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Netzwerke und Kooperationen

6.1 Ziele und Maßnahmen im Bereich Zivilgesellschaftsförderung

6.1.4 Netzwerke und Kooperationen

Vernetzung von Basisgruppen

Zivilgesellschaftsförderung kann nur dann erfolgreich sein, wenn nicht einzelne Gruppen sondern die Gesamtheit lokaler Akteure in den Blick genommen wird. Als aufschlussreich erwies sich dabei die Analyse auf den unterschiedlichen Vernet-zungsebenen des Linking, Bridging und Bonding (s. Abb. 9). Die Intensität horizonta-ler Vernetzung zwischen den Gruppen erwies sich dabei je nach Erhebungsstandort und untersuchter Organisation als sehr unterschiedlich ausgeprägt. Der Austausch zwischen den in einem Projekt der Welthungerhilfe beteiligten Gruppen ließe sich noch weiter intensivieren, insbesondere wenn Gruppen ähnliche Aktivitäten durch-führen. Bspw. könnten die als sehr positiv bewerteten gegenseitigen Besuche der Gruppen zum Erfahrungsaustausch weiter gefördert werden (s. Kap. 5.4).

Die vertikale Vernetzung ist hingegen generell schwach ausgeprägt. Eine Möglich-keit, die horizontale und vertikale Vernetzung gleichzeitig zu stärken, bieten Allianzen mehrerer Basisgruppen. Die Positionen der Gruppen erhalten durch einen Zusam-menschluss größeres Gewicht und können leichter nach außen vertreten werden.

Die Zivilgesellschaft erhöht dadurch ihre Sichtbarkeit und erweitert ihre Möglichkei-ten, Rechenschaft von Seiten des Staates und internationaler Entwicklungsakteure einzufordern. Somit kann sie ihre politische Rolle stärken und ihre Advocacy-Funktion besser ausfüllen (s. Abb. 18). Beispiele für solche Bündnisse lassen sich an beiden untersuchten Projektstandorten sowohl im ländlichen als auch im urbanen Raum finden. Auch von Entwicklungsakteuren und strategischen Partnern werden diese Zusammenschlüsse als Good practice betrachtet. Die aktive Unterstützung und Begleitung des Prozesses der Allianzenbildung wäre ein potentieller Ansatzpunkt der WHH zur Zivilgesellschaftsförderung.

Im urbanen Raum ist weiterhin ein Trend zur Bildung von Plattformen zu beobachten, der an sich positiv ist. Diese Plattformen werden jedoch oftmals von verschiedenen NRO bis hin zur MINUSTAH initiiert, sie existieren häufig parallel zueinander und kooperieren nicht. Im Falle einer externen Subventionierung, z. B. durch Bezahlung von Transport und Essen während der Treffen, erscheinen sie zudem wenig nachhal-tig.

Gleichzeitig steigt die Gefahr politischer Instrumentalisierung, wenn Organisationen durch ihren Zusammenschluss an Einfluss gewinnen. Dies ist vielen Gruppen durch-aus bewusst. So grenzen sie sich von der Politik ab und betonen ihre soziale Rolle (s. Abb. 8). Unterschieden wird aus dieser Perspektive zwischen der „guten Zivilge-sellschaft“, bestehend aus sozialen Organisationen, und der „schlechten Zivilgesell-schaft“, bestehend aus politischen Organisationen. Ganz ähnliche Ansichten herrschen bei einigen Mitarbeitern der WHH vor. Diese Sichtweise ist durchaus nachvollziehbar, bedienen viele Politiker und Regierungsvertreter doch oftmals Parti-kularinteressen, ohne sich hinreichend am Gemeinwohl zu orientieren. Demgegen-über stehen auch Aussagen, die die politische Rolle von Basisgruppen anerkennen und ihnen eine Unterstützungsfunktion zuschreiben, sowohl aus der Perspektive von Gruppen als auch von Entwicklungsakteuren. Die Welthungerhilfe kann hier aktiv werden, indem sie auf lokaler Ebene die politische Rolle der Zivilgesellschaft stärkt.

Häufig fehlt es an zivilgesellschaftlichem Druck, der dazu führt, dass Interessen der lokalen Bevölkerung auf den nächsthöheren Ebenen in der Gemeinde und im Dépar-tement vertreten werden. Die Welthungerhilfe kann die Gruppen diesbezüglich ver-stärkt beraten und fortbilden, damit sich die Organisationen ihrer Rolle als Watchdog bewusst werden und politische Mitsprache einfordern. Die Verbesserung der ökono-mischen Basis der Gruppenmitglieder ist dafür ein erster notwendiger, jedoch kein hinreichender Schritt (s. Kap. 5.4.1). Dazu müssen auch staatliche Akteure gefördert werden.

Kooperation der WHH mit staatlichen Partnern

Die Kooperation mit staatlichen Partnern gestaltet sich unter Bedingungen fragiler Staatlichkeit insbesondere auf lokaler Ebene nicht immer einfach. Ein Grund liegt darin, dass Dezentralisierungsbemühungen der haitianischen Verwaltung bisher viel-fach gescheitert sind. Staatliche Strukturen auf lokaler Ebene verfügen daher in der Regel über keinerlei bzw. nur geringfügige Budgets (s. Kap. 4.1). Nichtsdestotrotz bemüht sich die WHH, staatliche Akteure in die Planung und Durchführung von Maßnahmen mit einzubeziehen. Dies erfolgt zum einen, um die Nachhaltigkeit eines Projekts zu sichern und zum anderen, um den Staat in seinen Funktionen zu stärken.

So werden lokale staatliche Akteure über Projektaktivitäten informiert, Studienergeb-nisse und Datensätze zur Verfügung gestellt oder ihnen werden Fortbildungen

ange-boten. Auf nationaler Ebene in Port-au-Prince, die nicht im Mittelpunkt der Studie stand, findet ein intensiver Austausch mit verschiedenen Ministerien statt.

Staatliche Strukturen werden allerdings seitens der WHH nicht gestärkt, bspw. indem ihnen eine Koordinationsfunktion übertragen wird. Dies erscheint aus Sicht der WHH auch verständlich, wenn in einigen Fällen von Korruption berichtet wird. Eine positive Ausnahme bildet die Direction de la Protection Civile (DPC), die selbständig handelt und u. a. in der Projektregion Jacmel die Arbeit der iNRO im Bereich Katastrophen-schutz koordiniert und dahingehend berät, in welcher Section Communale Aktivitäten sinnvoll wären.

Vernetzung mit Kirchen

Neben staatlichen Institutionen sollte zudem ein weiterer Akteur beachtet werden:

So haben verschiedene Interviews mit Vertretern der römisch-katholischen und der baptistischen Kirche deutlich gemacht, dass es sich in vielen Fällen um Akteure mit Entwicklungsorientierung handelt. Häufig sind sie jedoch nicht mit anderen Entwick-lungsakteuren vernetzt und verfügen stattdessen über eigene Strukturen mit eigenen Hilfsorganisationen. Kirchliche Institutionen sind im ländlichen Raum weit verbreitet.

Teile der Bevölkerung nehmen sie gar als Repräsentanten des Staates wahr und fordern von ihnen staatliche Dienstleistungen ein. Diese herausgehobene Position hat jedoch auch zur Folge, dass einige Kirchenvertreter ihre Macht ausnutzen und die Meinung der Bevölkerung in ihrem Sinne manipulieren. Die internen Strukturen innerhalb der Kirchen sind dabei häufig wenig demokratisch. Ihre Stärken liegen da-rin, dass sie in verschiedenen Sektoren gleichzeitig aktiv und auch vertikal über ver-schiedene Ebenen vernetzt sind. Mitglieder kirchlicher Gruppen sind häufig nicht nur in einer Organisation präsent, sondern nutzen auch andere Angebote. So sind sie teilweise Mitglied in Gesangsgruppen, schicken ihre Kinder in Schulen kirchlicher Träger und nehmen die angebotene Gesundheitsversorgung in Anspruch und sind oft gleichzeitig Mitglieder anderer nicht-kirchlicher Basisgruppen. Bestenfalls eröffnet sich hier die Möglichkeit einer umfassenden sozialen Integration der Mitglieder. Ein-zelne Gruppen haben es demgegenüber vergleichsweise schwer, da sie nicht über dieselben Netzwerke verfügen. Es erscheint daher sinnvoll, die Kirche stärker in die Kontextanalyse mit einzubeziehen und kirchliche Gruppen als potentielle Kooperati-onspartner zu betrachten.

Kooperation mit Entwicklungspartnern

Neben den Kirchen und staatlichen Institutionen stellt die Kooperation und Vernet-zung mit anderen iNRO einen nicht zu unterschätzenden Faktor für erfolgreiche Zi-vilgesellschaftsförderung dar. Die Intensität der Vernetzung wird insgesamt sehr unterschiedlich beurteilt. So unterhält die WHH zu einigen Entwicklungspartnern

en-ge Beziehunen-gen. In Ouanaminthe wird bspw. ein Projekt in Kooperation mit Oxfam durchgeführt (s. Kap. 3.4.1). Am selben Standort wird die WHH jedoch von verschie-denen Akteuren zugleich dafür kritisiert, dass sie bei runden Tischen mit anderen NRO unter der Leitung staatlicher Akteure nicht oder nur selten teilnimmt. Im Süden Haitis arbeitet die WHH bspw. eng mit HELP oder dem Roten Kreuz Holland zu-sammen. In Port-au-Prince wird hervorgehoben, dass sie an Koordinationstreffen mit den Vereinten Nationen teilnimmt. Der Austausch und die Koordination mit anderen iNRO sind, insbesondere bei einer Tätigkeit im gleichen Sektor und besonders im fragilen Kontext, ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Daher ist es entscheidend, beste-hende Kooperationen weiter aufrecht zu erhalten und wo möglich oder nötig weiter auszubauen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung stellt bspw. die von der WHH im Dezember 2012 initiierte Konferenz zum Thema „Haiti: Vivre au-delà des ur-gences“ dar, die erfolgreich zum Austausch vieler relevanter Akteure in diesem Be-reich beigetragen hat.

Von den bisher vorgestellten Ansätzen zu lernen ist ein wichtiger Baustein für die Sicherstellung der Nachhaltigkeit, zu der im Folgenden einige Schlussfolgerungen dargestellt werden.