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2.3 Kapazitation

2.3.1 Physiologie des Kapazitationsprozesses in vivo

2.3.1.2 Vorgänge im weiblichen Genitale

Nach der Deponierung im weiblichen Genitale passieren die Spermatozoen auf dem Weg zum Ort der Befruchtung tierartabhängig zunächst die Zervix und/oder den Uterus, um schließlich über die uterotubale Verbindung in den Ovidukt zu gelangen.

Nach Untersuchungen von BAKER und DEGEN (1972) beim Schwein sind vor allem die bei der Insemination resp. Bedeckung auftretende Sogwirkung sowie Uteruskontraktionen für den Transport der Samenzellen durch die Gebärmutter verantwortlich. Von insgesamt 5x1010 ejakulierten Eberspermien erreichen nur 108 den Eileiteristhmus und weniger als 103 gelangen in die Ampulle, den Ort der Befruchtung (HUNTER 1982). Bei dieser drastischen Reduktion handelt es sich vermutlich um einen Selektionsmechanismus, aus dem resultiert, dass möglichst befruchtungskompetente Spermienzellen den Ovidukt erreichen (HUNTER 1988).

Bei der Begattung oder Besamung der Sau gelangt ein relativ großvolumiges Ejakulat direkt in den Uterus. Schon nach zwei Stunden ist jedoch der größte Anteil an Spermatozoen aus der Gebärmutter verschwunden, und bereits 15 Minuten nach der Bedeckung können Samenzellen im Ovidukt nachgewiesen werden (BAKER u.

DEGEN 1972). Bei der Stute sind erst zwei Stunden nach der Insemination Spermien im Eileiter zu finden (BADER 1982), und bei Schaf und Rind vergehen nach der Bedeckung sechs bis acht Stunden, bevor Spermatozoen im Ovidukt nachzuweisen sind (HUNTER et al. 1980; HUNTER u. WILMUT 1983). Die Etablierung eines Reservoirs befruchtungskompetenter Spermien im Oviduktisthmus bedarf jedoch

auch beim Schwein eines Zeitraums von ein bis zwei Stunden (HUNTER 1981).

Dieser Umstand weist darauf hin, dass für die Befruchtungsfähigkeit der Spermatozoen notwendige Vorgänge nach dem Erreichen des Ovidukts stattfinden.

Während der Passage durch das weibliche Genitale vollziehen sich mit dem weitgehenden Verlust oberflächenassoziierter Substanzen aus dem Seminalplasma erste Schritte der Kapazitation (EINARSSON et al. 1980). Nachdem nur wenige der ursprünglich ejakulierten Spermien die durch zyklusabhängig ödematisierte Schleimhautfalten gekennzeichnete Barriere der uterotubalen Verbindung überwunden haben, bereiten sie sich in engem Kontakt zum Oviduktepithel auf die Akrosomreaktion und die Fusion mit der Eizelle vor (TÖPFER-PETERSEN et al.

1996).

Nach Untersuchungen von SUAREZ (1987) werden bei der Maus die Spermatozoen in den unteren Abschnitten des Eileiters mittels zweier Mechanismen zurückgehalten: durch Immobilisierung der Spermienzellen und vor allem durch deren Bindung am Epithel des Isthmus. Die Ausbildung eines präovulatorischen Spermienreservoirs im kaudalen Oviduktisthmus wird ebenso bei Schaf (HUNTER et al. 1982), Schwein (HUNTER 1984) und Rind (HUNTER u. WILMUT 1984) beobachtet.

In den Schleimhautfalten des Isthmus sind beim Schwein vor der Ovulation in hoher Dichte Spermien mit intakter Plasmamembran zu finden. Auffallend ist, dass die Spermatozoen vorzugsweise mit den Mikrovilli der Epithelzellen in Kontakt treten (HUNTER et al. 1987). SMITH und YANAGIMACHI (1990) teilen den Eileiter beim Hamster in drei verschiedene Kompartimente bzw. „microenvironments“ hinsichtlich der möglichen Lokalisation von Spermatozoen ein. Sie unterscheiden hierbei das Lumen, die Schleimhautoberfläche der Oviduktwand mit ihren Longitudinalfalten und die Krypten; die an der Schleimhaut gebundenen oder in den Krypten gespeicherten Spermien bleiben motil und vital, die im Lumen befindlichen zeigen hingegen nur geringe oder keine Motilität. Nach Untersuchungen von ESPONDA und MORENO (1998) bei der Maus weisen die gebundenen Spermien intakte Akrosome auf, die Spermien ohne Kontakt zum Epithel zeigen zumeist akrosomale Schwellung oder Auflösung. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Bindung der Spermienzellen am Oviduktepithel eine bedeutende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit der Spermatozoen im Eileiter spielt. Ein Mechanismus zum Schutz der Vitalität der Spermatozoen im weiblichen Genitale ist insbesondere bei Tierarten,

die zwischen dem Beginn der Deckbereitschaft und der Ovulation ein Zeitintervall von ein oder mehr Tagen aufweisen von großer Bedeutung. HUNTER (1984) berichtet, dass bei der Sau noch 36 Stunden nach Bedeckung lebensfähige Spermatozoen nachzuweisen sind.

Nach Untersuchungen von MBURU et al. (1996) beim Schwein besteht ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzahl und Vitalität der in uterotubaler Verbindung und Isthmus gespeicherten Spermien und der Ovulation. Die in Kontakt zum Oviduktepithel stehenden Spermien haben in der präovulatorischen Phase intakte Plasmamembranen, postovulatorisch zeigen sie Membranveränderungen, die auf eine Akrosomreaktion hinweisen. Spermien, die im Lumen des Isthmus nicht mit dem Epithel in Berührung kommen, weisen schon vor der Ovulation defekte Plasmamembranen auf (MBURU et al. 1997). Auch beim Rind ist vor der Ovulation die Mehrheit der im Isthmus befindlichen Spermien membranintakt, in der postovulatorischen Phase sind hingegen Spermien mit defekten Plasmamembranen zu finden (HUNTER et al. 1991).

Neben der Bindung am Oviduktepithel werden weitere Mechanismen beschrieben, die zur präovulatorischen Speicherung der Spermienzellen im Eileiteristhmus beitragen. Der im Isthmus sezernierte Schleim hat vor der Ovulation eine extrem visköse Konsistenz und verschließt das Lumen vollständig (HUNTER et al 1987).

Welche Rolle die daraus resultierende Verminderung der Spermienmotilität im Hinblick auf eine rein physikalische Hemmung der Spermienzellen spielt, ist noch ungeklärt. Postovulatorisch ist eine Reduktion der Viskosität festzustellen, was möglicherweise eine erleichterte Motilität zum Zeitpunkt der Befruchtung gewährleistet (HUNTER 1995).

Eine Funktion des Lumenverschlusses durch das visköse Sekret besteht darin, das Eindringen von Uterusflüssigkeit zu verhindern. Im Uterus findet nach der Bedeckung oder Insemination beim Schwein eine Infiltration phagozytoseaktiver Zellen statt, um die Spermienzellen als Fremdkörper zu eliminieren. Aufgrund des lumenfüllenden Sekretpfropfens können die polymorphkernigen Leukozyten jedoch nicht in den Oviduktisthmus einwandern, was darauf hinweist, dass der Ovidukt als funktionelles Spermienreservoir eine Schutzfunktion übernimmt (HUNTER et al. 1987).

Präovulatorisch sind außerdem Unterschiede der Laktat- und Glukose-konzentrationen im Sekret von Isthmus und Ampulle festzustellen, die nach der Ovulation nicht mehr bestehen und einen erheblichen Einfluss auf die Motilität der

Spermatozoen ausüben können (NICHOL et al. 1992). Weiterhin wird vor der Ovulation ein Temperaturgradient zwischen dem kaudalen Isthmus und der Ampulle beobachtet. Vermutlich als Folge regionaler Unterschiede der Blut- und Lymphversorgung und der Aktivität der Myosalpinx ist im Isthmus eine im Vergleich zur Ampulle um 0,75°C geringere Temperatur festzustellen (HUNTER u. NICHOL 1986). Dieser bei oder kurz vor der Ovulation wieder aufgehobene Temperaturunterschied beeinflusst die Spermien möglicherweise direkt durch Wirkung auf Strukturproteine der Zellen (HUNTER 1995). Schließlich bedingt die ovarielle Östrogensekretion präovulatorisch durch einen erhöhten Muskeltonus und die Ödematisierung der Schleimhaut eine Art „physiologischer Striktur“, die vermutlich die Isthmus-Passage behindert (HUNTER 1977; HUNTER 1995).

Im kaudalen Isthmus findet also vor der Ovulation die Speicherung von Spermien mit reduzierter Motilität und stabilisierten Plasmamembranen statt, die sich vermutlich in einem „präkapazitierten“ Zustand befinden (HUNTER et al. 1987). Die wesentlichen Vorgänge der Kapazitation müssen folglich in den unteren Oviduktregionen ablaufen, um den zur Befruchtungskompetenz der Spermatozoen führenden Reifungsprozess zu komplettieren. Kennzeichen dieser Prozesse sind eine destabilisierende Umstrukturierung der Plasmamembran, die mit dem Verlust von Cholesterol einhergeht, die Phosphorylierung von Membranproteinen und Veränderungen der intrazellulären Ionenkonzentration mit dem Influx von Calcium und Bikarbonat in die Spermienzelle (TÖPFER-PETERSEN et al. 1996). Als Konsequenz der Kapazitation vollziehen sich zum einen die Akrosomreaktion genannte Vesikulation und Verschmelzung von Plasmamembran und äußerer akrosomaler Membran am Äquatorialsegment; beides ist essentielle Voraussetzung für die Penetration der Zona pellucida und die Fusion der Spermienzelle mit der Oozyte. Zum anderen findet eine als Hyperaktivierung bezeichnete, wesentliche Änderung des Bewegungs-musters statt, wobei die Spermien stark gekrümmte, asymmetrische Schwanz-schläge und häufige Richtungswechsel zeigen (KATZ et al. 1989; YANAGIMACHI 1994).

Nach SMITH und YANAGIMACHI (1991) spielt die Bindung der Spermatozoen am Epithel des Isthmus sowohl für die Aufrechterhaltung der Vitalität eine bedeutende Rolle, als auch möglicherweise für den Verlauf der Kapazitationsprozesse. Ihren Untersuchungen beim Hamster zu Folge binden lediglich unkapazitierte Spermien an der Eileiterschleimhaut, kapazitierte Spermienzellen verlieren die Affinität zum

Oviduktepithel. Einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung des Ovidukts für die Kapazitationsabläufe geben Untersuchungen von HUNTER et al. (1998). Hierbei konnte an chirurgisch besamten Jungsauen gezeigt werden, dass periovulatorisch in den Eileiteristhmus inseminierte Spermien ein bis zwei Stunden früher befruchtungsfähig sind als solche, die zur gleichen Zeit in die Ampulle eingeführt werden.

Untersuchungen von SMITH und YANAGIMACHI (1989) zu Folge finden die Kapazitationsprozesse bei Hamsterspermien in zeitlicher Abhängigkeit zur Ovulation statt. Präovulatorisch am Oviduktepithel gebundenen Mausspermien lösen sich bei kurz bevorstehender Ovulation wiederholt von der Eileiterwand, schwimmen eine kurze Distanz und binden erneut am Epithel (DEMOTT u. SUAREZ 1992). Das Einsetzen hyperaktivierter Bewegungen wird hier als Mechanismus zur Ablösung von der Isthmusschleimhaut interpretiert. Die Autoren vermuten weiterhin, dass die Lösung der Spermienzelle vom Epithel durch die kapazitationsbedingte Abnahme der Bindungsaffinität des Spermiums unterstützt wird. Zudem sind die vom Oviduktepithel gelösten, hyperaktivierten Spermien aufgrund der protrahierten Bewegung in der Lage, schneller durch das visköse Sekret des Isthmus hindurch zum Ort der Befruchtung zu gelangen als nichtaktivierte Spermienzellen (SHALGI et al. 1992; DEMOTT u. SUAREZ 1992). HUNTER (1995) beobachtet die Aktivierung und Lösung der Spermien aus dem Reservoir bei Schaf, Rind und Schwein kurz vor der Ovulation und schließt aus diesem Ereignis auf eine enge Koordination des Zusammentreffens von männlicher und weiblicher Gamete durch den Einfluss des kurz vor der Ovulation stehenden Graafschen Follikels. Der unmittelbar präovulatorische Anstieg der Progesteronsekretion durch den Follikel führt zu einer Reduktion des Muskeltonus und des Schleimhautödems im Isthmus, wodurch das Lumen eine Erweiterung erfährt, die vermutlich das Vorwärtskommen der Spermienzellen zum Ort der Befruchtung erleichtert (HUNTER 1977). Nach Untersuchungen von ORIHUELA et al. (1999) bei der Ratte variiert die im Isthmus befindliche Anzahl an Spermatozoen in Abhängigkeit des Zyklusabschnitts. Während im Östrus die meisten Spermienzellen den Ovidukt erreichen, ist in Met- und Diöstrus ein allmählicher Rückgang der Spermienzahlen festzustellen bis im Proöstrus die Anzahl der Zellen wieder deutlich ansteigt. Außerdem stellen die Autoren eine Abhängigkeit der Spermienbindung am Oviduktepithel vom Segment des Eileiters fest. Sie beobachten, dass sich in allen Phasen des Zyklus mehr Spermien im

Isthmus befinden als in der Ampulle. Bei der Behandlung inseminierter Ratten mit Östradiol und Progesteron erweisen sich weitere hormonelle Einflüsse. Durch die Gabe von Östradiol wird die Einwanderung der Spermatozoen in den Ovidukt erleichtert, Progesteron hingegen antagonisiert diesen Effekt. Die gleichzeitige Behandlung mit beiden Hormonen induziert die Anheftung der Spermienzellen am Oviduktepithel. Nach HUNTER (1997) bildet der "Counter-Current-Transfer" die Grundlage für die hormonelle Regulation der Aktivierung und Lösung der Spermatozoen aus dem Reservoir, obgleich auch Hormone aus dem systemischen Kreislauf - in geringeren Konzentrationen - das Eileitergewebe erreichen und beeinflussen. Der Einfluss von Progesteron auf die Freisetzung der Spermienzellen vom Oviduktepithel wird vermutlich über die Eileiterschleimhaut vermittelt und durch die Mobilisation von Calciumionen in die gebundenen Spermatozoen unterstützt (HUNTER et al. 1999).