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2.4 Professionelles Wissen als Teil der professionellen Kompetenz

2.4.2 Wissensarten

In den theoretischen Konzeptualisierungen des Professionswissens wird neben der Unterscheidung von verschiedenen Wissensdomänen (CK, PCK, PPK) und Wis-sensfacetten (vgl. Tabelle 2.1) eine weitere Differenzierung in Wissensarten11 vor-genommen. Tabelle 2.2 gibt einen Überblick wie Wissensarten national und inter-national klassifiziert werden. Aus der Übersicht wird schnell ersichtlich, dass bis-lang noch keine einheitliche Verwendung der Terminologie „Wissensarten“ zu fin-den ist. Aufgrund der unterschiedlichen Auslegung gleicher Begriffe, ergeben sich für jede Arbeit z. T. auch verschiedene wissenschaftstheoretische Auffassungen über die einzelnen Wissensarten, sodass die Vergleichbarkeit der Ansätze nur ein-geschränkt möglich ist (Gramzow et al., 2013a; Krauss, Neubrand et al., 2008).

11 Weitere Begriffe wie „Wissenskomponenten“ (Schmelzing, 2010, S. 30), „Wissensformen“ (Kö-nig & Blömeke, 2009, S. 507), „Wissenstypen“ (Baumert & Kunter, 2011, S. 33; Stender, 2014, S.

20) oder „types of knowledge“ (Lindmeier, 2011, S. 19) sind ebenso gebräuchlich. In dieser Arbeit wird der in naturwissenschaftlichen Projekten verwendete Terminus „Wissensarten“ verwendet (vgl. ProwiN; KiL).

Tabelle 2.2. Nationale und internationale Bezeichnungen von verschiedenen Wissensarten (zusammengeführt aus den angegebenen Quellen)

Wissensarten Weitere Begriffsverständnisse Faktenwissen bzw.

Deklaratives Wissen

„Declarative knowledge“ (Paris, Lipson & Wixson, 1983, S. 303)

„Formal knowledge“ (Fenstermacher, 1994, S. 23)

„Propositional knowledge“ (Shulman, 1986, S. 10)

„Factual Knowledge“ (Anderson & Krathwohl, 2001, S. 5) Konzeptuelles Wissen „Conceptual Knowledge“ (Anderson & Krathwohl, 2001, S. 48) Prozedurales Wissen „Practical knowledge“ (Fenstermacher, 1994, S. 16)

„Performance knowledge“ (Fenstermacher, 1994, S. 25)

„Procedural Knowledge“ (Anderson & Krathwohl, 2001, S. 52; T. De Jong & Ferguson-Hessler, 1996, S. 107;

Paris et al., 1983, S. 303)

„Wissen und Können“ (Baumert & Kunter, 2006, S. 481) Metakognitives Wissen „Metacognitive Knowledge“

(Anderson & Krathwohl, 2001, S. 55) Konditionales bzw.

pragmatisches Wissen

„Conditional knowledge”

(Paris et al., 1983, S. 303) Schematisches Wissen „Schematic knowledge“

(Shavelson, Ruiz-Primo & Wiley, 2005, S. 413)

Strategisches Wissen „Strategic knowledge“ (Anderson & Krathwohl, 2001, S. 56; T. De Jong & Ferguson-Hessler, 1996, S. 107;

Shavelson et al. , 2005, S. 413; Shulman, 1986, S. 10)

„Strategisches Wissen“ (Baumert & Kunter, 2006, S. 481) Situationsbezogenes

Wissen

„Situational knowledge“

(T. De Jong & Ferguson-Hessler, 1996, S. 106)

Reflexives Wissen „Reflexive Komponenten“ (Schmelzing, 2010, S. 30 ff.)

Einigkeit der verschiedenen Arbeiten besteht zumindest darin, dass sie durchgängig eine Unterteilung von deklarativem und prozeduralem Wissen vornehmen (z. B. Bromme, 2001; Klieme et al., 2003; König, 2010). Dass sich diese beiden Aspekte durchgesetzt haben, wird bspw. auch daran deutlich, dass sie in den meis-ten Konzeptualisierungen des Professionswissen in den Naturwissenschafmeis-ten Be-rücksichtigung finden (u. a. Kirschner, 2013; Olszewski, Neumann & Fischer, 2009; Riese & Reinhold, 2010; Schmelzing et al., 2010; Tepner et al., 2012; vgl.

auch 2.5). Da insbesondere das deklarative und prozedurale Wissen als „notwen-dige Voraussetzung für professionelles Handeln im Unterricht“ (Krauss, Lindl, Schilcher & Tepner, 2017, S. 38) und damit „für eine erfolgreiche Berufsausübung“

(Mutke, 2017, S. 6) anzusehen ist, folgen nachstehend weitere Ausführungen für diese beiden Wissensarten. Eine übersichtliche Zusammenfassung für den Großteil der anderen, in der Tabelle 2.2 aufgeführten Wissensarten findet sich bei Anderson

& Krathwohl (2001, S. 45 ff.).

Das deklarative Wissen wird auch als theoretisches und tatsachenbezogenes Wissen (Fenstermacher, 1994, S. 11 und S. 21 ff.) bzw. domänenspezifisches Faktenwissen (Anderson & Krathwohl, 2001, S. 45) eines Menschen bezeichnet. Als „Wissen, dass etwas ist“ („Knowing that“, Anderson & Krathwohl, 2001, S. 41) beinhaltet es vor allem Kenntnisse über Fakten, Sachverhalte, Begriffe, Konzepte und Prinzi-pien, die sich auf eine bestimmte Domäne beziehen (T. De Jong & Ferguson-Hess-ler, 1996; Krause & Stark, 2006). Aufgrund der Fachspezifität der Wissensart, zäh-len Anderson und Krathwohl (2001) hierzu auch das Wissen über das jeweilige Fachvokabular (S. 46). Ein weiteres Kriterium für das deklarative Wissen ist, dass es „im wissenschaftlichen Diskurs als richtig oder falsch“ (Stender, 2014, S. 20) eingeordnet werden kann und vorherrschend im Zuge der ersten Phase der Lehrer-bildung aufgebaut wird (Baumert & Kunter, 2011a). Auf den Schulkontext übertra-gen, können unter deklarativem Wissen diejenigen grundlegenden Wissensbestände verstanden werden, die eine Lehrkraft benötigt um ihren Fachunterricht systema-tisch zu organisieren (Anderson & Krathwohl, 2001). Beispielsweise zählen

„Kenntnisse über vorunterrichtliche Schülervorstellungen zu einem bestimmten Unterrichtsinhalt“ (Schmelzing et al., 2010, S. 192) zu diesen Wissensbeständen.

Das prozedurale Wissen hingegen umfasst fachspezifisches, handlungsnahes Wissen und wird damit für die Anwendung von Wissensbeständen benötigt (z. B. Beck, Baer, Guldimann, Bischoff & Brühwiler, 2008; Voss, Kunter et al., 2011; Voss et al., 2015).

Nach dieser Auffassung kann das deklarative Wissen als Voraussetzung für die Umset-zung von prozeduralem Wissen verstanden werden (König, 2010). Um am Beispiel der Schülervorstellungen zu bleiben, beinhaltet nach Schmelzing et al. (2010), das proze-durale Wissen „die Fähigkeit einen Schülerfehler zu bemerken und auf diesen spontan fachdidaktisch wirksam zu reagieren“ (Schmelzing et al., 2010, S. 192). Häufig wird diese Wissensart auch als „Wissen, wie etwas zu tun ist“ („knowing of how“, Anderson

& Krathwohl, 2001, S. 502) umschrieben. Darunter fallen u. a. das Wissen über typi-sche Handlungsabläufe, Routinen und Algorithmen (Metz, Maier, Kleinknecht, Bohl

& Hoppe, 2012, S. 27). Weiterergehend gehören für Anderson und Krathwohl (2001) neben subjektspezifischen Fertigkeiten auch Methoden und Techniken zu dieser Wis-sensart (Anderson & Krathwohl, 2001, S. 46). Mit Blick auf den Schulunterricht han-delt es sich für Voss et al. (2015) bei prozeduralem Wissen um Wissensinhalte, „die sich aus den Anforderungen des tagtäglichen Unterrichtens ableiten lassen“ (Voss et al., 2015, S. 195). Grundlegend sind damit Kenntnisse gemeint, die Lehrkräfte für die im Unterricht ablaufenden Handlungen bzw. Handlungsprozesse benötigen (Tepner et al., 2012, S. 17). Insgesamt kann damit das prozedurale Wissen als „besonders hand-lungsrelevant“ (Blömeke, Felbrich & Müller, 2008, S. 174) betrachtet werden. Auf-grund der zentralen Stellung dieses Wissens für die tatsächliche Berufsausübung, kön-nen sich Kenntnisse innerhalb dieser Wissensart vor allem durch Erfahrungen in der Unterrichtspraxis weiterentwickeln (Baumert & Kunter, 2011a; Bromme, 1997; Voss et al., 2015).

Die Erläuterung der Wissensarten wird in den meisten Studien sehr allgemein gehalten, obwohl mehrere Autorinnen und Autoren betonen, dass es sich jeweils um Wissensbe-stände handelt, die sich auf ein bestimmtes Fachgebiet beziehen (u. a. Anderson &

Krathwohl, 2001; Maier, Kleinknecht & Metz, 2010; Renkl, 2015). Der Beitrag von Baumert, Blum und Neubrand (2002) liefert für die Mathematik eine genauere Defini-tion von domänenspezifischem deklarativen und prozeduralen Wissen. Hierzu nehmen die Autoren für alle drei Professionswissensbereiche eine weitere Unterteilung vor, in-dem sie in-dem „declarative“ und „procedural expert knowledge“ präzise Wissensele-mente zuordnen.

Tabelle 2.3. Darstellung „Structure of Teachers’ Professional Knowledge“ (adaptiert nach Baumert et al., 2002, S. 13)

Declarative expert knowledge (PCK) Procedural expert knowledge (PCK)

Structure of the mathematics curriculum

Selecting mathematical tasks and problems

Handling tasks in classroom instruction

Cognitive demands and pedagogical potentials of mathematical problems

Sequencing tasks in classroom instruction

Responding to unexpected student ideas

Student preconceptions

Selecting and sequencing tasks for homework and tests

Diagnostic competence in the field of mathematics

Die Tabelle 2.3 gibt wieder, welche zentralen Wissenselemente die Autoren dabei in die Begriffsbestimmung des deklarativen und prozeduralen PCK einbeziehen.

Die Einteilung der zwei Wissensarten nach Baumert et al. (2002) wird als Grund-lage für die Erfassung der in dieser Arbeit ausgewählten PCK-Facette verwendet und in die Konzeption des Arbeitsmodells (Kapitel 5) einbezogen.