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2.4 Professionelles Wissen als Teil der professionellen Kompetenz

2.4.1 Wissensdomänen des Professionswissens

Fundierte Fachkenntnisse stellen die Grundlage für eine angemessene Unterrichts-vorbereitung und -durchführung dar. Solides CK wird benötigt, um flexibel in jeg-lichen Unterrichtssituationen auf die Anliegen und Fragen der Lernenden reagieren zu können (Schödl, 2017). Darüber hinaus nehmen die Kenntnisse von fachlichen Konzepten und ihren Zusammenhängen eine zentrale Rolle bei der Diagnose von Schülervorstellungen ein (Kleickmann, 2012; Pietzner, 2016). Unter CK verstehen die meisten Studien der Professionalisierungsforschung (z. B. COACTIV, MT21, ProwiN) mehr, als nur das reine Alltags- bzw. verbliebene Schulwissen. Vielmehr werden verschiedene Niveaustufen zur Konkretisierung des CK verwendet.

Dabei werden häufig die folgenden Wissensstufen unterschieden: fachliches All-tagswissen, Schulwissen, vertieftes Schulwissen und universitäres bzw. akademi-sches Wissen (Baumert & Kunter, 2011a; Krauss, Lindl, Schilcher & Tepner, 2017;

Riese, 2009). Da das fachbezogene, wie auch das fachdidaktische Professionswis-sen einer Fach- und auch Themenabhängigkeit unterliegt, erfolgt die Erhebung die-ser Wissensdomänen immer unter Berücksichtigung von Themengebieten (z. B.

Physik: u. a. Mechanik (Kirschner, 2013), Chemie: u. a. Atombau und Perioden-system (Dollny, 2011), Biologie: u. a. BlutkreislaufPerioden-systeme (Schmelzing, 2010)).

Allerdings bestätigen einige Studien, dass das alleinige CK einer Lehrkraft nicht ausreichend ist, um Fachinhalte verständlich für die Lernenden aufzubereiten und ihnen zu vermitteln (u. a. Abell, 2007; Baumert et al., 2010; Hill et al., 2005). Not-wendig sind hierfür auch die Fähigkeiten von Lehrpersonen „Unterrichtsinhalte fachgemäß zu strukturieren, Lernschwierigkeiten der Lernenden zu erkennen und adäquate Instruktionsstrategien zu entwickeln und anzuwenden“ (Harms & Riese, 2018, S. 289). Dieses Know-how gehört zum Repertoire an sogenanntem PCK, welches wiederum hilfreich ist, um Fachinhalte in Lehr-Lernprozesse zu integrieren (Kulgemeyer, 2013).

Fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge – PCK)

Nach Neuweg handelt es sich beim PCK weder um reines CK, noch um PPK, son-dern vielmehr um die Zusammenführung beider Teilkonstrukte „zu einem eigen-ständigen, berufstypischen Wissensbereich“ (Neuweg, 2010, S. 102). In Abgren-zung von Fach- bzw. Erziehungswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen grei-fen Lehrkräfte demnach mit ihrem PCK auf eine „lehrerspezifische Wissensdo-mäne“ (Kröger, 2019, S. 28) zurück. Im Unterricht ist dies daran zu erkennen, wie verständlich Lehrkräfte den Lehrstoff präsentieren, sowie Äußerungen und Vor-kenntnisse der Schülerinnen und Schüler gekonnt berücksichtigen (Bromme, 1995).

Weiterhin sollten Lehrkräfte über ein fundiertes Repertoire an Instruktions- und Er-klärungsstrategien verfügen, um der (zunehmenden) Heterogenität der zu unterrich-tenden Klassen gerecht zu werden. Heterogenes Vorwissen spiegelt sich bspw. in zahlreichen Vorstellungen wieder, die die Lernenden zu verschiedenen Themen in den Unterricht einbringen (Kapitel 3). Damit zählen neben dem Wissen, adressaten-orientiert fachliche Inhalte erklären und repräsentieren zu können, auch die Kennt-nisse über Schülervorstellungen zu den zentralen Aspekten des PCK. Wie der nach-stehenden Übersicht (vgl. Tabelle 2.1) zu entnehmen ist, werden die zwei Kernele-mente von verschiedenen Autorinnen und Autoren sowie nationalen und internati-onalen Forschungsgruppen um weitere Unterfacetten des PCK ergänzt.

Tabelle 2.1. Operationalisierungen von PCK (Eigene Darstellung verändert und erweitert nach Cauet, 2016, S. 18)

Wissen über …

Wissenschaftler/innen & Projekte

Shulman (1986, 1987) Tamir (1988) Grossman (1990) Marks (1990) Cochran, DeRuiter & King (1993) Ferndez-Balboa & Stiehl (1995) Magnusson, Krajcik & Borko (1999) Hashweh (2005) Loughran, Berry & Mulhall (2006, 2012) Hill, Ball & Schilling (2008) Park & Oliver (2008) Blömeke, Kaiser et al. (2008)MT21 Lee & Luft (2008) Riese (2009) van Dijk & Kattmann (2010) Bmeke, Kaiser et al. (2010) TEDS-M Lange (2010) PLUS Baumert & Kunter (2006) COACTIV Tepner et al. (2012)ProwiN Kröger et al. (2013)KiL, KeiLa Gramzow et al. (2013b) ProfiLe-P Ergönenç et al. (2014)QuiP Malcolm & Mavhunga (2015) Schödl (2017) FALKO-Physik

Schülervorstellungen x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x

Vermittlungsstrategien

und Repräsentationen x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x

Fach-/Unterrichtsziele x x x x x x x x x

Curriculum/Lehrplan x x x x x x x x x x x x x x

Leistungsbeurteilung x x x x x x x x x x

Medien x x

Fachwissen x x x x x x x

Kontext x x x x x x

Pädagogik x x x x

Die Vielzahl an unterschiedlichen Konzeptualisierungen und Unterfacetten9 macht dabei deutlich, dass in der empirischen Professionalisierungsforschung bislang noch keine Einigkeit darüber besteht, was das fachdidaktische Wissensrepertoire einer Lehrperson schlussendlich umfassen sollte. Aufgrund dessen, dass alle aufge-führten Studien in der Übersicht, durchgängig die Kenntnisse über Schülervorstel-lungen10 zum Untersuchungsgegenstand haben, konzentriert sich auch die vorlie-gende Arbeit hierauf. Häufig wird dieser Kenntniskategorie das Wissen um typi-sche, themenspezifische Schülervorstellungen zugeordnet (u. a. Schmelzing, 2010, Dollny, 2011, Schödl, 2017). Da das Wissen zum adäquaten Umgang mit der Lernerperspektive allerdings um einiges umfangreicher ist und zugleich eine zent-rale Stellung in der Chemiedidaktik einnimmt, wird sich dieser einzelnen PCK-Facette in einem gesonderten Kapitel (Kapitel 3) vertieft gewidmet.

Pädagogisch-psychologisches Wissen (pedagogical knowledge – PPK)

Das pädagogische Wissen oder pädagogisch-psychologische Wissen (Voss & Kun-ter, 2011) bildet die dritte Wissensdomäne. Deren zentrale Aufgabe liegt „in der erfolgreichen Gestaltung und Optimierung der Lehr-Lehrprozessen in verschiede-nen Fächern“ (Voss & Kunter, 2011, S. 194). Somit könverschiede-nen Kenntnisse in diesem Bereich als weitgehend fachunspezifisch aufgefasst werden (Bromme, 1997; Brun-ner et al., 2006; Dann, 2008). Aufgrund der Fachunabhängigkeit umfasst das PPK vielfältige Kenntnisbereiche, wie z. B. „Konzeptuelles bildungswissenschaftliches Grundlagenwissen“, „Allgemeindidaktisches Konzeptions- und Planungswissen“,

„Wissen über Unterrichtsführung und Orchestrierung von Lerngelegenheiten“,

„Wissen über fachübergreifende Prinzipien des Diagnostizierens, Prüfens und Be-wertens“ sowie „Methodische Grundlagen empirischer Sozialforschung“ (Baumert

& Kunter, 2011a, S. 39). In den Forschungsarbeiten zum Professionswissen werden allerdings jeweils verschiedene Aspekte herausgegriffen bzw. fokussiert, sodass hier eine große Spannbreite an Konzeptualisierungen für PPK zu finden ist. Eine

9 In dem ProwiN- und ProfiLe-P-Projekt sowie in FALKO-Physik wurden noch weitere projektspe-zifische PCK-Unterfacetten (z. B. Modelle/Konzepte, Experimente, Vermittlung eines angemesse-nen Wissenschaftsverständnisses) hinzugenommen, die aufgrund ihrer selteangemesse-nen Sonderstellung nicht in die Tabelle 2.1 aufgenommen wurden.

10 Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang, wie bei Kunter und Baumert (2011) oder Krauss, Lindl, Schilcher, Fricke et al. (2017), auch der Begriff der „Schülerkognition“ gewählt. Kenntnisse über typische Vorstellungen und Lernschwierigkeiten der Lernenden sind in den entsprechenden Konstruktfacetten allerdings jeweils inbegriffen.

einheitliche bzw. endgültige Definition liegt damit gegenwärtig noch nicht vor. Ei-nigkeit besteht dahin gehend, dass vor allem die Klassenführung und individuelle Unterstützung der Lernenden als zentrale Bestandteile dieser Wissensdomäne be-tont werden (u. a. Baumert & Kunter, 2013; Borowski et al., 2010; Franz, Wacker

& Heyl, 2018; König & Blömeke, 2009; Lenske et al., 2016; Praetorius, Vieluf, Saß, Bernholt & Klieme, 2016; Tepner et al., 2012). Die Fokussierung auf Kennt-nisse im Bereich der Klassenorganisation und des Klassenmanagements (classroom management) nimmt bereits auch Shulman (1986) vor. Sie gilt als Voraussetzung und gleichsam als Grundlage dafür, dass Lehr-Lernprozesse effektiv und reibungs-los gestaltet werden können (Voss & Kunter, 2011). Ergänzend hierzu fasst die COACTIV-Studie auch die Herstellung eines lernförderlichen Klassenklimas so-wie das Wissen zur Motivation der Lernenden als PPK-Aspekt auf (Krauss et al., 2004). Da im Gegensatz zum PPK, bei CK und PCK immer fach-, themen- und kontextspezifische Aspekte enthalten sind (Park & Chen, 2012), wird das Verständ-nis von PCK speziell für die Naturwissenschaftsdidaktik in Kapitel 2.5 betrachtet.