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Aus der schulbewegung

Im Dokument Wasser-Spiele ≈ Wasser-Farben (Seite 87-90)

haftig: Nur wer es erlebt hat und gefangen genommen wurde von den ungeheuren Weiten des südlichen Afrikas, kann dies sa‑

gen. Wer den dortigen Lebensrhythmus ge‑

fühlt hat und wer über staubige, holpernde Schotterpisten durch das Land gefahren ist, wird wissen, warum Afrika lockt.

Mit dem Anliegen, als Reisende nicht nur das beindruckende Land zu »konsumie‑

ren«, sondern auch mit der Bevölkerung in so engen Kontakt wie möglich zu treten, reiste auch dieses Jahr in den Osterferien eine 20‑köpfige Gruppe von Noch‑(Wal‑

dorf‑) Schülern und Ehemaligen in das südliche Afrika, nach Namibia. Wie in den Jahren 1999 und 2000 wurde die Reise auch dieses Jahr von Aventerra*, einem Anbieter für Kinder‑ und Jugendfreizeiten sowie Stu‑

dien‑ und Erlebnisreisen, organisiert.

Am Morgen des 3. April 2001 setzte unser Flugzeug auf afrikanischem Boden auf ei‑

ner Landebahn mitten in der Trockensa‑

vanne auf, 40 Kilometer von Windhoek, der Hauptstadt Namibias entfernt. Klare, leich‑

te Luft strich uns um die Nase, als wir das Flughafengebäude verließen und uns mit zwei Bussen Richtung Windhoek auf den Weg zur dortigen Waldorfschule machten.

Freudig wurden wir dort von Lehrern so‑

wie Schülern begrüßt. Wir begannen noch am selben Tag mit dem Bau eines Kletter‑

turms auf dem Schulhof. Ursprünglich war ein Arbeitseinsatz in einem der Slums

außerhalb Windhoeks geplant; konkretere Planungsversuche zeigten jedoch, mit wel‑

chen Schwierigkeiten und Hindernissen die Realisation eines solchen Projekts verbun‑

den ist.

Die erste Woche unseres Namibia‑Aufent‑

halts glich einer Sensation: Von vier Tagen Aufenthalt an der Windhoeker Waldorf‑

schule waren dreieinhalb Regentage. Na‑

mibia, ein Land, welches seit Jahrzehnten keinen Regen in solchen Mengen mehr hat‑

te, stand Kopf. Der Regen ließ das Land so aufblühen, dass sich sogar halbwüstenarti‑

ge Gebiete in gründurchsetzte Landstriche verwandelten. Dadurch erlebte die Reise‑

gruppe, was Fauna und Flora anbelangt, ein völlig untypisches Namibia.

Ebenso untypisch für dieses Land ist das Entstehen einer solchen Schule, einer Schu‑

le, in welcher schwarze und weiße Kinder völlig selbstverständlich und harmonisch miteinander umgehen und in welcher ein ungeheuer herzliches und enges Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern herrscht.

Nicht wenige in Namibia blicken jedoch kritisch auf die Entwicklung der Waldorf‑

schule, die eine so wichtige und wertvolle Verständigungsarbeit zwischen Schwarzen und Weißen sowie Schwarzen und Schwar‑

zen leistet. Hier sitzen schwarze und weiße Eltern bei einem Elternabend nebeneinan‑

der, hier kommen schwarze Eltern zweier zerstrittener Stämme zusammen, und hier lernen die Schüler neben Englisch, Afri‑

kaans und Deutsch auch die Stammesspra‑

chen Otjiwambo und Nama‑Dama. Hier an der Waldorfschule Windhoek wird mit wenigen Mitteln versucht, Völkerverständi‑

gung zu betreiben, und trotz aller Schwie‑

rigkeiten, mit denen eine so junge Schule in einem solchen Land zu kämpfen hat, wird mit großer Überzeugung und Hingabe ver‑

Aus der schulbewegung

sucht, voranzukommen und das Entstande‑

ne zu festigen.

Nach viertägigem Aufenthalt in Windhoek und an der dortigen Waldorfschule rüste‑

te sich die Gruppe zum Aufbruch in die große afrikanische Natur. Dankbar für den Arbeitseinsatz und den dadurch entstande‑

nen Kletterturm wurde die Gruppe von der Schulgemeinschaft in einer kleinen Feier mit Beiträgen aus dem Unterricht verab‑

schiedet.

Mit zwei Kleinbussen und einem Anhänger, vollgepackt mit Gepäck, Zelten und Küche‑

nutensilien, brachen wir auf in die unge‑

heuren Weiten Namibias, auf endlos langen, kerzengeraden und bis an den Horizont rei‑

chenden Straßen. Die Etoscha‑Pfan‑ ne, die Spitzkoppe, Swakopmund an der Westkü‑

ste und die Namib, die älteste Wüste der Erde, waren unsere Ziele, welche jedoch nur durch anstrengende und lange Autofahrten über staubige, teilweise unwegsame Pisten erreichbar waren.

Stundenlang ging die Fahrt, links und rechts nichts als Trockensavanne und unendliche Weite. Und solange man sich in Namibia auf befestigten Wegen befindet, führen

einen diese auch hin und wieder durch kleine, inmitten der Trockensavanne oder Halbwüste liegende Städte. Kaum steigt man dort aus dem Auto, wird einem eine kleine bettelnde Hand entgegengestreckt.

Dort sieht man Kinder, sieben, acht Jahre alt, rauchend, Zigarettenstummel von der Straße sammelnd.

Diese Bilder schwirrten uns noch im Kopf umher, als wir schon den großen Wildreich‑

tum der Etoscha‑Pfanne erlebten: Giraffen, Elefanten, Zebras, Gnus, Springböcke, Gei‑

er – typisch afrikanische Klischees – Bilder jedoch, die in Europa als typisch afrikanisch gelten, verblassen völlig und machen deut‑

lich, dass das wirkliche Afrika, mit all sei‑

nen Problemen und Sorgen ein anderes ist, als viele Menschen in der sogenannten ers‑

ten Welt glauben. Was wiederum auf einer anderen Ebene erlebbar wird und was man in Europa nur äußerst selten erleben kann, ist das Gefühl der ungeheuren Freiheit, ei‑

ner Freiheit, die sehr eng mit einem Gefühl von Glück verbunden ist. Und all das ist er‑

lebbar in einem Land, auf einem Kontinent, der bittere Schmerzen leidet, der am Tropf des Westens hängt und mit all seinen Prob‑

Morgenkreis auf dem Schulhof der Waldorfschule in Windhoek

kerung auf Taten wartet.

Jenes Gefühl von Glück, unermesslicher Freiheit und bisweilen auch von Frieden konnte auch weit draußen, in den rotoran‑

genen Sanddünen der Namib erlebt werden. An diesem Ort, der der Zivisi‑

lation so fremd ist, ein Ort, der in ungeheure Stille getaucht ist, breitete sich auch innerhalb der Grup‑

pe eine gewisse Ruhe aus.

Doch auch jene Ruhe, die die Aufnahmefähigkeit stärkt, ließ uns nicht annä‑

hernd alles wahrnehmen, was um uns geschah. Dies machte deutlich, wie taub und aufnahmeunfähig der zivilisierte Mensch im

Das neue Klettergerüst

Das Schulgebäude sollte. Am letzten Tag, ei‑

nem Sonntag, besuchte ein Teil der Gruppe die Menschenweihehandlung in der neu erbauten Kir‑

che der Windhoeker Chri‑

stengemeinschaft. Die an‑

schließende Fahrt nach Katutura, einem Slum au‑

ßerhalb Windhoeks, führ‑

te nochmals einen Teil der großen Probleme des süd‑

lichen Afrikas vor Augen:

Armut, Krankheit, Nach‑

Grunde ist. Was manchen Mitgliedern der Gruppe in dieser Stille und Abgeschieden‑

heit zu denken gab, war die Unfähigkeit, das Hier und Jetzt erleben zu können. Hier draußen wurde wieder deutlich, wie wenig es braucht, um Menschen glücklich zu ma‑

chen.

Auf unwegsamen, staubigen, mit Schlaglö‑

chern durchsetzten Schotterpisten ging es zurück nach Windhoek, wo am nächsten Tag unsere Reise mit dem Rückflug enden

wehen der Apartheid. Was im dortigen, neu entstandenen Kindergarten, welcher eng mit der Windhoeker Waldorfschule zu‑

sammenarbeitet, entsteht und geleistet wird und mit welchen Mitteln versucht wird, in einer Wellblechhütte Kinder von der Straße zu holen und ihnen für die dortigen, äu‑

ßerst schlechten Verhältnisse einen Hauch von Erziehung zu geben, ist ein weiteres

Zeichen und der Beweis dafür, dass einige Menschen dort etwas bewegen und vor al‑

lem vorankommen wollen.

Der Rückflug war für den Abend des 22.

Mai 2001 geplant. Wer jedoch in Afrika be‑

ginnt zu planen, scheitert meist schon rela‑

tiv schnell am afrikanischen Zeitgefühl und Lebensrhythmus. Trotz der Ankündigung, erst drei Tage später fliegen zu können, star‑

tete unser Flugzeug noch am selben Abend in eine dunkle afrikanische Nacht über ei‑

nem schlafenden, schwarzen Kontinent.

Was wir, was die Gruppe von dieser Reise mitbrachte, sind Bilder und Eindrücke von Menschen, die täglich für die Ernährung ihrer Familien kämpfen müssen. Es sind je‑

doch auch Bilder von einer betörend ergrei‑

fenden Natur, die, hat man sie erlebt, unge‑

heuer lockt und anzieht. Ja, Afrika – dunkel lockende Welt.

Bertolt Wenzel

* Auf Grund von vielen Nachfragen von Wal‑

dorflehrern aus dem Stuttgarter Großraum plant AVENTERRA im nächsten Jahr wieder eine Reise der besonderen Art. Zu den Oster‑

ferien 2002 wird eine Gruppe von ca. 14 Men‑

schen (Naturwissenschaftler und andere) un‑

ter der Leitung von Dr. Albrecht Schad nach Namibia reisen. Das Prinzip von AVENTER‑

RA, bei Reisen in Entwicklungsländern ein

»Gastgeschenk« durch praktische Arbeit dort zu hinterlassen, wird auch auf dieser Reise, wahrscheinlich wieder im Zusammenhang mit der Waldorfschule in Windhoek, gewahrt.

Gleichzeitig wird eine Gruppe von ca. 6‑8 Oberstufenschülern oder jungen Erwachsenen die Möglichkeit haben, sich dieser Reise anzu‑

schließen. Unter fachkundiger Führung wird dieses gewaltige und einzigartige Land bereist und das Wetter, die Tiere und die geologische Beschaffenheit im »goetheanistischen Sinne«

erfahren und erforscht.

Auskünfte und Reservierungen:

AVENTERRA e.V., Aixheimer Straße 15, 70619 Stuttgart, Telefon 0180/5959219.

Ein Praktikum

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