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Zur Veranschaulichung der komplexen Wirkung von Lehrerkompetenzen auf den Unterricht und die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler wird oftmals auf das Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke (2017) zurückgegriffen. In diesem Kapitel wird sich einer modifizierten Form hiervon bedient (vgl. Abbildung 2.2), um daran schrittweise das Zusammenspiel von Merkmalen der Lehrkraft, des Un-terrichts und der Lernenden darzulegen. Im Hinblick auf die Merkmale von Lehr-kräften weisen bisherige Befunde darauf hin, dass insbesondere ihrem fachdidakti-schen Wissen (2.4, 2.5) in dieser Wirkkette eine zentrale Bedeutung zukommt und als „professionsprägend“ (Möller, Lange-Schubert, Kleickmann & Todorowa, 2017, S. 159) anzusehen ist. Aufgrund dessen wird nachstehend nur von jenen Ef-fekten berichtet, die sich im Zusammenhang mit dieser Wissensfacette zeigen.

Abbildung 2.2. Wirkung des fachdidaktischen Wissens auf Unterrichtsangebote und Ler-nende (Verkürzte Darstellung in Anlehnung an das Angebots-Nutzungs-Modell nach Helmke, 2017).

Lehrkraft ⟷ Unterricht

„Was macht guten (Fach-)Unterricht aus und an welchen Kriterien des Unterrichts kann seine Qualität bewertet werden?“ Dies sind mitunter zwei sehr prominente Fragestellungen in der Unterrichtsqualitätsforschung (Steffensky & Neuhaus, 2018). Um die Qualität des Unterrichtshandelns zu beurteilen, stehen drei Basisdi-mensionen – auch sogenannte Tiefenstrukturen – im Vordergrund der Untersuchun-gen (für einen Überblick: Praetorius, Klieme, Herbert & Pinger, 2018; Trautwein, Sliwka & Dehmel, 2018). Bei Tiefenstrukturen handelt es sich „um den Austausch (die Interaktionen) zwischen Lernenden und Lehrenden und um die Beschäftigung der Lernenden mit dem Lerninhalt“ (Kunter & Trautwein, 2013, S. 76).

Wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. Hattie, 2009; Seidel & Shavelson, 2007) zufolge kommen diesen Bezugspunkten eine größere Bedeutung bei der Qualität und Wirksamkeit von Unterricht zu, als Merkmalen der Oberflächen- bzw.

Sichtstrukturen, wie z. B. Unterrichtsmethoden, Sozial- und Organisationsformen (Trautwein et al., 2018). In Abgrenzung zu den zuletzt genannten Merkmalen, de-ren Anwesenheit sich „direkt“ aus dem Unterrichtsgeschehen selbst feststellen las-sen, sind tiefenstrukturelle Merkmale auch bei einer fachkundigen Unterrichtsbe-obachtung nicht auf den ersten Blick zu erkennen (Trautwein et al., 2018; Voss, 2019).

In der Abbildung 2.2 sind unter der Rubrik „Unterrichtsangebote“ jene Merkmale (a, b, c) aufgeführt, von deren Ausgestaltung die Qualität und damit auch Wirksam-keit des Unterrichts maßgeblich abhängt (Heymann, 2015). Zunächst ist eine effi-ziente Klassenführung (a) die Grundlage, um die für das Lernen zur Verfügung ste-henden Zeit optimal nutzen zu können (Baumert & Kunter, 2011b). In diesem Sinne gehört zu einer lernwirksamen Unterrichtsgestaltung „ein störungspräventiver, gradliniger und gut organisierter Stundenablauf, bei dem Disziplinprobleme schnell und effektiv abgehandelt werden und die Aufmerksamkeit aller Schülerinnen und Schüler auf die Lehraktivitäten gerichtet ist“ (Dubberke et al., 2008, S. 195). Auf die Frage hin, ob das fachdidaktische Wissen einer Lehrkraft ihr Klassenmanage-ment beeinflusst, zeigen sich allerdings überwiegend keine bis negative Zusam-menhänge (u. a. Cauet, 2016; Korneck, Krüger & Szogs, 2017; Kunter, Klusmann et al., 2013; Vogelsang, 2014).

Neben dem classroom management bemisst sich die Unterrichtsqualität weiterhin auch daran, inwieweit die Lernenden angeregt werden, sich kognitiv aktiv in die Auseinandersetzung mit Lerninhalten einzubringen (b). Mehrere Studien belegen, dass der Grad, in dem die Lernenden kognitiv aktiviert werden, mit dem Umfang an fachdidaktischem Wissen der Lehrkräfte zusammenhängt (u. a. Baumert & Kun-ter, 2011b; Ergönenç, Neumann & Fischer, 2014; KunKun-ter, Klusmann et al., 2013;

Olszewski, 2010).

Die Bereitschaft der Lernenden, sich vertieft mit dem Unterrichtsgegenstand zu be-schäftigen, wird allerdings auch dadurch beeinflusst, in welcher Lernumgebung sie sich befinden. Die Gestaltung einer konstruktiven Lernumgebung (c), in der die Lernenden individuell begleitet werden und konstruktiv mit ihren Fehlern und Schwierigkeiten umgegangen wird, wird in diesem Zusammenhang als besonders lernförderlich angesehen (Dubberke et al., 2008; Fauth, Decristan, Rieser, Klieme

& Büttner, 2014). Bezogen auf den Fachunterricht zeigt sich das „oftmals im fach-lichen Können der Lehrkraft […], wenn bei Verständnisschwierigkeiten die richtige Hilfe und die an das Vorwissen anschließende Erklärung gegeben werden.“ (Bau-mert & Kunter, 2006, S. 488). Empirisch lässt sich bestätigen, dass das fachdidak-tische Wissen von Lehrkräften einen Einfluss auf die konstruktive Unterstützung der Lernenden nimmt (Baumert & Kunter, 2011b; Kunter & Klusmann, 2010; Kun-ter, Klusmann et al., 2013). Praetorius et al. (2018) merken in ihrem Übersichtsar-tikel über die drei Basisdimensionen an, dass sich qualitätsvoller Unterricht aber nicht nur auf die drei genannten Merkmale zurückführen lässt. Es sollten auch Ele-mente „such as clarity and structure of the learning content“ (Praetorius et al., 2018, S. 423) verstärkt in Konzeptionen zur Unterrichtsqualität berücksichtigt werden. So fassen zunehmend mehr Arbeiten Aspekte der inhaltlichen Strukturierung als Merk-mal der Unterrichtsqualität auf, „womit keine allgemeine Strukturierung im Sinne der Klassenführung gemeint ist, sondern Maßnahmen, die den fachlichen Inhalt be-treffen“ (Steffensky & Neuhaus, 2018, S. 305). Neben einer inhaltlichen Klarheit der Aussagen seitens der Lernenden wie Lehrenden, ist auch eine Zielklarheit, be-zogen auf das übergeordnete Stundenziel und Ziele einzelner Aufgabenstellungen eine wichtige Maßnahme der inhaltlichen Strukturierung (u. a. Meschede, 2014;

Möller, 2016).

Da es sich bei den genannten Basisdimensionen, mit Ausnahme der Klassenfüh-rung, um fachspezifische Qualitätsmerkmale handelt, ist es wichtig sie im jeweili-gen Fachkontext zu spezifizieren (Klieme & Rakoczy, 2008; Kunter & Ewald, 2016; Praetorius et al., 2018). Daher folgt, unter Berücksichtigung der Kriterien, die für die Qualität des Chemieunterrichts als wichtig erachtet werden, in den Ka-piteln 3.2 und 5 eine präzise Beschreibung der drei Basisdimensionen. Hierbei wird die inhaltliche Strukturierung im Sinne einer „fachspezifischen Klassenführung“

aufgenommen.

Unterricht ⟷ Lernende

Effizient strukturierte, kognitiv aktivierende Lerngelegenheiten in einer konstruktiv unterstützenden Unterrichtsatmosphäre sind dennoch nur als ein Angebot an die Schülerinnen und Schüler zu verstehen. Ob und in welchem Grad die bereitgestell-ten Angebote dann in der Praxis eine Wirkung bei den Lernenden zeigen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Unter anderem können hier das Vorwissen und die Mo-tivation sowie das in der Lerngruppe vorherrschende Klima genannt werden (Traut-wein et al., 2018). Diese Lernvoraussetzungen tragen auch dazu bei, inwieweit die Lernangebote von den Schülerinnen und Schülern tatsächlich genutzt werden (Helmke, 2012). Obwohl sich nicht für alle drei Basisdimensionen positive Zusam-menhänge zum fachdidaktischen Wissen einer Lehrkraft bestätigen lassen, gibt es durchgängig positive Befunde zur Wirkung der drei Tiefenstrukturen auf die Leis-tung und Motivation der Lernenden. So stellt sich bspw. das Merkmal der Klassen-führung, sowohl als Prädiktor für die Leistungsentwicklung (Baumert et al., 2010;

Fauth et al., 2014; Kunter & Voss, 2011, 2013; Lipowsky et al., 2009) als auch in Bezug auf das Fachinteresse und die Freude am Lernen heraus (Kunter, Klusmann et al., 2013; Kunter & Voss, 2013). Während ein kognitiv aktivierend gestaltetes Lernsetting vorrangig Einfluss auf die Wissensbestände der Schülerinnen und Schüler nimmt (Baumert et al., 2010; Fauth et al., 2014; Kunter, Klusmann et al., 2013; Lipowsky et al., 2009), wirkt sich die konstruktive Unterstützung auf die emotional-motivationale Entwicklung aus (Fauth et al., 2014; Kunter & Voss, 2011;

Kunter, Klusmann et al., 2013; Kunter & Voss, 2013).

Lehrkraft ⟷ Lernende

Dem Angebots-Nutzungs-Modell zufolge liegt die Zuständigkeit einer Lehrkraft klar auf der Angebots-Seite, da sie diese durch ihr Zutun und ihre Kompetenzen aktiv mitgestalten kann (Trautwein et al., 2018). Dass das fachdidaktische Wissen einer Lehrkraft hierbei als einflussreicher Prädiktor für die Leistungsentwicklung der Lernenden fungiert, konnte zunächst nur für Mathematiklehrkräfte bestätigt werden (Baumert et al., 2010; Hill, Rowan & Ball, 2005; Krauss, Neubrand et al., 2008; Kunter, Klusmann et al., 2013). Vermittelt über Merkmale der Unterrichts-qualität, können zunehmend auch in den naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen (indirekte) Wirkungen des fachdidaktischen Wissens auf die Leistung und Motiva-tion der Lernenden nachgewiesen werden. So zeigt sich bspw. in Mehrebenenana-lysen bei Förtsch, Werner, Kotzebue und Neuhaus (2016), dass das fachdidaktische Wissen von Biologielehrkräften mit der kognitiven Aktivierung im Unterricht zu-sammenhängt und sich jene Lernumgebung positiv auf das Leistungsvermögen der Klasse auswirkt. Eine weitere Studie aus der Biologie kommt zu gleichen Ergeb-nissen und kann sogar einen direkten Effekt vorweisen (Mahler, Großschedl &

Harms, 2017). Für den Chemieunterricht zeigen sich ebenfalls direkte, positive Zu-sammenhänge zwischen dem fachdidaktischen Wissen der Lehrkräfte und dem Lernzuwachs der Schülerinnen und Schüler (Strübe, Tepner & Sumfleth, 2016;

Tröger, Sumfleth & Tepner, 2017). Tröger et al. (2017) fokussieren sich in ihrer Untersuchung nur auf den Effekt der Fachsprache, wohingegen Strübe et al. (2016) die Wirkung des angemessenen Umgangs mit Modellen und Experimenten auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler untersuchen. Wird der Einfluss von ein-zelnen Facetten des fachdidaktischen Wissens auf den Lernfortschritt der Schüle-rinnen und Schüler betrachtet, stellt sich vor allem das Wissen über Schülervorstel-lung von Lehrkräften als lernwirksam heraus (Kleickmann, Steffensky et al., 2017;

Sadler et al., 2013). Kleickmann und Steffensky et al. (2017) merken in diesem Zusammenhang an, dass es sich bei dieser Wissensfacette „um einen potenziell zentralen Bereich der Kompetenz von Lehrkräften [handelt], der allerdings bislang noch unzureichend empirisch untersucht ist" (Kleickmann, Steffensky et al., 2017, S. 292). Daher fokussiert sich diese Arbeit in den nachstehenden Kapiteln auf die spezifische Wissensfacette zu Schülervorstellungen.