kanäle bezeichnet werden, sowie die voltage gated Kanäle (Kv-Kanäle). Diese Proteine sind sind durch eine komplexe molekulare Struktur cha-rakterisiert, die aus einer alpha- und einer ß-Untereinheit gebildet wird, wobei die alpha-Unter-einheit die eigentliche Pore des Ionenkanals formt. Die alpha-Unteralpha-Unter-einheiten bilden ein Tetramer, eine als S4 bezeichnete Transmembran-Domäne repräsentiert die spannungsempfindliche Komponente der Proteinstruktur, den Spannungssensor (voltage sensor). Die Maxi-K+- und Kv -Kanäle werden in vaskulärer glatter Muskulatur ubiquitär exprimiert, es sind jedoch Isoformen der alpha-Untereinheit und Strukturkomplexe der ß-Untereinheit identifiziert worden, die Gewebe-spezifisch sind. Daraus läßt sich theoretisch die Möglichkeit einer selektiven pharmakologischen Beeinflußung der Funktionalität eines Organs ableiten. Die Grundlage der molekularen Vielfalt der alpha-Untereinheit der Maxi-K+-Kanäle ist das alternative Splicing des Gen-Transkripts, welches für das Protein kodiert, und die posttranslationale Modifikation des Genprodukts. Das Ergebnis sind multiple Isoformen, die sich in ihrer Sensitivität gegen die intrazelluläre Konzentration freien Ca2+ und den elektrischen Gradienten (Spannung) sowie hinsichtlich des Musters ihrer Expression in der Zellmembran unterscheiden (21). Neben den Maxi-K+- und Kv-Kanälen ist ein weiteres K+-Kanalprotein beschrieben, das von Adenosintriphosphat (ATP) kontrolliert wird. Eine Erhöhung der ATP-Konzentration im intrazellulären (zytoplasmatischen) Raum auf 10 µM - 200 µM redu-ziert die open state probability (Popen) des K+ATP-Kanals auf einen Wert von 50%, beträgt die ATP-Konzentration 1 mM - 5 mM, ist die Pore mit hoher Wahrscheinlichkeit ständig geschloßen, der Kanal inaktiv. Die Interaktion dieser Mechanismen gestattet ein fine tuning der Aktivität von K+-Kanälen in Abhängigkeit vom physiologischen Status der Zelle, als Reaktion auf pathologische

Veränderungen des metabolischen Gleichgewichts und der Verfügbarkeit von Energieequivalenten (22).

Bisher haben nur wenige experimentelle Arbeiten die Expression von K+-Kanälen im oberen und unteren Harntrakt des Menschen zum Gegenstand gehabt. FRINGS ET AL. (1990) identifizierten mit der Patch-clamp Technik die Signale verschiedener Ionenkanäle in den Membranen isolierter Zellen des Harnblasen-Urothels. In den Membranen der apikalen Zellen dominierten Amilorid-sensitive, low conductance Na+-Kanäle; Signale, welche K+-Kanälen zugeordnet werden konnten, ließen sich ausschließlich aus Membranarealen basolateraler Epithelzellen ableiten. TRIVEDI ET AL. (1995) schlossen aus den Ergebnissen von 86Rb/42K Efflux-Experimenten, die Charybdotoxin, Iberiotoxin, das Ca2+-Ionophor A23187 und den für Maxi K+-Kanäle spezifischen K+-Kanalöffner NS 004 als inhibitorische oder exzitatorische Substanzen verwendeten, auf die Präsenz von large conductance Ca2+-abhängigen K+-Kanälen in den Membranen der glatten Muskelzellen des hu-manen Detrusors (23,24). Diese Kanalproteine vermitteln dort wahrscheinlich die Repolarisation der Aktionspotentiale. K+-Kanäle in den Gewebefraktionen des humanen Ureters sind bisher nicht elektrophysiologisch, immunhistochemisch oder molekularbiologisch charakterisiert wor-den. Lediglich eine tierexperimentelle Arbeit beschreibt die Expression der als Kir 6.1 und SUR2 bezeichneten Untereinheiten des ATP-abhängigen K+-Kanals (K+ATP) in primären Kulturen von Epithelzellen der Harnleiter-Anlage neonataler und postnataler Ratten. Das Gewebe war den Tieren zwischen dem 14. Tag der Ontogenese (E14) und dem ersten postnatalen Tag entnommen worden. Das Kir 6.1 Protein ließ sich immunohistochemisch in den Membranen der apikal und basolateral gelegenen Epithelzellen nachweisen. Die Autoren postulieren eine Beteiligung von K+-Kanälen an der Kontrolle zellulärer Proliferationsprozeße während der Embryonalentwicklung, lassen die Frage einer funktionellen Relevanz der Kanalproteine jedoch unberücksichtigt (25).

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Abb. 2: Kalium (K+)-abhängige Mechanismen der Kontrolle des Tonus glatter Muskelzellen: Modifikation der Aktivität (open state probability = Popen) von K+-Kanälen durch endogene und exogene (exzitatorische oder inhibi-torische) Mediatoren wie Adenosintriphosphat (ATP), den vasoaktiven Peptiden Vasoaktives Intestinales Polypeptid (VIP) und Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), den K+-Kanalöffnern Cromakalim und Diazoxid und den K+ -Kanalblockern Barium (Ba2+) und Glibenclamid (modifiziert nach: Standen N.B.: Potassuim channels, metabolism and muscle. Exp. Physiol. 77: 1 - 25, 1992)