• Keine Ergebnisse gefunden

Vorlage des stellvertretenden Leiters der Abteilung Staatliche Ver- Ver-waltung des Zentralkomitees der SED, Willi Barth , 252 für das Politbüro über die

Forschungsstand und Forschungsperspektiven O LIVER W ERNER

Dokument 10: Vorlage des stellvertretenden Leiters der Abteilung Staatliche Ver- Ver-waltung des Zentralkomitees der SED, Willi Barth , 252 für das Politbüro über die

„Grundsätze der Gesetzesvorlagen über die Neuorganisation im Staatsapparat“, 5. Juli 1952253

Alle Maßnahmen, die zur Neuorganisation des Staatsapparates durchgeführt werden, ste-hen in Übereinstimmung mit der Verfassung, die der Demokratisierung unseres Staats-apparates den Weg ebnet. Eine Änderung des Textes der Verfassung ist nicht notwendig.

Es erscheint zweckmäßig, in der Begründung der Neuorganisation das Hauptgewicht nicht gegen die Länder zu richten. Das Hauptgewicht ist vielmehr auf die Notwendig-keit einer weiteren Demokratisierung des Staatsapparates zu legen. Im Zuge dieser weite-ren Demokratisierung verändern die Länder ihre Verwaltungsorganisationen. Die Länder bleiben als territoriale Einheiten bestehen. Die Tatsache, dass gewisse Teile der Verfas-sung (Art. 109ff. „Republik und Länder“) nicht mehr den mit der Neuorganisation er-reichten Zustand unserer Staatsstruktur widerspiegeln, macht eine Aufhebung dieses Tei-les der Verfassung nicht notwendig. Die Weiterexistenz der Länderkammer lässt sich unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass die grundlegende Gliederung der Republik in Länder nicht aufgehoben ist.254

Es wird empfohlen, die Länderverfassungen formell nicht aufzuheben. Es lässt sich juri-stisch der Standpunkt vertreten, sie seien gegenstandslos geworden.255

1. Vorschlag:

Die Maßnahmen zur Neuorganisation des Staatsapparates werden von oben durch die Volkskammer beschlossen. Dabei wird betont, dass die weitere Demokratisierung erfor-derlich macht:

a) eine Neugliederung der Kreise nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dazu werden entsprechende Veränderungen der Ländergrenzen vorgenommen.

b) Bildung von Bezirken.

252 Zu Willi Barth (1899–1988) vgl. Müller-Enbergs, Wer war wer, S. 42.

253 Das Dokument enthält handschriftlichen Anmerkungen, die sehr wahrscheinlich vom Ministerprä-sidenten der DDR, Otto Grotewohl , stammen.

254 Handschriftlich am Rand des Absatzes: „Keine grundsätzliche Beseitigung der Länder, nur: Verän-derung der Verwaltungspraxis; also: bleibt auch Länderkammer“.

255 Handschriftlich am Rand des Absatzes: „Keine Schranken für Einheit“.

Der Landtag legt durch Gesetz fest:

a) welche Kreise im Einzelnen neu gebildet werden,

b) welche Kreise zu welchen Bezirken zusammengefasst werden,

c) die Zustimmung zur Änderung der Ländergrenzen durch Volkskammergesetz (Art. 110 Abs. II)

d) die Abgeordneten der Landtage setzen ihre Tätigkeit in den Bezirkstagen fort, e) die Funktionen der Landesregierung gehen auf die Bezirksverwaltungen über.

Begründung dieses Vorschlags:

Die Regierung der Republik und die Volkskammer treten als entscheidende Kraft für die Neuorganisation des Staatsapparates hervor. Dieser Vorschlag hat den großen Vorteil, dass hier die politische Bedeutung der Neuorganisation als Schritt zur Vertiefung unserer Demokratie von der Regierung in der Volkskammer und damit vor dem ganzen deutschen Volk dargelegt wird. Das ist sehr bedeutsam, weil für den weiteren Ausbau der neuen Struktur, insbesondere für die Frage, die neuen Kreis- und Bezirksorgane arbeitsfähig zu machen, hier die entscheidenden Gesichtspunkte gegeben würden. Das wäre zugleich die Einleitung einer großen ideologischen Kampagne für den Ausbau von organisatorischen Formen, die die Mitarbeit der Bevölkerung sicherstellen.256

Dieser Vorschlag hat ferner den Vorteil, dass die Landtage bei der Durchführung der Neuorganisation weitgehend herangezogen werden. Die Regierung der Republik und die Volkskammer legen die entscheidenden politischen Richtlinien fest (Notwendigkeit der Neubildung der Kreise und der Bildung on Bezirken). Die Landtage führten dann die Neubildung der Kreise und die Bildung von Bezirken faktisch durch.257

2. Vorschlag:258

Die Maßnahmen zur Neuorganisation des Staatsapparates werden von oben durch die Volkskammer beschlossen. Dabei wird betont, dass die weitere Demokratisierung erfor-derlich macht:

a) die Neubildung von Kreisen unter Veränderung der Landesgrenzen (der Volkskam-merbeschluss führt hiernach die Kreise im Einzelnen auf),

b) die Bildung von Bezirken (der Volkskammerbeschluss zählt im Einzelnen die Bezirke auf und legt die Aufteilung der Kreise auf die Bezirke fest).

256 Handschriftlich am Rand des Absatzes: „Führung DDR; Plan erzwingt die Neuregelungen von der DDR“.

257 Handschriftlich am Rand des Absatzes: „alle Beschlüsse a) Volkskammer b) Landtage mit 2/3 Mehrheit fassen“.

258 Handschriftlich: „Nein!“ – Der gesamte Text des zweiten Vorschlags ist einmal quer durchgestri-chen.

Der Landtag beschließt durch Gesetz:

a) die Zustimmung zur Änderung der Landesgrenzen durch Volkskammergesetz (Art. 110 Abs. II),

b) die Abgeordneten der Landtage setzen ihre Tätigkeit in den Bezirkstagen fort, c) die Funktionen der Landesregierung gehen auf die Bezirksverwaltung über.

Begründung dieses Vorschlags:

In ihm kommen dieselben Gesichtspunkte zum Ausdruck wie in dem 1. Vorschlag, mit dem Unterschied, dass die Landtage in weiterem Maße als nach dem 1. Vorschlag ausge-schaltet werden, indem die Bildung der Kreise und Bezirke durch die Volkskammer selbst erfolgt. Es würde hier die verfassungsrechtliche Schwierigkeit vorhanden sein, dass nach der Demokratischen Kreisordnung die Änderung von Kreisgrenzen Hoheitsrecht des Lan-des ist. Es wäre aber vertretbar, dass im Zuge dieser Neuorganisation die Volkskammer von sich aus diese Neufestsetzung der Kreisgrenzen bestimmt.

Begründung:

Entsprechend dem erteilten Auftrag wurde die bestehende Gliederung der Verwaltung in Gemeinden, Kreise und Länder sowie die Struktur der Organe der Gemeinden, Kreise und Länder einer kritischen Analyse unterworfen. Die Untersuchung wurde unter dem Gesichtspunkt vorgenommen, zu erforschen, ob die gegenwärtig bestehende territoriale Gliederung noch den realen ökonomischen Verhältnissen entspricht und ob bei der gegen-wärtigen Struktur der Verwaltung, insbesondere in den Kreisen und Ländern, diese noch geeignet ist, die Aufgaben zu bewältigen, die ihnen durch die Gesetze und Verordnungen der Deutschen Demokratischen Republik auferlegt sind.

Diese Frage reifte in den letzten Jahren heran und ihre Lösung wurde immer dringender.

Die Bewältigung der wachsenden Aufgaben, die von unserem demokratischen Staat im Zuge des kulturellen und wirtschaftlichen Aufbaus gestellt werden, stellen an die Organe des Staatsapparates erhöhte Anforderungen. Dies gilt insbesondere für die örtlichen Or-gane des Staates, deren Funktion die Durchführung der Gesetze und Verordnungen der Republik ist.

Die bestehende territoriale Gliederung insbesondere der Kreise und die bestehende Struk-tur der Verwaltung der Kreise und Länder hat sich als veraltet erwiesen. Bei ihrem Aufbau wurde im Wesentlichen an die Tradition der Weimarer Republik angeschlossen, wobei die diktatorischen Elemente des alten259 Staatsapparates beseitigt wurden. Die tiefgrei-fenden Veränderungen, die sich bei uns vollzogen haben, haben indes bisher in der Glie-derung und Struktur der Verwaltung nicht ihre Berücksichtigung gefunden. Es muss fest-gestellt werden, dass der Staatsapparat, seine Gliederung und Struktur, hinter unserer

259 Handschriftlich eingefügt: „Hitlerschen“.

gesellschaftlichen Entwicklung, insbesondere der Aufgabenstellung des Fünfjahrplanes, zurückgeblieben ist. Das muss sich notwendig hemmend auswirken. Der Staatsapparat kann die große schöpferische Kraft nicht entfalten, deren er bedarf, um der Bevölkerung zu helfen, die Aufgaben des Fünfjahrplanes zu erfüllen.

Angesichts der gegenwärtigen Gliederung und Struktur ist der Staatsapparat nicht in der Lage, die beiden entscheidenden Aufgaben durchzuführen, die vor ihm stehen:

die genaue Durchführung der Gesetze und Verordnungen der Deutschen Demokrati-schen Republik sicherzustellen

und des weiteren

die organisatorischen Formen zu schaffen, die die Mitarbeit der breiten Schichten der Bevölkerung an der Durchführung der Gesetze und damit an der Politik unseres de-mokratischen Staates gewährleisten.

Strikte Einhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit und allseitige Entwicklung der De-mokratie sind die notwendigen Voraussetzungen für die Erfüllung der großen Aufgaben des kulturellen und wirtschaftlichen Aufbaus, die vor unserem Staate stehen.

Die Landtage und Kreistage bestehen und arbeiten heute noch im Wesentlichen in den Formen des alten parlamentarischen Betriebes. Sie treten nur zu den Sitzungen zusam-men, wirken aber bei der Durchführung der Gesetze und Verordnungen nicht operativ mit, Ihre Verbindung mit den breiten Schichten der Bevölkerung ist nur sehr locker und gewährleistet nicht die Heranziehung der Massen zur Lösung der staatlichen Aufgaben.

Die Kreise sind zu groß. Sie können nicht die ihnen übertragenen Aufgaben, die strikte Durchführung der Gesetze und Verordnungen zu gewährleisten, erfüllen. Die örtlichen Staatsorgane haben die volle Verantwortung für die strikte Durchführung der Gesetze und Verordnungen. Die Bürgermeister, selbst der kleinsten Gemeinden, haben wichtige staats-politische und ökonomische Aufgaben. Wegen der Größe der meisten Kreise kann ihnen nicht die notwendige Anleitung und Hilfe gegeben werden.

Aber auch die Anleitung, Hilfe und Kontrolle der Kreise durch die Landesregierungen hat sich als völlig unzureichend erwiesen. Die Zahl der anzuleitenden Kreise ist zu groß, die Wege bis zur Kreisverwaltung zu weit. Hierdurch wird, anstatt operativ anzuleiten, büro-kratisch verfahren, Rundschreiben erlassen und so die Entwicklung faktisch dem Selbst-lauf überlassen.

Der Vorschlag für die neue Einteilung und Struktur berücksichtigt die ökonomischen Ver-änderungen und die neue Aufgabenstellung an die örtlichen Organe der Staatsmacht. Er befähigt diese Organe operativ die Durchführung der Gesetze und Verordnungen anzulei-ten und die Massen zur Mitarbeit zu mobilisieren.

Der Vorschlag geht in der folgenden Richtung: Die Gemeinden bleiben in ihrer jetzigen Form bestehen. Zur besseren Anleitung, Hilfe und Kontrolle sind die meisten Kreise ver-kleinert. Dadurch wird eine intensive Anleitung, Hilfe und Kontrolle der Bürgermeister und Räte der Gemeinden gewährleistet, was in der bisherigen Form nicht sichergestellt war.

Damit auch die Kreise aktiver in die Entwicklung eingreifen können, muss auch diesen eine bessere Anleitung und Hilfe zuteil werden. Deshalb sieht der Vorschlag vor, dass die den Landesregierungen obliegende Verpfl ichtung zur Anleitung, Hilfe und Kontrolle durch Bezirksorgane ausgeübt wird. Das von den Landesregierungen erfasste Territorium ist zu umfassend, eine operative Anleitung ist kaum möglich und wird auch faktisch nicht durchgeführt.

Die Festigung der demokratischen Gesetzlichkeit erfordert die strikte Durchführung der Gesetze und Verordnungen durch alle Organe des Staatsapparates. Dies ist Richtschnur der Tätigkeit der neu zu schaffenden Organe der Bezirke, Kreise und Gemeinden. Dabei haben die Bezirke den Kreisen und die Kreise den Gemeinden in der Durchführung ihrer Aufgaben zu helfen und die Innehaltung der Gesetze zu kontrollieren.

Das Neue in unserer demokratischen Entwicklung, die Massen des Volkes zur Mitarbeit bei der Durchführung der Aufgaben zu mobilisieren, verlangt auch eine Änderung der Tätigkeit der Vertretungskörperschaften in den Gemeinden, Kreisen und Bezirken. Bis-her haben diese Vertretungskörperschaften sich darauf beschränkt, Gesetze und Verord-nungen zu erlassen – es muss indes auch ihre Funktion sein, für die Durchführung der Gesetze und Verordnungen Sorge zu tragen. Die Erfahrungen, die hinsichtlich der Tä-tigkeit der jüngst geschaffenen ständigen Kommissionen bei den Stadtbezirken in den Großstädten und in einigen Städten und Gemeinden vorliegen, zeigen einen Weg für die neue Form der Arbeit der Volksvertretungen und sind eine Form unserer demokratischen Entwicklung.

Durch die ständige Kommission der Vertretungskörperschaft, der diese Anleitung, Hilfe und Kontrolle bei der Durchführung der Gesetze und Verordnungen obliegt, ist die opera-tive alltägliche Zusammenarbeit zwischen der Vertretungskörperschaft, den Verwaltungs-organen und der Bevölkerung sichergestellt. Dies ist eine Form, die die Heranziehung der Massen zur aktiven Mitwirkung bei der Durchführung der Gesetze und Verordnungen si-cherstellt.

Dies ist zugleich der Weg zur Überwindung des alten parlamentarischen Betriebes, des-sen Grundübel die Teilung zwischen dem Erlass von Gesetzen und Verordnungen auf der einen – der Durchführung auf der anderen Seite war. Das Parlament sah als seine aus-schließliche Befugnis den Erlass der Gesetze an und überließ die Durchführung der Ver-waltung. Es ist vielmehr die Funktion der Volksvertretungen selbst, gestützt auf die brei-ten Massen der Bevölkerung und diese zur aktiven Mitwirkung heranziehend, um so an

der Durchführung der Gesetze und damit an der Verwirklichung der Politik unseres Staa-tes mitzuwirken.

So wird unsere demokratische Entwicklung in ein höheres Stadium treten.

[BArch, NY 4090/432 (Nachlass Otto Grotewohl), Bl. 81–88]

Dokument 11: Erster Bericht des Vorsitzenden des Organisations-Komitees für den