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Weitere Unterrichtspraxis: Oxidative und reduktive Wertigkeit

Im Dokument Wasser-Spiele ≈ Wasser-Farben (Seite 35-39)

Erste Ahnung von Wertigkeit

Beim Formulieren der Reaktion (Aufstellen von Reaktionsgleichungen) wird – wie oben schon angedeutet – die Buchstabenanzahl ausgeglichen, z.B. gilt:

3 CuO + 2 NH3 –> 3 Cu + 3 H2O + 2 N

Auch wenn die Schüler damit umgehen können, bleibt für sie unbefriedigend, dass sie sich die Stoffformel sagen lassen müssen. Man kann darauf hinweisen, dass letztere immer aus genauen Wägungen erhältlich ist. Aber die Schüler mer-ken, dass der Lehrer nicht nur die Ergebnisse früherer Wägungen kennt, sondern sich die kleinen ganzen Zahlen aus einem elementeigenen »Zahlenvorrat«, wel-cher ihm als Fachmann zugänglich scheint, irgendwie ableitet. Der Vorrat birgt die »Wertigkeiten«.

Gestufte Proportionen, gestufte Eigenschaften

Die Wertigkeit beschreibt die Stufen der Teilhabe eines Elements am Strom der Verwandlungen der anderen. Ein Element in einer Wertigkeit ist aber nicht nur zahlen- oder mengenmäßig bestimmt, sondern es zeigt eine Qualitätsstufe, wie z. B. zweiwertiges Eisen; man findet einen einmaligen, typischen Komplex von Eigenschaftsneigungen (s.o. Punkt 5). Ändert man die Wertigkeit, so entsteht ein neuer Komplex, eine andere Kraft im Wirken der Natur. Deshalb müssen die Wertigkeiten aus den Wegen der qualitativen Umwandlungen der Stoffe in der Welt herausgeholt werden; und nicht aus vorgestellten Elektronenzahlen, die eben nur auf Systemen physikalischer Messungen und der Verdinglichung von Quantitäten beruhen.

Die Polarität der Verwandlungskräfte

Als erstes muss qualitativ, anhand der natürlichen Antriebe von Reaktionen, ge-klärt werden, dass es zwei Verwandlungsrichtungen gibt, die Oxidation und die Reduktion. Sie entstammen Kräften der offenen Natur, des Entstehens und Ver-gehens von Lebewesen und ihren Materialien. Wir betrachten dazu ein Tab-leau der Schemata von verketteten Reaktionen (die an mehreren Tagen vorgeführt wurden):

Sauerstoff Magnesium Stickstoff

fa br ag

Magnesiumoxid Magnesiumnitrid Wasser

ag ag(br) ag

Kupfer

Sauerstoff linker rechter br fa

Teil

Magnesiumhydroxid Ammoniak

oxid ag (br)

ag

Magnesiumoxid Wasser

ag ag

Kupfer Wasser

Stick-stoff

br ag

ag

Brennbares = br Anfachendes = fa Ausgeglichenes = ag

Welche Art von Kräften spielen nun in den Reaktionen? Zunächst muss berichtet werden, dass die Darstellung von Magnesium eine Art Gewaltakt ist:

Magnesi-umoxid und Kohle müssen auf 1800°C erhitzt werden, das Magnesium dampft ab: MgO + C –> Mg ⇑ + CO

Imponderabilien als treibende Kraft

Die »Imponderabilien« der Kohle, die letztlich aus dem Kosmos stammen, wer-den der Magnesia gewaltsam aufgedrückt, indem sich die Kohle belüftet, durch die Glut zur höchsten Oxidationsneigung (Reduktionsfähigkeit) gesteigert. Die Imponderabilien oder genauer, die Veranlagung eines Stoffes, Imponderabili-enwirkung hervorzubringen, ist die alles antreibende Kraft für Erdenverände-rungen aus dem nahen Kosmos (Sonne, Planetensystem); nur durch sie kommt Leben und Chemie immer neu zustande.4

Brennbares gegen Anfachendes

In die Schule gehört der anschauliche Teil der Imponderabilienidee. Er besteht in einer Einteilung der Stoffe in brennbare, anfachende und ausgeglichene. Beispiele derartiger Stoffe sind:

Brennbare Stoffe: Anfachende Stoffe:

Holz, Stroh, Heu Luft, Sauerstoff

Harz, Wachs, Öl Nitrat, Chromat, Permanganat

Kohle, Torf, Teer Bleidioxid, Braunstein, Mennige,

Natriumperoxid

Erdöl, Asphalt, Erdgas Chlor, Brom, Salpetersäure

Alkohole, Zucker, aromatische Flüssigkeiten u.U. Sulfat, Carbonat

Ein an der Vielfalt der Stoffe, am Naturganzen, ja sogar im Hinblick auf die Of-fenheit der Erde gegenüber dem Kosmos gebildeter Begriff z. B. des Brennbaren und des Abgebens von Imponderabilien tritt an die Stelle des Abgebens von Elektronen – eine goetheanistische Wende, die vom untergründigen Druck re-duktionistischer und letztlich naiv-realistischer Vorstellungen befreien kann.

Brennbares Anfachendes

(imponderabilienreich) (imponderabilienarm)

Ausgeglichenes

Die Qualitäten sind auch in dem großen Schema auf Seite 861 kursiv dazugesetzt.

Man erkennt wieder, dass der Stickstoff in die Rolle des Anfachenden gezwun-4 »Imponderabilien« sind schaffende Kräfte, die bei der in der Evolution eintretenden

Verfestigung der Dinge und Lebewesen in die Stoffe untergetaucht sind, dort qualitativ bestimmend wirken, aber materiell nicht greifbar sind (vielmehr »unwägbar«, impon-derabel). Näheres in der »Prozesschemie« des Verf. (siehe Anm. 5). Anm. d.

gen wird: durch die übergroße Brennbarkeit des Magnesiums. Letztere wird also nicht echt ausgeglichen, weil der Stickstoff keine anfachende Qualität mitbringt.

Diese unkompensierte Brennbarkeit kommt im Ammoniak in verhaltener Form wieder heraus, sie setzt sich bis zum Kupfer (unterste Reaktion) fort, denn das ist wieder mäßig oxidabel. Man lernt, dass es immer von den Umständen und vom Reaktionspartner abhängt, ob sich eine brennbare oder eine anfachende Eigenschaft betätigt, d. h. wohin ein Stoff, wie hier der Stickstoff, getrieben wird.

Alles ist mit allem wandelbar, nichts beruht auf sich. (In der reduktionistischen Chemie drückt sich das in der Skala der Redoxpotenziale aus.)

Oxidation und Reduktion

Es muss nicht ausgeführt werden, wie die Schüler nun an vielen Beispielen die konventionelle Sprechweise »keine Oxidation ohne Reduktion« (= kein Ver-schwinden von Brennbarkeit ohne VerVer-schwinden von anfachenden Eigenschaf-ten) und »das Oxidationsmittel wird reduziert und das Reduktionsmittel wird oxidiert« etc. erüben können, so dass der Terminus Redoxreaktion geläufig und durchschaubar wird.

Zweierlei Wertigkeit

Hat man so ein qualitatives Verständnis der Redoxkräfte entwickelt, kann man schnell die Wertigkeit zuordnen. In Salzsäure bekommt der Wasserstoff (hier und immer) die reduktive Wertigkeit von 1 (er wirkt reduzierend), das Chlor dann die oxidative von gleichfalls 1, aber mit gegenteiligem Vorzeichen; abgekürzt:

+1 -1 H Cl

Man kann nun ringsherum einteilen und wie folgt formulieren, dabei die Wertig-keit als Oxidationszahl ausdrückend (lies x = mal):

2x1 -2 2x1 6 4x-2 2x3 3x-2 2 -2 2 2x5 2x 3x-2

H2S H2SO4 Fe2O3 FeS Cu(NO3)2 usw.

Die Summe der einzelnen Oxidationszahlen muss bekanntlich für jeden erfass-baren Stoff gleich Null sein, dann »stimmt« die Formel. Reduktionistisch heißt das: Elektronen treten nur über.

Jede Wertigkeitsänderung bedingt eine Redoxreaktion. Die Erstellung von Redoxgleichungen wird aber wohl erst in der 12. Klasse bis zur selbstständigen Handhabung durch die Schüler zu erüben sein.

Was drückt sich in der Wertigkeit aus?

Eine Ableitung der Wertigkeiten über physikalische Daten (Spektroskopie) aus den Quantenzahlen übersteigt zunächst den Umfang des in einem allgemeinbil-denden Chemieunterricht zu erringenden Urteilsvermögens. Der Ursprung der Wertigkeiten ist jedoch auch in folgender Weise phänomenologisch zu greifen:

Wasserstoff als spezifisch leichtestes Element mit dem tiefsten Kondensations-punkt markiert als praktisch permanentes Gas den Übergang der Erdatmosphäre

in den Weltraum, wo er auch als ein von der Erde sich entfernendes Element angetroffen wird. Er ist damit den irdischen Qualitäten wie Verfestigung und Gewicht am fernsten. Das drückt sich u.a. in seiner geringen Molmasse aus. Ge-rade er kommt bezeichnenderweise nur mit der geringsten Wertigkeit vor. Mit den weiteren Elementen verdichtet sich das Stoffliche, die Molmassen steigen.

Dann aber wirkt der zersplitternde Einfluss des Irdischen mannigfaltig: Immer mehr Wertigkeitsstufen kommen hinzu, vor allem gegenüber dem nicht erden-flüchtigen, sondern herunterziehenden, mineralisierenden Element Sauerstoff;

es geht bis zur Achtwertigkeit bei den schwersten Elementen (Osmiumtetroxid).

So gesehen ist die Reihe der Elemente einer Periode mit ihrer zunehmenden oxi-dativen Wertigkeit ein Weg in die Verbindungsbildung hinein, ein Untertauchen des einen Stoffes in den anderen Stoffen.

Wohin mit dem Periodensystem?

Das Periodensystem wäre also phänomenologisch nur als ein Diversifikations- und Wertigkeitssystem einzuführen. Denn es muss auch bedacht werden, dass die so viel herausgestellten Eigenschaftsähnlichkeiten zwischen Elementen einer Gruppe (Spalte) schon bei den Paradebeispielen an den Flügeln des Systems (Na/K und Cl/Br) in den Lebensprozessen fehlen (Natrium-Kalium-Antago-nismus in der Zelle). So lockend vielleicht eine periodische Anordnung aller Elemente wäre, so aufgepfropft ist – beim Kenntnisstand der Altersstufe – deren Interpretation aus dem physikalischen Messwesen; von der Überfrachtung des Unterrichts mit den vielen aufgeführten Elementen ganz abgesehen.

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