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Der Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis) – ein Parasit auf dem Vormarsch?

Im Dokument Landesamt für Verbraucherschutz (Seite 38-41)

Dezernat 45 – Tierseuchenbekämpfung, Epidemiologie, Tierschutz, technische Überwachung

4.3 Der Waschbärspulwurm (Baylisascaris procyonis) – ein Parasit auf dem Vormarsch?

Waschbären sind ursprünglich im nördlichen Amerika behei-matet und wurden zur Pelzproduktion zwischen 1920 und 1930 in Europa in Farmen angesiedelt. Der Waschbär ist deshalb ein sogenanntes Neozoon, also eine Tierart, die erst durch den Menschen in Europa eingeführt wurde.

Durch bewusste Aussetzungen und zahlreiche Ausbrüche aus Pelztierfarmen, Tiergärten und privaten Gehegehaltungen entstanden freilebende Populationen. Als eigentlicher Zeitpunkt der Auswilderung des Waschbären in Deutschland gilt das Jahr 1934, als 4 Tiere am Edersee im Raum Kassel zur Bereiche-rung für die heimische Fauna in die freie Wildbahn ausgesetzt worden sind. Etwa zwei Dutzend Waschbären wurden im Jahr 1945 in der Nähe von Straußberg östlich von Berlin durch ei-nen Bombentreffer auf ein Waschbärengehege freigesetzt. Zwi-schen diesen ursprünglichen Freisetzungsregionen in Hessen und Brandenburg bildet Sachsen-Anhalt eine Brücke und ver-zeichnet eine besonders rasante Zunahme der Population, die gemessen an der Jagdstrecke beinahe ähnliche Ausmaße wie in Hessen oder Brandenburg hat.

Mittlerweile kommt der Kleinbär in allen Ländern Mitteleuro-pas vor; ein besonderes Zentrum stellt allerdings nach wie vor Deutschland dar1. Die Zahl der in Deutschland sowie in Sach-sen-Anhalt freilebenden Waschbären steigt stetig an; eine ge-naue Zahl ist nicht bekannt. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass sich die Population alle 8 bis 10 Jahre verdoppelt.

Schwerpunkte der Verbreitung sind nach wie vor Hessen und Ostbrandenburg, aber auch in allen anderen Bundesländern ist ein Anstieg der Population festzustellen. Die Ausbreitung des Waschbären hält nach Einschätzung des Deutschen Jagdver-bandes (DJV) an. Dieser beruft sich auf Daten, die in den Jah-ren 2006 - 2015 aus 24.000 RevieJah-ren gesammelt wurden. Das entspricht 40 % der bejagten Fläche. Auch diese Daten weisen die Verbreitung von Hessen bis in den Nordosten Deutschlands nach. Dabei sind besonders Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern betroffen2.

Der Umgang mit dem Waschbären wird kontrovers diskutiert.

Während die einen den konsequenten Abschuss fordern, vertre-ten andere die Meinung, dass das Tier bereits zur heimischen Tierwelt gehört und ein berechtigtes Dasein haben sollte3.

Der DJV fordert allerdings wegen der rasanten Ausbreitung und zum Schutz der heimischen Artenvielfalt eine flächende-ckende Bejagung, die gegebenenfalls durch Bezuschussung (Mittel für Fallen) unterstützt werden sollte. Die EU-Kommission hat im Sommer 2016 den Waschbären auf die Liste der uner-wünschten Tier- und Pflanzenarten gesetzt4. Deren Ausbreitung soll in Europa bekämpft werden. In der Jagdsaison 2015/2016 wurden ca. 218.103 Tiere erlegt, so viele wie noch nie zuvor2.

Das Bundesjagdgesetz (BJagdG)5 legt in § 2 Abs.1 Tierarten 1 www.projekt-waschbaer.de

2 www.jagdverband.de

3 www.nabu.de/Tiere und Pflanzen/Säugetiere

4 Durchführungsverordnung (EU) 2016/1141 der Kommission vom 13. Juli 2016, basierend auf Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäi-schen Parlaments und des Rates der EU vom 22.Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten

5 Bundesjagdgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Sep-tember 1976 (BGBl.I.S.2849), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 23. Mai 2017 (BGBl.I.S.1226)

fest, die dem Jagdrecht unterliegen. Es eröffnet allerdings auch den Ländern die Möglichkeit, weitere Tierarten zu bestimmen, für die das Jagdrecht gelten soll. Der Waschbär wurde zusam-men mit den anderen Neozoen z.B. Marderhund, amerikani-scher Nerz (Mink) und z.T. Nutria in fast allen Bundesländern mittels Verordnung der im Bundesjagdgesetz vorgegebenen Lis-te an jagdbaren WildarLis-ten zugefügt. Er unLis-terliegt somit in fast allen Bundesländern (Ausnahme Bremen und Saarland) dem Jagdrecht6.

Wachbären leben in Wäldern, verlieren aber zunehmend die Scheu vor dem Menschen und dringen in Siedlungen der Menschen vor. Dort können sie schnell zur Plage werden, da sie Mülltonnen ausräubern, in die Gärten und Lauben gelangen und dort Verwüstungen anrichten. Sie räubern in Nistplätzen von Uhus, Greifvögeln und Störchen und schrecken auch vor der Eu-ropäischen Sumpfschildkröte nicht zurück, die ohnehin schon vom Aussterben bedroht ist. Auch Fische, Krebse, Frösche, bo-denbrütende Vögel gehören zum Speiseplan wie Essensreste oder Haustierfutter3,7.

Waschbären benutzen sogenannte Latrinen, Waschbärtoilet-ten, die immer wieder aufgesucht werden. Gerade in der Nähe der menschlichen Behausungen kann das zum Problem werden, da Waschbären Träger verschiedenster Parasiten sein können.

Ein gefährlicher Darmparasit ist der Waschbärspulwurm (Bayli-sascaris procyonis). Diese Spulwürmer sind sehr groß und kön-nen in Kothaufen oder Latrikön-nen mit dem bloßen Auge erkannt werden.

Baylisascaris procyonis stellt einen Zoonoseerreger dar. Das bedeutet, dass die Übertragung auf den Menschen nicht ausge-schlossen werden kann. Dabei kann es zu gesundheitlichen Ri-siken kommen. Aufgrund seines krank machenden Potentials ist der Waschbärspulwurm in die Risikogruppe 2 nach TRBA 464 (Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe, Einstufung von Parasiten in Risikogruppen) eingeordnet8.

6 www.diewaschbaerenkommen.de 7 Körner, Peer (2015) welt.24

8 TRBA 464 (2013) Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe, Einstufung von Parasiten in Risikogruppen

Abb. 17 Baylisascaris procyonis, ausgewachsene Spulwürmer

Der Kot der Waschbären gilt als Hauptinfektionsquelle für den Menschen. Nach der Aufnahme der Spulwurmeiner entwi-ckelt sich innerhalb von 2 – 4 Wochen eine ansteckungsfähige Larve, die auch von Zwischen- oder Fehlwirten aufgenommen werden kann. Dazu zählen z.B. Nagetiere (Mäuse, Kaninchen oder Eichhörnchen), Vögel, Hühner, Meerschweinchen und an-dere. Ebenso kann der Mensch sich infizieren. Wenn die Eier aufgenommen wurden, schlüpfen die Larven im Darm und be-ginnen eine Körperwanderung. Man spricht dann von der so-genannten Larva migrans, der Wanderlarve. Diese befallen die verschiedensten Organe und werden dort meist abgekapselt9. Kommt es allerdings zum Befall des Gehirns, sind Todesfälle nicht auszuschließen. Bevorzugtes Organ für die Wanderlarven sind die Augen; der Verlust des Augenlichtes kann dann nicht ausgeschlossen werden10.

Zum gefährdeten Personenkreis gehören insbesondere Jä-ger, Förster, Waldarbeiter, Präparatoren, Tierpfleger und Haus-besitzer, bei denen sich die Waschbären schon heimisch fühlen.

Der Nachweis der Spulwurmeier (Oozysten) erfolgt im Labor mittels Flotationsverfahren aus der Kotprobe bzw. dem Darmin-halt der Waschbären. Das Verfahren nutzt den Auftrieb der leich-ten Parasileich-tenstadien in der schwereren Flotationslösung.

Der Kot wird mit etwas gesättigter Zucker-Kochsalzlösung im Mörser zerrieben und mit etwa 10 bis 20-facher Menge der Flo-tationslösung (Dichte von 1,18 bis 1,20) durchmischt (Abb. 18) und durch ein Sieb in einen Becher gegossen (Abb.19). Nach dem Ansatz wird ein Deckgläschen vorsichtig auf die Oberflä-che der Lösung verbracht, so dass sich die an der OberfläOberflä-che schwimmenden Parasiteneier anheften können (Abb. 20). Das Deckgläschen wird nach 30 Minuten auf einen Objektträger ver-bracht und bei 100facher Vergrößerung im Durchlichtmikroskop untersucht (Abb. 21).

Die nachfolgenden Abbildungen stellen den Untersuchungs-gang im Labor dar.

9 www.baylisascaris.de

10 Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (2013), 3. überarbeitete Auflage, Enke Verlag Stuttgart

Abb. 18 Ansatz der Probe

Abb. 19 Abgießen des Überstandes in einen Becher

Abb. 20 Deckgläschen auf der Oberfläche, Anheftung der Parasiteneier

Abb. 21 Vorbereitung zur Mikroskopie

Seit 2015 werden aus dem Untersuchungsgut des Landes-amtes für Verbraucherschutz, Fachbereich 4 regelmäßige Un-tersuchungen zum Vorkommen des Waschbärspulwurmes durchgeführt.

Die Untersuchungszahl der eingesandten Tiere schwankte dabei zwischen den Landkreisen und Jahren deutlich.

Die Anzahl der eingesandten Tiere hält sich im Vergleich zur massiven Ausbreitung der Waschbären sehr in Grenzen. Ledig-lich der Altmarkkreis Salzwedel und die Landkreise Saalekreis, Anhalt-Bitterfeld und Jerichower Land sendeten im Vergleich zum Jahr 2015 (deutlich) mehr Waschbären ein.

Über die Jahre 2015 bis 2016 sind die durchschnittlichen Prävalenzen in den Landkreisen Börde, Jerichower Land, Saa-lekreis und Mansfeld-Südharz mit 50 bis knapp 85 % sehr hoch.

In den Landkreisen Harz und Burgenlandkreis war ca. jeder 3. untersuchte Waschbär mit dem Spulwurm befallen.

Eine geringere Prävalenz lag im Altmarkkreis Salzwedel vor.

Da in diesen beiden Jahren allerdings lediglich 120 Tiere un-tersucht wurden und aus einigen Landkreisen keine oder nur vereinzelte Tiere eingesandt wurden, kann eine genauere Ein-schätzung des Befalls der Waschbären mit dem Spulwurm nicht vorgenommen werden. Hier sollten die zuständigen Behörden die Jägerschaft ermuntern, die erlegten Tiere verstärkt zur Un-tersuchung einzusenden, auch vor dem Hintergrund der Abklä-rung weiterer Erkrankungen wie z.B. Tollwut oder Staupe.

Die Abbildung 22. stellt die kartografische Darstellung der Spulwurmuntersuchungen in den Landkreisen Sachsen-Anhalts dar. Die roten Punkte kennzeichnen die Ortsteile/Jagdgebiete, in denen mindestens ein Tier positiv beprobt wurde, während die gelben Punkte die Ortschaften/Jagdgebiete kennzeichnen, in de-nen nur negative Untersuchungsergebnisse vorlagen. Die unter-schiedliche Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) ist in den einzelnen Landkreisen anhand der grünen Farbgradienten ersichtlich.

Wie kann man sich schützen?

Damit die Waschbären möglichst nicht in die menschlichen Siedlungen vordringen, können folgende Tipps hilfreich sein:4,9

• Mülltonnen und Abfälle unzugänglich aufbewahren und nach Möglichkeit mindestens einen halben Meter von Zäunen, Mauern und Zweigen entfernt aufstellen

Prävalenz % Anzahl positivdavon Anzahl positivdavon 2015-2016

Altmarkkreis Salzwedel 9 0 35 4 9,1

Burgenlandkreis 4 2 5 1 33,3

Landeshauptstadt Magdeburg 0 0 0 0 0,0

Landkreis Anhalt-Bitterfeld 3 0 9 2 16,7

Landkreis Börde 9 8 4 3 84,6

Landkreis Harz 1 1 5 1 33,3

Landkreis Jerichower Land 0 0 6 3 50,0

Landkreis Mansfeld-Südharz 4 1 4 4 62,5

Landkreis Saalekreis 4 1 12 7 50,0

Landkreis Stendal 1 0 1 0 0,0

Landkreis Wittenberg 0 0 0 0 0,0

Salzlandkreis 0 0 1 0 0,0

Stadt Dessau-Roßlau 0 0 2 0 0,0

Stadt Halle (Saale) 0 0 1 0 0,0

Sachsen-Anhalt (Summe) 35 13 85 25 31,7

Landkreis 2015 2016

Tab. 4 Vorkommen von Baliysascaris procyonis in Sachsen-Anhalt, 2015-2016

Abb. 22 Regionale Verteilung der Untersuchungen zum Waschbärspulwurm in den Jahren 2015 und 2016.

Hinweis: Wenn aus einer Herkunft mehrere Proben eingesendet wurden, ist in der Abbildung nur ein Punkt dargestellt!

• Gelbe Säcke erst am Tag der Abholung vor die Tür stel-len oder in verschließbare Tonnen verbringen

• Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Brot und Obst nicht auf den Kompost werfen, Garten- und Gemüseabfälle sind hingegen unproblematisch

• Keine Nahrungsreste in öffentliche Papierkörbe werfen

• Futter für Haustiere nicht über Nacht im Garten oder auf der Terrasse belassen

Um sich vor einer Infektion mit dem Spulwurm zu schützen, sollten zudem der direkte Kontakt mit den Tieren vermieden wer-den (nicht streicheln, nicht füttern) und keine Fäzes angefasst werden. Pilze und Waldbeeren sollten vor dem Verzehr gründ-lich gewaschen werden.

Nach Arbeiten mit Erde (wie Wald-, Feld- und Gartenarbeit) sollten die Hände gründlich gewaschen werden.

Tot aufgefundene oder bei der Jagd erlegte Waschbären sollten nur mit Plastikhandschuhen angefasst und für den Trans-port in Plastiksäcken verpackt werden.

Im Dokument Landesamt für Verbraucherschutz (Seite 38-41)