III HISTORISCHE EINBETTUNG UND LEGENDENBILDUNG 1) Der Kampf für Baden
4. Die Vierteilung des Landes 1948-1952
274 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008
275 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008
276 ebenda, Landeskunde Baden-Württemberg, 11/2008
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Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand das heutige Land Baden-Württemberg unter amerikanischer und französischer Besatzung. Da die
Grenzen der Besatzungszonen gänzlich unhistorisch gezogen wurden, entstand Handlungsbedarf bezüglich einer Neugliederung der Landesteile.
Da die Franzosen ürsprünglich das gesamte Gebiet von Bruchsal bis zum Bodensee erobert hatten, fiel auch Stuttgart zunächst unter deren Kontrolle.
„Die Amerikaner bestanden (allerdings) darauf, dass die gesamte Autobahn von Frankfurt über Karlsruhe bis München in ihrer Besatzungszone verlaufen müsse.
Die Franzosen mussten sich schließlich hinter eine Linie südlich der Autobahn Karlsruhe-Pforzheim-Stuttgart-Ulm zurückziehen.“277
Die amerikanische Zone umfasste Nordbaden und Nordwürttemberg mit den beiden Zentren Stuttgart und Karlsruhe. Der Regierungssitz fiel an Stuttgart, das Bundesverfassungsgericht wurde in Karlsruhe ansässig. In Südwürttemberg residierte die Regierung in Tübingen, während Freiburg zum Sitz der Alt-Badener um Leo Wohleb wurde. Vor allem von Südbaden ging der Kampf um die Wiederherstellung des über Jahrhunderte entstandenen historischen
Zustandes eines selbständigen Landes Baden aus.
Sogar während des Dritten Reichs und der von den Nationalsozialisten betriebenen Gleichschaltung der Länder „zeigt sich in Baden, wie in kaum einem anderen Land, der Kampf um die Beibehaltung einer gewissen
Autonomie.“278 Die Länder wurden nach 1933 schrittweise ihrer Hoheitsrechte beraubt, bei gleichzeitiger Beibehaltung ihrer formellen Staatlichkeit. Die Landesregierungen wurden durch einen Reichsstatthalter, welcher zugleich die Funktion eines Gauleiters der NSDAP innehatte, ersetzt. Es war seinerzeit kennzeichnend, dass die Partei zunehmend in originär staatliche Bereiche vordrängte. Baden stellte diesbezüglich einen Sonderfall dar. „In Baden hatte
277 Bochardt-Wenzel, 2011, S. 157
278 Neumayer, 1988, S. 265
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sich bis Kriegsende eine komplette Landesregierung mit Reichsstatthalter, Ministerpräsident und zwei weiteren Fachministern erhalten können. Dies
spricht für eine ausgeprägte Beharrlichkeit des badischen Reichsstatthalters bzw.
des badischen Ministerpräsidenten, die Reste der badischen Eigenständigkeit, dort wo es möglich war, gegenüber dem Reich zu verteidigen. Andere Beispiele für diesen Sachverhalt liefert die Tatsache, dass sich allein in Baden eine
begrenzte Mittelinstanz in den so genannten Landeskommissären erhalten konnte, obwohl andernorts der Verwaltungsaufbau nach preußisch
nivellierendem Vorbild durchgesetzt wurde. Ein weiteres Beispiel ist die in Baden nie eingeführte Reichsnotarordnung. Somit blieben die Grundbuchämter im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden.“279 Der Widerstand gegen die
Gleichschaltung war unter allen deutschen Landesregierungen in Baden am erfolgreichsten. Somit konnte Baden seine historisch gewachsene
Eigenständigkeit und Identität auch während des Dritten Reiches am
weitreichendsten bewahren. Auch aus diesen Gegebenheiten heraus erklärt sich wiederum ein Teil des badischen Selbstverständnisses.
„Die Verwaltungstätigkeit in den Landeskommissärbezirken Karlsruhe,
Freiburg, Konstanz und Mannheim blieb nach Kriegsende durch die Einsetzung von Militärregierungen begrenzt.“280 In Nordbaden ließen die amerikanischen Besatzer die Verwaltungstätigkeit lediglich auf Gemeinde- und Kreisebene zu, so dass es dort die Tätigkeit einer übergeordneten Landesverwaltung vorläufig ruhte. Die an Nordbaden angrenzenden Territorien versuchten dieses
ordnungspolitische Vakuum zu nutzen, um Teile Nordbadens in den eigenen Einflussbereich einzugliedern. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch dank des energischen Protests des Heidelberger Finanzpräsidenten Friedrich Brunner beim zuständigen Leiter für das amerikanisch besetzte Gebiet Nordbadens Oberstleutnant Winning. Somit konnte eine Abtrennung von badischem
Territorium verhindert werden. Die auf Grund unterschiedlicher Interessenlage
279 ebenda, Neumayer, 1988, S. 264/265
280 ebenda, Neumayer, 1988, S. 266
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verschiedene Besatzungspolitik der Amerikaner und der Franzosen stellte sich für Baden als nachteilhaft heraus. „Das führte dazu, dass sich die Zonen mehr und mehr gegeneinander abschotteten. Diese Tendenz übertrug sich mit zunehmender Demokratisierung des öffentlichen Lebens auch auf die
Regierungen der neuen Länder.“281 Während beispielsweise in der französischen Besatzungszone eine eifrige Demontagepolitik betrieben wurde, sah man sich in der amerikanisch besetzten Zone dazu angehalten, das Land wirtschaftlich wieder aufzubauen und zu stabilisieren. Diese strukturellen, von außen verordneten Gegebenheiten, stellten neue Voraussetzungen dar, die bereits vorhandene Resistenzen zwischen Württemberg und Baden auf Grund struktureller Beschaffenheit zusätzlich verschärfen mussten. „Während Amerikaner und Briten zwischen 1946 und 1949 etwa ein Drittel des
Steueraufkommens in ihren Zonen für sich reklamierten, betrug der Anteil der Besatzungskosten in der französischen Zone 1946 nicht weniger als 86, 1948 immer noch 41 Prozent. Durchschnittlich flossen in (Süd-) Baden bis 1950 zwei Drittel der Steuereinnahmen in die Kassen der Militärregierung.“282 Eine
entscheidende Benachteiligung badischer Interessen entstand auch dadurch, dass die Amerikaner neben Mannheim eine zweite Militärregierung in Karlsruhe einrichteten, die vorerst noch mit den von der französischen Militärregierung in Karlsruhe bestätigten badischen Zentralbehörden, zusammenarbeiten mussten.
„Aufgrund der Zersplitterung der Verhältnisse in Baden mit drei Militärregierungen, erscheint es folgerichtig, dass der Stuttgarter
Militärregierung ein größeres politisches Gewicht zufallen musste.“283 Aus badischer Sicht ungünstig erwies sich auch der Umstand der
Zusammenlegung der beiden nordbadischen Militärregierungen in Karlsruhe sowie die Versetzung von Oberstleutnant Winning nach Stuttgart, wo er als Stellvertreter von Dawson eingesetzt wurde. Die amerikanischen Interessen
281 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 159
282 Matz, Stuttgart, 1991, S. 49
283 ebenda, Neumayer, 1988, S. 267
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zielten fortan auf eine politische Vereinigung von Nordbaden und
Nordwürttemberg. „Nachdem ein letzter Versuch einer Vereinigung der beiden badischen Landesverwaltungen am 9. Oktober 1945 gescheitert war, war das Land Baden definitiv in zwei Teile zerrissen worden. Bereits in einer
Proklamation der amerikanischen Militärverwaltung vom 19. September 1945 hatte dieselbe die Vereinigung des Landeskommissariatsbezirks Mannheim und der Kreise Bruchsal, Karlsruhe Stadt und Land, Pforzheim Stadt und Land mit den Kreisen des amerikanisch besetzten Gebiets Württembergs befohlen und die Bildung eines neuen Staates Württemberg-Baden bekannt gegeben.“284 Der verordnete Zusammenschluss war beidseitig nur ungern akzeptiert worden. Der amerikanische Außenminister Marshall bestätigte noch am 14. März 1947 den provisorischen Charakter dieses Zusammenschlusses. Dass dies von beiden Landesteilen auch so empfunden wurde, sollen nachfolgende Sachverhalte verdeutlichen. „Die am 24. September ernannte Stuttgarter Landesregierung setzte sich ursprünglich ausschließlich aus württembergischen Mitgliedern zusammen. Außerdem beschränkten sich die in Stuttgart eingerichteten Ministerien ausschließlich auf den württembergischen Landesteil und
betrachteten den angehängten badischen Landesteil als eine Art Protektorat mit eigener Verwaltung. Jede verwaltungstechnische Verschmelzung beider
Landeshälften wurde vermieden. So blieb in Nordbaden die Landesverwaltung Baden mit dem Landesbezirkspräsidenten als autonomes Organ bestehen.“285 Damit hatte die Landesverwaltung Baden beispielsweise ihren eigenen
Staatshaushalt. Ebenso konnte sie in eigener Regie ihre Beamten ernennen und entlassen. Bis zur Südweststaatsgründung 1952 konnte der badische Landesteil seine autonome Stellung bewahren. Die nordbadische Verwaltungsautonomie zeigte sich auch im Fortbestand des badischen Hoheitszeichens.
In Württemberg-Hohenzollern wusste die Stuttgarter Regierung ihre gesamtwürttembergische Legitimation anerkannt.
284 ebenda, Neumayer, 1988, S. 269
285 ebenda, Neumayer, 1988, S. 269/270
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Größere Schwierigkeiten sollte die Stuttgarter Regierung mit einer möglichen Einbeziehung Südbadens bekommen, dessen Regierung die Legitimation für Gesamtbaden beanspruchte. Das staatsrechtlich einende Band zwischen den beiden badischen Landesteilen war die quasi fortbestehenden Reste einer einheitlichen Gebietskörperschaft. „Diese Reste traten durch die in Karlsruhe fortbestehenden gesamtbadischen Einrichtungen sichtbar in Erscheinung. (...) Anzuführen wären hier beispielsweise die badische kommunale Landesbank, die badische Landesversicherungsanstalt, die badische Gebäudebrandversicherung, der badische Gemeindeversicherungsverband, die badische
Domänenverwaltung, das Generallandesarchiv und andere. Erst nach dem Tode des Präsidenten der nordbadischen Landesverwaltung Heinrich Köhler begann die Stuttgarter Zentralregierung damit, dem Landesbezirk Baden überlassenen Funktionen, an sich zu ziehen und die politischen Rechte Badens allmählich zu mindern und dessen autonome Stellung im Zwei-Länder-Staat anzutasten.“286 Zusammenfassend lässt sich die erste Phase unter dem Besatzungsregime folgendermaßen resümieren: Der Wille zur Bewahrung der staatlichen Einheit, aber auch der Versuch, die eigenen Interessen gegenüber den Besatzern
durchzusetzen, ist sowohl in Württemberg als auch in Baden sichtbar geworden.
Eine Verbindung der beiden Länder wurde beiderseits nicht zwingend angestrebt. „Die württembergischen Zentralbehörden konnten trotz
Besatzungsstatut territorial uneingeschränkt ihre Arbeit fortsetzen. In Baden ließ sich diese Kompetenz für immerhin drei Viertel seines Territoriums aufrecht erhalten.“287 Die amerikanische wie die französische Besatzungsmacht operierte nach eigenen strategischen und machtpolitischen Interessen und nahm
infolgedessen auch keine Rücksicht auf innerdeutsche Ländergrenzen. Während die französische Besatzungsmacht durchaus bestrebt gewesen war, die von Napoleon geschaffenen Ländergrenzen unangetastet zu lassen, so waren die amerikanischen Besatzer einer territorialen Neugliederung deutlich zugeneigter.
286 ebenda, Neumayer, 1988, S. 270/271
287 ebenda, Neumayer, 1988, S. 271
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Die Freiburger Regierung verstand sich als Vertreterin der gesamtbadischen Interessen und setzte sich vehement für die Wiederherstellung des alten Landes Baden ein. „Für die Verfechter dieses Ziels bürgerte sich die Bezeichnung
„Altbadener“ ein. Sie hoben zunächst auf das Recht historisch gewachsener Einheiten ab. Bedingung der politischen Identität eines Gemeinwesens war in ihren Augen nicht der finanzielle Vorteil, sondern die Eigenart des Volkes, seine gemeinsame Herkunft und Geschichte, Kultur und Geistesart.“288
„Durch das zweite Neugliederungsgesetz über die Volksabstimmung vom 9. Dezember 1951 durch den Bundesgesetzgeber ist die zweite Chance zur Wiederherstellung des alten Landes Baden gezielt verhindert worden.“289 Die inhaltliche Gestaltung dieses Gesetzes war darauf ausgerichtet, die Bildung des Südweststaates durch das Auszählungsverfahren vorwegzunehmen. Dabei wurde sowohl die Mehrheit im Gebiet des alten Landes Baden wie auch im Bundesland (Süd-)Baden missachtet. Eine einvernehmliche Lösung bezüglich des Zusammenschlusses von Baden und Württemberg wäre durchaus möglich gewesen. Man wird dem Sachverhalt auch nicht gerecht, wenn man das
Scheitern einer staatsvertraglichen Lösung am Veto Leo Wohlebs versucht festzumachen. „Leo Wohleb ging es in erster Linie um die Erhaltung der
badischen Identität, welche vorzugsweise durch die Wiederherstellung des alten Landes Baden erlangt werden sollte.“290 Nach der Wiederherstellung von
Gesamtwürttemberg sollten dann Verhandlungen zweier gleichberechtigter Länder über einen möglichen Doppelstaat geführt werden. „Die badische Staatsregierung verlangte in den Verhandlungen eine Untergliederung des vereinigten Bundeslandes gemäß der historischen Grenzen in einen badischen und einen württembergischen Landesbezirk mit einer Garantie weitreichender Autonomie gegenüber einer zentralen Landesregierung in politischem,
wirtschaftlichem und kulturellem Bereich.“291 Wenn sich die
288 Hug, 2006, S. 198
289 ebenda, Neumayer, 1988, S. 272
290 ebenda, Neumayer, 1988, S. 272
291 ebenda, Neumayer,1988, S. 272
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badische Regierung in Stuttgart diesen Vorstellungen nicht so vehement widersetzt hätte, dann hätte ein Zusammenschluss einvernehmlich erreicht werden können. Eine Zustimmung Württemberg-Hohenzollerns wäre zu erwarten gewesen, und zu einem Kampf um den Südweststaat wäre es erst gar nicht gekommen. „In Württemberg war man auf eine totale Verschmelzung beider Länder aus.“292 Dies hätte eine Verwischung der historischen Grenzen zur Folge gehabt. Dieses Vorhaben widersprach den badischen Vorstellungen vom Erhalt und der Bewahrung der eigenen Identität aufs schärfste. Die beiden vorliegenden Konzeptionen waren miteinander unvereinbar und erklären auch, weshalb sich im Württemberg kaum jemand für die Wiederherstellung des alten württembergischen Volksstaates einsetzte, während man sich in den beiden badischen Landeshälften erbittert gegen eine Eingliederung zur Wehr setzte.
Allmählich erhielt die Auseinandersetzung zusätzlich bundespolitische Dimension. „Die Politikarena, in der die südwestdeutsche Frage nun zur
Entscheidung gebracht werden musste, waren Bundestag und Bundesrat. Zu den staatspolitischen Gründen, die bislang die Auseinandersetzung beider Lager bestimmt hatten, traten vermehrt partei- und bundespolitische Interessen.“293 Nach dem die beteiligten Landesregierungen keine Einigung erzielen konnten, erging der Wunsch nach einer von oben verordneten Entscheidung durch Volksabstimmung zunächst an die Ministerpräsidentenkonferenz und die Militärgouverneure, im weiteren Verlauf auch an die inzwischen eingesetzte Bundesregierung. Umstritten war vor allem der Modus der erfoderlichen Volksbefragung. „Für Leo Wohleb stand fest, dass eine Abstimmung über die Zukunft des Südwestens nur auf der Basis der alten Länder erfolgen konnte.
Der Stuttgarter Regierungschef Reinhold Maier hingegen plädierte für einen Abstimmungsmodus, den der Weinheimer Industrielle Richard Freudenberg, ein Vorkämpfer des Südweststaats, ersonnen hatte: Abgestimmt werden sollte
demnach in vier Bezirken (Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Süd-
292 ebenda, Neumayer, 1988, S. 272
293 Weinacht, 1991, S. 318/319
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Württemberg-Hohenzollern).“294 „Ursprünglich war an zwei Abstimmungen gedacht gewesen, die erste über den Zusammenschluß und - für den Fall, daß dieser nicht in jedem der bestehenden drei Länder eine Mehrheit finden sollte – eine weitere über die Wiederherstellung der alten Länder. Über diese zweite Abstimmung konnte man sich erneut nicht einigen. Wiederum war es Reinhold Maier, der für den Fall, daß die zweite Frage verneint werden sollte, eine weitere Fragestellung nach der Bildung eines „kleinen Südweststaates“ ohne Südbaden wünschte. Der Ministerpräsident von Württemberg-Baden verlangte des
Weiteren für den Fall einer Wiederherstellung der alten Länder eine Mehrheit sowohl in den drei bestehenden Ländern wie auch im Landesbezirk
Nordbaden.“295 Nordbaden sollte dadurch in der Folgezeit eine Schlüsselposition zukommen. Letztlich sollte in einmaliger Abstimmung alternativ über die
Bildung des Südweststaates oder die Wiederherstellung der alten Länder entschieden werden. „Erneut bestand die Schwierigkeit darin, dass die württembergisch-badische Regierung abermals verlangte, eine durch Wiederherstellung der alten Länder bedingte Auflösung des Bundeslandes Württemberg-Baden bedürfe einer Mehrheitsentscheidung in diesem Lande.“296 Die Festlegung der Abstimmungsbezirke wurde zum Kernproblem und das Abstimmungsverfahren war in der Tat laut Neumayer mit drei schwerwiegenden Fehlern behaftet. Die dahinter stehenden bundespolitischen Interessen
formulierte Wehling zusammengefasst in folgender Gleichung:
„“Alte Länder“ = Sicherung des Unionsgewichts,
„Südweststaat“ = Gewichtsverlagerung zugunsten protestantischen, liberalen, sozialdemokratischen Einflusses.“297
Ausgangspunkt für die Einteilung in Abstimmungsbezirke waren die während
294 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 162
295 ebenda, Neumayer, 1988, S. 273
296 ebenda, Neumayer, 1988, S. 273
297 ebenda, Weinacht, 1991, S. 319
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der Besatzungszeit entstandenen drei Länder Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern. Sowohl die Bildung eines Südweststaates als auch die Wiederherstellung der alten Länder hätte deren Aufhebung bedeutet.
„Inwiefern die durch völkerrechtswidrige Besatzungswillkür geschaffenen drei neuen Länder überhaupt dazu geeignet waren als Ausgangspunkt für eine Neugliederung zu dienen, bleibt höchst fragwürdig. Zumal dieser Zustand von allen Seiten als ein Provisorium empfunden wurde.“298 Bereits die erste
Allensbacher Umfrage zu diesem Thema 1947 bestätigt diesen Sachverhalt.
72 % der Bevölkerung hielt eine Veränderung der gegenwärtigen Lage für notwendig, 4 % hielten eine Änderung für nicht notwendig und der Rest war unentschieden. Der andere, wohl auch näher liegende Ansatz, war derjenige, von den beiden alten Ländern Baden und Württemberg auszugehen. Über deren Zusammenschluss oder Wiederherstellung die Bevölkerung von Gesamtbaden und Gesamtwürttemberg getrennt hätte abstimmen können. Wäre man den Gesetzen der Logik gefolgt, dann hätte man sicherlich einen der beiden
genannten Ansätze gewählt. Dem gesunden Menschenverstand zum Trotz hatte man sich allerdings für vier Abstimmungsbezirke entschieden. (Süd-)Baden und Württemberg-Hohenzollern stellten jeweils einen Abstimmungsbezirk dar, während Württemberg-Baden in zwei getrennte Abstimmungsbezirke,
Nordbaden und Nordwürttemberg, aufgeteilt würde. Somit wurde die Existenz dieses dritten Staates dahingehend ignoriert, dass man für Württemberg-Baden wieder auf den historischen Zuschnitt beider Landesteile zurückgriff. „Dies war eindeutig eine inkonsequente Kombination der beiden allein einwandfreien Kriterien der Auswahl nach dem historischen Bestand bzw. nach den
gegenwärtigen Grenzen.“299 Die ausgeklügelte Wahlbezirksgeometrie hatte natürlich politische Gründe. Nach außen wollte man dem
nordbadischenLandesteil damit seine damals noch weitreichende Autonomie unterstreichen, mit der unterschwelligen Botschaft, dass diese künftig in einem
298 ebenda, Neumayer, 1988, S. 274
299 ebenda, Neumayer, 1988, S. 274
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Südweststaat ebenfalls Fortbestand haben könnte. Diese Option war aber von den württembergischen Regierungen definitiv nicht beabsichtigt gewesen.
„In Wirklichkeit sollte durch die Einrichtung eines vierten
Abstimmungsbezirkes die Bildung des Südweststaates mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorweggenommen werden. Wenn sich in drei von vier Abstimmungsbezirken eine Mehrheit für den Südweststaat finden würde, dann musste er zustande kommen. Dass dies zu erwarten gewesen ist, belegt die Probeabstimmung vom 24. September 1950. Dabei ergab sich zwar in Gesamtbaden eine Mehrheit fürdie Wiederherstellung der alten Länder, jedoch im nordbadischen, von Flüchtlingen stark überfremdeten Landesbezirk, erzielte man eine Mehrheit für den Südweststaat.“300 Mit dem Argument, dass
Nordbaden nicht von Südbaden majorisiert werden dürfe, gab zunächst der Bundesgesetzgeber und ihm nachfolgend das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für diesen Abstimmungsmodus. Es war absehbar, dass dadurch Südbaden von Nordbaden majorisiert werden musste. Dieser Umstand wurde offenbar aus politischem Kalkül bewusst ignoriert. Annette Borchardt Wenzel bezeichnet den
„präferierten Abstimmungsmodus (sogar) als einen Trick.“301
„Die Unterteilung in vier Abstimmungsbezirke war zusätzlich mit einem weiteren schweren Fehler belastet. Und zwar wurde die entscheidende Sperrminorität, welche sich der Bildung des Südweststaates im Falle der Bildung von zwei (nach den alten Ländern) bzw. drei (nach den bestehenden Bundesländern) Abstimmungsbezirken widersetzen konnte, von dem
selbständigen Bundesland Baden auf den unselbständigen Landesteil Nordbaden des Bundeslandes Württemberg-Baden verlagert. Dies wurde mit der
Schutzbehauptung gerechtfertigt, dass Nordbaden nicht gegen seinen Willen aus der provisorischen Verbindung mit Nordwürttemberg gelöst werden dürfe.
Außerdem müsse eine Majorisierung durch Südbaden verhindert werden und die Mehrheit in Gesamtbaden für eine Wiederherstellung Badens müsse vor diesem
300 ebenda, Neumayer, 1988, S. 274/275
301 ebenda, Bochardt-Wenzel, 2011, S. 162
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Hintergrund zurücktreten.“302 Das diese gebastelte Logik eine Majorisierung Südbadens implizierte, ist offensichtlich. Somit stellte diese
Argumentationslogik einen deutlichen Verstoß gegen das föderale Prinzip der Bundesrepublik dar. Auf diese Weise wurde die Möglichkeit eröffnet, dass ein Mehrheitsentscheid in zwei anderen Bundesländern, die Auflösung eines dritten Bundeslandes bedeuten konnte. „Aber nicht nur Artikel 23 des Grundgesetztes, sondern auch Artikel 29 werden klar missachtet. Es ist zwar im äußersten Ausnahmefall denkbar, dass der Bund die Interessen eines Landesvolkes
übergehen kann, wenn Minderheitsinteressen existenzielle Lebensinteressen des Ganzen berühren.“303 In unserem Falle wird aber niemand behaupten können, dass die Wiederherstellung des alten Landes Baden den Lebensinteressen der Bundesrepublik entgegengestanden hätte. Eine solche Entscheidung konnte auf keinen Fall durch die Mehrheit in zwei anderen Ländern entschieden werden.
Nicht zu vergessen, dass es sich dabei um eine württembergische Entscheidung handelte, die sich gegen eine badische Mehrheit richtete.
Der dritte Fehler im Abstimmungsverfahren bestand in einem fehlenden regionalen Bezug der Fragestellung. „Es war von Grund auf verfehlt bei einer Mehrheitsfeststellung nicht von den historisch gewachsenen Einheiten oder zumindest von der durch die Besatzungsmächte geschaffenen Neuordnung auszugehen. Vielmehr noch sollte ein Volksentscheid eine bis dahin weder existierende noch eindeutig gewünschte Vereinigung der Landesteile
erzielen.“304 Trotz aller Bedenken, die von entsprechender Seite vorgebracht wurden, hat der Gesetzgeber seine Zustimmung für den geplanten
Abstimmungsmodus in vier Abstimmungsbezirken erteilt. Am 25. April 1951 wurde im Bundestag die Zustimmung zur Durchführung des Volksentscheids zur Bildung des Südweststaates beschlossen.
302 ebenda, Neumayer, 1988, S. 275
303 ebenda, Neumayer, 1988, S. 275
304 ebenda, Neumayer, 1988, S. 276
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Die badische Staatsregierung hat am 25. Mai 1951 gegen das aus ihrer Sicht Fehler behaftete Abstimmungsverfahren Klage beim Bundesverfassungsgericht erhoben. Man stellte Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des
2. Neugliederungsgesetztes. „ Sie machte die Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit Art. 3, 20, 23, 25, 29 Abs. 1, 79, 118, ferner den Artikel 19 Abs. 4, 28 und 80 des Grundgesetztes geltend.“305 Am Rande sei erwähnt, dass das
Bundesverfassungsgericht sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht konstituiert hatte. Somit konnte die für den 16 .September 1951 vorgesehene
Volksabstimmung zu diesem Zeitpunkt nicht stattfinden. Das auf diesem Wege überstürzt eingerichtete oberste Gericht hatte am 8. September 1951 seine
Tätigkeit aufnehmen können. Am 23. Oktober ist die Entscheidung des obersten Gerichts ergangen. Dabei erwies sich die Beschwerde zwar nicht
durchsetzungsfähig, allerdings fand sich auch kein Mehrheitsbeschluss, der die Klage abweisen konnte. Die Stimmengleichheit des Gerichts reichte nicht aus, um die Verfassungswidrigkeit festzustellen. „Die dissentierenden Richter
stellten im wesentlichen folgendes fest: Bezugnehmend auf Art. 118 und 29 des Grundgesetzes wurde klargestellt, dass der Wille eines Landesvolkes nur durch den Willen des Gesamtvolkes der Bundesrepublik gebrochen werden könne, nicht aber durch den Willen eines anderen Landesvolkes.(...) Es wurde auch bestätigt, dass der gewählte Abstimmungsmodus dem Ziel der Sicherung zur Bildung des Südweststaates diente und man zu diesem Zwecke die Entscheidung der Bevölkerung Nordbadens anvertraut habe. In dieser Vorgehensweise liege eine Unsachlichkeit und mache eine Volksabstimmung folgerichtig zur
stellten im wesentlichen folgendes fest: Bezugnehmend auf Art. 118 und 29 des Grundgesetzes wurde klargestellt, dass der Wille eines Landesvolkes nur durch den Willen des Gesamtvolkes der Bundesrepublik gebrochen werden könne, nicht aber durch den Willen eines anderen Landesvolkes.(...) Es wurde auch bestätigt, dass der gewählte Abstimmungsmodus dem Ziel der Sicherung zur Bildung des Südweststaates diente und man zu diesem Zwecke die Entscheidung der Bevölkerung Nordbadens anvertraut habe. In dieser Vorgehensweise liege eine Unsachlichkeit und mache eine Volksabstimmung folgerichtig zur