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2 Literaturübersicht

2.1 Haemophilus parasuis

2.1.3 Epidemiologie

Seit einigen Jahren lässt sich weltweit eine deutliche Zunahme der Glässerschen Krankheit beobachten (LOPEZ et al. 2004; MÜLLER et al. 2004; OLIVEIRA u.

PIJOAN 2004). Die Gründe hierfür scheinen die intensiven Haltungsbedingungen, das Zusammenbringen von Aufzuchtferkeln und Mastschweinen aus verschiedenen Herkünften sowie ein frühes Absetzen der Ferkel zu sein. Darüber hinaus kommen weitere Erreger, wie das Virus des Porzinen Respiratorischen und Reproduktiven Syndroms (PRRSV) oder das Porzine Circovirus Typ 2 (PCV-2), als Kofaktoren in Betracht (OLIVEIRA et al. 2004; OLIVEIRA u. PIJOAN 2002, 2004). Die Glässersche Krankheit kann in allen Betriebsarten auftreten, wobei Bestände mit hohem Gesundheitsstatus (High-health- oder SPF-Betriebe) oftmals stärker betroffen sind (RAPP-GABRIELSON 1999; VOS 2004). Bei Untersuchungen der verschiedenen Erreger bei Lungenentzündungen in Norddeutschland wurde H. parasuis in einem Drittel (31,3 %) der Fälle aus Lungen isoliert, im Bronchialtupfer konnte H. parasuis in 67,5 % der untersuchten Tiere nachgewiesen werden; in Nasentupfern (54 %) und in bronchioalveolärer Lavage (56,1 %) war der Erreger bei über der Hälfte der untersuchten Tiere zu finden (NIENHOFF 2005). Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle Tiere auch eine H.-parasuis-Infektion durchgemacht haben, da bei dieser Studie sämtliche zur Sektion anstehenden Tiere eines Untersuchungsinstitutes beprobt wurden. Andere Studien berichten über die Isolation von H. parasuis aus gesunden Schweinen (Kielstein et al. 1994; MØLLER u.

KILIAN 1990).

Unter experimentellen Bedingungen liegt die Morbidität bei 50 bis 75 % (teilweise über 90 %) und die Mortalität bei etwa 10 % (VOS 2004; WIEGAND et al. 1992).

Die Übertragung der Infektion erfolgt aerogen. Nach NICOLET (1981) ist aber auch der indirekte Infektionsweg, z. B. über Schleim, nicht auszuschließen.

Krankheitsfördernd sind Transport (daher auch die Bezeichnung „Transport-krankheit“), Umstallen, Zusammenbringen von Tieren unterschiedlicher Herkunft, Einstallung von Tieren aus H.-parasuis-negativen Beständen, Fütterungswechsel, schlechtes Stallklima oder allgemeine Stresssituationen. Die Wahrscheinlichkeit,

dass sich Ferkel von Jungsauen sehr früh infizieren, ist größer als bei pluriparen Tieren, da im Kolostrum von Jungsauen häufig geringere Mengen an Antikörpern gebildet werden und sie somit eine schlechtere Immunitätsausbildung haben (DONE 1999).

Infektionen mit anderen bakteriellen Erregern, wie Bordetella bronchiseptica, begünstigen die Ansiedlung von H. parasuis in der Lunge (BROCKMEIER 2004).

Nach Ansiedlung im Nasen-Rachen-Raum und einer septikämischen Phase verbreitet sich der Erreger im Organismus. Eine besondere Affinität besteht zu den serösen Häuten.

H. parasuis kann im oberen Respirationstrakt bei neugeborenen Ferkeln schon wenige Stunden nach der Geburt nachgewiesen werden (PIJOAN u. OLIVEIRA 2003).

Bei einer experimentellen Infektion (VAHLE et al. 1995) lässt sich der Erreger zwölf Stunden p.i. in der Nase und 36 Stunden p.i. im Blut nachweisen. Vermehrte Flüssigkeitsbildung im Peritoneum, in der Pleura und im Perikard zeigt sich zwölf Stunden nach der Infektion. Nach 36 Stunden bilden sich in den Körperhöhlen Fibrinfäden, und auch in den Gelenken lässt sich fibrinöses Exsudat finden.

Nach epizootiologischen Erhebungen in zahlreichen Schweinebeständen unterschiedlicher Größenordnung beschreiben KIELSTEIN et al. (1986) verschiedene Krankheitsverläufe der Glässerschen Krankheit: Zum einen treten sporadische Erkrankungen einzelner Tiere oder ganzer Würfe auf, die häufig im Zusammenhang mit dem Absetzen, dem Transport oder mit starken Stalltemperatur-schwankungen stehen. Zum anderen treten akute Enzootien mit Befall mehrerer Würfe oder mehrerer Tiere in Buchten oder ganzen Stalleinheiten auf, die meist nicht mit erkennbaren Umweltbelastungen in Zusammenhang stehen und nach kurzen Zeitperioden wieder erlöschen. Der Erreger ist im Bestand jedoch weiterhin nachweisbar. Außerdem kommen immer wiederkehrende Enzootien mit einer hohen Morbidität vor, die vor allem in der Saugferkel- und Läuferphase auftreten. Trotz Einhaltung von Hygienestandards dauern diese Enzootien über Monate hinweg an und erfordern einen hohen Behandlungsaufwand. Diese Verlaufsform ist nicht nur mit

dem Auftreten von Stresssituationen erklärbar, es müssen vielmehr auch mögliche Erregerpassagen mit Virulenzveränderungen, ein hoher Infektionsdruck sowie eine unzureichende Immunitätsausbildung gerade in größeren Anlagen berücksichtigt werden.

Zusätzlich zu diesen drei Verlaufsformen hat H. parasuis auch bei respiratorischen Erkrankungen eine ätiologische Bedeutung, vor allem bei Pneumonien mit Pleuritis, möglicherweise auch bei Rhinitiden.

Potentiell pathogene Stämme von H. parasuis können häufig auch von gesunden Schweinen bzw. in gesunden Schweinebeständen von den Schleimhäuten des Nasen-Rachenraumes und der Trachea isoliert werden (healthy carrier). Naive Tiere können sich in der Aufzucht anstecken (PIJOAN u. OLIVEIRA 2003). Die Glässersche Krankheit gehört somit in die Gruppe der infektiösen Faktorenkrankheiten (KIELSTEIN et al. 1994).

Eine H.-parasuis-Infektion kann in relativ naiven Herden, wie z. B. SPF-Herden oder in Herden mit SEW-Verfahren, wesentlich problematischer verlaufen als in konventionellen Betrieben. PIJOAN und OLIVEIRA (2002) haben eine Hypothese aufgestellt, um diesen Sachverhalt zu klären. In naiven Sauenherden verläuft demnach die Kolonisation der Saugferkel mit dem Erreger sehr langsam. Wenn diese Ferkel abgesetzt werden, ist nur eine geringe Anzahl der Tiere infiziert. In konventionellen Herden verläuft die Infektion bei den Saugferkeln wesentlich schneller, da es zu Kreuzinfektionen durch die Sauen und durch ältere Ferkel im Bestand kommt. Ferkel, die isoliert aufgezogen werden, können sich nur durch andere Ferkel der gleichen Gruppe infizieren. Dieses wird sehr langsam geschehen, so dass bei den meisten Ferkeln die Infektion so spät stattfindet, dass kein maternaler Schutz mehr vorhanden ist und die Krankheit so drastischer verläuft.

Nicht-pathogene Stämme, die häufig im oberen Respirationstrakt der Sauen gefunden werden, besiedeln sehr schnell die Tonsillen, den Nasen-Rachenraum und die Trachea der Saugferkel. Bei potentiell pathogenen Stämmen verläuft die Besiedlung wesentlich langsamer, da diese Erreger wahrscheinlich bei säugenden Sauen nur in geringer Menge vorhanden sind. Infolge der Ausbildung maternaler Antikörper sind diese Ferkel weitgehend vor einer systemischen Infektion geschützt.

Maternale Antikörper konnten von PIJOAN und OLIVEIRA (2003) bis zur sechsten bis achten Lebenswoche nachgewiesen werden. Die Abnahme der maternalen Antikörpertiter steht im Zusammenhang mit einer Zunahme der Mortalität, die meistens in der vierten bis sechsten Woche nach dem Absetzen beginnt. In Herden mit niedrigen maternalen Antikörpertitern beginnt das Krankheitsgeschehen schon spät in der Saugferkelphase oder früh in der Aufzucht.

KIELSTEIN et al. (1994) haben jedoch in Infektionsversuchen herausgefunden, dass bei Verwendung virulenter Stämme weniger die Infektionsdosis für die Pathogenese der Infektion von Bedeutung ist, als vielmehr die individuellen Unterschiede in der Infektionsabwehr und die für das einzelne Individuum unterschiedlich belastenden Umweltfaktoren. So fanden sie heraus, dass die aerogene Übertragung grundsätzlich möglich ist. Jedoch wurden die pathologisch-anatomischen Organveränderungen nach intratrachealer Applikation nicht beeinflusst, die Ferkel waren also in der Lage, auch sehr hohe Infektionsdosen abzuwehren, was auf eine hohe Abwehrkapazität der Lunge eines gesunden Ferkels hinweist.