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7 HANDLUNGSFELD GESELLSCHAFTLICHE TEILHABE UND ALLTAGSBEWÄLTIGUNG

7.4 VERSCHULDUNG UND SCHULDENPRÄVENTION

7.4.1 BEDEUTUNG FÜR DIE VERHINDERUNG UND BEKÄMPFUNG VON ARMUT

Viele armutsbetroffene Personen haben mit Schulden und unbezahlten Rechnungen zu kämpfen. Insbesondere dann, wenn bestehende Schuldverpfl ichtungen mit ande-ren Schwierigkeiten zusammenfallen, können sie zu dau-erhaften fi nanziellen Engpässen führen, Armut und Ver-schuldung können sich dann gegenseitig verstärken. Nicht mehr zu bewältigende Schuldverpfl ichtungen haben auch Auswirkungen auf andere Lebensbereiche. Unter anderen führen Betreibungen zu Problemen bei der Wohnungssu-che und können auch die StellensuWohnungssu-che erschweren. Ansät-ze zur Bewältigung von Verschuldung und Armut fi nden sich im Bereich der Schuldenprävention, in der punktuellen Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie in der Schuldenberatung für armutsbetroffene Personen, in welcher die Bewältigung des Alltags trotz hoher Schulden sowie ein mündiger Umgang mit den Schuldverpfl ichtun-gen im Zentrum steht.328

7.4.2 PRAXIS, HANDLUNGSBEDARF UND ZU PRÜFENDE MASSNAHMEN

Hinweise auf die Verbreitung von existenziellen Verschul-dungs- beziehungsweise Überschuldungssituationen erge-ben sich durch die Daten zu Zahlungsrückständen. Dabei handelt es sich um Rechnungen, welche in den letzten zwölf Monaten aus fi nanziellen Gründen nicht fristgerecht bezahlt werden konnten. Schweizweit gesehen sind Zah-lungsrückstände bei den Steuern am weitesten verbreitet.

Eine von zehn Personen lebte 2013 in einem Haushalt mit Zahlungsrückständen bei den Steuern.329 Gemäss Angaben der Steuerverwaltung wurden im letzten Jahr im Kanton Basel-Landschaft wegen Steuerausständen 13’650 Betrei-bungsbegehren gestellt.

Die Zahl der Angebote im Bereich der Schuldenprävention ist in der Schweiz in den letzten Jahren zwar deutlich ge-stiegen, die Schuldenprävention beschränkt sich jedoch im Wesentlichen häufi g auf die Schulen, in welchen den Kin-dern und Jugendlichen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld vermittelt wird. Ausserhalb der Schule werden gefährdete oder betroffene Personengruppen nur selten gezielt angesprochen. Auf struktureller Ebene wur-den etwa die Kreditfähigkeitsprüfung sowie ein Verbot ag-gressiver Werbung für Konsumkredite verankert. Es fehlen aber gezielte Schuldenpräventionsangebote für besondere Risikogruppen, insbesondere für Personen mit Migrations-hintergrund und armutsbetroffene junge Erwachsene.330 Bezüglich einer Stärkung der Schuldenprävention wurde im Kanton Basel-Landschaft kürzlich das Postulat «Schulden-falle – Prävention auch eine Sache des Kantons» überwie-sen.331 Der Postulant bittet die Regierung zu prüfen, wie der Kanton seine übergeordnete Aufgabe in der Prävention aktiv erfüllen kann. Die für das Handlungsfeld eingesetzte Arbeitsgruppe kam ebenfalls zum Schluss, dass eine Stär-kung der Schuldenprävention im Kanton Basel-Landschaft geprüft werden sollte.

329 Vgl. Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 7, 10-11.

330 Vgl. Bundesrat (2018). Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018: S. 38-40; Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 19-22;.

331 Parlamentarischer Vorstoss 2019/558: Schuldenfalle – Prävention auch eine Sache des Kantons.

332 Vgl. Bundesrat (2018). Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018: S. 39f; Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 31.

333 Vgl. Parlamentarischer Vorstoss 2019/821: Für einen «echten Nettolohn» auch in Baselland.

334 Vgl. Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 32; Veit et al. (2016). Der freiwillige Direktabzug der Einkommenssteuer im Kanton Basel-Stadt.

335 Die Steuerverwaltung gibt zu bedenken, dass die Einführung eines freiwilligen Direktabzugs der Steuern vom Lohn mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden ist. Unter ande-rem kommen für das Verfahren nur unselbständig erwerbstätige Personen in Frage, welche sowohl im Kanton Basel-Landschaft wohnen als auch arbeiten und ferner nicht quellen-steuerpfl ichtig sind. Wenn das Direktabzugsverfahren nicht auch in anderen Kantonen eingeführt wird, bleibt die Wirkung gemäss Einschätzung der Steuerverwaltung deshalb sehr limitiert.

ZU PRÜFENDE MASSNAHME

STÄRKUNG DER SCHULDENPRÄVENTION

Es sollte geprüft werden, inwiefern der Kanton verstärkt in die Schuldenprävention investieren kann. Diese Abklä-rung ist nach der Überweisung des Postulats 2019/559 bereits in die Wege geleitet worden. Ein möglicher An-satzpunkt bietet der Ausbau von Budgetberatungsange-boten, um verschuldungsgefährdete Personen frühzei-tige Beratung anzubieten und rechtzeitig auf mögliche Gefahren von Schulden hinweisen zu können. Für Per-sonen mit Migrationshintergrund und armutsbetroffene junge Erwachsene braucht es Ansätze der Schuldenprä-vention, die spezifi sch auf ihre Lebenssituation ausge-richtet sind.332

Da Steuerschulden die am weitesten verbreiteten Zah-lungsrückstände darstellen, wird ausserdem die Einfüh-rung eines freiwilligen Direktabzugs der Steuern vom Lohn zur Prüfung vorgeschlagen, wie dies auch in einem aktuellen Postulat gefordert wird.333 In einem neueren verhaltensökonomischen Gutachten konnte die Wirk-samkeit eines freiwilligen Direktabzugs der Steuern vom Lohn bestätigt werden.334 Allerdings gilt es zu bedenken, dass die konkrete Einführung dieses Instruments auf kantonaler Ebene mit verschiedenen Herausforderun-gen verbunden ist.335

Überschuldete Personen mit geringem oder fehlendem Einkommen haben unter den gegebenen Rahmenbedin-gungen praktisch keine Möglichkeit, ihre Schulden zu til-gen. Und für sie ist es auch sehr schwierig, sich von der Sozialhilfe abzulösen, was durch Fehlanreize noch ver-schärft wird. Diese Situation ist für alle Beteiligten negativ, sowohl für die Betroffenen, wie auch für die Gläubiger und die öffentliche Hand. Für die Unterstützung von mittellosen überschuldeten Personen fehlen sowohl den auf die Schul-densanierung spezialisierten Schuldenberatungsstellen als auch breiter angelegten polyvalenten Beratungsangeboten oftmals die Mittel. Auch die Sozialhilfe bietet in der Regel keine weitergehende Schuldenberatung an und kommt grundsätzlich nicht für die Rückzahlung von Schulden auf. Für mittellose überschuldete Personen ist es deshalb trotz der Vielfalt bestehender Beratungsangebote häufi g schwierig, ein längerfristiges Beratungsangebot zu fi nden, welches einen besseren Umgang mit den Schuldverpfl ich-tungen unterstützen würde.336

Zur Verbesserung der rechtlichen Situation für verschulde-te Personen wurde kürzlich ein Postulat zur Einrechnung der Steuern in das betreibungsrechtliche Existenzminimum überwiesen.337 Es wurde jedoch deutlich, dass für eine entsprechende Anpassung eine Änderung der bundes-rechtlichen Grundlagen zwingend erforderlich ist.338 Mög-lichkeiten und Grenzen des gesetzlichen Rahmens werden insbesondere durch das Bundesgesetz über Schuldbetrei-bung und Konkurs festgelegt.339

Angesichts der schwierigen Situation, in welcher sich über-schuldete Personen mit geringem oder fehlendem Einkom-men oftmals befi nden, wird vorgeschlagen, eine ganzheit-liche Beratung für diese Personengruppe zu ermögganzheit-lichen sowie eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingun-gen zu prüfen.

336 Vgl. Bundesrat (2018). Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018: S. 36-39; Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 23-26; Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (2017). Schulden und Sozialhilfe.

337 Parlamentarischer Vorstoss 2019/559: Schuldenfalle – Neuverschuldung vermeiden.

338 Siehe die Stellungnahme des Regierungsrats zu diesem Vorstoss.

339 Vgl. Bundesrat (2018). Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018: S. 37.

340 Vgl. Bundesrat (2018). Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018: S. 38-40; Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 30; Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS (2017). Schulden und Sozialhilfe: S. 7.

341 Vgl. Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 23, 31.

342 Vgl. Mattes/Fabian (2018). Armut und Schulden in der Schweiz: S. 32.

343 Die Steuerverwaltung gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass ein ganzer oder teilweiser Erlass der Steuerschulden nur in besonderen Ausnahmefällen gewährt werden kann und einmalig sein sollte. Sie rät davon ab, die bestehende Praxis für die Staats- und Gemeindesteuern zu lockern. Einerseits soll die einheitliche Praxis gegenüber der direkten Bundessteuer und den anderen kantonalen Steuerpraxen nicht aufgeweicht werden, andererseits ist es aus Sicht der Steuerverwaltung zentral, dass die steuerpfl ichtige Person tatsächlich persönlich von einem allfälligen Steuererlass profi tiert. Insofern darf kein Erlass gewährt werden, sofern nicht auch andere gleichrangigen Gläubiger ebenfalls einen entsprechenden Verzicht leisten.

ZU PRÜFENDE MASSNAHME

GANZHEITLICHE BERATUNG UND VERBESSERUNG DER RECHTLICHEN RAHMENBEDINGUNGEN FÜR ÜBERSCHULDETE PERSONEN

Um mittellose überschuldete Personen bei einem adä-quaten Umgang mit den Schuldverpfl ichtungen zu un-terstützen, sollte zum einen geprüft werden, wie eine ganzheitliche Betreuung verschuldeter Personen in der Sozialhilfe ermöglicht werden kann. Als Orientierung kann in diesem Bereich das Modell der Stadt Lausanne herangezogen werden, mit welchem dank einer integ-rierten Fachstelle eine umfassende Schuldenberatung für überschuldete Sozialhilfebeziehende angeboten wird.340 Zum andern ist ebenfalls zu prüfen, wie für überschuldete Personen ohne Bezug von Sozialhilfeleis-tungen ein Zugang zu professioneller Beratung eröffnet werden kann, um einen adäquaten Umgang mit den Schuldverpfl ichtungen zu unterstützen. Mit zusätzlichen Ressourcen könnte der Auftrag der bestehenden Stellen entsprechend erweitert werden. Als Vorbild kann etwa die Budget- und Schuldenberatungsstelle Plusminus in Basel dienen.341

Ausserdem ist zu prüfen, inwiefern sich auf kantonaler Ebene die rechtlichen Rahmenbedingungen für über-schuldete Personen verbessern lassen, um realistische Auswege aus einer Überschuldungssituation zu eröff-nen. Viele dieser Rahmenbedingungen sind allerdings auf Bundesebene geregelt. Ein möglicher Ansatzpunkt auf kantonaler Ebene besteht in der verstärkten Aus-richtung der Steuergesetzgebung auf die Belange der Schuldensanierung. So sollte geprüft werden, inwieweit die Hürden für Steuererlassgesuche im Zusammenhang mit Schuldensanierungen gesenkt werden können, um Bemühungen der Armutsbewältigung im Rahmen einer Schuldensanierung systematischer zu ermöglichen.342 Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass entsprechende Anpassungen verschiedenen Einschränkungen unterlie-gen.343