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Übersicht 3: Einteilung der Vinassen anhand ihres Rohproteingehalts in drei Gruppen (LEWICKI 1978)

3.5 Vinasse in der Wiederkäuerfütterung

Seit dem 1. Juli 1976 ist der Melasserrest (Vinasse) in Deutschland als Mischfutterkomponente futtermittelrechtlich in der Wiederkäuerfütterung zugelassen (LEWICKI 1977). Bereits VÖLZ (1917) beschrieb, dass der Einsatz von eingedickter Melasseschlempe (mit 75 % TS) in der Wiederkäuerfütterung in Kombination mit Melasse und Strohhäcksel gut möglich ist. Die maximale Einsatzmenge von Melasseschlempe an Milchkühe wurde an Hand der Ergebnisse auf 1 kg uS/1000kg KM und Tag sowie an Mastbullen auf bis zu 2,5 kg uS/1000kg KM und Tag festgelegt. Als limitierenden Faktor nannte der Autor dabei vor allem den hohen Kaliumgehalt.

In Amerika wurden Vinassen in Untersuchungen zur Ermittlung der Körpermassezunahmen von Mastbullen erstmals von TILLMANN und KIDWELL (1951) getestet. Nachfolgende Untersuchungen zum Futterwert von Vinasse schlossen sich in Europa erst in den 70er Jahren an. Schwerpunkte dieser Untersuchungen waren der Futterwert von Vinasse (Verdaulichkeit) sowie Auswirkungen der Vinassefütterung auf die Mastleistung, pansenphysiologische Parameter (Fettsäuren) und die sensorische Qualität der Milch (eventuelle geschmackliche Beeinflussung).

3.5.1 Verdaulichkeiten verschiedener Vinassen

Der Literatur sind bisher eine Reihe von Verdaulichkeitsversuchen mit Mastbullen bzw.

Hammeln zur Untersuchung des Futterwerts von Vinasse (sowohl Zuckerrüben- als auch Zuckerrohrvinasse) zu entnehmen (Tabelle 11).

Die Verdaulichkeit der organischen Substanz der Zuckerrübenvinasse wird darin mit 70,2 % bis 85,0 % (STERN 1992; WEIGAND und KIRCHGESSNER 1987a) angegeben. Auch die scheinbare Verdaulichkeit des Rohproteins der Zuckerrübenvinasse weist eine ähnlich große Variationsbreite auf (65,8 % bis 84,1 %; KANIA et al. 1983; MENKE 1976). Die NfE-Verdaulichkeit variiert in einem sehr großen Bereich zwischen 69,3 % bis 94,0 % (MENKE 1976; WEIGAND und KIRCHGESSNER 1987a). Vergleicht man die Verdaulichkeit der Rohnährstoffe der Zuckerrübenvinasse mit den bereits in Tabelle 7 aufgeführten Verdaulichkeiten der Melasse, so fällt auf, dass die oS- und NfE- Fraktion der Vinassen um ca. 10 % schlechter verdaut werden als bei der Zuckerrübenmelasse. Die Spanne der Rohproteinverdaulichkeit ist ebenfalls sehr weit, generell wird das Rohprotein der Vinassen

mit 65,8 - 86,0 % (KANIA et al. 1983; DLG-Futterwerttabelle 1997) allerdings besser verdaut als das der Melassen (34 - 75 %; ADAS 1986; INRA 1989).

Bei der Beurteilung der Rohproteinverdaulichkeit ist zu beachten, dass in Zuckerrübenvinassen ein erheblicher Prozentsatz des Stickstoffanteils aus NPN-Verbindungen besteht (bis zu 97,6 % WEIGAND und KIRCHGESSNER 1987a).

Infolgedessen könnte der ermittelte Gehalt an verdaulichem Rohprotein zu hoch eingeschätzt werden (WEIGAND und KIRCHGESSNER 1975). Gleichzeitig geben KARALOZOS und SWAN (1977) zu bedenken, dass nach der üblichen Berechnungsmethode ohne Berücksichtigung des hohen NPN-Anteils die scheinbare Verdaulichkeit der NfE in der Regel überschätz wird. Dies gilt insbesondere für die stark entkalisierten Vinassen, in denen durch den Entkalisierungsprozess ein erhöhter Anteil NH3 (bis zu 35,5 %; LEWICKI 1978) enthalten ist.

Die organische Substanz der Zuckerrohrvinasse wird im Gegensatz zur Zuckerrübenvinasse nur zu 43,7 % verdaut, wie auch die Rohproteinverdaulichkeit mit 40,6 % ebenfalls geringer für die Zuckerrohrvinasse angegeben wird (VALLEJO und RANDEL 1982)

Tabelle 11: Scheinbare Verdaulichkeit [%] der Rohnährstoffe von Zuckerrübenvinassen

Herkunft TS Ra oS Rp NfE Autor

WEIGAND und KIRCHGESSNERS (1987a) führten Stoffwechselversuche zur Stickstoff- und Mineralstoffretention von Zuckerrübenvinasse durch. Hierbei wurden Zuckerrübenvinassen aus der chemisch-physikalischen Herstellung von Ephedrin bzw. der fermentativen Herstellung von Lysin jeweils in Kombination mit Heubriketts in einem Verhältnis von 1:1,8 an vier adulte Hammel gefüttert. Sowohl die Vor- als auch die

Hauptperiode der Bilanzen betrugen jeweils 10 Tage und der Harn und Kot wurden in der zweiten Phase getrennt voneinander gesammelt. Während die N-Retention in den drei Fütterungsperioden vergleichbare Werte erreichte, konnte eine Verringerung der Kaliumretention und eine deutliche Erhöhung der Natriumretention bei der Fütterung von Vinasse verzeichnet werden. Im Gegensatz dazu stehen die Ergebnisse von KULASZEK et al.

(1984). Sie ermittelten eine Verringerung der Natrium-, Calcium- und Magnesiumretention und eine signifikante Erhöhung der Kaliumretention beim Einsatz von Zuckerrübenvinasse in der Fütterung von Hammeln.

3.5.2 Mastergebnisse und Empfehlungen zum maximalen Einsatz von Vinasse in der Gesamtration

In Italien durchgeführte Mastversuche mit Bullen (MANFREDINI et al. 1985) ergaben, dass die zu 10 % (auf TS Basis) vinassierten bzw. nicht vinassierten Mastrationen hinsichtlich der Mastleistung als gleichwertig anzusehen sind. Anhand eines Mastversuches mit Jungbullen (WÜRZNER et al. 1985) wurden bei der Fütterung von 15 % melassierten bzw. 15 % vinassierten Trockenschnitzeln zur Grundration ähnliche Ergebnisse erzielt. Zu gleich lautenden Befunden kamen auch PICHLER (1985) beim Einsatz von 7,5 % bzw. 15 % Vinasse je kg TS in der Ration von Fleckviehkälbern und STERN (1992) beim Vergleich eines zu 8 % (auf uS Basis) melassierten bzw. vinassierten Mischfutters bei Hammeln.

Die Versuche von TILLMAN und KIDWELL (1951) wiesen indessen darauf hin, dass ein Austausch von 50 % Melasse in der Ration durch Vinasse (entspricht 20 % der uS der Kraftfutterration) zu einer Verminderung der Zunahmen führt. FIEMS et al. (1983b) fütterten Trockenschnitzel die zu 10 % (auf TS Basis) vinassiert waren und berichteten übereinstimmend von signifikant verminderten Zunahmen und verminderter Futteraufnahme gegenüber der Fütterung von nicht vinassierten Trockenschnitzeln. Dabei war allerdings keine beeinträchtigte Schlachtleistung zu verzeichnen. PICHLER (1985) gibt zu bedenken, dass der Einsatz von Vinasse als Zusatzfutter in der Jungrindermast keinen Leistung steigernden Effekt haben wird und die Hauptbedeutung wohl in der Ersparnis von Eiweißfuttermitteln zu sehen ist. Diese kann aufgrund der in den Versuchen gemachten Erfahrungen bis zu 50 % betragen.

In der nachfolgenden Tabelle sind die in der Literatur angegebenen Empfehlungen zum maximalen Einsatz von Vinasse in der Ration aufgeführt (Tabelle 12).

Tabelle 12: Empfehlung zum maximalen Einsatz verschiedener Vinassen in der Ration von Wiederkäuern

Vinasseart Max. Empfehlung

[% der TS der Gesamtration] Autor 5 WÜRZNER et al. (1985)

10 TROCCON und DEMARQUILLY (1989)

Zuckerrübenvinasse

17 HODEN und JOURNET (1980)

Zuckerrohrvinasse 29 VALLEJO und RANDEL (1982)

6 WING et al. (1988)

Citrusvinasse 10 CHEN et al. (1981)

Die Begrenzungsempfehlung von WÜRZNER et al. (1985) beruhte auf der Beobachtung, dass Kälber bereits bei 5 % Vinasse in der Ration, das Futter zwar aufnehmen, die Akzeptanz jedoch geringer war als bei unmelassierten bzw. melassierten Trockenschnitzeln. VALLEJO und RANDEL (1982) beschreiben erst beim Einsatz von mehr als 29 % Zuckerrohrvinasse in der TS der Ration Akzeptanzprobleme. Die Begrenzung von WING et al. (1988) von 6 % Citrusvinasse in der TS der Ration wird durch eine reduzierte Trockensubstanzaufnahme und eine abnehmende Milchleistung (Menge) bei 9 % Vinasse in der TS der Ration begründet.

Durchfall, wie er bei 6 % Vinasse (auf TS Basis) in der Ration von Mastschweinen beschrieben wurde (LETTNER 1980), konnte nach dem Einsatz von Vinasse in der Wiederkäuerfütterung nicht bestätigt werden. CHEN et al. (1981) beschreiben allenfalls einen geringgradig dünneren Kot nach der Fütterung von Citrusvinasse an Lämmer.

3.5.3 Fettsäurenmuster im Panseninhalt

Es ist bekannt, dass ein höheres Angebot an leicht löslichen Kohlenhydraten (z.B. in Melasse) im Pansen das Verhältnis der flüchtigen Fettsäuren zueinander zugunsten der Buttersäure und auf Kosten der Essig- und Propionsäure verschiebt.

KARALOZOS und SWAN (1977) führten Versuche an Schafen mit Versuchsfutter durch, welches zu 20 % Zuckerrohrmelasse bzw. 20 % Zuckerrübenvinasse enthielt. Die Auswirkungen auf das Fettsäurenmuster waren bei beiden Rationen ähnlich (Anstieg der Konzentrationen von Buttersäure und Essigsäure und Verminderung der Propionsäurekonzentration). Dabei war eine Reduktion der Konzentration von Propionat nach Fütterung von Melasse noch deutlicher als bei der Vinassefütterung ausgeprägt (Übersicht 4).

Die von POTTER et al. (1985a und b) durchgeführten Versuche mit 0, 5, 10 und 15 % Zuckerrohrvinasse in der TS der Ration von Mastbullen, ließen ebenfalls bereits bei 5 % Vinasse in der Ration eine Verschiebung der Konzentration der einzelnen Fettsäuren

zueinander erkennen. Diese Verschiebung fand zu Gunsten von Buttersäure, Essigsäure und Isovaleriansäure und zu Ungunsten der Propionsäure und Valeriansäure statt.

Im Gegensatz dazu konnte bei der Verfütterung von Citrusmelasseresten kein Anstieg zum Vorteil der Butyratkonzentration im Pansen verzeichnet werden (CHEN et al. 1981; WING et al. 1988). Die Veränderung des Verhältnisses von Acetat und Propionat im Pansen nach Fütterung von Citrusvinasse wird hingegen unterschiedlich beschrieben. Während bei CHEN et al. (1981) die Fütterung von Citrusmelasserest zu einem Anstieg der Propionsäurekonzentration und einer Verminderung der Essigsäurekonzentration führte, konnten WING et al. (1988) gegenteilige Konzentrationsveränderungen nachweisen. Eine Erhöhung der Valeriansäurekonzentration auf Kosten der Isovaleriansäurekonzentration wurden ebenfalls von CHEN et al. (1981) festgestellt, was im Gegensatz zu den Ergebnissen von POTTER et al. (1985a) beim Einsatz von Zuckerrohrvinasse steht.

Übersicht 4: Veränderung der Fettsäurekonzentrationen im Pansen nach Fütterung von