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2.4 Oviduktepithel-Spermatozoen-Interaktion in vitro

2.4.2 Koinkubation von Oviduktepithelzellkulturen und Spermatozoen

Mit Hilfe der Koinkubation von Oviduktepithelzellen und Spermatozoen werden In-vitro-Experimente zur Beobachtung von interaktiven Prozessen und auf diese wirkenden Einflüssen durchgeführt. Sowohl Aspekte der Bindungskinetik als auch die Beeinflussung der Spermien hinsichtlich Motilität, Vitalität, Kapazitation und Befruchtungsfähigkeit können überprüft werden und erlauben wesentliche Schlüsse hinsichtlich der In-vivo-Situation.

2.4.2.1 Regionale und hormonelle Einflüsse

Elektronenmikroskopische Untersuchungen von ELLINGTON et al. (1991) zeigten, dass die In-vitro-Bindung von Bullenspermien an Eileiterepithelzellen bedeutende Übereinstimmungen mit dem Wesen der Bindung in vivo aufweisen. Bovine Spermatozoen binden mit intaktem Akrosom an Zilien und Mikrovilli, wobei sie sich bevorzugt zwischen zwei Zellen anheften und so von Zilien bedeckt zu sein scheinen (POLLARD et al. 1991). Hengstspermien nehmen ebenfalls einen engen, über Mikrovilli und Sekretionsprodukte vermittelten Kontakt zu den Epithelzellen auf (THOMAS et al. 1994a). Experimenten von SUAREZ et al. (1991) zu Folge binden Eberspermien bei Koinkubation mit porzinen Oviduktepithelzellen mit der akrosomalen Region an zilientragenden Zellen, wobei die Bindungsaffinität zu Epithelzellen des Isthmus stärker ausgeprägt ist, als zu ampullären Zellen

(RAYCHOUDHURY u. SUAREZ 1991). Auch THOMAS et al. (1994a) beobachten eine Abhängigkeit der Anzahl gebundener Spermienzellen vom anatomischen Ursprung der Oviduktepithelzellen: Hengstspermien binden in größerem Ausmaß an Epithelzellen des Isthmus als der Ampulle. Bei bovinen Spermatozoen stellen LEFEBVRE et al. (1995a) hingegen keinen Einfluss der Oviduktregion hinsichtlich der Bindungsaffinität fest.

Neben dem anatomischen Ursprung der Zellen unterliegen die Bindungs-mechanismen zudem hormonellen Einflüssen, die zyklusabhängig variieren.

RAYCHOUDHURY und SUAREZ (1991) stellen fest, dass Spermienzellen bei Anwesenheit von Steroidhormonen in östrischen Konzentrationen in größerer Anzahl binden als in Abwesenheit von Steroiden. Eine Abhängigkeit der Bindungsaffinität von der Präsenz steroider Hormone beobachten auch THOMAS et al. (1994a).

Untersuchungen mit porzinen und bovinen Oviduktepithelexplanten verschiedener Zyklusabschnitte zeigten jedoch keine Abhängigkeit der Anzahl gebundener Spermien vom Tag des Zyklus (SUAREZ et al. 1991; LEFEBVRE et al. 1995a).

2.4.2.2 Einfluss auf Motilität und Vitalität

Mit Oviduktepithelzellen koinkubierte bovine Spermatozoen erhalten ihre Motilität deutlich länger als in Medium allein inkubierte Spermien (POLLARD et al. 1991).

SUAREZ et al. (1991) berichten, dass die Beweglichkeit von Eberspermien bei Kontakt mit Oviduktepithelexplanten aufrechterhalten wird, und auch ovine Spermatozoen bleiben bei Koinkubation mit Eileiterepithelzellen länger motil, als bei Inkubation ausschließlich in Medium (GUTIERREZ et al. 1993). Untersuchungen von THOMAS et al. (1994a) zu Folge weisen Hengstspermien eine ebenfalls durch die Bindung an Oviduktepithelzellen positiv beeinflusste Motilität auf, die zudem zyklusabhängig variiert. An während der Follikelphase gewonnenen Explanten gebundene Spermien zeigen während der ersten 24 Stunden der Kokultivierung eine ausgeprägtere Beweglichkeit als Spermienzellen in Kontakt zu postovulatorisch oder im Diöstrus erstellten Explanten. CHIAN und SIRARD (1995) zeigten, dass mit reinen Isthmusepithelzellkulturen oder Epithelzellkulturen des gesamten Eileiters koinkubierte Bullenspermien nach 48 Stunden motiler sind als Spermatozoen, die mit Kulturen ampullären Epithels in Kontakt stehen. Mit Oviduktepithelzellkulturen kokultivierte Hengstspermien bleiben bis zu vier Tage motil und vital, wobei in

Medium allein inkubierte Spermienzellen weniger als 24 Stunden lebensfähig bleiben (ELLINGTON et al. 1993a). Durch Experimente mit Vesikeln der apikalen Plasmamembran, isoliert aus homogenisierten Kaninchenovidukten, überprüften SMITH und NOTHNICK (1997) den vitalitätserhaltenden Effekt des direkten Kontakts zwischen Spermienzellen und Oviduktepithelzellen. Mit periovulatorischen Membranvesikeln koinkubierte Spermien bleiben über 48 Stunden hinweg vital;

Spermatozoen, die Kontakt zu präovulatorischen, postovulatorischen, aus Nierenepithelzellen isolierten Membranvesikeln oder auschließlich zu Medium haben, zeigen nach 12 Stunden signifikante Vitalitätsverluste. BOQUEST und SUMMERS (1999) beobachten, dass Bullenspermien in Kontakt mit Oviduktepithelzellkulturen, die mit 17β-Östradiol vorbehandelt wurden länger lebensfähig und beweglich bleiben als an unbehandelten Epithelzellen gebundene Spermien. Bei der Kokultivierung humaner Spermienzellen mit Epithelzellkulturen des Eileiters zeigt sich, dass Spermien, die keine Bindung zum Epithel eingehen schlechter beweglich sind und eine höhere Anzahl an Membrandefekten und abgelösten Akrosomen aufweisen, als Zellen einer Kontrollgruppe (ELLINGTON et al. 1999). Untersuchungen von THOMAS et al. (1994b) zu Folge weisen an Eileiterepithelzellen gebundene Hengstspermatozoen einen höheren Prozentsatz an motilen und vitalen Zellen auf als die initial den Epithelzellen hinzugefügte Spermienpopulation. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Bindung der Spermien am Oviduktepithel einen Mechanismus zur Selektion einer vitalen und motilen Spermienpopulation darstellt.

2.4.2.3 Einfluss auf die Kapazitation

Die Koinkubation von frisch ejakulierten Bullenspermatozoen mit bovinen Oviduktepithelzellkulturen führt bei Supplementierung des Mediums mit 10 % östrischem Kuhserum nach sechsstündiger Inkubation in 45 % der Spermienzellen zur akrosomalen Exozytose; Spermien, die ausschließlich in mit östrischem Kuhserum angereichertem Medium inkubiert werden, zeigen hinsichtlich der Akrosomreaktion keinen signifikanten Anstieg (GUYADER u. CHUPIN 1991). Die Autoren berichten weiterhin, dass bei der In-vitro-Fertilisation mit Spermienzellen, die über einen Zeitraum von sechs Stunden Kontakt zu Eileiterepithelzellen hatten, 75 % der Eizellen befruchtet werden. Auch ELLINGTON et al. (1991) beobachten bei der Kokultivierung von bovinen Spermien mit Kulturen des Oviduktepithels einen Anstieg

der Anzahl akrosomal reagierter Zellen und stellen zudem eine induzierende Wirkung auf die Hyperaktivierung der Spermatozoen fest. Eberspermien zeigen bei Kontakt zu Eileiterepithelzellen ebenfalls akrosomale Exozytose, wobei die Inkubation mit homologen und vom Hamster stammenden Oviduktepithelzellkulturen vergleichbare Resultate zeigt (GUTIERREZ et al. 1993). Untersuchungen von CHIAN und SIRARD (1995) zu Folge steigt der Prozentsatz an Spermienzellen, die in der Lage sind mit der Eizelle zu fusionieren durch die Inkubation der Zellen in mit Ovidukt-epithelzellkulturen vorinkubiertem, also konditioniertem Medium an. Humane Spermien weisen bei Inkubation in konditioniertem Medium oder Koinkubation mit Eileiterepithelzellen ebenfalls einen Anstieg kapazitierter Zellen auf, eine Induktion der Akrosomreaktion wird jedoch nicht beobachtet (YAO et al. 1999). Bei Experimenten mit bovinen Oviduktepithelexplanten und Bullenspermatozoen stellen LEFEBVRE und SUAREZ (1996) fest, dass der Anteil ungebundener kapazitierter Spermien in Anwesenheit von Eileiterepithelzellen deutlich höher ist als in deren Abwesenheit. Aufgrund dieser Ergebnisse vermuten die Autoren einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ablauf der Kapazitationsprozesse und der Lösung der Spermatozoen vom Oviduktepithel. FAZELI et al. (1999) beobachten bei vierstündiger Koinkubation von Eberspermien und porzinen Kulturen des Eileiterepithels, dass nur unkapazitierte Spermienzellen eine Bindung zu den Epithelzellen eingehen und die Anzahl der kapazitierten Spermien während der Koinkubation signifikant ansteigt; mit Nierenepithelzellen oder ausschließlich in Medium inkubierte Spermatozoen bleiben unkapazitiert. Auch Untersuchungen von GUALTIERI und TALEVI (2000) zu Folge nehmen lediglich akrosomintakte Spermien Kontakt zum Eileiterepithel auf. Die Autoren stellen jedoch keine signifikanten Veränderungen des akrosomalen Status in Abhängikeit der Lösung von der Oviduktepithelzellkultur fest.

Der intrazelluläre Calciumgehalt zeigt während eines Inkubationszeitraums von sechs Stunden bei an Eileiterepithelzellkulturen gebundenen Hengstspermien deutlich niedrigere Werte als bei freischwimmenden Spermienzellen (DOBRINSKI et al. 1996). Spermatozoen, die sich nach vier Stunden der Koinkubation vom Oviduktepithel lösen weisen höhere zytosole Calciumwerte auf als solche, die gebunden bleiben (DOBRINSKI et al. 1997). Dies lässt vermuten, dass der intrazelluläre Calciumspiegel durch die Bindung der Spermienzellen am Epithel des

Eileiters niedrig gehalten wird und die Lösung der Spermatozoen mit dem kapazitationsabhängig stattfindenden Calciuminflux einhergeht.

2.4.2.4 Einfluss auf das Oviduktepithel

Die Oviduktepithelzellkulturen unterliegen bei der Interaktion mit Spermatozoen ebenfalls einigen Veränderungen. Nachdem es zum Kontakt zwischen Epithel und Spermien gekommen ist, steigt der intrazelluläre Calciumgehalt der kultivierten Zellen an. Außerdem finden durch Verstärkung der Zell-zu-Zell Kommunikation gekennzeichnete dynamische Prozesse statt: lichtmikroskopisch sind Kontraktionen und Bewegungen des Monolayers zu beobachten (ELLINGTON et al. 1993c).

Untersuchungen von NOLTE (1998) zu Folge reagieren Kulturzellen aus porzinem Oviduktepithel im Verlauf einer sechsstündigen Koinkubation mit Eberspermien mit der Bildung von Lücken im sonst konfluenten Monolayer, die bei lichtmikroskopischer Betrachtung als Folge von Kontraktionen des Zellverbandes identifiziert werden.

Neben der Struktur der Zellkultur beeinflusst die Bindung von Spermienzellen zudem die Proteinsynthese der Epithelzellen. Das Muster der sezernierten Eiweiße verändert sich; während einige Proteine verstärkt produziert werden, ist die Synthese anderer gestoppt und es kommt zur Produktion von Eiweißen, die in Abwesenheit von Spermienzellen nicht gebildet werden. Untersuchungen mit durch eine Membran voneinander getrennten Oviduktepithel- und Spermienzellen zeigen, dass das resultierende Proteinmuster eine Stellung zwischen der Ursprungssituation und der Situation bei direkter Interaktion einnimmt (ELLINGTON et al. 1993b; THOMAS et al.

1995).

2.4.2.5 Vermittlung des Bindungsmechanismus

Untersuchungen zum Verständnis des Bindungsmechanismus auf molekularer Ebene weisen darauf hin, dass der Kontakt zwischen Epithel- und Spermienzelle über Kohlenhydrat-Protein-Interaktionen vermittelt wird. Lektine sind Glykoproteine, die im Sinne eines Rezeptor-Ligand-Prinzips Kohlenhydrate erkennen und an sie binden. So werden vermutlich seitens der Epithelzellen definierte Oligosaccharide exprimiert, die durch oberflächenassoziierte Spermienlektine identifiziert werden.

Verschiedene Experimente haben gezeigt, dass speziespezifische Unterschiede

hinsichtlich der an der Interaktion beteiligten Moleküle bestehen. Die Bindung von Hamsterspermien an Oviduktepithelzellen wird spezifisch durch die Koinkubation mit Fetuin und dessen endständiger Sialsäure gehemmt, was darauf hinweist, dass die Sialsäure eine Rolle bei der Bindungsvermittlung spielt (DEMOTT et al. 1995). Der Einsatz von Asialofetuin bzw. dessen endständigem Zucker Galaktose führt zur signifikanten Inhibition der Bindung von Hengstspermien an equinen Eileiterepithel-explanten (LEFEBVRE et al. 1995) und der Kontakt zwischen bovinen Spermien-und Oviduktepithelzellen schließt die Erkennung von Fucose mit ein (LEVEBFRE et al. 1997). Die porzine Eileiterepithel-Spermatozoen-Interaktion wird vermutlich über Mannose und Galaktose vermittelt (GEHLHAAR 1999).

Untersuchungen von SUAREZ et al. (1998) zeigen, dass das Fucose enthaltende Oligosaccharid Lewis-a im Gegensatz zu anderen fucosehaltigen Kohlenhydraten einen signifikant inhibierenden Effekt auf die bovine Spermien-Oviduktepithel-Bindung hat, der zudem einer Calciumabhängigkeit unterliegt. REVAH et al. (2000) zu Folge führt die Entfernung des Seminalplasmas während der Passage durch das weibliche Genitale zur Darstellung von Bindungsstellen für Fucose, die die Bindung am Oviduktepithel vermitteln. Kurz vor der Ovulation kapazitieren die Spermienzellen, was in einer Modifikation der Bindungsstellen resultiert und zur Ablösung der Spermien führt, woraufhin Mannose-Bindungsstellen aktiviert oder freigelegt werden, die vermutlich bei der Vermittlung der Bindung an der Zona pellucida beteiligt sind.