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2 HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN – THEORETISCHER UND EMPIRI

2.3 THERAPIE

2.3.1 Vorstellung verschiedener Therapiemodelle

2.3.1.4 Alternative Verfahren

Beziehungen – auch zu den Gruppenleitern als Bezugspersonen – eine Stärkung ihres Selbstbewußtseins zu erlangen.

Einige Familien beschäftigen ein oder zwei Nachmittage pro Woche ältere Schüler oder Studen-ten, damit ihre Kinder mit diesen soziale Fertigkeiten erlernen, eine Beziehung aufbauen und um ihnen Aufsicht und strukturierte Zeit zur Verfügung zu stellen. So haben sie selbst wiederum auch einmal Zeit, sich um sich oder die anderen Kinder zu kümmern. Weiterhin stellen Sommer-lager eine gute Möglichkeit für die Kinder dar, ihre sozialen und Freizeitaktivitäten zu verbes-sern und dadurch zu mehr Selbstbewußtsein zu gelangen. Es hängt dabei ganz vom einzelnen Kind ab, ob es an normalen Lagern teilnehmen kann oder spezielle Angebote für verhaltensauf-fällige Kinder benötigt.

abgesichert ist. Zu dieser Therapie bemerken Dulcan et al. 1997 in ihrem Review unter Beru-fung auf Kavale und Forness 1983, Mattes 1983 und Wenders 1986, daß höchstens 5% der hyperaktiven Kinder Verhaltens- oder kognitive Verbesserungen mit der lebensmittelzusatzfrei-en Feingolddiät zeigtlebensmittelzusatzfrei-en, diese Veränderunglebensmittelzusatzfrei-en allerdings nicht so dramatisch wie bei dlebensmittelzusatzfrei-en Stimu-lantien seien, und daß die einzige Gruppe, in der die Ansprechensrate erwähnenswert sei, Kinder unter 6 Jahren seien.

Weiterhin spricht eine kleine Anzahl von Kindern negativ auf den synthetischen Lebensmittelzu-satz Tartrazine an (Rowe und Rowe, 1994). Insgesamt haben eine ganze Reihe von Nah-rungsmittelallergenen und Lebensmittelzusätzen den Verdacht erregt, zu Verhaltensverände-rungen beizutragen. Um dieses zu untersuchen, haben Boris und Mandel 1994 hyperkinetische Kinder zunächst auf eine Grunddiät gesetzt, die die Standardnahrungsmittelallergene wie z.B.

Milch, Weizen, Zitrusfrüchte und Erdnüsse ausschloß, und abgewartet, ob die Kinder eine Verhaltensverbesserung zeigen. Im weiteren Verlauf wurden dann einzelne Nahrungsmittel jeweils mit einem dazwischenliegenden freien Intervall ausgetestet. Wurde dabei ein verursa-chendes Allergen entdeckt, schloß sich noch eine plazebokontrollierte Doppelblindstudie an, um den Verdacht zu bestätigen. Boris und Mandel zeigten eine signifikante Verhaltensverbesse-rung bei dieser Eliminationsdiät mit einer anschließenden Verschlechterung bei Gabe des jeweils fraglichen Allergens. Das Ganze trat bei einer signifikanten Menge an Probanden auf.

Kaplan et al. bestätigten dieses Ergebnis 1989 in einer ähnlichen Studie mit einer Erfolgsrate von 58%. Dieses Vorgehen bildet nun die Grundlage der individuellen Diättherapie, die wenn, dann zusammen mit Ernährungsberatung und Selbsthilfegruppen v.a. für kleine Kinder empfoh-len werden sollte, bei denen Geschmack und Gewohnheiten noch nicht richtig entwickelt sind und die laut Studienergebnissen am meisten von dieser Therapieform profitieren. Denn die Einführung und Aufrechterhaltung einer solchen Therapie stellt für die ganze Familie eine erhebliche Anstrengung und einen großen Aufwand dar. (Sogar in den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie wird die oligoantigene Diät – allerdings in einer Formulierung mit einigen Vorbehalten – als möglicherweise hilfreich er-wähnt.)

Weiterhin berichtet uns Baumgaertel, daß Spurenelementsubstitution bei vorliegendem Mangel zu entsprechenden Verhaltensverbesserungen führen könne. Für die Megavitamintherapie, bei der Vitamine in exzessiven Dosen, die weit über den Empfehlungsrichtlinien liegen, gegeben werden, besteht in der wissenschaftlichen Literatur laut Dulcan et al. nicht nur ein mangelnder Nachweis ihrer Effizienz, sondern es besteht sogar die Möglichkeit toxischer Wirkungen (Harley, 1980; Haslam,1992). Nootropika, Kräuter und Homöopathie seien – wiederum laut Baumgaertel - zwar im Hinblick auf ihre neurologische Funktionsweise erforscht worden, Studien ihre Wirk-samkeit beim HKS betreffend seien dagegen widersprüchlich oder fehlten noch. Zu den Selbst-regulationstechniken wie Hypnotherapie und Biofeedback bemerkt sie, daß diese zwar keinerlei Veränderung der HKS-Kernsymptome bewirkten, dafür aber bei der Kontrolle der Sekundär-symptome behilflich seien. Besonders günstig sei hierbei, daß die Kinder Akteure ihrer Bewälti-gungsstrategien würden.

Verfahren wie spezielle Augenübungen, prismatische Linsen bei Dysfunktion des okulovestibu-lären Systems und gefärbte Kontaktlinsen hätten keinerlei bewiesene Grundlagen. Ein interes-santes Studienergebnis legten 1996 Abikoff et al. vor: Sie stellten fest, daß Jungen mit HKS größere Erfolgsquoten bei ihren Mathematikaufgaben hatten, wenn sie ihre Lieblingsmusik bei deren Bearbeitung hören durften, was als erhöhte Wachheit bei einem hervorstechenden Sti-mulus interpretiert wurde. Der französische Hals-Nasen-Ohrenarzt A. Tomatis stellte dazu die Hypothese auf, daß der auditiven Integration eine zentrale Funktion bei der Nervenreifung und Lernprozessen zukomme und eine Verbesserung im Fokussieren und der Konzentration durch eine Kombination von auditiver Stimulation und Gehörtraining erreicht werden könne. Diese These findet ihre Vollendung in dem sogenannten „elektronischen Ohr“, durch das hochfre-quente Modifikationen der menschlichen Stimme und Musik (klassische und gregorianische Gesänge) übermittelt werden. Es gibt viele Zeugnisse einer Verbesserung der hyperkinetischen Symptomatik mit dieser Methode, aber bisher keine kontrollierten Studien. Es kann jedoch auch sein, daß die berichteten Verbesserungen weniger spezifisch sind und eher an der hohen Intensität der Interventionen lagen (mindestens 75 Sitzungen) und an der Einbeziehung von Trainings in sozialen und akademischen Fertigkeiten (Baumgaertel, 1999).

Es gibt also eine Vielzahl alternativer Therapiemöglichkeiten, von denen bislang die Diätthera-pie am ehesten wissenschaftlich bewiesen ist. Bevor man sich allerdings mit der Überlegung, eine alternative Therapiemethode zu wählen, beschäftigt, sollten die Standardtherapiemöglich-keiten vorgestellt und diskutiert werden, da man bei ihnen über die meisten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise und mittlerweile zum Teil Langzeiterfahrungen verfügt.

Entscheidet man sich später für alternative Verfahren, so sollten wiederum die bisherigen Verdienste der einzelnen Therapiemöglichkeiten hinterfragt werden. Gerade auch bei den alternativen Behandlungsformen sollte versucht werden, diese in die wissenschaftliche Erfor-schung mit einzubinden - mit den gleichen Standards, die bei der Evaluation der gängigen Verfahren angewendet werden. Für dieses Vorhaben ist der gute Wille, das Engagement und die Kommunikation aller Beteiligten die Grundvoraussetzung.

2.3.2 Untersuchungen über den Erfolg der verschiedenen Therapieverfah-ren beim HKS

Hier sollen nun anhand einiger Übersichtsarbeiten, die sich mit den in den letzten 25 Jahren durchgeführten Studien zu den unterschiedlichen bei HKS angewendeten Therapieoptionen beschäftigen, die in den Fachzeitschriften veröffentlichten Ergebnisse vorgestellt werden. Für dieses Vorhaben erwiesen sich v.a. drei der gefundenen Reviews, die sich mit der Therapie des hyperkinetischen Syndroms beschäftigen, als nützlich: Zum einen das Kapitel Attention deficit hyperactivity disorder von Nolan und Carr in dem Band What works with children and adoles-cents? (New York: Routledge, 2000), das Review Empirically supported psychosocial treat-ments for attention deficit hyperactivity disorder von Pelham, Wheeler und Chronis (Journal of Clinical Child Psychology, 1998) und der Übersichtsartikel ADHD in children and youth: A

quantitive systematic review of the efficacy of different management strategies von Klassen, Miller, Raina, Lee und Olsen (Canadien Journal of Psychiatry, 1999). In diesen drei Arbeiten werden methodisch sauber eine größere Anzahl an Studien zu multimodalen Therapiemodellen analysiert, und es wird ein Vergleich der Wirksamkeit rein medikamentöser, rein verhaltensthe-rapeutischer und kombinierter Therapiemöglichkeiten vorgenommen. Review-Artikel zur Stimu-lantientherapie alleine wurden außer acht gelassen, da diese Therapieform zum einen mit äußerst hohem Konsens in der Fachliteratur als anerkannte Therapie der Wahl gilt und sich die vorliegende Arbeit zum anderen auf den derzeitigen Stand der Forschung auf dem Gebiet der multimodalen Ansätze beim HKS als Hintergrund für unsere eigene Untersuchung konzentrie-ren sollte. So können die von uns gefundenen Studienergebnisse in diesen Zusammenhang eingeordnet werden.

Weiterhin lassen sich anhand verschiedener Arbeiten zu der bisher größtangelegtesten Thera-pievergleichsstudie zum HKS, der von dem kanadischen National Institute of Mental Health in Auftrag gegebenen Multimodality Treatment Study of ADHD (MTA), weitere (in diesem Fall Langzeit-) Ergebnisse in einem einheitlichen Therapiedesign aufzeigen und außerdem die Schwierigkeiten und die Komplexität der Interpretation der jeweils erhaltenen Ergebnisse und ihrer eventuellen politischen Konsequenzen an einem Beispiel veranschaulichen. Hierauf soll eingegangen werden, da diese Probleme in abgewandelter Form für jede einzelne der Studien gelten, die in die oben genannten Übersichtsarbeiten aufgenommen wurden.

2.3.2.1 Methodische Probleme beim Vergleich von Studien zu