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A.3.4 Entwicklung von HIV-Impfstoffen

A.3.4.2 Virusähnliche Partikel (VLP)

Virusähnliche Partikel (virus-like particles; VLP) weisen eine Reihe von Vorteilen beim Einsatz als Impfstoffkomponente auf (Grgacic & Anderson, 2006; Ulrich et al., 1996). In der Literatur gibt es Hinweise darauf, dass HIV-1 Impfstoffe, die aus mehreren Antigenen aufgebaut sind, höhere Antikörpertiter und bessere CTL-Antworten auslösen können (Graham et al., 2006; Rollman et al., 2005). Mit Hilfe von VLP kann gegen mehrere Antigene gleichzeitig immunisiert werden und es werden daher generell effizientere humorale und zellvermittelte Immunantworten induziert als bei der Verwendung von löslichen Proteinen (McBurney et al., 2007; Schiller & Lowy, 2001; Wagner et al., 1994c;

Wagner et al., 1996b; Young et al., 2006). Zudem sind die Partikel im Gegensatz zu attenuierten Viren oder viralen Vektoren replikationsinkompetent und nicht infektiös.

Mittlerweile können über 30 VLP-Varianten auf der Basis von Kapsid- und Hüllproteinen verschiedener tier- und humanpathogener Viren produziert werden, die alle die Fähigkeit besitzen, sich selbst zu hochorganisierten partikulären Strukturen zusammenzulagern (Grgacic & Anderson, 2006; Noad & Roy, 2003). Die bekanntesten sind das Hepatitis-B-Virus (HBV) Capsid- und Oberflächenantigen (Deml et al., 1999; Jones et al., 1999;

Newman et al., 2003; Schlienger et al., 1992), Hepatitis-C-Virus (HCV) (Elmowalid et al., 2007; Jeong et al., 2004; Lechmann et al., 2001), Papillomavirus L1 oder L1/L2 (Harro et al., 2001; Kirnbauer, 1996; Koutsky et al., 2002; Villa et al., 2005; Zhou et al., 1991), Parvovirus VP2 (Rueda et al., 1999; Sedlik et al., 1997) und HIV-1-Gag-Proteine (Buonaguro et al., 2005; Buonaguro et al., 2007; Deml et al., 1997b; Deml et al., 2005;

Kuate et al., 2006; Quan et al., 2007; Sailaja et al., 2007; Wagner et al., 1992; Young &

Ross, 2003; Young et al., 2006).

Diese VLP können entweder als DNA-Vakzine oder direkt als aufgereinigte Partikel verabreicht werden. Die Applikation von DNA hat den Vorteil, dass die Produktion der Partikel länger aufrecht erhalten wird und so das Immunsystem über einen längeren Zeitraum stimuliert werden kann. Allerdings ist die Anzahl an gebildeten VLP meist nicht sehr hoch und die Immunantwort dementsprechend gering (Akahata et al., 2005; Smith et al., 2004; Young et al., 2004). VLP werden daher meist mit Baculovirus-, Adenovirus-, Vacciniavirus-, Hefe- und Zellkultur-Expressionssystemen produziert (Ramqvist et al., 2007). Je nach Partikel erfolgt die Aufreinigung entweder über eine CsCl-Gradienten-zentrifugation oder mittels UltraCsCl-Gradienten-zentrifugation, so dass sie in definierter Menge appliziert werden und eine stärkere Immunantwort induzieren können (Doan et al., 2005). Neuere Erkenntnisse innerhalb der Arbeitsgruppe zeigten, dass baculoviral hergestellte HIV-1-VLP zwar eine sehr gute Immunantwort generieren, aber diese hauptsächlich auf der baculoviralen Verunreinigung der aufgereinigten VLP beruhen. In eukaryontischen Zellkultursystemen können ins Genom integrierte oder plasmidbasierte VLP hingegen ohne Fremdverunreinigungen hergestellt werden und gute Immunantworten induzieren (Bellier et al., 2006; McBurney et al., 2007). Der erste zugelassene Impfstoff aus Hefe-exprimierten Papillomavirus-VLP (Gardasil®) zeigte bereits gute Immunantworten in verschiedenen Studien (Shi et al., 2007). Dieser kann Infektionen mit den humanen Papillomaviren HPV-6/-11/-16 und HPV-18 verhindern, die als Hauptursache für Gebär-mutterhalskrebs gelten (Gnanamony et al., 2007; Rambout et al., 2007; Stanley, 2006;

Villa, 2006). In Abbildung A.8 ist ein VLP schematisch dargestellt.

Abbildung A.8: Schema eines Env-tragenden HIV-1-VLP. Env (Hüllprotein von HIV-1), RNA (unspezifische Ribonukleinsäure), Pr55Gag (Gag Antigen), (Zell-)Membran. Nach (Deml et al., 2005).

Das gesamte HIV-1-Gag-Vorläuferprotein kann in vitro spontan VLP bilden (Campbell &

Vogt, 1995; Campbell et al., 2001; Campbell & Rein, 1999; Doan et al., 2005; Morikawa et al., 1999; Perlman & Resh, 2006). Das unprozessierte Gag-Vorläuferprotein (Pr55Gag) lagert sich dabei an die Plasmamembran an und bildet nach Knospung von der Zellober-fläche Partikel mit der Größe von 100-120 nm (Buonaguro et al., 2001). Um diese Selbst-assemblierung durchführen zu können, benötigt der Gag-Vorläufer eine N-terminale Myrestilierungsstelle (Gottlinger et al., 1989), eine transportvermittelnde Domäne im Matrixproteinbereich (p17) (Bergmann et al., 1993) und drei Assemblierungsdomänen im Matrixbereich sowie im C-terminalen Bereich von p24 (Mammano et al., 1994; Niedrig et al., 1994). Enzymatische Proteine werden für die Knospung nicht benötigt. Selbst die

Fusion zusätzlicher Proteine oder Epitope an Pr55Gag verändern weder die Assem-blierung, die Knospung, die Struktur, biophysikalische Eigenschaften noch die Ausbeute (Deml et al., 2005; Tobin et al., 1996; Wagner et al., 1994a; Wagner et al., 1996b).

Viele neutralisierende Antikörper sind gegen konformationelle Epitope gerichtet, die nur in der nativen Form des Antigens zu finden sind (Ellenberger et al., 2005; Montefiori et al., 2001; Roux & Taylor, 2007). Eine trimere Env-Konformation (z.B. gp140TM), die der natürlichen Anordnung bei einer HIV-1-Infektion entspricht, kann somit eher neutralisierende Antikörper induzieren (Barnett et al., 2001; Beddows et al., 2005;

Beddows et al., 2007; Binley et al., 2000; Bower et al., 2004b; Sharma et al., 2006;

VanCott et al., 1997; Zhang et al., 2007b). Im Gegensatz zu löslichen, monomeren Antigenformen können partikuläre Immunogene bei niedrigeren Affinitäten besser und spezifischer von Antigenpräsentierende Zellen (APC) aufgenommen werden und durch Kreuzpräsentation über MHC I und II zusätzlich zur humoralen auch die zelluläre Immunantwort verstärken (Batista & Neuberger, 2000). Die Produktion von HIV-1-VLP eröffnet folglich die Gelegenheit für einen Env-vermittelten Zutritt der Partikel in professionelle APC wie Makrophagen und dendritische Zellen, da beide Zelltypen den Rezeptor CD4 auf ihrer Oberfläche tragen. Infolgedessen können die viralen Proteine prozessiert und präsentiert werden und somit die humorale Immunantwort gegen Env verstärken. Die Anordnung von Antigenen auf der Oberfläche von Zellen oder VLP ist daher ein sehr effizienter Weg, B-Zellen spezifisches Antigen zur Affinitätsreifung zu präsentieren. Ferner können B-Zellen eine Art Synapse mit den antigentragenden Zellen formieren und über den BCR Antigen akquirieren (Batista et al., 2001). Mit VLP können folglich verschiedene HIV-1-Proteine über eine große Anzahl von MHC I- und II-Molekülen dem Immunsystem präsentiert werden. Dadurch ist es möglich, eine breitere Immunantwort zu generieren, als mit einer Vakzine, die nur wenige Epitope enthält (Lockey et al., 2000; Wang et al., 2006c; Zhan et al., 2003). In verschiedenen Studien zeigte sich, dass die Mehrzahl der HIV-VLP neben einer effizienten humoralen Immunantwort auch eine effiziente CD8+- und CD4+-T-Zell-vermittelte Immunantwort induzieren kann (Buonaguro et al., 2007; Deml et al., 2001; Wagner et al., 1996b; Young et al., 2006).

VLP-Vakzinen sind aufgrund ihrer partikulären Antigenstruktur besonders für eine mukosale Applikation geeignet, da sie eine effektivere mukosale Immunantwort als lösliche Proteine auslösen können. VLP können durch die M-Zellen der Schleimhäute phagocytiert werden und mittels Transcytose über das schleimhautassoziierte lymphoide Gewebe (mucosa-associated lymphoid tissue; MALT) in die peripheren Lymphknoten weitergeleitet werden und dort starke Immunantworten auslösen. Lösliche Antigene dagegen umgehen das MALT-System und werden über APC im Nasallumen direkt in die Lymphknoten weitergeleitet, wo sie nur eine geringere Immunantwort generieren (Young et al., 2006). HIV-1-VLP können so mittels der induzierten Antikörper einen optimalen Schutz vor der Infektion und der Bildung viraler Reservoirs direkt an der Eintrittspforte vermitteln.