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Vorbereitung von Maßnahmen

6.1 Ziele und Maßnahmen im Bereich Zivilgesellschaftsförderung

6.1.2 Vorbereitung von Maßnahmen

Durch ihre jahrzehntelange Regionalerfahrung in Haiti verfügt die Welthungerhilfe über vielfältige Kenntnisse im Projektmanagement vor Ort. Auch im Bereich der Zivil-gesellschaftsförderung blickt sie auf teils mehrjährige Kooperationen mit verschiede-nen Basisgruppen zurück.

Entscheidend für erfolgreiche Projekte, nicht nur im Bereich Zivilgesellschaftsförde-rung, sind eine umfassende Kontextanalyse und die Einbeziehung der BevölkeZivilgesellschaftsförde-rung, um die Ansätze und Maßnahmen dementsprechend anzupassen. Im Vergleich zu vergangenen Projekten hat die Welthungerhilfe in der letzten Zeit verstärkt darauf gesetzt, ihr Wissen über das Projektumfeld bereits im Voraus durch Bedarfsanaly-sen, partizpative Bewertungsverfahren (Diagnostiques participatives) und Workshops mit der Bevölkerung zu vertiefen (s. Kap. 5.4.2). Darauf aufbauend ist es entschei-dend eine langfristige Arbeit mit den Gruppen anzustreben, um Vertrauen aufzubau-en und nachhaltige Erfolge zu erzielaufzubau-en, daufzubau-enn Beziehungsgeflechte innerhalb der lokalen Zivilgesellschaft sind oftmals sehr komplex, wie anhand der Fallbeispiele verdeutlicht wird (s. Kap. 5.2 und 5.3).

Ein Resultat fehlender oder unzureichender Kontextanalysen bestand in der Vergan-genheit darin, Organisationen neu zu gründen, obwohl bereits Gruppen mit ähnlichen Schwerpunkten bestanden. Im Allgemeinen hat es sich als nachhaltiger erwiesen, mit bereits bestehenden Organisationen zu kooperieren. Die Neugründung einer Gruppe bedeutet immer auch einen massiven Eingriff in bestehende Systeme und schürt unter Umständen die Konkurrenz der Gruppen untereinander, insbesondere wenn in einer Gemeinschaft bereits zahlreiche Organisationen existieren (s. Kap.

5.4). Daher ist die WHH zunehmend dazu übergegangen, mit bereits existierenden Gruppen zu arbeiten.

Bereits bei der Auswahl der Gruppen ist zu beachten, wie sich die Motivation lang-fristig aufrechterhalten lässt. Als häufigster Grund für die Mitgliedschaft in einer Gruppe wurden von der Bevölkerung ökonomische Motive genannt (s. ebd.). Umso wichtiger ist es, dass die Welthungerhilfe gemeinsam mit den Gruppen Aktivitäten auf Basis sozioökonomischer Analysen auswählt, die im eigenen Interesse der Mit-glieder liegen und sich für sie als ökonomisch rentabel erweisen. So ist es entschei-dend, dass die Gruppen möglichst schon kurzfristig ökonomische Erfolge erzielen, die sie auch langfristig (und nach dem Projektende) fortsetzen können. Die Anstren-gungen reichen jedoch häufig nicht aus, um Erwerbsquellen zu schaffen, die es den Mitgliedern ermöglichen sich aus der „Armutsfalle“ (vgl. Banerjee, Duflo 2011) zu be-freien. Bei allen Maßnahmen erweist es sich sektorübergreifend als erfolgverspre-chend, immer darauf zu achten, wie Einkommensmöglichkeiten für Gruppen geschaffen werden können, um so eine finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Als besonders nachhaltig sind dabei Ansätze zu bewerten, die ohne externe Finanzie-rung und dauerhafte Subventionen auskommen, wie es zum Beispiel bei Spar-Mikrokredit-Gruppen der Fall ist, in denen die Mitglieder das gesamte Kapital selbst ersparen (s. Kap. 5.4). Aktivitäten in dieser Form durchzuführen, stellt sich jedoch häufig als besonders schwierig dar. Der Begriff „Projekt“ wird von vielen Gruppen dahingehend interpretiert, dass dabei Geld von Seiten der internationalen Nichtregie-rungsorganisationen (iNRO) fließt. Die Erwartungshaltung dahinter ist häufig, dass mit den Aktivitäten der internationalen Organisationen kurzfristiger Profit für den Ein-zelnen einhergehen muss. Dabei bleibt es ein wichtiges Arbeitsfeld für NRO dieses Projektverständnis zu verändern.

Für beide Untersuchungsstandorte muss festgehalten werden, dass die externe Un-terstützung eine finanzielle Abhängigkeit und die Förderung einer gewissen Erwar-tungshaltung seitens der Gruppen und Gemeinden bewirkt hat. Im Süden sind die NRO dazu übergegangen, den Gruppen Essen und Getränke als Anreiz für ihr Er-scheinen zu Besprechungen oder Trainings zu geben. Die Bauern nehmen zwar zum Teil mehrstündige Wege auf sich, um an den Treffen teilzunehmen, dennoch besteht die Gefahr, Menschen nur noch dann zu motivieren, wenn sie dafür eine Gegenleis-tung erhalten.

Als besonders problematisch erweist es sich häufig, wenn Projekte geplant werden, die langfristig angelegte Tätigkeiten beinhalten, die ein tägliches Engagement erfor-dern, aber keinen Gewinn für den Einzelnen sondern nur für die Gemeinschaft ab-werfen. Sie übersteigen die zeitlichen Ressourcen der Mitglieder und sind somit nicht für eine ehrenamtliche Tätigkeit geeignet. Zudem erfordert bspw. das Management

von großflächigen Bewässerungsperimetern eine professionelle Finanzplanung, un-ternehmerische Herangehensweise und technische Expertise, so dass nicht alle Mit-glieder für diese Aufgaben geeignet sind (s. Kap. 5.4). Müssen sich die MitMit-glieder nur zeitweise und gezielt engagieren, wie dies zumeist in den Comités local pour la pro-tection civile (CLPC) und Equipes d’intervention communales (EIC) der Fall ist, wirkt sich dies positiv auf die Motivation aus. Zusätzlich profitieren die Mitglieder von ei-nem Wissensvorsprung und der Ausstattung mit Equipment für den Einsatz im Kata-strophenfall. Hinzu kommt das gesteigerte Ansehen, wenn man Mitglied des CLPC/EIC ist. Der wohl wichtigste Anreiz besteht jedoch darin, dass die Aktivitäten auch Schäden an persönlichem Eigentum vorbeugen.

Allerdings würde es zu kurz greifen zu behaupten, Gruppenmitglieder verfolgten aus-schließlich eigennützige Interessen. So gibt es auch sehr viele Gruppenvertreter, die vorrangig das Gemeinwohl der Dorfgemeinschaft im Blick haben. Basisgruppen übernehmen dabei auch eine soziale Rolle, indem sie durch ihre Arbeit die Kontakte und den Austausch der Mitglieder untereinander stärken. Traditionelle Arbeitsformen, wie der Kombit (s. Kap. 5.2), können zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls beitra-gen, wenn sie entsprechend in die Arbeit der Gruppe integriert werden (vgl. Günther, Reyes, Almonte Mella 2000: 4). Entscheidend ist es, dabei traditionelle Strukturen so zu adaptieren, dass sie mit heutigen Lebens- und Arbeitsformen vereinbar sind. Der Austausch von Arbeitskraft besteht nicht mehr ausschließlich auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit, sondern wird daneben zunehmend in Form von Geldleistungen ent-lohnt (z. B. Taré, s. Kap. 5.2.1).

Auffällig ist jedoch, dass es auch Dorfbewohner zu geben scheint, die nicht oder nur selten am zivilgesellschaftlichen Leben partizipieren (s. Kap. 5.2 und 5.3). Dies könn-te daran liegen, dass der zeitliche Aufwand, den zivilgesellschaftliches Engagement mit sich bringt, in vielen Fällen zu hoch ist und stattdessen Aktivitäten zur unmittelba-ren Existenzsicherung im Vordergrund stehen. Verantwortlich für die fehlende Parti-zipation einiger Bewohner sind daher möglicherweise Armut, ein geringes Bildungsniveau, weite Entfernungen zwischen einzelnen Haushalten auf Dorfebene und infolgedessen die fehlende Einbindung in Netzwerke. Auf Grundlage der vor-handenen Daten fällt es allerdings schwer zu unterscheiden, was Ursache und was Wirkung ist. Um dies herauszufinden, müssten noch weitergehende Untersuchungen zum Einfluss von Armut und Bildungsniveau auf die Integration marginalisierter Per-sonen durchgeführt werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine umfassende Kontextanalyse und systematische Vorbereitung von Projektinterventionen unumgänglich ist. Von vornhe-rein sollten staatliche Partner sowie alle anderen Akteure der betroffenen Gemein-schaft in den Planungsprozess integriert werden. Dies schließt auch die Bevölkerung

mit ein, die langfristig profitieren sollte. Zum Teil funktioniert diese partizipative Pla-nung bereits sehr gut, teilweise besteht Verbesserungsbedarf (s. Kap. 5.4.2). Aus Sicht der NRO ist dabei zu berücksichtigen, dass eine intensive Kontextanalyse und partizipative Planung einen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten und daher erst nach Zusage von Mitteln durch die Geber erfolgen können. Dies ist auch wichtig, um keine nicht zu erfüllenden Erwartungen bei der Bevölkerung zu wecken.