• Keine Ergebnisse gefunden

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2.3 STOSSRICHTUNGEN UND ZIELE IN DER SCHWEIZERISCHEN ARMUTSPOLITIK

2.3.3 HERAUSLÖSUNG AUS DER ARMUT UNTERSTÜTZEN

In der gesamtschweizerischen Strategie zur Armutsbekämp-fung wird die Ablösung von der Sozialhilfe als ein wesent-liches Ziel der Armutsbekämpfung genannt. Entsprechend sind Massnahmen zu ergreifen, «die darauf abzielen, mög-lichst früh Angebote bereit zu stellen, etwa für Betreuung, Bildung und Weiterbildung, um die Betroffenen zu befähi-gen, so weit als möglich vom Bezug von Bedarfsleistungen unabhängig zu werden….».55

In der Agenda 2030 wird die nachhaltige Herauslösung aus der Armut hervorgehoben.56 Diesbezüglich wird betont, dass diejenigen Menschen, die aus der Armut gelangen, nicht er-neut in die Armut zurückfallen sollen. In diesem Sinne wer-den Massnahmen zur Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit und zum Aufbau von nachhaltigen sozialen Sicherungssys-temen benötigt.

Für die Herauslösung aus der Armut werden in der beste-henden Armutspolitik in der Schweiz die berufl iche (Re-) Integration und entsprechende Bildungs- und Beschäfti-gungsmassnahmen ins Zentrum gestellt.57

Bei der Frage, welche Massnahmen und Angebote zu ent-wickeln sind, um die Armutslage langfristig zu überwinden, wird die Stärkung der Ressourcen der Betroffenen hervor-gehoben, gleichzeitig wird an die Eigenverantwortung ap-pelliert. Der zweifellos wichtige Blick auf das Individuum soll nicht darüber hinwegsehen, dass es in den Schlüssel-bereichen Erwerbsarbeit und Bildung strukturelle Zugangs-barrieren gibt.

Die Ansätze für ein dauerhaftes Herauslösen aus Armut ori-entieren sich häufi g

• an Entwicklungs- und Verwirklichungschancen, damit alle Menschen ihr Potenzial ausschöpfen können,

• an entsprechenden Zugängen zu Ressourcen und Gü-tern, insbesondere zum Arbeitsmarkt und zu den Bil-dungsinstitutionen.

55 Bundesrat (2010). Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung: S. 14.

56 Vgl. Vereinte Nationen (2015). Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung; Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA (2019). Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung.

57 Vgl. Bundesrat (2010). Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung: S. 20.

58 Vgl. Giesselmann/Goebel (2013). Soziale Ungleichheit in Deutschland in der Längsschnittperspektive.

59 Vgl. Boeckenhoff et al. (2012). Armut und Resilienz. Über die Bedingungen von gymnasialen Schulerfolg bei Jugendlichen mit Armutserfahrung.

60 Vgl. Knöpfel (2010). Wirkungsvolle Armutspolitik in der Schweiz; Regierungsrat des Kantons Bern (2012). Sozialbericht 2012; Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (2010). Zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung: S. 6.

61 Vgl. Knöpfel (2010). Wirkungsvolle Armutspolitik in der Schweiz: S. 147f; Bundesrat (2010). Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung: S. 105f; Bundesrat (2018).

Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018: S. 40-43.

BERUFLICHE INTEGRATION UND BILDUNGS-MASSNAHMEN

Die dauerhafte Herauslösung aus der Armut benötigt die entsprechenden Rahmenbedingungen. So können struktu-relle Barrieren den Weg aus der Armut verhindern, etwa wenn getrennt lebende Mütter oder Väter mit minderjähri-gen Kindern die Aufgaben in Familie, Haushaltsführung und Beruf nicht vereinbaren können, z. B. aufgrund fehlender oder zu teurer Betreuungsplätze bei gleichzeitig geringer Flexibilität des Arbeitgebers, was sich in fi xen Arbeitszei-ten und Pensen niederschlägt. Die Erfolge von Massnah-men, welche Wege aus der Armut eröffnen sollen, sind oftmals bescheiden und ein beachtlicher Teil der ehemali-gen Armutsbetroffenen bleibt ökonomisch in prekärer Lage oder gerät zu einem späteren Zeitpunkt erneut unter die Armutsgrenze.58

Die Resilienzforschung zeigt, dass gute Bildung nicht nur die Arbeitsmarktchancen erhöht, sondern das Potential vergrössert, mit belasteten Situationen und Krisen besser umzugehen.59 Vor diesem Hintergrund ist die fachliche und politische Diskussion, in der die bildungsbezogene Armuts-prävention prominent eingefordert wird, gut nachvollzieh-bar.60 Für die Herauslösung aus Armut erweisen sich die Schaffung von «Bildungschancen» und die «Erwerbsinte-gration» als besonders relevante Stossrichtungen.

UNTERSTÜTZUNG IN DER ALLTAGS- UND PROBLEMBE-WÄLTIGUNG MIT DEM ZIEL DER HERAUSLÖSUNG AUS ARMUT

Die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Betroffenen wird als ein wichtiger Schlüssel für das nachhaltige Herauslö-sen aus der Armut gesehen. Dabei werden Angebote der Information, Beratung und Begleitung in den Bereichen staatliche und nicht staatliche Hilfe, Familien- und Kinder-betreuungsfragen, Alltag, Bildung, Arbeit und Freizeit be-tont.61 Diese Angebote verbessern nicht nur den Umgang mit Armut, sondern entfalten und steigern die Ressourcen der Betroffenen. Für die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Betroffenen sind also erneut die bereits weiter oben angesprochenen Unterstützungsangebote der Alltags- und Problembewältigung relevant.

Die Wege aus der Armut sind voraussetzungsvoll. Stu-dien belegen, dass die unmittelbaren Belastungen, die durch Armut entstehen, zunächst aufgehoben werden müssen, damit der Weg aus der Armut nachhaltig gelingt.62 Bevor demnach Schulabschlüsse nachgeholt werden kön-nen, Weiterbildungen zu einer Weiterqualifi zierung führen und die Arbeitsmarktintegration gelingt, ist die materielle und soziale Existenz zu sichern. In diesem Sinne ist die in 2.3.2 genannte unmittelbare Bekämpfung der Armut eine zentrale Bedingung für das dauerhafte Ablösen aus der Ar-mut. Im Zentrum des Herauslösens aus Armt steht eine nachhaltige Erwerbsintegration, die sich durch ein hohes Mass an Arbeitsplatzsicherheit und einem armutsfesten Lohn auszeichnet.63

Die nationale Armutsstrategie betont das Problem der dau-erhaften Abhängigkeit von staatlichen Bedarfsleistungen, wenn Menschen in Armut geraten.64 Die Abhängigkeit von staatlicher Hilfe bedeutet keine Herauslösung aus der Ar-mut. Sozialhilfe sichert die Existenz auf bescheidenem Ni-veau. Für eine Armuts(bekämpfungs)politik, die nachhaltig im Sinne von Effi zienz und Effektivität sein möchte, ist die dauerhafte Überwindung von Armutslagen ein notwendi-ges Ziel.

2.4 ZWISCHENFAZIT

Die dargestellten Ziele in der nationalen Armutspolitik kön-nen auf drei reduziert werden:

1. Armut präventiv verhindern,

2. die Armutsfolgen für Betroffene bekämpfen und die soziale Existenz sichern,

3. bei der Herauslösung aus der Armut unterstützen.

Diese drei Dimensionen stellen im Folgenden die drei über-geordneten Ziele einer ganzheitlichen Armutspolitik dar.

Während das erste Ziel, die Verhinderung von Armut, für sich alleine steht, können die Ziele 2 und 3 zusammenfas-send als zwei Unterformen der Bekämpfung von Armut ge-fasst werden. Ziel 2 bezieht sich dabei auf die – zumindest im Bereich der Sozialhilfe – vorübergehend angedachte so-ziale Existenzsicherung und die Bekämpfung von Armuts-folgen, Ziel 3 bezieht sich auf eine längerfristig angestrebte Herauslösung aus Armut, etwa in der Form einer Ablösung von der Sozialhilfe.65 Zur Erreichung dieser drei

grundle-62 Vgl. Promberger (2017). Resilience among vulnerable households in Europe.

63 Vgl. Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (2010). Zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung; Stutz et al. (2017). Kommunale Strategien, Massnahmen und Leistun-gen zur Prävention und Bekämpfung von Familienarmut: S. 27.

64 Vgl. Bundesrat (2010). Gesamtschweizerische Strategie zur Armutsbekämpfung: S. 14.

65 Vgl. Regierungsrat des Kantons Bern (2012). Sozialbericht 2012: S. 14-17; Dubach et al. (2010). Armutsbericht Basel-Stadt: S. 181-185.

66 Vereinte Nationen (2015). Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

67 Bundesrat (2018). Ergebnisse des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut 2014–2018.

genden Ziele werden unterschiedliche Stossrichtungen er-kennbar (siehe Abbildung 3).

Wenn als Stossrichtungen einer ganzheitlichen Armutspoli-tik die Prävention von Armut, die soziale Existenzsicherung und die Bekämpfung der Folgen von Armut eingeschlagen werden und gleichzeitig die Stärkung der Ressourcen der Betroffenen konsequent verfolgt wird, gerät die bereits erwähnte Vision aus der Agenda 2030 der Vereinten Nati-onen66, Armut in all ihren Formen und überall zu beenden in Reichweite. Um die dort formulierte Zielsetzung einer Halbierung von Armut bis 2030 zu erreichen, braucht es ein koordiniertes Bündel von aufeinander abgestimmten Massnahmen in unterschiedlichen Handlungsfeldern.

Die im Rahmen der aufgezeigten Stossrichtungen imple-mentierten Massnahmen stehen mit Blick auf Effektivität, Effi zienz, Innovation und Akzeptanz auf dem Prüfstand. Die effektive und effi ziente Bearbeitung der verschiedensten Themen im Bereich der Armut sind ohne ein

entsprechen-des professionelles Hilfe- und Unterstützungssystem und ohne das Engagement vieler Freiwilliger nicht zu leisten. Im Abschlussbericht zum Nationalen Armutsprogramm wird herausgestellt, dass die Prävention und Bekämpfung von Armut «unter Einbezug aller Staatsebenen, in Zusammen-arbeit mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen, den Sozialpartnern und armutsbetroffenen Menschen sowie mit Unterstützung der zahlreichen Politikfelder erfolgen muss.»67 Weiter wird hervorgehoben, dass eine Fortset-zung der Bemühungen für kohärente und wirksame Mass-nahmen der verschiedenen Akteurinnen und Akteure einen geeigneten Rahmen auf nationaler Ebene erfordert. Bereits in der 2010 vom Bundesrat verabschiedeten Gesamtstrate-gie wird die Optimierung der Bedarfsleistungen und Syste-moptimierungen hervorgehoben.

Nachdem die theoretischen Grundlagen geschaffen wor-den sind, um das Verständnis von Armut zu schärfen, wor-den Wissensstand zu Ursachen und Wirkungen von Armut zu erweitern sowie die gängigen Ziele und Stossrichtungen in der gegenwärtigen nationalen Armutspolitik zu skizzieren, wird nun die Ausgangslage im Kanton Basel-Landschaft in den Blick genommen. Nachfolgend wird der Kanton Basel-Landschaft hinsichtlich des Ausmasses und der Struktur von Armut beschrieben und erläutert. Dies geschieht auf Basis der vor allem kantonalen Sozialberichterstattung. Hin-zu kommen Ergebnisse einer im Rahmen der

Strategieent-ABBILDUNG 3: ZIELE UND STOSSRICHTUNGEN EINER GANZHEITLICHEN ARMUTSPOLITIK

ÜBERGEORDNETE ZIELE STOSSRICHTUNGEN

Armutsprävention Sicherung von kontinuierlichen Bildungschancen für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen

Verhinderung von Erwerbslosigkeit und Förderung einer nachhaltigen Erwerbsintegration, inklusive der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Soziale Existenzsicherung

und Bekämpfung von Armutsfolgen

Soziale und materielle Existenzsicherung

Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe von armutsbetroffenen Personen

Sicherung der Wohnversorgung, Zugang zu Wohnraum für sozial benachteiligte Personen schaffen

Unterstützung in der Alltags- und Problembewältigung armutsbetroffener Personen durch Information, Beratung und Begleitung

Herauslösung aus Armut Förderung einer nachhaltigen berufl ichen (Re-)Integration, inklusive Bildungsmassnahmen

Unterstützung in der Alltags- und Problembewältigung armutsbetroffener Personen durch Information, Beratung und Begleitung

wicklung durchgeführten Befragung in den Gemeinden des Kantons. Im Anschluss wird eine Übersicht gegeben über normative Grundlagen und bestehende Stossrichtungen zur Verhinderung und Bekämpfung von Armut im Kanton Basel-Landschaft.

3.1 ENTWICKLUNG DER ARMUTSLAGE IM