• Keine Ergebnisse gefunden

Bemerkungen zur „kriegerischen Männlichkeit“ im späten Mittelalter*

2. Wunden und Narben

Im Gefecht erlittene Wunden wurden im Verlauf des Heilungsprozesses zu Nar-ben. Sie konnten in den Erzählungen als ein in den Körper eingeschriebener und unauslöschbarer Beleg für die Tapferkeit und im Kampf gewonnene Ehre präsentiert werden. Sie waren Ehrenabzeichen kriegerischer Männlichkeit, wie der mittelrheinische Anonymus etwa im Falle des Gottfried von Hohenlohe-Bruneck berichtet, der 1298 bei Göllheim kämpfte und dabei verletzt wurde.

Seine später noch sichtbaren Narben sind Beleg für seine Tapferkeit: Er trägt noch [heute] unter den Augen [im Gesicht] – ich sage das ohne zu schmeicheln – des ehrlichen Kampfes ‚Schriftzeichen, Siegel und Urkunde‘.17 Der italienische Söldnerführer Bracio da Montone, so erzählt sein Biograph Giovanni Antonio Campano, habe seine Soldaten gar anhand ihrer Narben ausgewählt. Am liebs-ten suchte er jene aus, die im Gesicht Narben hatliebs-ten und deren andere Glieder von Hieben und Schlägen gezeichnet waren und gerade wegen dieser Narben hohes Ansehen genossen.18 Die Narben in den Gesichtern waren der sichtbare Ausdruck ihrer Tapferkeit ebenso wie ihrer Leidensfähigkeit, nämlich Wunden hinzunehmen und auszuhalten. Sie zeigen zum einen die Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers, zum anderen aber auch seine Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen. Sie sind zudem ein Symbol dafür, dass der Kampfgeist ebenso regene-riert wird wie die Haut sich durch die Narbenbildung regeneregene-riert.19 Narben als Zeichen der Tapferkeit (und damit auch der Ehre) waren ein wichtiges Erzähl-muster zur Darstellung von kriegerischer Männlichkeit.

16 Rogge: Tote Ritter (wie Anm. 11), S. 261–272.

17 Pseudo-Cilies und sein Gedicht „Die Schlacht bei Göllheim“, in:  Karl Scherer (Hg.): Göllheim. Beiträge zur Ortsgeschichte, Göllheim 2006, S. 61–66, hier S. 64.

Das mittelhochdeutsche Original S. 69: Dat wizzet sunderlougen: He dreit noch under ougen (Ich spreche it sunder smeichen), Die rechte stridens zeichen, insigel unt hantveste.

18 Julia Morosini: The body of the Condottiero (wie Anm. 13), S. 177.

19 Dazu auch Rogge: Kämpfer als Schreiber (wie Anm. 9), S. 86–96; Oliver Auge: „So solt er im namen gotes mit mir hinfahren, ich were doch verderbt zu einem kriegsmann“ – Durch Kampf und Turnier körperlich versehrte Adelige im Spannungsfeld von Ehr-postulat und eigener Leistungsfähigkeit, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 28 (2009), S. 21–46.

Weiterhin wurde auch das Schema „Schmerzen ertragen ohne zu klagen“

verwendet. Der spanische Gesandte hat es in seinem Bericht über das Turnier 1436 in Schaffhausen benutzt: Wenn einer getroffen wird und fällt, so gilt er noch nicht als ein schlechter Ritter, sondern nur, wenn er schreit und klagt, er sei ver-wundet, und die Arme emporhält, bis man ihn aufhebt.20 Hier wird eindeutig ein Zusammenhang hergestellt zwischen dem Aushalten eines Falls vom Pferd und der damit verbundenen Schmerzen und Verletzungen des Körpers und dem Ansehen als Kämpfer, Ritter. Vom Gegner getroffen und vom Pferd geworfen zu werden, ist an sich kein Anlass für Ansehensverlust. Dieser Verlust tritt erst in dem Moment ein, wenn der Gefallene um Hilfe ruft und seine Verwundung beklagt. Diese Schemata dienen dazu, die Tapferkeit (Fortitudo) von Kämpfern in den Erzählungen hervorzuheben und diese Qualitäten als zentral für die krie-gerische Männlichkeit – neben der körperlichen Fähigkeit, die Belastungen im militärischen Alltag und im Kampf auszuhalten – erscheinen zu lassen.

3. Körperrelationen

Kriegerische Männlichkeit und Tapferkeit wird in den Erzählungen häufig auch dadurch gekennzeichnet, dass die Kämpfer in Relation zu anderen Personen gesetzt werden, wodurch ein mittelbarer Körperbezug hergestellt wird. Dazu werden die Kämpfer indirekt oder direkt mit anderen Kämpfern (Gegnern) oder auch Frauen in Relation gesetzt. Die verschiedenen Formen bzw. Ausprägun-gen von Männlichkeit erfolAusprägun-gen epochenübergreifend durch die doppelte Dis-tinktion gegenüber Frauen und anderen Männern.21 Das lässt sich auch anhand der Erzählmuster zur Darstellung von kriegerischer Männlichkeit zeigen. Dabei werden verschiedene Varianten deutlich, mit denen diese Relationen erzählt wurden. Frauen erkundigten sich zum Beispiel nach dem Namen eines Kämp-fers, der ihnen besonders aufgefallen ist. Der Dichter Hirzelin benutzt in sei-nem Gedicht über die Schlacht bei Göllheim 1298 dieses Muster, um Herzog

20 Ein spanischer Bericht über ein Turnier in Schaffhausen im Jahr 1436, hg. von Karl Stehlin, in: Baseler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 14 (1915), S. 145–

176, hier S. 162, wo der Verfasser weiter erklärt: Die Sättel sind nämlich so gebaut, dass der Reiter an den Beinen nicht getroffen werden kann. Aber freilich geschieht es etwa, dass ein Reiter beim Stoße zu gleicher Zeit mit dem Pferd den Kopf auf dem Boden aufschlägt, weil die Sättel hinten keine Stütze haben.

21 Dieses Argument bringen u.a. Michael Meuser, Sylka Scholz: Hegemoniale Männlich-keit. Versuch einer Begriffsklärung aus soziologischer Perspektive, in: Martin Dinges (Hg.): Männer-Macht-Körper. Hegemoniale Männlichkeiten vom Mittelalter bis heute, Frankfurt/Main 2005, S. 211–228.

Heinrich von Kärnten zu loben. Auf die Frage von (namentlich nicht genann-ten) Frauen, wer der Fürst sei, der so kämpferisch auf dem Schlachtfeld reitet und sein Leben für die Ehre aufs Spiel setzt, antwortet er in direkter Rede, dass es sich um Heinrich von Kärnten handele. Er sei ein Beschützer edler Damen, ihr Vertrauter, ihr Geliebter (ein vrowen heil, ir traut, ir zart).22 Die Namen der Frauen werden hier ebenso wenig genannt wie im nächsten Beispiel, das aus der Chronik von Jean Froissart stammt.23 Der Söldner Louis Roubaud hatte in Brioude (Auvergne) eine Freundin, die er von ganzem Herzen liebte. Als er die Stadt für einige Zeit verlassen musste, vertraute er die Frau (deren Namen nicht erwähnt wird) der Obhut seines Waffenbruders Limousin an, dem er bedin-gungslos vertraute. Doch der kümmerte sich so sehr um die junge Frau, dass sie ihm alles gab, was er sich wünschte. Als Louis das herausfand, stellte er ihn zur Rede; anschließend ließ er den bis auf seine Unterhose nackten Limousin als Verräter unter dem Klang von Trompeten aus der Stadt führen. Der wartete auf eine Gelegenheit, sich zu rächen und tatsächlich konnte Limousin seinen Kon-trahenten einige Monate später mit der Unterstützung seines ehemaligen Herren (Lord von Voulte) überfallen und gefangen nehmen. Seine Begleiter wurden alle erschlagen. Limousin fragte Louis Roubaud spöttisch, ob er noch wisse, wie er ihn zum Objekt von Schande und Demütigung wegen seiner Geliebten gemacht habe? Er könne sich nicht vorstellen, dass man das einem Waffenbruder wegen einer Frau antue. Wenn du mir eine Geliebte ausgespannt hättest, so Limousin weiter, wäre ich nicht so wütend geworden, denn Waffenbrüder, wie wir damals waren, hätten darüber hinwegsehen sollen.

Diese Geschichte ist ein guter Beleg für die homosoziale und männerbündi-sche Vergesellschaftung der Kämpfer. Die ungenannte Frau in dieser Erzählung dient nicht dazu, Louis‘ Männlichkeit im Verhältnis zu Frauen zu profilieren, sie war vielmehr ein Werkzeug, um sein Verhältnis zu anderen Männern, konkret zu seinem Waffenbruder zu demonstrieren. Die Freundschaft zum Waffenbru-der ist wichtiger als die Liebe zu Frauen; wegen einer Frau sollte ein Kämpfer auf den anderen nicht eifersüchtig sein. Die Referenz auf Frauen dient dazu, bestimmte Merkmale der kriegerischen Männlichkeit herausheben zu können.

Frauen sind sonst – so die von Froissart erzählte Geschichte – eher eine Gefahr für die kriegerische Männlichkeit. Sich so zu verhalten wie Louis, bedeutet die

22 Das Gedicht des fahrenden Sängers Hirzelin, in: Göllheim: Ortsgeschichte (wie Anm.

17), S. 30–82, Zitat S. 81.

23 The Online Froissart. A digital edition of the chronicles of Jean Froissart (https://

www.dhi.ac.uk/onlinefroissart/browsey.jsp?pb0=BookIII-Translation_228r; Zugriff am 23.09.2018).

Waffenbrüderschaft aufzukündigen. Doch im Kontext der kriegerischen Männ-lichkeit war das Vertrauen darauf, sich auf den Mitkämpfer verlassen zu können, von zentraler Bedeutung. Sich ernsthaft einer Frau zuzuwenden, wurde als eine Infragestellung dieser Priorität aufgefasst.24

Ein weiteres Muster, um die Tapferkeit eines Kriegers mittels der Relationen seines Körpers zu dem eines anderen Kämpfers zu erzählen, ist die Darstellung von Zweikämpfen im Getümmel auf dem Schlachtfeld. Thomas Grey erzählt in seiner Scalacronica von dem Ritter William Marmion, der sich 1320 bei Norham in einer schimmernden Rüstung schottischen Angreifern stellte. Er wird wäh-rend des Getümmels im Gesicht verletzt, von einem Angreifer von seinem Pferd zu Boden gezogen und wäre wohl gefangen genommen worden, wenn nicht der Vater des Chronisten mit seinen Truppen William aus der gefährlichen Situation befreit hätte.25 Georg von Ehingen beschreibt seinen Zweikampf mit einem Hei-den vor Fez (Marokko) im Jahr 1456. Er bat seinen Befehlshaber darum, gegen den namenlosen Heiden kämpfen zu dürfen, weil er gut gerüstet und wendig im Ringharnisch sei. Zuerst ritten die beiden Kämpfer mit eingelegten Lanzen aufeinander zu und stachen sich gegenseitig von ihren Pferden; dann sprangen sie auf und griffen sich mit den Schwertern an. Sie schlugen hart aufeinander ein und fielen zu Boden; setzten den Kampf als Ringkampf fort. Schließlich gelang es Georg, seinem Gegner einen Stich in das Gesicht zu versetzten. Der war danach kaum noch kampffähig und so konnte Georg ihm den finalen, tödlichen Stich in den Hals versetzen. Auch wenn sein Gegner ein treffenlich starker man war und Georg feststellen musste, dass sin sterkin die min wyt übertraff konnte er ihn schließlich doch besiegen.26