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Die Wahrnehmung gesellschaftlicher Polarisierung in der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie stellte die Gesellschaft quasi über Nacht vor eine neue Heraus-forderung, gerade auch in Bezug auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bei der Bewältigung dieser konkreten Aufgabe, der Rücksichtnahme in der Pandemie, ist die Einschätzung in der Bevölkerung nicht übermäßig optimistisch. Das Verhalten vieler Menschen wird als rücksichtslos empfunden. Direkt gefragt, können viele eine Zunahme an gesellschaftlichem Zusammenhalt nicht erkennen. Andererseits wird etwas seltener der Aussage zugestimmt, in der Gesellschaft stünden sich die Menschen unversöhnlich gegenüber. Auch bei den konkreten Konfliktkonstellationen erkennen etwas weniger sehr starke oder starke Konflikte.

Abbildung 6: Mangelnde Rücksichtnahme in der Corona-Krise

Quelle: Umfrage 1023 der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2020. Angaben in Prozent.

Fehlende Werte zu 100 Prozent „weiß nicht/keine Angabe“.

Frage: „Ich nenne Ihnen einige Aussagen. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie ihnen voll und ganz zustimmen, eher zustimmen, teils-teils zustimmen, eher nicht zustimmen oder über-haupt nicht zustimmen.“ a) „Viele Menschen verhalten sich in der Corona-Krise rücksichtslos.“

b) „Das Verhalten mancher fremder Menschen in der Corona-Krise macht mir Angst.“

c) „Durch die Corona-Krise sind die Menschen näher zusammengerückt.“

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils-teils stimme eher nicht zu stimme überhaupt nicht zu

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Durch die Corona-Krise sind die Menschen näher zusammengerückt.

Das Verhalten mancher fremder Menschen in der Corona-Krise macht mir Angst.

Viele Menschen verhalten sich in der Corona-Krise

rücksichtslos. 33 18 28 13 6

30 19 21 14 13

11 16 35 23 13

Viertel (27 Prozent), während etwas mehr als ein Drittel (36 Prozent) dies verneint (siehe ausführlicher Hirndorf 2020b).

Umso überraschender ist allerdings die Einschätzung zur gesellschaftlichen Polarisierung im Vergleich zum Niveau vor der Krise. In der Corona-Pandemie sind etwas weniger Men- schen der Ansicht, Deutschland sei gesellschaftlich polarisiert, als dies vor der Pandemie der Fall war. Der Aussage über die sich unversöhnlich gegenüberstehenden Menschen stimmten vor der Krise 16 Prozent voll und ganz zu, während es in der Krise 12 Prozent sind. Für die Antwort „stimme eher zu“ entschieden sich vor der Pandemie 25 Prozent, in der Pandemie sinkt dieser Anteil auf 20 Prozent.

Abbildung 7: Beurteilung gesellschaftlicher Polarisierung vor und in der Pandemie

Quelle: Umfragen 1021 und 1023 der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2019/20 und 2020.

Angaben in Prozent. Fehlende Werte zu 100 Prozent „weiß nicht/keine Angabe“.

Frage: „Ich nenne Ihnen einige Aussagen. Sagen Sie mir bitte jeweils, ob Sie ihnen voll und ganz zustimmen, eher zustimmen, teils-teils zustimmen, eher nicht zustimmen oder überhaupt nicht zustimmen. In unserer Gesellschaft stehen sich die Menschen unversöhnlich gegenüber.“

Die Einschätzung der konkreten Konfliktkonstellationen hat sich mit der Pandemie nicht verändert. Wie schon Anfang 2019 sind auch im April 2020, während des ersten Lock-down der Pandemie in Deutschland, am ehesten die Menschen der Meinung, der Kon- flikt zwischen Arm und Reich sei stark oder sehr stark. Etwas weniger gilt dies für den Konflikt zwischen Ausländern und Deutschen. Weniger häufig werden die übrigen abge-fragten Konflikte als sehr stark oder stark eingeschätzt.19 Eine Zunahme von Konflikten ist auch bei dieser konkreteren Formulierung nicht sichtbar.

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vor der Corona-Pandemie in der Corona-Pandemie

Abbildung 8: Eingeschätzte Intensität von Konflikten – vor und in der Pandemie

Quelle: 01/2019: Umfrage „Polarisierung in Deutschland“ des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. 2019. 07/2020: Umfrage „Vertrauen in Staat und Gesellschaft in der Corona-Krise (April 2020)“. 2020. Angaben in Prozent. Fehlende Werte zu 100 Prozent „nicht so stark“, „gibt keine Konflikte“ und „weiß nicht/keine Angabe“.

Frage: „In allen Gesellschaften gibt es Gegensätze oder sogar Konflikte zwischen verschie-

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teilung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Andererseits geht die Zustimmung zur Aussage über eine Unversöhnlichkeit zwischen den Menschen zurück im Vergleich zur Zustimmung unmittelbar vor der Pandemie. Dies spricht eher für eine etwas günstigere Einschätzung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch die Menschen.

12 2017 sind die für gesellschaftlichen Zusammenhalt einschlägigen zusammengefassten Antworten „Rechts-radikale/NPD“, „AfD/Pegida/Ausländerfeindlichkeit/Rechtspopulismus“, „Zusammenhalt in der Gesellschaft“

und „AfD im Bundestag“. 2018 sind die im Politbarometer zusammengefassten Themen „AfD im Bundes-tag“, „Rechtsradikal/Rechtsextremismus/Rechtspopulismus“, „Zusammenhalt in der Gesellschaft“ und „Fal-sche Berichterstattung/Fake News“. Nicht mit aufgenommen ist das Thema „Ausländerfeindlichkeit“, das alleine von 1 bis 2 Prozent als eines der beiden wichtigsten Themen genannt wird. 2019 sind die im Polit-barometer zusammengefassten Themen „AfD im Bundestag“, „Rechtsradikal/Rechtsextremismus/Rechts-populismus“ und „Zusammenhalt in der Gesellschaft“. Nicht mit aufgenommen sind das Thema „Ausländer-feindlichkeit“ sowie das Thema „Antisemitismus/Juden„Ausländer-feindlichkeit“. Linksextremismus wird in den drei Jahren nicht häufig genug genannt, um als eigene Antwort ausgewiesen zu werden.

13 In der Abbildung ist der Anteil der Befragten ausgewiesen, die auf die Frage „Was ist Ihrer Meinung nach gegenwärtig das wichtigste Problem in Deutschland?“ die Antworten „Rechtsextremismus/Rechtspopulis-mus/Rechtsradikale/Pegida“ oder „(fehlender) Zusammenhalt in der Gesellschaft/Spaltung der Gesellschaft“

oder „Falsche Berichterstattung in Medien/Fake News/Lügenpresse/Medienschelte“ als eine von zwei mög-lichen Antworten genannt haben. Zum Vergleich ist der Anteil von Personen abgebildet, die „Umweltschutz/

Klimawandel/Artenschutz“, „Rente“ bzw. „Arbeitslosigkeit“ genannt haben.

14 Der Unterschied zwischen dem angegebenen Prozentwert für die zusammengefassten Antworten „stimme eher nicht zu“ und „stimme überhaupt nicht zu“ und den Einzelwerten in der Abbildung ergibt sich durch Rundungen. Dies gilt auch für die weiteren Differenzen zwischen Abbildungen und Text.

15 Die Kurzbeschreibung der interviewten Person bedeutet: männlich, aus Westdeutschland, 40 bis 49 Jahre alt und die Wahlabsicht bei einer vorgestellten Bundestagswahl am nächsten Sonntag ist eine sonstige Partei, die derzeit nicht im Bundestag vertreten ist. In Einzelfällen stehen nicht alle Informationen zur Verfügung, insbesondere bei Teilnehmenden der Gruppendiskussionen. Die Zitate geben die gesprochene Sprache wieder und sind deshalb nicht in jedem Fall grammatikalisch korrekt.

16 Nach den Zahlen von Eurostat schwankt die soziale Ungleichheit, gemessen mit dem Gini-Koeffizienten, zwischen 2008 und 2019 auf ähnlichem Niveau. 2008 bis 2012 ist der Gini-Koeffizient von 30,2 auf 28,3 gesunken, hat in den folgenden zwei Jahren zugenommen und lag 2014 bei 30,7, um dann bis 2017 wieder auf 29,1 zu fallen. 2018 lag der Wert dann bei 31,1, im Folgejahr 2019 bei 29,7. Von einer kontinuierlichen Zunahme kann also keine Rede sein (Online-Datencode bei Eurostat: TESSI190). Vgl. auch Destatis (Statisti-sches Bundesamt): Einkommensverteilung (Nettoäquivalenzeinkommen) in Deutschland mit weiteren Maß-zahlen und identischem Ergebnis. Die Sorge über eine vermeintlich zunehmende soziale Ungleichheit hatte sich auch in Tiefeninterviews eines Projekts in 2018 gezeigt (Roose 2019: 37–41).

17 Der Vergleich zu den sechs Konfliktkonstellationen, die 2019 und 2020 abgefragt wurden, findet sich im nächsten Kapitel.

18 Die Menschen in Ostdeutschland sehen einen stärkeren Konflikt zwischen Ausländern und Deutschen als die Westdeutschen. 23 Prozent der Ostdeutschen, aber nur 15 Prozent der Westdeutschen erkennen einen sehr starken Konflikt in der Gesellschaft zwischen Ausländern und Deutschen.