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Die Speicherung von Spermienzellen im weiblichen Genitale spielt bei zahlreichen Tierarten eine bedeutende Rolle im Reproduktionsgeschehen. So sind beispiels-weise bei Reptilen und Fischen spezielle Tubuli zur Lagerung der Spermienzellen im Bereich der uterotubalen Verbindung oder des Infundibulums ausgebildet (BAKST et al. 1994). Auf diese Weise können die Spermatozoen über Wochen und Monate gelagert werden; bei Schildkröten sind die gespeicherten Zellen bis zu vier Jahre lang überlebensfähig (NEUBAUM u. WOLFNER 1999; GIST u. FISCHER 1993).

Verschiedene Wirbeltiere haben also unterschiedliche Systeme zur Regulation des Spermientransports im weiblichen Genitaltrakt entwickelt um zu gewährleisten, dass zum Zeitpunkt der Befruchtung nur sehr wenige der Spermatozoen mit der Eizelle interagieren (BEDFORD 1999). Die Hypothese einer - bei unseren Haussäugetieren vorkommenden - Formation eines funktionellen Spermienreservoirs im kaudalen Oviduktisthmus kann also als eine essentielle Strategie im Reproduktionsgeschehen interpretiert werden. Zum einen trägt die Bindung der Spermien am Oviduktepithel des Isthmus vermutlich zur Prävention von Polyspermie bei, indem zum Befruchtungszeitpunkt nur wenige der Spermien die Eizelle erreichen; zum anderen wird durch die Interaktion mit dem Oviduktepithel die Befruchtungsfähigkeit der Spermienzellen bis zur Ovulation der Eizelle aufrechterhalten (SUAREZ 1999).

Ziel der dargestellten Experimente war es, die Regulation der Spermienfunktion durch die Bindung am Oviduktepithel näher zu charakterisieren. Hierzu erfolgte die Koinkubation von porzinen Oviduktepithelzellkulturen und Eberspermatozoen; die Markierung der Spermien mit Fluoreszenzfarbstoffen erlaubte die Beurteilung der Membranintegrität, der Tyrosinphosphorylierungsprozesse sowie des zytosolen Calciumgehalts der Spermatozoen bei Kontakt zu den Epithelzellen des Ovidukts.

Das Modell der Oviduktepithelzellkulturen stellt eine etablierte Methode zur Beurteilung der In-vitro-Bindung von Spermienzellen an das Eileiterepithel dar (JOSHI 1988; ELLINGTON et al. 1990; BOERJAN et al. 1993; GUTIERREZ et al.

1993; LEVEBVRE u. SAMPER 1993), die sich sowohl für Kurz- als auch Langzeitstudien der Bindungsmechanismen eignet. Da es sich jedoch um ein

In-vitro-System handelt, ist sicherzustellen, dass die kultivierten Zellen charakteristische Kennzeichen eines Epithels aufweisen. Die in der vorliegenden Studie erstellten Oviduktepithelzellkulturen von postpuberalen Sauen zeigten neben der typischen

„Wirbelform“ des Zellwachstums (BOERJAN et al. 1993) während der gesamten Kultivierungszeit von 5-7 Tagen lebhaft bewegliche Zilien; die Koinkubationsexperimente wurden ausschließlich mit Kulturen durchgeführt, deren Zellen zu etwa 15-20 % eine mikroskopisch sichtbare Zilienaktivität aufwiesen.

Dieses wesentliche Zeichen für die polare Differenzierung von Zellen mit der Ausprägung apikaler, lateraler und basaler Membranen stellt ein wichtiges Charakteristikum für Epithelien dar (LEONHARDT 1990b,c). Als funktionelle Ausprägung der apikalen Zellmembran (LIEBICH 1998b) bestätigt die Anwesenheit von Zilien die epitheliale Natur der für die Experimente verwendeten Zellkulturen.

Primäre Oviduktepithelzellkulturen der Sau wurden in vorherigen Experimenten mittels Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie charakterisiert (NOLTE 1998); hierbei konnte die Anwesenheit von Kennzeichen der Zellpolarisierung wie Zilien und Mikrovilli, sowie die Ausbildung von Tight junctions bewiesen werden.

Aufgrund der übereinstimmenden Methodik der Kulturerstellung kann davon ausgegangen werden, dass dies auch für die in der vorliegenden Studie verwendeten Oviduktepithelzellen zutrifft.

Darüber hinaus konnte durch die beschriebenen immunhistochemischen Untersuchungen das für Epithelzellen typische Zytokeratin (WEISS 1988) in allen Zellen der erstellten Kulturen festgestellt werden. Die ebenfalls nachgewiesenen Vimentinfilamente stellen zwar kein charakteristisches Kennzeichen von Epithelzellen dar, ihre Anwesenheit widerlegt jedoch nicht die Annahme, dass es sich bei den erstellten Kulturen um Oviduktepithelzellen handelt, da andere Autoren ebenfalls die Ausprägung von Vimentinfilamenten in Epithelzellen beschreiben (WEISS 1988; ALBERTS 1990; BOERJAN et al. 1993). Der Nachweis des Vimentins ist vielmehr als ein Zeichen der für in vitro gezüchtete Zellen nach einer gewissen Kultivierungsdauer zu erwartenden Entdifferenzierung zu werten (BOERJAN et al.

1993). Dieser zeitlich bedingte Verlust der epithelialen Eigenschaften kommt auch in der nach etwa zehn Tagen einsetzenden Reduktion der ziliären Aktivität zum Ausdruck (NOLTE 1998) und beschreibt ein essentielles Problem beim Einsatz von kultivierten Epithelzellen. Ein weiteres Zeichen der Entdifferenzierung stellt die mit voranschreitender Kultivierungsdauer eintretende Veränderung der Zellmorphologie

dar, wobei die ursprünglich polygonale Gestalt der Epithelzellen verloren geht. Durch die Verwendung von maximal sieben Tage alten Zellkulturen sollte der Einfluss solcher entdifferenzierenden Prozesse in der vorliegenden Studie weitgehend reduziert werden.

Wie bereits bei anderen Spezies konnte auch beim Schwein zunächst ein vitalitätserhaltender Effekt der Spermienbindung am Oviduktepithel festgestellt werden. Die nicht am Epithel gebundenen Spermien wiesen bei dreistündiger Inkubation zu allen Untersuchungszeitpunkten die meisten Membrandefekte auf, die gebundenen Spermatozoen blieben über eine längere Zeit hinweg membranintakt.

Sowohl in der Literatur beschriebene In-vitro-Experimente mit Hengstspermatozoen (ELLINGTON et al. 1993a; THOMAS et al. 1994b) und bovinen Spermienzellen (BOQUEST u. SUMMERS 1999) als auch in vivo durchgeführte Untersuchungen beim Hamster (SMITH u. YANAGIMACHI 1990), bei der Maus (ESPONDA u.

MORENO 1998) und beim Schwein (MBURU et al. 1996) weisen ebenfalls auf eine durch die Bindung am Oviduktepithel begründete Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit der Spermien hin. Einige Autoren berichten zudem von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl vitaler, gebundener Spermienzellen und der Ovulation bei den Tierarten Schwein und Rind (MBURU et al. 1996;

HUNTER et al. 1991). Dieser Aspekt lässt vermuten, dass der Ovidukt als funktionelles Spermienreservoir unter anderem die Aufgabe übernimmt, die Spermienzellen bis zum Zeitpunkt der Ovulation vital zu erhalten. Im Hinblick auf die über mehrere Tage hinweg andauernde Brunst beim Schwein scheint dieser Mechanismus hier wesentlich für den Befruchtungserfolg.

Weiterhin konnte beobachtet werden, dass nicht nur die Vitalität sondern auch die Motilität der Spermien durch die Bindung am Eileiterepithel aufrechterhalten wird. Die an den Epithelzellen gebundenen Spermienzellen blieben deutlich länger motil als solche, die nicht in Kontakt zum Oviduktepithel standen. Dieses Ergebnis wird durch zahlreiche In-vitro-Untersuchungen unterschiedlicher Autoren unterstützt. SUAREZ et al. (1991) stellen bei der Koinkubation von Eberspermien mit Oviduktepithel-zellexplanten ebenfalls einen motilitätserhaltenden Einfluss der Interaktion fest, GUTIERREZ et al. (1993) bestätigen das Phänomen beim Schaf und auch Hengstspermatozoen werden durch den Kontakt zum Oviduktepithel hinsichtlich ihrer Beweglichkeit positiv beeinflusst (ELLINGTON et al. 1993a; THOMAS et al. 1994a).

Während bei in vivo durchgeführten Experimenten mit Spermienzellen des Hamsters ebenfalls ein bewegungserhaltender Effekt durch die Bindung am Epithel beobachtet wird (SMITH u. YANAGIMACHI 1990), berichten HUNTER et al. (1987) von einer Minderung der Spermienmotilität während der Speicherung im Ovidukt. Er weist hierbei auf eine, neben der Bindung bestehende, physikalische Hemmung der Zellen hin, die durch die vor der Ovulation hoch visköse Konsistenz des im Isthmus sezernierten Schleims hervorgerufen wird. NICHOL et al. (1992) vermuten, dass die in vivo präovulatorisch bestehenden unterschiedlichen Laktat- und Glukose-konzentrationen in Isthmus und Ampulle einen Einfluss auf die Beweglichkeit der Spermatozoen ausüben. Zudem wird der vor der Ovulation bestehende Temperaturgradient zwischen Isthmus und Ampulle ebenfalls als motilitätshemmend angenommen (HUNTER 1995). Diese unter Kulturbedingungen nicht vorhandenen Faktoren der in vivo herrschenden Situation, sowie das Fehlen der räumlichen, durch enge Falten und Krypten gekennzeichneten Struktur des Ovidukts bedingen vermutlich die unterschiedlichen Ergebnisse zwischen In-vitro- und In-vivo-Studien.

Bei den vorliegend beschriebenen Untersuchungen wiesen die gebundenen Zellen bereits drei Minuten nach Zugabe der Spermatozoen zum Oviduktepithel ein deutlich geringeres Maß an Membrandefekten, sowie eine signifikant höhere Anzahl motiler Spermien auf als die ungebundenen oder in Medium inkubierten Spermienzellen.

Diese Ergebnisse weisen auf eine mit der Bindung der Spermatozoen in direktem Zusammenhang stehende Selektion vitaler und motiler Spermienzellen hin. Ein solcher durch die Interaktion mit dem Oviduktepithel vermittelter Selektions-mechanismus zur Bereitstellung einer motilen und lebensfähigen Spermien-population wird bereits nach Experimenten mit humanen und equinen Spermienzellen vermutet (ELLINGTON et al. 1999; THOMAS et al. 1994b).

Als Voraussetzung für die Befruchtungsfähigkeit unterliegen Spermatozoen einer als Kapazitation bezeichneten Folge von Zell- und Membranveränderungen. Diese destabilisierend wirkenden Vorgänge stehen in engem Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit der Spermien. Der Verlust der Plasma-membranintegrität (Vitalität) und die Kapazitation sind als voneinander abhängige Vorgänge zu betrachten. Die Kapazitation führt zu einer Destabilisierung der Plasmamembran und – erfolgt keine Befruchtung einer Eizelle – schließlich zum Zelltod. So wird offensichtlich, dass sowohl die Lebensfähigkeit als auch die

Kapazitation vom Ovidukt reguliert werden müssen. Um den Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen näher charakterisieren zu können, erfolgte die Untersuchung zweier typischer Prozesse innerhalb der Kapazitationssequenz. Mittels Immunfluoreszenz wurde die Tyrosinphosphorylierung von Membranproteinen untersucht, ein Vorgang, der Experimenten von FLESCH et al. (1999) zu Folge bei Spermien des Ebers durch die Kapazitation induziert wird. VISCONTI et al. (1995a,b) beobachten die kapazitationsabhängige Phosphorylierung spezifischer Membran-proteine bei Spermien der Maus und auch humane Spermienzellen zeigen unter Kapazitationsbedingungen eine forcierte Tyrosinphosphorylierung (CARRERA et al.

1996). FLESCH et al. (1999) stellen bei porzinen Spermatozoen einen Zusammenhang zwischen der Tyrosinphosphorylierung dreier spezifisch in der Plasmamembran vorkommender Proteine und der gesteigerten Fluidität der Plasmamembran fest. Sie vermuten, dass dieses Geschehen zur Induktion der Akrosomreaktion beiträgt. Da die Tyrosinphosphorylierung also ein definiertes Ereignis der Kapazitation darstellt, wurde die immunfluoreszenzmikroskopische Darstellung von Phosphorylierungsvorgängen der Spermienplasmamembran eingesetzt.

Ein weiteres wesentliches Kriterium der Kapazitation ist der Influx von Calcium in die Spermienzelle. Nach ROLDAN und HARRISON (1989) findet während der Kapazitation ein der akrosomalen Exozytose vorausgehender Influx von Calciumionen in die Zelle statt. Die Auslösung der Akrosomreaktion von Mausspermatozoen wird durch eine Reihe von ionischen Veränderungen mit der Aktivierung von Calciumkanälen induziert (FRASER et al. 1993). Zudem erweist sich die Einleitung der Hyperaktivierung ebenfalls als calciumabhängiges Ereignis (FRASER 1982; SUAREZ et al. 1993), wobei die Regulation des zytosolen Calciumgehalts einigen Autoren zu Folge mittels intrazellulärer Calciumspeicher stattfindet (DRAGILEVA et al. 1999; PARRISH et al. 1999). Nach SUAREZ und DAI (1995) vollzieht sich während der Kapazitationsprozesse ein zweifacher Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration, der zunächst die hyperaktivierte Bewegung induziert und danach die Akrosomreaktion auslöst. Der Influx von Calcium stellt also ebenfalls ein anerkanntes Zeichen für den Ablauf der Kapazitation dar, so dass die Spermatozoen in der vorliegenden Studie auch hinsichtlich ihres intrazellulären Calciumgehalts beurteilt wurden. Zur Überprüfung der zytosolen Calciumkonzentrationen wurde die relativ korrigierte Fluoreszenz der einzelnen

Zellen ermittelt, außerdem erfolgte die Auswertung des Prozentsatzes an fluoreszierenden Zellen für jede der drei Proben-Kategorien (KISgeb., KISungeb., IMS).

Aufgrund der vom Meßsystem vorgegebenen Schwelle für die sicht- und auswertbare Fluoreszenzintensität beschreibt die ausgezählte Anzahl fluoreszierender Zellen jedoch nicht den absoluten Wert an Spermien mit intrazellulär anwesendem Calcium. Da diese Schwelle aber für alle Untersuchungen und Untersuchungszeitpunkte identisch war, konnte ein Vergleich der dynamischen Veränderungen von prozentualen Anteilen fluoreszierender Zellen während der Inkubation unter Kapazitationsbedingungen erfolgen.

Zahlreiche in der Literatur beschriebene In-vivo- sowie In-vitro-Untersuchungen zeigen, dass die Bindung der Spermienzellen am Oviduktepithel einen Einfluss auf den Verlauf der Kapazitationsprozesse ausübt. SMITH und YANAGIMACHI (1991) zu Folge nehmen ausschließlich unkapazitierte Hamsterspermien Kontakt zum Eileiterepithel auf und auch FAZELI et al. (1999) sowie GUALTIERI und TALEVI (2000) beobachten, dass lediglich unkapazitierte porzine bzw. bovine Spermatozoen an den Oviduktepithelzellen binden. Untersuchungen von DOBRINSKI et al. (1996) lassen eine selektive Bindung von Hengstspermien mit niedrigem intrazellulärem Calciumgehalt vermuten. Bei den hier genannten Studien erfolgte die erste Untersuchung koinkubierter Spermienzellen nach frühestens 15-30 Minuten; die Selektion einer Population unkapazitierter Spermien kann aufgrund dieses relativ langen Zeitraums nur vermutet werden. In der vorliegende Studie zeigten die mit den Epithelzellen in Kontakt stehenden Spermien bereits nach drei Minuten der Koinkubation zu einem signifikant geringeren Anteil Anzeichen der Kapazitation als die ungebundenen oder in Medium inkubierten Spermatozoen. Die gebundenen Zellen wiesen schon zu diesem Zeitpunkt deutlich niedrigere zytosole Calciumwerte, eine geringere Anzahl Fluo-3 AM-positiver Zellen und einen signifikant geringeren Anteil membrandefekter Spermien auf als die ungebundenen oder in Medium inkubierten Spermien. Die Beziehungen zwischen der Anzahl membrandefekter Zellen der in Medium inkubierten Spermatozoen und der am Epithel gebundenen Spermienzellen mit Plasmamembranschäden wies keine Korrelation auf. Auch hinsichtlich des intrazellulären Calciumgehalts konnte zwischen den in Medium inkubierten Spermien und den gebundenen Spermatozoen keine korrelative Beziehung festgestellt werden. Zudem zeigten die Zellen bereits nach dreiminütiger

Koinkubation bei Bindung am Epithel keine oder eine im Gegensatz zu den ungebundenen oder in Medium inkubierten Spermatozoen stark reduzierte Tyrosinphosphorylierung. Auch bei den vorliegend beschriebenen Experimenten besteht die Möglichkeit, dass die Spermienzellen während der Präparation der ersten Proben funktionellen Veränderungen unterliegen. Die Kinetik der beobachteten Ereignisse lässt in diesem kurzen Zeitraum (<5 min.) jedoch keinen wesentlichen Einfluss der Oviduktepithelzell-Spermatozoen-Interaktion vermuten. Insgesamt wird die These, dass am Oviduktepithel eine selektive Bindung unkapazitierter und kompetenter Spermatozoen stattfindet durch diese Ergebnisse nachhaltig unterstützt.

Vitale Spermienzellen mit niedrigem zytosolem Calciumgehalt und weitestgehend fehlender Tyrosinphosphorylierung binden bevorzugt an den Epithelzellen. Durch die Formation eines funktionellen Spermienreservoirs kommt also ein Mechanismus zur Selektion unkapazitierter und kompetenter Spermienzellen zum Ausdruck

Die am Epithel gebundenen Spermatozoen wiesen während der dreistündigen Koinkubation zu allen Untersuchungszeitpunkten signifikant niedrigere zytosole Calciumwerte, eine deutlich geringere Anzahl an fluoreszierenden Zellen sowie eine wesentlich geringere Tyrosinphosphorylierung auf als die freischwimmenden Spermienzellen. Diese Aspekte weisen darauf hin, dass mit der Kapazitation einhergehende Prozesse durch die Bindung am Oviduktepithel gehemmt oder verzögert werden, um die Aufrechterhaltung der Spermienvitalität während der Speicherung im Ovidukt sicherzustellen. Unterstützung findet diese These auch durch Experimente von ESPONDA und MORENO (1999), denen zu Folge am Oviduktepithel gebundenen Spermienzellen der Maus intakte Akrosome aufweisen, wohingegen die nicht am Epithel gebundenen Zellen akrosomale Schwellung oder Auflösung zeigen. Zudem berichten DOBRINSKI et al. (1996), dass an Eileiterepithelzellen gebundene Hengstspermien im Gegensatz zu frei-schwimmenden Spermatozoen über einen Zeitraum von sechs Stunden konstant niedrige Calciumkonzentrationen aufweisen.

Die Versuche der vorliegenden Studie zeigten, dass die drei beurteilten Spermienzustände (KISgeb., KISungeb., IMS) einer jeweils unterschiedlichen Kinetik unterlagen. Die gebundenen Spermatozoen wiesen zwar eine stetige Zunahme der Anzahl membrandefekter Zellen auf, der Anstieg des Anteils an Plasma-membranschäden der ungebundenen oder in Medium inkubierten Spermien war

jedoch nahezu zweimal so hoch. Bezüglich der Tyrosinphosphorylierung konnte bei den am Epithel gebundenen Spermienzellen keine zeitabhängige Entwicklung festgestellt werden, die ungebundenen oder in Medium inkubierten Zellen zeigten hingegen einen deutlichen Anstieg der Tyrosinphosphorylierung. Zudem konnte neben einer wesentlichen Zunahme des intrazellulären Calciumgehalts der freischwimmenden Spermien im Verlauf der Koinkubation auch bei den am Epithel gebundenen Zellen eine geringe Zunahme der zytosolen Calciumwerte beobachtet werden. Die Betrachtung der Kinetik der verschiedenen Ereignisse lässt zum einen den Schluss zu, dass die Bindung am Epithel des Ovidukts die Lebensfähigkeit der Spermienzellen verlängert sowie kapazitationsabhängige Vorgänge verzögert. Zum anderen weisen der stetige Anstieg des Anteils membrandefekter Zellen, die geringe Zunahme des intrazellulären Calciumgehalts und die konstant reduzierte Tyrosinphosphorylierung bei den gebundenen Spermatozoen darauf hin, dass sowohl die Destabilisierung der Plasmamembran als auch der Calciuminflux Ereignisse im Kapazitationsgeschehen darstellen, die sich zeitlich vor der Aktivierung der Tyrosinphosphorylierung ereignen. Hier konnte also erstmals bei Koinkubations-experimenten ein Hinweis auf die bislang noch weitgehend unbekannte Sequenz der Kapazitationsabläufe beobachtet werden.

Untersuchungen von FAZELI et al. (1999) ergaben, dass bei vierstündiger Koinkubation von porzinen Oviduktepithelzellen und Eberspermatozoen unter Verwendung eines Kapazitationsmediums die Anzahl kapazitierter, am Epithel gebundener Zellen während der ersten Stunde signifikant ansteigt, um dann ein konstantes Niveau zu halten. Ebenso berichten auch andere Autoren von einem durch die Bindung der Spermatozoen am Oviduktepithel hervorgerufenen kapazitationsfördernden Effekt. ELLINGTON et al. (1991) beobachten einen Anstieg der Anzahl akrosomreagierter Zellen bei der Koinkubation von bovinen Spermien und Eileiterepithelzellkulturen; außerdem stellen sie eine induzierende Wirkung hinsichtlich der Hyperaktivierung fest. Bei Experimenten mit Spermien des Ebers führt die Interaktion von Eileiterepithelzellen und Spermatozoen zur akrosomalen Exozytose der Zellen (GUTIERREZ et al. 1993) und Untersuchungen von YAO et al.

(1995) zu Folge zeigen humane Spermien bei Koinkubation mit Oviduktepithelzellen einen Anstieg der Anzahl kapazitierter Zellen. Verschiedene In-vivo- Untersuchungen weisen ebenfalls auf eine kapazitationsfördernde Wirkung der Spermienbindung am Eileiterepithel hin. DEMOTT und SUAREZ (1992) beobachten, dass sich

präovulatorisch am Epithel gebundene Mausspermatozoen kurz vor der Ovulation wiederholt von der Wand des Ovidukts lösen und nach kurzer Zeit wieder binden. Sie gehen davon aus, dass das auf die Kapazitationsprozesse folgende Einsetzen der Hyperaktivierung zum Ablösen der Spermien vom Epithel beiträgt. Auch SHALGI et al. (1992) zu Folge besteht ein Zusammenhang zwischen der hyperaktivierten Motilität der Spermien und der Lösung vom Oviduktepithel, wobei dieser Vorgang wiederum in zeitlicher Abhängigkeit zur Ovulation stattfindet (HUNTER 1995;

ORIHUELA et al. 1999; SMITH u. YANAGIMACHI 1989). Zwar konnte durch die Experimente der vorliegenden Studie kein Hinweis auf eine kapazitationsfördernde Wirkung der Spermienbindung am Eileiterepithel festgestellt werden, die beobachteten Ergebnisse widersprechen einer solchen Überlegung jedoch nicht.

Möglicherweise konnte mit dem Koinkubationszeitraum von drei Stunden nur die Phase der interaktiven Prozesse erfasst werden, in der die Kapazitationsvorgänge verzögert werden; bei Verlängerung der Inkubationszeit könnte mit der angewandten Methode also eventuell auch ein kapazitationsfördernder Effekt beobachtet werden.

Die Interaktion zwischen Oviduktepithel und Spermatozoen gliedert sich so vermutlich in drei Phasen: Nach einem selektiven Geschehen, das die Bindung von vitalen und motilen Spermienzellen mit niedrigem zytosolem Calciumgehalt und im wesentlichen fehlender Tyrosinphosphorylierung bevorzugt stattfinden lässt, wird die Kapazitation bei den gebundenen Spermien in einem bestimmten Zeitfenster verzögert, um zum Zeitpunkt der Ovulation die Existenz einer Population vitaler und befruchtungsfähiger Spermienzellen zu gewährleisten. Abhängig vom Ovulationszeitpunkt resultiert die regulative Funktion des Ovidukts schließlich in einer Förderung der Kapazitation, die möglicherweise zur Ablösung der Spermatozoen vom Oviduktepithel führt. Insgesamt stellt die Interaktion zwischen Spermienzellen und Oviduktepithel also einen wesentlichen Abschnitt im Kapazitationsgeschehen und eine essentielle Voraussetzung für den Befruchtungserfolg dar.

5a Zusammenfassung

Nachdem die bei der Bedeckung oder Insemination ins weibliche Genitale gelangten Spermatozoen den Eileiter erreicht haben, werden sie unter Ausbildung eines engen Kontakts zum Epithel im Oviduktisthmus gespeichert; hier findet die Koordination essentieller Ereignisse des Kapazitationsprozesses statt.

Ziel der vorliegenden Studie war es, den Einfluss der Spermienbindung am Oviduktepithel auf die Regulation der Spermienfunktion zu untersuchen und Fragen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit der Spermienzellen, des Ablaufs der Kapazitationsvorgänge und einer eventuellen Selektion einer bestimmten Spermienpopulation zu beantworten.

Hierzu erfolgte die Koinkubation von Eberspermatozoen mit primären Oviduktepithel-zellkulturen von Eileitern postpuberaler Sauen unter Kapazitationsbedingungen. Die Epithelzellen wurden durch Ausstrippen der Ovidukte gewonnen, auf mit Biomatrix-Lösung beschichtete Chamber Slides gesät und 5-7 Tage lang bei 39°C und 5 % CO2 kultiviert. Die Überprüfung der epithelialen Eigenschaften der Zellen erfolgte mittels immunhistochemischer Nachweise der Intermediärfilamente Zytokeratin und Vimentin.

Zur Untersuchung der kapazitationsabhängigen Parameter Membranintegrität, Tyrosinphosphorylierung und zytosoler Calciumgehalt wurden die Epithelzellen für 3 Stunden mit der Spermiensuspension in TALP-Medium koinkubiert. Nach 3, 30, 60, 90 und 180 Minuten erfolgte die Gewinnung der ungebundenen Spermienzellen durch vorsichtiges Waschen der Zellkulturen; die an den Epithelzellen gebundenen sowie die freischwimmenden und ausschließlich in Medium inkubierten Spermatozoen wurden mit Hilfe von Fluoreszenzfarbstoffen (Propidiumjodid, Cy 3 und Fluo-3 AM) fluoreszenzmikroskopisch beurteilt.

Die gebundenen Zellen wiesen bereits zum ersten Untersuchungszeitpunkt nach 3 Minuten einen geringen intrazellulären Calciumgehalt, eine stark verzögerte Tyrosinphosphorylierung von Membranproteinen und ein im Gegensatz zu den freischwimmenden oder in Medium inkubierten Spermien deutlich geringeres Maß an Membrandefekten auf. Zudem zeigten sie einen höheren Anteil motiler Zellen als die

ungebundene Spermatozoen. Im Vergleich zu den freischwimmenden und in Medium inkubierten Spermienzellen zeigten die mit dem Epithel in Kontakt stehenden Zellen während der dreistündigen Inkubation eine wesentlich verzögerte Zunahme des zytosolen Calciumgehalts und der Anzahl an Membrandefekten sowie einen deutlich verlangsamten Motilitätsverlust. Die Tyrosinphosphorylierung blieb über die gesamte Inkubationszeit konstant herabgesetzt, wohingegen die ungebundenen oder nur in Medium inkubierten Spermatozoen einen signifikanten Anstieg der Tyrosinphosphorylierungsaktivität zeigten.

Diese Ergebnisse weisen auf eine durch die Bindung am Oviduktepithel zu Ausdruck

Diese Ergebnisse weisen auf eine durch die Bindung am Oviduktepithel zu Ausdruck