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2 Literaturübersicht

2.1 Haemophilus parasuis

2.1.2 Ätiologie und Pathogenese

2.1.2.5 Virulenzfaktoren

Über Virulenzfaktoren von H. parasuis ist noch wenig bekannt. In der Literatur wird u. a. von der Kapsel, von Fimbrien, den Proteinmustern, wie Oberflächenmembran-proteine (OMP), Lipopolysaccharide (LPS) und dem Polypeptidmuster, sowie der Enzymausstattung als Virulenzfaktoren berichtet.

Kapsel

Viele Bakterien sind von einem extrazellulären Material umgeben, das als Kapsel bezeichnet wird. Diesen Strukturen kommt in erster Linie die Funktion der Adhäsion an inerten und auch lebenden Oberflächen, der Adhäsion von Nährsubstraten, aber auch einer Barrierefunktion zu. Weiterhin dienen Kapseln dem Schutz vor der

Infektion mit Bakteriophagen, vor Phagozytose und anderen Clearance-mechanismen.

Erste Untersuchungen über das Vorhandensein einer Kapsel bei H. parasuis wurden schon früh von CHANDLER (1939) beschrieben. BAKOS (1955) brachte dies mit den verschiedenen Kolonieformen in Verbindung. Der Kapselnachweis erfolgt neben verschiedenen Färbemethoden (KIELSTEIN et al. 1992), der Präzipitation mit Cetavlon und dem Hitzetest sowie der Iridiszenzmethode (MOROZUMI u. NICOLET 1986) vor allem mit Hilfe des Akriflavintests. Die Vielzahl der genutzten Methoden und deren technische Grenzen bedingen vermutlich die widersprüchlichen Aussagen über den Zusammenhang von Virulenz und Bekapselung. In verschiedenen Studien wird über zwei Arten einer Hämophilusinfektion, die von der Kapselbildung abhängen soll, berichtet. KILIAN (1984) unterscheidet bei H. influenzae zum einen eine akute, pyogene und meist invasive Infektion mit H. influenzae als primär pathogenem Erreger, wobei stets eine Kapsel vorhanden ist; zum anderen eine vorwiegend chronische Infektion, in welcher H. influenzae scheinbar eine sekundäre Rolle spielt.

Diese Stämme sind unbekapselt und werden häufig auch bei gesunden Menschen isoliert. LITTLE (1971) beschreibt ebenfalls eine solche Einteilung bei der H.-parasuis-Infektion beim Schwein. KIELSTEIN und ROSNER (1992) konnten unbekapselte Stämme aus Schweinen mit Glässerscher Krankheit statistisch gesichert häufiger nachweisen als aus gesunden Schweinen. Sie sehen somit die fehlende Bekapselung als einen Hinweis auf Virulenz von Feldisolaten.

Anheftungsfaktoren (Fimbrien)

Fimbrien sind fädige Gebilde an der Bakterienoberfläche, die aus Proteinen aufgebaut sind. Fimbrien, häufig auch als Pili oder F-Adhäsine bezeichnet, werden von allen gramnegativen und einigen grampositiven Bakterien gebildet. Eine Voraussetzung für das Entstehen von Infektionen ist die Haftung der Erreger an der Schleimhaut. Diese fimbrienbedingte Adhäsionsfähigkeit wird durch die Testung des Hämagglutinationsvermögens untersucht (GRUND et al. 1990). Die Agglutinationsfähigkeit gegenüber einzelnen Tierspezies ist zwischen den Stämmen sehr unterschiedlich (BAKOS 1955). MÜNCH (1993) beobachtete bei

Pneumonie-Isolaten keine Agglutination von Hammelerythrozyten und stellte bei Pneumonie-Isolaten aus Fällen von Glässerscher Krankheit selten eine Agglutination von Pferde-, Kälber- und Meerschweinchenerythrozyten fest. Unterschiedliche Hämagglutinationsmuster beschreibt auch SCHROER (1992). Er fand im Gegensatz zu MÜNCH (1993) bei Pulmonal- und Glässer-Stämmen eine hohe Agglutinationsrate gegenüber Meerschweinchenerythrozyten. An frisch isolierten, auf Kochblutagar angezüchteten H.-parasuis-Stämmen konnte SCHROER (1992) durch elektronenmikroskopische Untersuchungen einen dichten Fimbrienrasen feststellen. Dieser ging nach mehrmaliger Subkultivierung verloren.

Oberflächenmembranproteine (OMP)

Die Zellwand gramnegativer Bakterien ist aus drei Schichten aufgebaut. Sie besteht zum einen aus einer zytoplasmatischen Membran, die die äußere Begrenzung des Zytoplasmas bildet und aktive Transportsysteme, Enzyme der Atmungskette sowie des Zitratzyklus enthält (SCHNAITMAN 1970); zum zweiten aus einer dünnen Peptidoglykanschicht, die zur Aufrechterhaltung der Form und der Stabilität der Zelle dient; und drittens aus der für gramnegative Bakterien typischen äußeren Membran (SELTMANN 1982). Die äußere Membran verleiht der Bakterienoberfläche eine starke Hydrophilie und bietet Schutz vor Phagozytose und Komplementsystem (DONALDSON et al. 1974). Außerdem stellt sie eine Permeabilitätsbarriere für viele Antibiotika dar und ist für Prozesse des Stoffaustausches verantwortlich. Wichtige Bestandteile der äußeren Membran sind die Außenmembranproteine (outer membrane proteins OMP). Auf Grund der Menge ihres Vorkommens unterscheidet man Haupt (major)- und Neben (minor)-Proteine. Sie sind für die Ausbildung von Pathogenität und Virulenz von großer Bedeutung.

Lipopolysaccharide (LPS)

Auch Lipopolysaccharide sind Bestandteil der äußeren Membran der Zellwand gram-negativer Bakterien. Die LPS stellen eine Permeabilitätsbarriere gegenüber bestimmten Arzneimitteln, Antibiotika oder Detergenzien dar, schützen die Zelle vor den Abwehrmechanismen des Wirtes, insbesondere der Phagozytose, und können

als Rezeptoren für Phagen dienen. Sie bestehen aus drei Regionen: 1. aus der O-spezifischen Seitenkette, 2. der Kernzone und 3. dem Lipid A. Das Lipid A ist das endotoxische Zentrum der LPS. Es wird bei Tod oder Replikation aus der Bakterienoberfläche freigesetzt und kann dann im Wirt zirkulieren. Die LPS können nach verschiedenen Methoden isoliert werden (WESTPHAL u. JANN 1965).

Polypeptidmuster

Erste Angaben zum Polypeptidmuster von Hämophilusspezies sind von NEUMANN und HINZ (1977) bekannt. Sie beobachteten sowohl zwischen als auch innerhalb einer Bakterienspezies starke Differenzen im Proteinmuster und hielten es deshalb für eine Speziesidentifizierung für ungeeignet. NICOLET et al. (1980) konnten jedoch in der SDS-PAGE unter standardisierten Bedingungen reproduzierbare, speziesspezifische Polypeptidmustertypen für A. pleuropneumoniae und H. parasuis erstellen. Das Ergebnis wurde durch unterschiedliche Wachstumsbedingungen nicht beeinflusst. Auch ZUCKER (1993) konnte keinen Einfluss auf die Ausprägung des Polypeptidmusters durch Kultivierungszeit, -temperatur und Sauerstoffspannung feststellen. ROSNER und KIELSTEIN (1991) konnten keine eindeutige Beziehung zwischen den Proteinmustern von Ganzzell-Lysaten, dem Serotyp, der Virulenz sowie der Kapselausbildung nachweisen.

Enzymausstattung

Neuraminidase ist ein potentieller Virulenzfaktor bei anderen Arten der Pasteurellaceae. LICHTENSTEIGER und VIMR (1997) beobachteten eine Produktion von Neuraminidase in über 90 % der Feldisolate. Dieses Enzym kann gemeinsam mit den Enzymen Permease und Aldolase zur Virulenz beitragen, da es Kohlenhydrate der Wirtszellen benötigt. Durch die neuraminidase-bedingte Abnahme von Neuraminsäure kann es zu einer Demaskierung von Rezeptoren, die für die Kolonisation und Invasion der Wirtszelle benötigt werden, kommen. Ebenso kann es mit dem Abwehrsystem des Wirtes interferieren, indem die Viskosität des Schleimes abnimmt (CORFIELD 1990; LICHTENSTEIGER u. VIMR 1997).