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Er gegen alle – alle gegen ihn: König Stephan, die Anhänger Kaiserin Matildas und die Schlacht von Lincoln (1142)

Anarchistische Zustände herrschten in England, nachdem König Heinrich I. im Jahr 1135 ohne männliche Nachkommen gestorben war.20 Das durch seinen Tod entstandene Machtvakuum und die daraus resultierenden Kämpfe um seine Nachfolge waren laut Björn Weiler „one of the most widely commented upon episodes in the political history of twefth-century England“.21

Schon in den letzten Jahren vor dem Tod Heinrichs I. war England in zwei Lager aufgespalten22: Zum einen waren da die Anhänger Matildas, der Toch-ter Heinrichs, die er noch vor seinem Tod nach England geholt hatte, um den Adel des Landes einen Treueid auf sie schwören zu lassen.23 Aufgrund ihres

19 Zum Charisma der Könige im Krieg im (Früh- und Hoch-) Mittelalter vgl. die noch immer wegweisende Studie von Herwig Wolfram: Splendor Imperii. Die Epiphanie von Tugend und Heil in Herrschaft und Reich (Mitteilungen des Instituts für österrei-chische Geschichtsforschung. Ergänzungsband 10,3), Graz, Köln 1963, v.a. S. 123–137;

insbesondere für die Entwicklung im Spätmittelalter vgl. auch Gerhart Krieger: Vom charisma zur ratio. Zur Legitimation politischer Herrschaft im Spätmittelalter, in: Pav-lína Rychterová, Stefan Seit, Raphaela Veit (Hg.): Das Charisma. Funktionen und sym-bolische Repräsentation (Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften 2), Berlin 2008, S. 405–428; neuere Überlegungen zum Themenkomplex „Charisma“ finden sich in dem instruktiven Aufsatz von Fabian Brändle: Charisma. Über eine wirkungsmäch-tige Kraft an der Schnittstelle zwischen Ereignis, Individuum und politischer Kultur, in: Saeculum 61 (2011), S. 17–35. Brändle plädiert „für eine Historisierung und Kon-textualisierung von ‚Charisma‘ [und] für dessen Einbettung in eine konkrete politi-sche Kultur“ und bezeichnet den „Charismatiker“ als eine Person, „die einerseits das Handlungsrepertoire einer bestimmten politischen Kultur beherrscht [und zugleich]

andererseits Hoffnungen und Ideale einer im weitesten Sinne machtfernen Schicht [verkörpert]“ (ebd., S. 34).

20 Vgl. dazu den von Edmund King herausgegebenen Sammelband, der den bezeichnen-den Titel „The Anarchy of King Stephen`s Reign“ trägt, Oxford 1994, ND Oxford 2001.

21 Björn Weiler: Kingship, usurpation and propaganda in twelfth-century Europe: the case of King Stephen, in: Anglo-Norman Studies 22 (2000), S. 299–326 (Zitat S. 301).

22 Dazu vgl. Jim Bradbury: Stephen and Matilda. The Civil War 1139–1153, Stroud 1996.

23 Zu Matilda vgl. Marjorie Chibnall: The Empress Matilda. Queen Consort, Queen Mother and Lady of the English, Oxford, Cambridge 1991; Lynsey Wood: Empress

Geschlechts und ihrer zweiten Ehe mit Gottfried Plantagenet zog sie den Unmut zahlreicher englischer Großen auf sich, zumal sie sich mehr in Frankreich als in England aufhielt und die Mehrheit der englischen Großen ihren Ehemann nicht anerkennen wollten. Zum anderen waren da die Parteigänger ihres Cou-sins, Stephan von Blois.24 Er begab sich unmittelbar nach dem Tod Heinrichs I. von Frankreich nach England, zog feierlich in London ein und ließ sich Ende Dezember 1135 zum König krönen,25 was aus Sicht Matildas und ihrer Anhän-ger einer Usurpation gleichkam.26 Zu Beginn seiner Herrschaft bemühte sich Stephan erfolgreich um Unterstützung der englischen Großen und Geistlichen und wurde im Dezember 1136 von Papst Innozenz II. als König von England anerkannt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war allen Beteiligten klar, dass der Streit zwischen den beiden Parteien eskalieren und nur auf dem militärischen Weg gelöst werden würde. Daher entwickelten sie in der Folgezeit Praktiken, um die Rechtmäßigkeit ihrer Ansprüche auf die englische Krone zu verdeutlichen.27 Schichten dieser Praktiken sollen nun anhand zeitgenössischer Beschreibun-gen zur Schlacht von Lincoln freigelegt werden, da diese viel über das vorherr-schende Königsideal verraten.

Die Schlacht selbst fand Anfang Februar 1141 statt und hatte und ihre Ursa-che in der Belagerung der Stadt Lincoln durch Parteigänger Matildas.28 Da sie als Frau persönlich nicht mitkämpfte, bildete die Betonung der männlich-kö-niglichen Eigenschaften Stephans einen Schwerpunkt in der Propaganda seiner Anhänger bzw. deren Negierung einen Schwerpunkt in der seiner Gegner. Auf-seiten Matildas war es ihr Halbbruder, Robert von Caen, der in der Schlacht als ihr militärischer Stellvertreter fungierte und von seinen Getreuen als Stephans Gegenbild stilisiert wurde.

Matilda and the anarchy: the problems of royal succession in medieval England, in: History Studies 11 (2010), S. 26–38.

24 Zu Stephan von Blois vgl. Keith J. Stringer: The Reign of Stephen. Kingship, War-fare and Government in Twelfth-Century England, London, New York 1993; David Crouch:  The Reign of King Stephen, 1135–1154, Edinburgh 2000; Ralph H.  C.

Davis: King Stephen 1135–1154, London, New York 31990.

25 Crouch: Reign (wie Anm. 24), S. 30–50, S. 133–146; Bradbury: Stephen and Matilda (wie Anm. 22), S. 83–99.

26 Vgl. Chibnall: Empress Matilda (wie Anm. 23), S. 64–87.

27 Die unterschiedlichen Strategien sind Thema des exzellenten Aufsatzes von Wei-ler: Kingship (wie Anm. 21).

28 Zur Schlacht von Lincoln vgl. King:  King Stephen (wie Anm. 20), S.  141–175;

Davis: King Stephen (wie Anm. 24), S. 44–52.

Auch wenn die Schlacht für Stephan durch seine Gefangennahme letztlich einen negativen Ausgang nahm, so rückten ihn seine nahestehenden Chronisten in ein durchweg positives Licht. Bereits vor der Schlacht wurde er in den Gesta Stephani als energischer und kraftgeladener Kämpfer beschrieben, der wie ein Her-kules gegen Hydra gekämpft29 und auf die Hilferufe der Einwohner Lincolns sofort reagiert habe.30 In wertender Rückschau wurde in den Gesta daraufhin berichtet, die Schlacht habe für Stephan unter schlechten Vorzeichen gestanden. Demnach habe er vor dem Beginn der Kämpfe die Messe gehört, während der eine Kerze, die er in seinen Händen gehalten habe, ausgegangen und zerbrochen sei. Dass sie dann jedoch wie durch ein Wunder wieder zusammengefügt und zu leuchten begonnen habe, wertet der Verfasser als Zeichen dafür, dass der König zwar die Schlacht ver-lieren werde, nicht jedoch seinen Königstitel.31 Dafür spreche auch sein Verhalten während der Schlacht selbst. Denn als er vom Anrücken der Feinde gehört habe, habe er niemals an Flucht gedacht, sondern vielmehr seine Truppen wie ein Soldat geordnet und bis zu seiner letztlichen Gefangennahme tapfer mitgekämpft.32

Ähnlich wird Stephan auch vom normannischen Chronisten Ordericus Vitalis in seiner Historia Ecclesiastica charakterisiert.33 Auch dieser Verfasser wusste um

29 Gesta Stephani, hg. von Kenneth Reginald Potter (Medieval Texts), London, Edin-burgh, Paris u.a. 1955, S. 46.

30 Ebd., S. 73: Rex autem repente et improuise adueniens, a ciuibus […]; zu den Gesta Stephani vgl. Ralph H. C. Davis: The Authorship of the Gesta Stephani, in: The English Historical Review 77 (1962), S. 209–232.

31 Gesta Stephani (wie Anm. 29), S. 74: Cumque in summo diluculo missarum solemnia celebrarent, et rex, secundum ritum diei et officium, accensum in manu cereum gestaret, lumen ipsum subito extinctum, sed et cereus, ut aiunt, parumper infractus, retentusque tamen in manu resarcinatus fuit, et iterato accensus: signum uidelicet, quod propter pec-catum suum regni honorem amitteret, tandemque, exacta poenitentia, Deo sibi propitio mire et gloriose idem recuperaret. Quod etiam cereum, cum in manu illius infractus esset, in manu tamen retinuit, significat quia nec regnum ex toto deseruit, sed nec regis nomen, licet in carcere positus, amisit: miraque Dei actum est dispositione, cum inter summos detineretur inimicos, non tamen ne rex esset efficere potuerunt.

32 Ebd., S. 74–75: Audiens autem rex hostes in proximo affuturos, ipsaque die, ni aufugeret, cum eo conflicturos, noluit gloriam suam fugae opprobrio deturpare, sed bellico more caute et ordinate dispositis agminibus, extra ciuitatem obuius eis audacter occurrit. Cum-que fortissimam tam militum quam peditum praemisisset cohortem, in exitu cuiusdam uadi eis ad obsistendum, illi, e conuerso directis prudenter aciebus, cum uiolentia in ipsos irruentes, uadum occupauerunt, dispersisque eis fortissime […] regem tandem ualide et constantissime repugnantem ceperunt.

33 Ordericus Vitalis: Historia Ecclesiastica, hg. und übers. von Marjorie Chibnall, 6 Bde.

(Oxford Medieval Texts), Oxford 1969–1980, hier Bd. 6, Oxford 1978, ND 1986, zur

die Niederlage des Königs und wählte zu deren Erklärung zahlreiche schlechte Vorzeichen als Stilmittel. Auch er erwähnt die zerbrochene Kerze und beschrieb zudem ein schweres Gewitter, das den gesamten Westen(!) am Abend vor der Schlacht heimgesucht habe.34 Er wirft dem König zu keinem Zeitpunkt vor, er trage Schuld an seiner Niederlage; selbst dann nicht, als er vom unmittelbaren Vorfeld der Schlacht berichtet und dabei angibt, Stephan habe ein Verschieben der Schlacht als unehrenhaft bezeichnet.35 Darin offenbart sich sein Anliegen, den König als Ideal eines ritterlichen Königs darzustellen, der sich sogar für sein Königreich aufzuopfern bereit gewesen sei. Das wird wenige Zeilen später noch deutlicher, wenn er vom Kampfgeschehen berichtet und dabei vor allem die besonderen körperlich-kämpferischen Fähigkeiten König Stephans betont.

So sei dieser von seinem Pferd abgestiegen und habe zu Fuß tapfer um sein Leben und den Erhalt seines Königreichs gekämpft. Bewaffnet mit einem Schwert und einer Streitaxt habe er sich an die großartigen Taten seiner Vorfahren36 erinnert und sich erst ergeben, als er von allen seinen Getreuen verlassen gewesen sei.37

Eine etwas andere Sicht vertrat der bereits eingangs erwähnte und aufseiten Matildas stehende Heinrich von Huntingdon in seiner Historia Anglorum. Diese wurde kurz nach der Schlacht von Lincoln abgefasst und liest sich über weite

Schlacht von Lincoln vgl. S. 538–547; zu Ordericus Vitalis vgl. John O. Ward: Ordericus Vitalis as Historian in the Europe of the Early-Twelfth-Century Renaissance, in: Par-ergon 31 (2014), S. 1–26; Franz-Josef Schmale: Ordericus Vitalis OSB, normannischer Chronist (1075–1142), in: LexMA 6 (1993), Sp. 1432f.; zur Bedeutung von Fortuna in Vitalis’ Werk vgl. Elisabeth Mégier: Fortuna als Kategorie der Geschichtsdeutung im 12. Jahrhundert am Beispiel von Ordericus Vitalis und Otto von Freising, in: Mittel-lateinisches Jahrbuch 32 (1997), S. 49–70.

34 Historia ecclesiastica (wie Anm. 33), hier Band 6, Oxford 1978, ND 1986, S. 544–545.

35 Ebd., S. 542–543: Obstinatus autem princeps persuasioni prudentium obaudire contem-psit, et praelium pro aliqua ratione induciari indignum duxit, sed protinus suos ad bellum armari precepit.

36 Ebd., S. 542–543 bzw. S. 544–545: Rex ipse […] pedes descendit, et pro uita sua regnique sui statu fortiter pugnauit [und] fortium actuum antecessorum suorum memor […].

37 Ebd., S. 544–545: Ipso die [gem. ist der Tag der Schlacht, der 2. Februar 1142, Anm.

d. Verf.] dum rex pugnaturus missam audiret, et multiplici ni fallor cogitatu et cura intrinsecus laboraret, cereus consecratus in manu eius fractus est, et multis spectantibus ter lapsus est. Hoc plane infelix presagium quibusdam sophistis uisum est, et eodem die in lapsu principis manifeste detectum est. Infortunium regis luctum peperit clericis et monachis populisque simplicibus, quia idem rex humilis et mansuetus erat bonis ac mitibus. Et si dolosi optimates paterentur abolitis suis prauis conatibus, liberalis tutor patriae fuisset ac beniuolus. Damit wälzt Ordericus die Schuld vom seiner Meinung nach rechtmäßigen König ab und schreibt sie den „verräterischen Großen“ zu.

Strecken wie eine Anklageschrift gegen Stephan, kann aber einen gewissen Res-pekt für ihn nicht verhehlen.38 Noch bevor auf die Geschehnisse im Schlach-tenverlauf eingegangen wird, fügt der Verfasser ein Klagelied ein, in dem der Zustand des durch Bürgerkrieg gebeutelten Landes beklagt wird.39 Nach der ein-gehenden Beschreibung der Schlachtenaufstellung beider Heere zitiert Hunting-don mehrere fiktive, martialisch anmutende Reden an Matildas und Stephans Truppen des Earls von Chester und Roberts von Caen.

Da diese Reden zahlreiche Rekurse auf die Körperlichkeit der Kontrahenten enthalten, werden sie nun näher vorgestellt. Demnach habe Chester den Trup-pen zunächst für ihre Bereitschaft, ihr Leben [für ihn, Anm. d. Verf.] zu riskie-ren gedankt, dann mit Stephans Regierung abgerechnet und schließlich für sich beansprucht, an erster Stelle zu kämpfen, um eine Schneise in die Truppen Ste-phans zu schlagen. Sein Ziel sei es gewesen, dessen Truppen unter den Füßen zu zertrampeln und den König selbst mit dem Schwert herauszufordern.40 Robert von Caen habe Chester dann in seiner Rede zugestimmt, aber bemerkt, dass es ihm als Königsenkel eigentlich zustehe, an erster Stelle zu kämpfen. Auch Caen habe demgemäß mit dem König abgerechnet, der den englischen Thron unrecht-mäßig usurpiert habe und für den Tod tausender Engländer verantwortlich sei.

Im weiteren Verlauf der Rede habe Caen mehrfach seine Hoffnung ausgedrückt, Gott möge sein allfälliges Urteil über Stephan fällen, womit Huntingdon den

38 Historia Anglorum (wie Anm. 1); zur Historia Anglorum vgl. Catherine Clarke: Writing Civil War in Henry of Huntingdon’s Historia Anglorum, in: Anglo-Norman Studies 31 (2009), S. 31–48; John B. Gillingham: Henry of Huntingdon in his time (1135) and place (between Lincoln and the royal court), in: Krzysztof Stopka (Hg.): Gallus Anonymous and his chronicle in the context of twelfth-century historiography from the perspective of the latest research, Krakau 2010, S. 157–172; Alheydis Plassmann: Bedingungen und Strukturen von Machtausübung bei Wilhelm von Malmesbury und Heinrich von Huntingdon, in: Norbert Kersken, Grischa Vercamer (Hg.): Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik (Quellen und Studien. DHI Warschau 27), Wiesbaden 2013, S. 145–172.

39 Historia Anglorum (wie Anm. 1), S. 724–725.

40 Ebd., S. 726–727: Gratias tibi multas, dux inuictissime, uobisque proceres et commilitones mei cum summa deuotione persoluo, qui usque ad uite periculum amoris effectum michi magnanimiter exhibuistis. Cum igitur sim uobis causa periculi, dignum est ut periculo me prius ingeram, et infidissimi regis, qui datis induciis pacem fregit, aciem prius illidam. Ego quidem tam de regis iniusticia quam de mea confidens uirtute, iamiam regalem cuneum diffindam, gladio michi uiam per hostes medios parabo. Vestre uirtutis est sequi preeun-tem, et imitari percutientem. Iam uideor animum michi presago regias acies transuolare, proceres pedibus conculcare, regem ipsum gladio transuerberare.

Ausgang der Schlacht mit einem Gottesurteil gleichsetzt.41 Nachdem er auf Ste-phans Befehlshaber und deren Verfehlungen eingegangen ist, wandte sich der Verfasser dem König selbst zu, berichtete ebenfalls von der zerbrochenen (und in seiner Beschreibung nicht wieder zusammengefügten!) Kerze und fügte diesem schlechten Vorzeichen mit plötzlich von der Wand gefallenen Christusbildern weitere hinzu. Doch im Gegensatz zu den Stephan nahestehenden Chronisten sind diese Vorzeichen für Huntingdon allein der Beweis für den völligen Macht-verlust des Königs, der ja schließlich auch eintraf.42

Daraufhin wird eine ebenfalls fiktive Rede wiedergegeben, die auf der Seite Stephans gehalten worden sein soll. Dabei verwendet der Verfasser gleich zu Beginn ein Stilmittel, um König Stephan zu diskreditieren. Der habe auf-grund seiner schwachen Stimme nicht selbst gesprochen, sondern einer seiner Getreuen.43 In der Rede nun finden sich zudem zahlreiche Anspielungen auf mutmaßliche körperliche Defizite der Gegner und eine Überhöhung der Fähig-keiten des Königs. So seien Stephans Truppen nicht nur aufgrund des recht-mäßigen Anlasses bereit, ihr Leben für ihn und das Königreich England zu riskieren, sondern auch, weil er als der von Gott auserwählte König gemeinsam mit ihnen kämpfe.44 Zudem seien die Gegner schlecht ausgerüstet und besä-ßen wenig Kampferfahrung. Ihr Anführer, Robert von Caen, habe überdies den Mund eines Löwen, doch das Herz eines Hasen, der für seine Redegewandtheit und seine notorische Faulheit45 bekannt sei. Neben Caen ist auch der Earl of Ches-ter Zielscheibe der verbalen Angriffe in der Rede des königlichen Getreuen.

Auch er verfüge über wenig Kriegserfahrungen und habe die Angewohnheit, vom Schlachtfeld zu fliehen, wenn der Gegner ihm zu nahekomme. Dies alles

41 Ebd., S. 726–729: Rex enim contra sacramenta, que sorori mee fecit, regnum crudeliter usurpauit, et omnia conturbans multis milibus causa necis extitit, et exemplo sui nichil iuris habentibus terras distribuit, iure possidentibus diripuit, ab ispis nequiter dehere-ditatis, summo iudice Deo cooperante et uindictam subministrante, prius aggrediendus est. Respiciet qui iudicat populos in equitate de excelso celorum habitaculo et iniustum iuste appetentes in hac tanta necessitate nequaquam relinquet.

42 Ebd., S. 732–733: Cum autem de more cereum rege dignum Deo offerens manibus Ale-xandri episcopi inponeret, confractus est. Hoc fuit regis signum contritionis. Cecidit etiam super altare pixis, cui corpus Domini inerat, abrupto uinculo, presente episcopo. Hoc fuit regi signum ruine.

43 Ebd.: Tunc quia rex Stephanus festiua caret uoce, Baldwino […] sermo exhortatorius ad uniuersum cetum iniunctus est.

44 Ebd., S. 734 -735: Cum igitur sit in medio uestrum dominus uester, unctus […].

45 Ebd.: Roberti ducis uires note sunt. Ipse quidem de more multum minatur, parum ope-ratur, ore leoninus, corde leporinus, clarus eloquentia, obscurus inercia.

soll dazu beitragen, die Anführer von Matildas Truppen zu diskreditieren. So schließt die Rede auch mit einem Appell an die Soldaten, die all ihren Mut zusammennehmen, ihre unbesiegbaren rechten Hände erheben und das erobern sollten, was Gott ihnen anbiete.46 Doch noch vor dem Ende der Rede seien in der Ferne die Feinde zu hören gewesen und die Erde habe gebebt, so Huntingdon, der damit gewiss die Dramatik seiner Beschreibungen erhöhen und zugleich auf das Ende der Schlacht hinweisen wollte.47 Was folgt, ist bereits aus der Ein-leitung zu diesem Beitrag bekannt.48

Ebenfalls deutlich Partei für die Seite Matildas ergreift William von Malmes-bury in seiner Historia Novella.49 Dies verwundert insofern nicht, als dass er sein Werk dezidiert dem Oberbefehlshaber der Truppen Matildas, Robert von Caen, widmete. Damit sind sie ein Beispiel für die Propaganda der Partei Matildas und sollen nun näher analysiert werden.

46 Ebd., S. 736––737: Extendite igitur animos uestros et dextras inexpugnabiles, uiri belli-cosi, ad diripiendum cum summo tripudio quod ipse uobis obtulit Deus.

47 Ebd.: Sed iam antequam orationis seriem terminaret, clamor adest hostium, clangor lituorum, equorum fremitus, terre sonitus.

48 Ebd., S. 736–739: Rex itaque Stephanus cum acie sua pedestri relictus est in medio hos-tium. Circuierunt igitur undique aciem regalem et totam in circuitu expugnabant, sicut castellum solet assiliri. Tunc uero horrendam belli faciem uideres in omni circuitu regalis aciei, ignem prosilientem ex galearum et gladiorum collisione; stridorem horrendum, clamorem terrificum, resonabant colles, resonabant urbis muralia. Impetu igitur equorum regalem turmam offendentes quosdam cedebant, alios sternebant, nonnullos abstractos capiebant. Nulla eis quies, nulla respiratio dabatur, nisi in ea parte qua rex fortissimus stabat, horrentibus inimicis incomparabilem ictuum eius inmanitatem. Quod ubi comes Cestrensis comperit, regis inuidens glorie, cum omni pondere armatorum irruit in eum.

Tunc apparuit uis regis fulminea, bipenni maxima cedens hos, diruens illos. Tunc nouus oritur clamor, omnes in eum, ipse in omnes. Tandem regia bipennis ex ictuum frequentia confracta est. Ipse gladio abstracto dextra regis digno rem mirabiliter agit, donec et gladius confractus est. Quod uidens Willelmus de Kahaines miles ualidissimus irruit in regem, et eum galea arripiens uoce magna clamauit, ‘Huc omnes, huc! regem teneo.’

49 William of Malmesbury: Historia Novella, hg. von Edmund King und übers. von Ken-neth Reginald Potter (Oxford Medieval Texts), Oxford 1998; zur Historia Novella vgl.

Sverre Bagge: Ethics, Politics, and Providence in William of Malmesbury’s Historia Novella, in: Viator 41 (2010), S. 113–132; Carolyne Bernadette Anderson: Narrating Matilda, „Lady of the English,“ in the „Historia Novella“, the Gesta Stephani, and Wace’s „Roman de Rou“: the desire for land and order, in: Clio 29 (1999), S. 47–67;

Joan Gluckauf Haahr: The Concept of Kingship in William of Malmesbury’s Gesta Regum and Historia Novella, in: Medieval Studies 38 (1976), S. 351–371.

Schon bei der Beschreibung der Ereignisse im unmittelbaren Vorfeld der Schlacht von Lincoln fällt auf, dass Malmesbury besonders auf den Körper Gloucesters eingeht, um dessen königsgleiche Eigenschaften zu betonen. So schildert er den Abend vor der Schlacht, als sich die feindlichen Truppen am Fluss Trent gegenüberstanden dergestalt, dass sich Gloucester sicher gewesen sei, im Fall einer Niederlage entweder getötet oder gefangen genommen zu wer-den, doch habe dieses Risiko ihn nicht davon abgehalten (wie wunderbar!), in den Fluss zu springen und diesen gemeinsam mit seinen Truppen zu überque-ren. Bereits hier deutet sich an, dass der um den Ausgang der Schlacht wissende Verfasser diesen als Entscheidung durch ein direktes Eingreifen Gottes verstan-den wissen wollte. Das ist auch der Grund dafür, warum sich in der Historia Novella keine Schilderungen eines tapfer und bis zuletzt kämpfenden Königs Stephan finden. Vielmehr wird Gloucesters ehrenvolles Verhalten gelobt, der selbst bei der Gefangennahme Stephans seine Impulse zur Herrlichkeit der Krone vollständig unter Kontrolle gehabt und seinen Soldaten befohlen habe, Stephan zu schonen.50

[…] das der von Bayern in den streit nie khom!: Friedrich

[…] das der von Bayern in den streit nie khom!: Friedrich