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2 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN – THEORETISCHER UND EMPIRI

2.3 THERAPIE

2.3.1 Vorstellung verschiedener Therapiemodelle

2.3.2.3 Vorstellung der Multimodal Treatment Study

auch bei dieser Therapieform machen die Autoren die Einschränkung, daß die Stimulantienthe-rapie das Kontingenzmanagement in der Effizienz übertreffe.

Als erwähnenswert wird auch angeführt, daß weder verhaltenstherapeutische Elterntrainings noch die Schulkontingenzprogramme die Beziehungen der HKS-Kinder zu ihrer Peer-Gruppe verbesserten, diese aber für die Prognostik der Hyperkinetiker äußerst entscheidend sei. Um einen besseren Bezug der HKS-Kinder zu Peer-Gruppen herzustellen, schlagen die Autoren Sommertherapie-Programme vor.

Weiter wurden diagnostische Manuale für die drei Therapieoptionen entwickelt, anhand derer das spätere Hilfspersonal geschult wurde.

Die Durchführung der Studie bestand in einer intensiven Therapie über einen Zeitraum von 14 Monaten: Hierbei wurde in der Medikamententherapie-Gruppe eine doppelt verblindete dosi-sangepaßte Titration individuell auf das einzelne Kind abgestimmt (in der Regel eine 3x tägliche Medikamentengabe von Methylphenidat) und durch aufwendige monatliche Kontrollen über-wacht (halbstündige monatliche Visiten beim Arzt, Treffen mit der Familie, Telefonanruf bei dem jeweils zuständigen Lehrer, um den Zustand des Kindes zu beobachten und eventuell eine Dosisanpassung vorzunehmen). Bei Nichtansprache wurde ein Therapieversuch mit einem anderen Stimulanz, z.B. Amphetamin, oder einem Antidepressivum unternommen.

Für die verhaltenstherapeutische Gruppe gab es 35 Elternsitzungen (Erlernen von Verhal-tens-Management-Strategien, Umgang mit dem Schulverhalten der Kinder) über die 14 Monate verteilt, Schulkonsultationen mit den entsprechenden Lehrern in Frühling, Herbst und Winter, ein 8-wöchiges Sommertherapieprogramm für die Kinder (Erlernen sportlicher und sozialer Fähigkeiten) mit direkten Interventionen bei unerwünschtem Verhalten auf dem Spielplatz oder in den Camps und eine zusätzliche Klassenraumhilfe für den Zeitraum von 12 Wochen, die mit in die jeweils normale Schulklasse der Kinder ging. Der Therapieeinsatz war dabei am Anfang sehr intensiv, wurde dann graduell abgestuft und ausgeschlichen, so daß der direkte therapeu-tische Kontakt mit Ablauf der 14 Monate auch beendet war.

Bei der kombinierten Therapie wurden die beiden erstgenannten Therapieformen verknüpft, wobei einige Modifikationen vorgenommen werden mussten, um die jeweilige Therapieform einzuführen und besonders darauf geachtet wurde, die jeweiligen Termine gut zu koordinieren, so daß die Therapiebereitschaft für diese beiden sehr aufwendigen Verfahren erhalten blieb.

Der Community Care-Kontrollgruppe wurde keinerlei Therapie von den Mitarbeitern der MTA-Studie angeboten, dafür erhielt sie allerdings eine Liste der in der Gesellschaft verfügbaren Hilfsangebote. Die Überwachung der Kinder in den verschiedenen Gruppen erfolgte anhand von mit den Eltern geführten Interviews.

Zu den Ergebnissen der MTA-Studie ist zu sagen, daß in allen Gruppen eine signifikante Verbesserung des Zustandes der ADHD- Kinder gefunden wurde, wobei die alleinige Medika-mententherapie und die kombinierte Therapie bei der Reduktion der ADHD- Hauptsymptome signifikant besser abschnitten als die alleinige Verhaltenstherapie und die Kontrollgruppe.

Zwischen den Ergebnissen der kombinierten Therapie und denen der Medikamententherapie wurde dabei genausowenig ein weiterer signifikanter Unterschied gefunden wie zwischen Verhaltenstherapie und Kontrollgruppe. - Bei einer zweiten Analyse mit präziseren Meßmetho-den wurde allerdings später ein etwas besseres AbschneiMeßmetho-den der kombinierten gegenüber der reinen Medikamententherapie gefunden (Jensen et al., 2001a). Auf weitere Ergebnisse zu Untergruppen mit verschiedenen komorbiden Störungen werde ich im Kapitel V. Spezielle aktuelle Fragestellungen zu ADHD/HKS eingehen.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse machen Paule et al. auf zwei mögliche Mißin-terpretationen aufmerksam: Zum einen die ihrer Ansicht nach falsche Schlußfolgerung, daß die kombinierte Therapie nicht besser als das alleinige Medikamenten-Management sei – das könne auch auf wenig präzise Messinstrumente zurückzuführen sein - von Jensen et al. 2001 bestätigt (s.o.). Zum anderen die auch von Cunningham erwähnte mögliche Missinterpretation, daß aufgrund des fehlenden signifikanten Unterschiedes zwischen Verhaltenstherapie und der Kontrollgruppe geschlossen werden könne, die Verhaltenstherapie bei HKS sei nicht wirksam.

Dazu ist anzumerken, daß die Überwachung der Kontrollgruppe zeigte, daß in der Mehrzahl der Fälle (> 66%) im Rahmen des öffentlichen Hilfsangebotes medikamentöse Therapie in An-spruch genommen wurde, so daß die bei der Verhaltenstherapie der MTA-Studie erzielten Ergebnisse denen des Medikamenten-Managements im Rahmen gesellschaftlicher Hilfsange-bote vergleichbar waren. Außerdem seien die Ergebnisse der Verhaltenstherapie-Gruppe besser gewesen als diejenigen des nicht- medizierten Teils der Kontrollgruppe. Cunningham bemerkt weiterhin, daß die meisten Kinder in der verhaltenstherapeutischen Gruppe am Ende der Therapie die diagnostische Schwelle von ADHD nicht mehr überschritten und die gleiche Rate signifikanter Verbesserungen bei den ADHD- Hauptsymptomen erzielt wurde wie in einer früheren Studie von Anastopoulos (1993) (also sehr wohl eine Verbesserung vorzuweisen sei).

Zudem sei die familiäre Zufriedenheit mit der Therapie in dieser Gruppe signifikant höher gewe-sen als in der Kontrollgruppe und seien insgesamt bessere Ergebnisse in der Eltern-Kind-Beziehung erzielt worden. So kommt der Autor schließlich zu dem Standpunkt, daß die „Abwe-senheit“ der Wirksamkeit der verhaltenstherapeutischen Interventionen in den Ergebnissen der MTA-Studie letztendlich nicht in einem schlechteren Ergebnis der Verhaltenstherapie, sondern in signifikanten Verbesserungen in der Kontrollgruppe bestünden. Die Kontrollgruppe habe sich verstärkt die Hilfsangebote der Gesellschaft zunutze gemacht, habe aufgrund der vorherigen strengen Einschlußkriterien eine hochmotivierte, therapiebereite Untergruppe an HKS-Kindern und ihren Familien dargestellt, die auch mit den entsprechenden zeitlichen und organisatori-schen Fähigkeiten, die für eine erfolgreiche Therapie notwendig seien, ausgestattet gewesen sei.

Es sei allerdings unklar, bis zu welchem Grad und welche Art von konkreten und individuellen Angeboten gesellschaftlicher Unterstützungsprogramme die Kontrollgruppe – mit Ausnahme der Medikamententherapie – in Anspruch genommen habe. Auch sei es insgesamt schwer zu beurteilen, in welchem Ausmaß alle Beteiligten von in den Medien und in Präsentationen ange-botenen Kindererziehungsstrategien, überall erhältlichen Elterntrainings (als Bücher, Videos oder Workshops) sowie Fortbildungsprogrammen für Lehrer o. ä. beeinflußt worden seien.

Insgesamt sei aber von einer intensiveren Inanspruchnahme dieser Möglichkeiten durch die sehr motivierte, therapiebereite Kontrollgruppe auszugehen.

Zusammenfassung:

1. Bei der Reduktion der ADHD- Hauptsymptome schnitten die kombinierte Therapie und die Medikamententherapie klinisch und statistisch besser ab als die reine Verhaltens-therapie und Community Care- Gruppe

2. In einer zweiten genaueren Analyse war die Kombinierte Therapie der reinen Medika-mententherapie etwas überlegen

3. Gleiche Ergebnisse für den Erfolg der Verhaltenstherapie- und Community Care- Grup-pe sind nicht auf Unwirksamkeit der Verhaltenstherapie, sondern eher auf hohe Thera-piemotivation und –inanspruchnahme der Community Care- Gruppe zurückzuführen

Zur Bedeutung der MTA-Studie für die Forschung ist anzumerken, daß diese die größte Studie mit klinisch zugewiesenen Hyperkinetikern darstellt, die bisher zur Untersuchung der Therapie kindlicher Psychopathologien durchgeführt wurde. Die Interpretation ihrer primären und sekundären Ergebnisse gestaltet sich allerdings komplex und kontrovers. Einer der größten Fortschritte dieser Studie besteht in einer Evaluation der Langzeitergebnisse multimodaler Therapieansätze und der Pharmakotherapie, die in der bisherigen Literatur noch fehlte.

Als Hauptergebnis dieser Studie wurde der Langzeiteffekt dieser beiden Therapieansätze gezeigt. Anzuführen bleibt nun, daß diese Studie noch nicht abgeschlossen ist, sondern sich Follow-up-Untersuchungen nach 24 und 36 Monaten anschließen sowie weitere Ergebnisse zu verschiedenen Untergruppen wie An- und Abwesenheit elterlicher Psychopathologie wie De-pression und Drogenmißbrauch erarbeitet werden. Diese Ergebnisse müssen abgewartet werden, um die volle klinische und praktische Bedeutung der MTA-Studie abschätzen zu kön-nen.

2.3.2.4 Erfolgreichste Therapieverfahren bei HKS/ADHD -