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2 Literaturübersicht

2.2 Mycoplasma hyopneumoniae

2.2.1 Ätiologie und Pathogenese

Mycoplasma (M.) hyopneumoniae ist der Primärerreger der weltweit verbreiteten Enzootischen Pneumonie (EP). M. hyopneumoniae wurde erstmalig 1965 beschrieben (GOODWIN et al. 1965; MARE u. SWITZER 1965) und wenig später als primäre Ursache der Enzootischen Pneumonie erkannt (HODGES et al. 1969). Der Erreger ist nur an das Schwein adaptiert. Taxonomisch werden Mykoplasmen in die Klasse der Mollicutes, der kleinsten, selbständig vermehrungsfähigen Bakterien, eingeordnet (TULLY et al. 1993) . Die Gestalt wird als pleomorph beschrieben, und der Durchmesser beträgt etwa 0,1 - 0,3 μm, sie vermehren sich durch Querteilung.

Anstelle einer Zellwand verfügen Mykoplasmen über eine einfache, dreischichtige Plasmamembran (ROSS 1999).

Phylogenetisch lässt sich der Ursprung der Mykoplasmen auf grampositive Bakterien zurückführen (WOESE 1987). Aufgrund ihrer parasitären Lebensweise haben Mykoplasmen im Laufe einer reduktiven Evolution genetische Informationen verloren und besitzen daher nur eine reduzierte Enzymausstattung und eingeschränkte Stoffwechsel- und Biosynthesewege (RAZIN 1992). Daher ist auch eine Kultivierung vieler Mykoplasmen bis heute sehr schwierig und bedarf spezieller Nährmedien (Zusatz von Serum, CO2 und Antibiotika).

Nach aerogener Aufnahme von M. hyopneumoniae kommt es zur bronchiogenen Ausbreitung und Bindung des Erregers an das zilientragende Epithel von Trachea, Bronchien und Bronchiolen (ZIELINSKY u. ROSS 1993). Die Mykoplasmen replizieren auf der Oberfläche der Zilien und führen innerhalb weniger Tage zu einer Einschränkung der Ziliaraktivität (JACQUES et al.1992; KOBISCH et al. 1993;

ZIELINSKY u. ROSS 1993). Die Adhäsion geht zudem mit der Bildung oxigener Radikale und einem Anstieg der Kalziumkonzentration in der Epithelzelle einher, die zu zytotoxischen Effekten mit Nekrosen, lokaler Desquamation und Deziliation führt (PARK et al. 2002). Der Verlust der zilientragenden Zellen und eine vermehrte Schleimproduktion beeinträchtigen die mukoziliäre Clearance und fördern so die weitere Besiedlung des Atmungstraktes mit pathogenen Keimen (ROSS 1996).

Zilienverluste sind frühestens ab zwei Wochen nach der Infektion elektronenmikroskopisch festzustellen (KOBISCH et al. 1993).

Die zelluläre Immunantwort hat für den Krankheitsverlauf eine erhebliche Bedeutung.

Die Membranen von M. hyopneumoniae haben einen mitogenen Effekt auf Schweinelymphozyten und stimulieren das Immunsystem (MESSIER et al. 1990;

KWON et al. 2002). Die Einwanderung von Lymphozyten und Makrophagen in den peribronchialen, peribronchiolären und perivaskulären Raum beeinflusst infolge immunpathologischer Veränderungen die Ausprägung der pneumonischen Veränderungen (YAGIHASHI et al. 1984). Gleichzeitig wird die Phagozytoseaktivität der Alveolarmakrophagen herabgesetzt, was die Abwehrfunktion einschränkt (CARUSO u. ROSS 1990; KWON u. CHAE 1999). Neben der Einschränkung der mechanischen Abwehr (mukoziliäre Clearance) bewirkt die Infektion mit M.

hyopneumoniae somit auch eine partielle Beeinträchtigung der Funktion des Immunsystems. Infizierte Tiere sind anfälliger für Infektionen mit weiteren viralen und/oder bakteriellen Erregern von Atemwegserkrankungen (YAGIHASHI et al. 1984;

ROSS 1999; THACKER 2001).

2.2.2 Epidemiologie

M. hyopneumoniae kommt in Ländern mit intensiver Schweineproduktion bei Zucht- und Mastschweinen mit hohen Prävalenzen vor, wie anhand serologischer Untersuchungen mehrfach festgestellt wurde.

Der Anteil seropositiver Bestände (d.h. Bestände mit wenigstens einem positiv reagierenden Tier) beträgt in Deutschland nach Untersuchungen von HORST et al.

(1997) 81,2 % bei Mastschweinen (ab 60 kg Körpergewicht), 63,02 % bei Jungsauen und 47,2 % bei Altsauen. In anderen Ländern wurden vergleichbare Zahlen festgestellt (FALK et al. 1991; KOBISCH et al. 1994; MAES 1997; ERLANDSON 2002).

Für die Einschleppung des Erregers in einen Bestand wird dem Zukauf von infizierten, aber klinisch unauffälligen Schweinen ein hohes Risikopotential zugeschrieben (MAES et al. 2000). Durch den Transport, Stall- und Futterwechsel kann das Immunsystem geschwächt und damit Voraussetzungen für eine erhöhte Ausscheidung von M. hyopneumoniae geschaffen werden. Eine Infektion bzw.

Übertragung des Erregers zwischen Herden ist aber auch durch die Luft möglich.

Zwischen Herden konnte eine aerogene Übertragung über Distanzen von bis zu 3,2 km nachgewiesen werden (GOODWIN 1985; WHITTLESTONE 1990). Die Entfernung zur nächsten mit M. hyopneumoniae infizierten Herde ist als einer der bedeutendsten Risikofaktoren für die Reinfektion von M.-hyopneumoniae-freien Herden anzusehen. Weitere Risikofaktoren sind das Mischen von Tieren aus mehreren Herkünften und das Nicht-desinfizieren von Transportfahrzeugen (HEGE et al. 2002).

Außerhalb des Wirtes kann der Erreger in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen längere Zeit überleben (FRIIS 1973; GOODWIN 1985). Die Überlebenszeit in Wasser beträgt bei Temperaturen zwischen 2 und 7° C bis zu 31 Tagen (GOODWIN 1985).

Da es sich bei der Enzootischen Pneumonie um eine faktorenabhängige Erkrankung handelt, treten Probleme vor allem bei ungünstigeren Klimabedingungen im Herbst und Winter auf (MAES 1998), so dass ein Zusammenhang mit Veränderungen in der

Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur sowie durch reduzierte Raumbelüftung anzunehmen ist (ROSS 1999).

Die Übertragung von M. hyopneumoniae innerhalb infizierter Herden erfolgt hauptsächlich durch direkten Tierkontakt. Das Risiko einer Serokonversion ist für Schweine mit direktem Kontakt zu infizierten Tieren um den Faktor sieben höher als für Schweine mit Kontakt zu kontaminierten Vektoren (MORRIS et al. 1995). Belebte oder unbelebte Vektoren, die mit Sekreten infizierter Tiere kontaminiert sind, scheinen für die Erregerübertragung insgesamt keine besondere Bedeutung zu haben (BATISTA et al. 2002). Eine indirekte Erregerübertragung kann aber auch mittels kontaminierter Aerosole erfolgen (STÄRK 1998).

Eine Erregerübertragung findet von infizierten Sauen auf die Ferkel (CLARK et al.

1992) oder zwischen infizierten und nicht infizierten Schweinen verschiedener Altersgruppen statt (GOODWIN 1972; WALLGREN u. SCHWAN 1994).

Ein besonderes Risiko einer vertikalen Übertragung wird für Würfe von Jungsauen angenommen, da jüngere Sauen häufig noch nicht über ausreichend hohe Antikörperkonzentrationen im Kolostrum verfügen (BERNER 1995). Das Risiko einer Infektion der Ferkel durch die Sau wird von RAUTIAINEN et al. (1998) als eher gering eingeschätzt, wenn ausreichend maternale Antikörper auf die Ferkel übertragen werden.

Eine intrauterine Übertragung von M. hyopneumoniae auf die Feten konnte durch experimentelle Infektion tragender Sauen nicht erreicht werden (HEITMANN u.

KIRCHHOFF 1981; BÜRGI et al. 1990).

Die horizontale Übertragung kann zwischen gleichaltrigen Schweinen oder von älteren Schweinen auf jüngere Tiere erfolgen, wenn Abteile kontinuierlich belegt oder Tiere zurückgestallt werden. Vor allem das Zusammenstallen von Ferkeln aus verschiedenen Beständen ist mit einem großen Risiko verbunden, da die Gefahr einer Infektion mit M. hyopneumoniae mit der Anzahl der Bestände steigt, aus denen Ferkel zugekauft werden (CLARK et al. 1991; MAES et al. 2000). Die Übertragung von M. hyopneumoniae innerhalb von Herden erfolgt im Vergleich zu viralen Erregern respiratorischer Erkrankungen langsam, und der Anteil seropositiver Tiere steigt bis zum Mastende an (MAES et al. 1998; WALLGREN et al. 1998; MATEUSEN et al.

2002). Infizierte Tiere können den Erreger über Wochen ausscheiden (RUIZ u.

PIJOAN 2002).