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3 SPEZIELLE AKTUELLE FRAGESTELLUNGEN ZU HKS/ADHD: UN

3.2 ADHD-HAUPTSYMPTOME (ADHD-HI, ADHD-C, ADHD-INA) UND DURCH

Die Mehrzahl an Studien zu den ADHD-Hauptsymptomen bestehen aus dem Vergleich der drei Subtypen ADHD-C (Combined), ADHD-HI (Hyperaktivität/Impulsivität) und ADHD-INA (Unauf-merksamkeit) nach DSM-IV (Lalonde et al., 1998- kl; Faraone et al., 1998- kl; Morgan et al., 1996- kl; Willcutt et al., 1999; Nolan et al., 2001; Gadow et al., 2000; Baumgaertel et al., 1995;

Gaub and Carlson, 1997; Wolraich et al., 1996,1998; Schmitz et al. 2002) (siehe auch Kapitel 2.2.3.1 und 2.2.3.2 ADHD nach DSM-IV). Nur vereinzelt wurden allein die Untergruppen ADHD-C und ADHD-INA, dann aber zusätzlich im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe (ADHD-CG), untersucht (Murphy et al., 2002 - kl; Eiraldi et al., 1997 - kl).

Betrachtet man sich zunächst die Angaben zu der prozentualen Aufteilung der verschiedenen Untergruppen, so tritt ein großer Unterschied zwischen klinischen und epidemiologischen Studien zutage: Während die Angaben in den epidemiologischen Studien unterschiedlich sind, was den Subtypus ADHD-HI betrifft (mit 8,5% größter Anteil bei Gadow et al., 2000; mit 2,4%

bzw. 3,9% kleinster Anteil bei Nolan et al. 2001 bzw. Baumgaertel et al., 1995), wird hier ein-heitlich die Gruppe ADHD-C mit einer sehr niedrigen Prävalenz angegeben: bei den drei ge-nannten Studien ca. 4-4,8%, einmal als geringste, zweimal als mittlere Prävalenz im Vergleich).

Zu einem ganz anderen Ergebnis kamen Lalonde et al. 1998 bei ihrer klinischen Stichprobe: mit 78% war der kombinierte Subtypus mit Abstand am häufigsten vertreten, was die negative Auswahl einer klinischen Population verdeutlicht.

Zum Profil dieser Untergruppe (ADHD-C) ist zu sagen, daß sie sowohl in klinischen als auch epidemiologischen Studien als die Gruppe mit der größten Symptomstärke und der höchsten Komorbiditätsrate mit ODD/CD im Vergleich mit ADHD-HI, ADHD-INA und gesunden Kontrol-len gilt (Eiraldi et al., 1997 – kl; Faraone et al., 1998- kl; Nolan et al., 2001; Baumgaertel et al., 1995; Gaub and Carlson, 1997; Wolraich et al., 1996,1998; Murphy et al., 2002; Willcutt et al., 1999). Auch werden ihr mehr delinquentes und aggressives Verhalten (Morgan et al., 1996- kl) sowie als Erwachsene mehr Suizidversuche und mehr Festnahmen als dem ADHD-INA- Subtyp zugeschrieben (Murphy et al., 2002).

Weiterhin erzielten die ADHD-Kinder der kombinierten Gruppe die höchste Rate an allgemeiner Ängstlichkeit und Depression (Gaub and Carlson, 1997; Wolraich et al., 1996; Willcutt et al., 1999), während sich die Ängstlichkeit betreffend die Gruppen ADHD-HI und ADHD-INA nicht unterschieden. Nolan et al. 2001 sowie Willcutt et al. 1999 fanden dagegen für die Depressions-raten höchste Werte für ADHD-C und ADHD-INA und die niedrigsten Werte für ADHD-HI. Auch Eiraldi et al. 1997 (kl) fanden gleich hohe Raten internalisierender Probleme bei ADHD-C und ADHD-INA, und zwar höher als bei gesunden Kontrollen.

Der Gruppe ADHD-C werden zudem die größten Defizite bei sozialen Fertigkeiten zugeschrie-ben (Gadow et al. 2000, Gaub & Carlson, 1997) und Gadow et al. bemerken, daß die Väter dieser Kinder oft aggressiv und alkoholabhängig seien.

Abweichend von den oben genannten Studien fanden Lalonde et al. 1998 (kl) die höchste Komorbidität mit ODD/CD bei der hyperaktiv-impulsiven Untergruppe, die ADHD-C-Gruppe lag jeweils erst an zweiter Stelle:

Komorbidität mit ODD: ADHD- HYP/IMP (100%) > ADHD-C (85%) > ADHD-INA (33%); Ko-morbidität mit CD: ADHD- HYP/IMP (57%) > ADHD-C (8%) > ADHD-INA (0%) – (kl).

Betrachtet man nun die Untergruppe ADHD-HI so wird auch ihr eine hohe Komorbiditätsrate mit ODD/CD zugeordnet - allerdings schwächer ausgeprägt als bei ADHD-C (Willcutt et al., 1999; entgegengesetzte Ergebnisse bei Lalonde et al. 1998, s. o.) - sowie eine allgemein höhe-re Rate externalisiehöhe-render Probleme als bei klinischen Kontrollen - im Gegensatz zu gleich stark erhöhten internalisierenden Problemen bei beiden Gruppen (Jensen et al., 1993 – kl). Hinshaw nennt 1994 bei seinem Vergleich von ADHD-HI und ADHD-INA Verhaltensstörungen als die größten schulischen Probleme der hyperaktiv-impulsiven Gruppe, die zudem hohe Unterrichts-suspensionsraten und häufige erzieherische Sonderplazierungen im Klassenraum aufwiese.

Die bei dieser Gruppe stark ausgeprägten Impulsivitäts- und Aggressivitätssymptome führten dann weiter zu ausgeprägten Beziehungsschwierigkeiten sowohl mit der Peer Gruppe als auch mit Eltern und Lehrern (Barkley et al., 1990a; Manuzza et al., 1991b).

Die Mütter der Kinder dieser Untergruppe geben höhere Raten an eigener Psychopathologie an (Gadow et al., 2000), und eine Komorbidität von ADHD-HYP mit Angststörungen oder Depres-sionen korreliert laut Jensen et al. 1993 bei diesen Kindern mit größerem Lebensstress und noch einmal verstärkten mütterlichen Symptomen im Vergleich zu alleinigen ADHD-HYP- Kin-dern. Generell gebe es in den Familien dieses Subtypus hohe Scheidungsraten, ein Vorherr-schen antisozialer Probleme wie Drogenmißbrauch und Kriminalität, sowie ein Risiko für lang-wierige antisoziale Verhaltensprobleme und geringe soziale Anpassung (Hinshaw 1994 nach Nolan und Carr, 2000).

Interessant ist weiterhin ein Ergebnis aus einer Untersuchung unbehandelter brasilianischer Jugendlicher (12-16J.) mit der klinischen Diagnose ADHD im Vergleich mit gesunden Kontrol-len, in der das Abschneiden der verschiedenen Untergruppen bei neuropsychologischen Tests untersucht wurde: die Untergruppe ADHD-HI schnitt hier genauso gut ab wie die epidemiologi-sche Kontrollgruppe – beide besser als ADHD-C und ADHD-INA, was vermuten lässt, daß ADHD-HI- Jugendliche keine signifikanten kognitiven Defizite zu haben scheinen (Schmitz et al.

2002).

ADHD-HI- Kinder sind nach Nolan et al. 2001 diejenigen, die am meisten mediziert werden – erst danach kommt die ADHD-C- Gruppe.

Ein sich von den anderen beiden Untergruppen stark abhebendes Profil weist die Gruppe der ADHD-INA-Kinder auf: Zum einen wird ihr die schwächste Symptomausprägung zugewiesen

(Nolan et al., 2001; Baumgaertel et al., 1995; Gaub and Carlson, 1997; Wolraich et al., 1996,1998), zum anderen werden bei ihr verstärkt Internalisierungsstörungen (Angststörungen und Depressionen (s.o.)), aber auch Lernschwierigkeiten und ein niedrigerer IQ als bei den beiden anderen Untergruppen beobachtet (Jensen et al., 1997; Willcutt et al., 1999; Gadow et al., 2000; Faraone et al., 1998; Morgan et al., 1996- kl; Hinshaw, 1994). ADHD-INA-Kinder fallen als sozial weniger geschickt, mit weniger Verhaltensproblemen behaftet (Gadow et al., 2000) sowie als lethargisch, schüchtern, tagträumerisch (Jensen et al., 1997), apathisch, faul und leicht ablenkbar auf (Hinshaw, 1994).

Murphy et al. stellten 2002 bei ihrer klinischen Untersuchung junger Erwachsener ADHD-Patienten insgesamt fest, daß sowohl die ADHD-C- als auch die ADHD-INA-Gruppe sich in zwei großen Bereichen signifikant von der epidemiologischen Kontrollgruppe aber nicht vonein-ander unterschieden: zum einen im Bereich assoziierter psychischer Störungen (häufigerer Alkohol- und Cannabismißbrauch, häufigeres Leiden unter Dysthymie, großer psychologischer Streß bei einer größeren Personenzahl, häufigere psychiatrische Medikation und häufigere Inanspruchnahme eines psychiatrischen Services) sowie den akademischen Erfolg betreffend (weniger Ausbildung, seltenere High School-Abschlüsse, Lernschwierigkeiten bei einer größe-ren Personenzahl). Diese Ergebnisse gehen mit den schon erwähnten von Nolan et al. 2001 und Willcutt et al. 1999 gefundenen höchsten Depressionsraten für die C- und ADHD-INA-Gruppen konform, sowie weiteren Autoren, die diese beiden Subtypen für die am stärksten akademisch beeinträchtigten halten (Nolan et al., 2001; Baumgaertel et al., 1995; Gaub and Carlson, 1997; Wolraich et al., 1996, 1998). Beim Vergleich der ADHD-C- und ADHD-INA-Erwachsenen untereinander fanden Murphy et al. nur wenige Unterschiede, die sie aber alle auf das höhere Hyperaktivitäts-/Impulsivitätslevel der ADHD-C-Gruppe zurückführen: In letztge-nannter Gruppe hatten mehr junge Erwachsenen komorbide Sozialstörungen (ODD, s.u.) und es gab mehr Verhaftungen und Suizidversuche.

Bei Konfirmationsanalysen und Regressionen stellten sich als beste Vorhersagewerte für die Abgrenzung von ADHD zu gesunden Kontrollen die beiden Symptome Aufmerksamkeitsprob-leme und Aggressionslevel heraus. Der einzige signifikante Vorhersagefaktor für ADHD-C vs.

ADHD-INA war das Aggressionslevel bzw. - nach Kontrolle auf den verfälschenden Faktor komorbiden ODD/CD - das Hyperaktivitätslevel der Kinder (Crystal et al., 2001).

Für die ADHD-Gruppe als Ganzes in Abgrenzung zu normalen Kontrollen sind ein höheres Unaufmerksamkeitslevel (Gadow et al., 2000), mehr Schulprobleme und eine höhere Komorbi-dität mit ODD/CD anzuführen (Willcutt et al., 1999).

Zusammenfassung von Studienergebnissen zu den drei

ADHD-Hauptsymptomen (ADHD-C, ADHD-HI und ADHD-INA) und zu den durch sie definierten Subtypen

In den meisten Studien, die sich mit den Hauptsymptomen der Hyperkinetiker (in der amerikani-schen Literatur mit ADHD für attention deficit hyperactivity disorder abgekürzt) beschäftigen, werden die drei folgenden in den amerikanischen DSM-IV definierten Gruppen hinsichtlich verschiedener Parameter verglichen:

1. Hyperkinetiker mit vorwiegenden Aufmerksamkeitsproblemen (ADHD-INA: Inattentiver Subtyp)

2. Hyperkinetiker mit vorwiegenden Hyperaktivitäts- und Impulsivitätssymptomen (ADHD-HI: Hyperaktiv- impulsiver Subtyp)

3. Hyperkinetiker mit gleich stark ausgeprägten Problemen in den beiden vorher genann-ten Bereichen (ADHD-C: Kombinierter Subtyp)

Die einzelnen Studien werden generell in epidemiologische und klinische Studien unterteilt.

Bei einem Vergleich dieser drei Untergruppen der Hyperkinetiker gibt es in der Literatur sowohl recht einheitliche als auch widersprüchliche Ergebnisse:

Die wichtigsten und einheitlichsten Aussagen werden zu dem kombinierten Subtyp gemacht:

Kinder dieses Subtyps kommen in klinischen Populationen eher häufig (Häufung schwieriger Fälle in klinischen Subpopulationen), in epidemiologischen Stichproben eher selten vor. Weiter weist diese Untergruppe die größte Symptomstärke, die häufigsten komorbiden Sozialverhal-tensstörungen sowie die schlechtesten Prognose auf (in epidemiologischen wie klinischen Studien). In epidemiologischen Stichproben werden diesem Untertyp zudem die größten sozia-len Defizite zugeordnet.

Als ebenfalls mit einer hohen Komorbiditätsrate mit Störungen des Sozialverhaltens, einer schlechten Prognose und einer geringen sozialen Anpassung behaftet, gilt der hyperaktiv- impulsive Subtyp – wobei hier in allen Punkten eine geringere Ausprägung als bei dem kom-binierten Subtyp vorliegt. Weiterhin stellt er die Untergruppe dar, die am häufigsten eine medi-kamentöse Therapie mit Stimulantien erhält. Im Gegensatz zu den anderen Untergruppen der Hyperkinetiker schneiden Kinder dieser Gruppe zudem in neuropsychologischen Tests genauso gut ab wie epidemiologische Kontrollen. Somit scheinen bei ihnen keine signifikanten kognitiven Defizite vorzuliegen, wohingegen die beiden anderen Untergruppen in klinischen wie epidemio-logischen Studien als die am stärksten akademisch beeinträchtigten Gruppen gelten.

Die Gruppe des unaufmerksamen Subtyps unterscheidet sich von den beiden anderen durch ihre im Vergleich schwächste Symptomausprägung, ihren niedrigeren IQ, mehr zusätzliche Lernschwierigkeiten sowie eine nur sehr geringe Rate an komorbiden Sozialstörungen.

Zur vieldiskutierten Frage der Intelligenz hyperkinetischer Kinder gelangen Studien, die die Hyperkinetiker nach ihren Hauptsymptomen einteilen, zu folgendem Ergebnis: Die Intelligenz hyperkinetischer Kinder ist abhängig von ihrem, durch die jeweils vorherrschenden hyperkineti-schen Hauptsymptome festgelegten Subtyp. Hierbei gilt der hyperaktiv-impulsive Subtyp als eher intelligent, der inattentive als eher weniger intelligent und die Intelligenz des kombinierten Subtyps wird kontrovers diskutiert.