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2.6 Mikroverkapselung .1 Einführung

2.6.2 Verkapselungsmaterial: Alginat

In den letzten zwei Jahrzehnten sind eine große Anzahl von Mikrokapseln aus verschiedenen Materialien (Alginat, Agarose, Agar und synthetischen Polymeren) entwickelt und getestet worden (DULIEU et al.1999).

Bei Alginat handelt es sich um ein anionisches Polysaccharid, das aus den Bausteinen β-D-Mannuronsäure (M) und α-L-Guluronsäure (G) besteht, die über 1,4-Bindungen verknüpft sind. Einen schematischen Einblick über die Bestandteile des Alginates gibt die Abbildung 4.

Alginat kann aus den Zellwänden von Braunalgen (Phaeophyceae) extrahiert werden. Der Aufbau des Alginates wird durch 3 Sequenzblöcke bestimmt, neben homopolymeren M-M- oder G-G-Blöcken liegen alternierende heteropolymere M-G-Blöcke vor.

Es findet Anwendung in der Lebensmittelindustrie als Verdickungsmittel, Stabilisator und Gelbildner.

Alginate besitzen die Fähigkeit, unter Zugabe von di- und polyvalenten Kationen, mit Ausnahme von Magnesium (Mg2+), wässrige Gele zu bilden, die zur Herstellung Poren enthaltender semipermeabler Mikrokapseln verwendet werden können. Während monovalente Kationen zu keiner Gelbildung führen, kommt es durch di- und multivalente Kationen wie beispielsweise Kalzium (Ca2+) oder Barium (Ba2+) zu einer Quervernetzung innerhalb der G-Blöcke.

Es entsteht ein dreidimensionales Netzwerk, in dem die eingebetteten Zellen eine Immobilisierung erfahren.

Im Rahmen der Verkapselungstechnologie wird bevorzugt Barium (Ba2+) verwendet, das im Vergleich zu Kalzium (Ca2+) eine höhere Affinität zu Alginat besitzt und zu einer stärkeren Gelbildung führt. Ein weiterer Nachteil des Kalziums ist seine Chelatbildungsfähigkeit mit anderen körpereigenen Molekülen wie beispielsweise Citrate. Im Rahmen von Untersuchungen fand sich bei Alginatkapseln mit hohem Mannuronsäureanteil, die mit einer Bariumchloridvernetzung hergestellt wurden, eine geringere fibrotische

Reaktion als bei Kalziumchlorid vernetzten Kapseln (DUVIVIER-KALI et al.

2001).

Durch eine Vertropfung der Alginatgele in divalente Kationen enthaltende Alginatlösungen lassen sich Alginatperlen oder Alginatbeads mit Hilfe spezieller Beadgeneratoren formen. Diese Mikrokapseln bestehen aus einer inneren Alginathülle, in dem die entsprechenden Zellen in der polymeren Alginatmatrix eingebettet sind und einer äußeren Alginathülle, die durch ihre immunisolierenden Eigenschaften vor dem Immunsystem des Wirtes schützt.

Zusätzlich gibt diese Doppelverkapselung den Implantaten die nötige Stabilität.

Die Biokompatibilität oder Verträglichkeit der Alginatkapseln ist von der Größe der Implantate, der Reinheit des Rohstoffes und insbesondere von der Struktur des Alginates abhängig. Als Komplikation der Implantation von Alginatkapseln ist ein fibrotisches Überwachsen der Kapseln zu nennen, das durch den Sauerstoff- und Nährstoffentzug den Tod der verkapselten Zellen verursachen kann.

Alginatkapseln mit einem hohen Mannuronsäureanteil führten innerhalb von Untersuchungen zu einer verstärkten Stimulation des Immunsystem des Wirtes mit einer vermehrten Bildung proinflammatorischer Zytokine, während Guluronsäurereiche Alginate sich intraperitoneal (KULSENG et al.1999) und innerhalb des Gehirns von Ratten (READ et al. 2001) als gut tolerierbar erwiesen. Weiterhin zeigten Alginatkapseln mit einem hohen Guluronsäureanteil die größte Porenbildung, die sowohl zu einer verbesserten Versorgung der verkapselten Zellen als auch zu einer effizienteren Freisetzung des sezernierten Proteins führte (READ et al. 1999).

Abbildung 4

Schematische Darstellung der Bestandteile des Alginates A: β-D-Mannuronsäure

B: α-L-Guluronsäure

2.6.3 Therapeutischer Einsatz

Viele Krankheiten werden durch fehlerhafte oder abnormale metabolische und sekretorische Zellfunktionen verursacht, wie zum Beispiel Diabetes mellitus und Parkinson. Bisher wurden solche Krankheiten durch extrakorporale Gabe der fehlenden Stoffe (Hormone, Enzyme) therapiert. Damit kann allerdings die physiologische Feinregulierung innerhalb eines komplexen Metabolismus nicht nachempfunden werden (KUHTREIBER et al.1999). Ein Beispiel hierfür ist der Insulin abhängige Diabetes mellitus (IDDM). Solche Patienten müssen sich regelmäßig Insulin spritzen, was allerdings nicht ausreicht, um einen bedarfsadaptierten Blutzuckerspiegel zu gewährleisten.

Anstelle medikamentöser Behandlungen sollen nicht-autologe standardisierte Zelllinien, allogene und xenogene Zellen oder Gewebe transplantiert werden.

Diese Zellen oder Gewebe können die benötigten Substanzen produzieren und bedarfsadaptiert in den Organismus freisetzen.

O COOH

OH OH

O

OH OH

COOH

A B

Vorteile der Mikroverkapselung als Methode zur Implantation lebender, patientenfremder Zellen umfassen die lokale Applikationsmöglichkeit der Implantate unter Umgehung der Blut-Hirn-Schranke, eine kontinuierliche und dauerhafte Wirkstofffreisetzung, den Einsatz von Proteinen mit kurzer Halbwertszeit, eine gute Verträglichkeit durch den Patienten und einen gentherapeutischen Ansatz ohne Eingriff in das Genom des Menschen.

Erste erfolgreiche Implantation mikroverkapselter, lebender Zellen wurden bereits 1980 von LIM u. SUN durchgeführt, denen eine dauerhafte Behandlung diabetischer Tiere mittels implantierter, xenogener Inselzellen gelang.

AEBISCHER et al. zeigte 1988 im Rahmen eines experimentellen Parkinsonmodelles bei Ratten in einer Langzeitimplantation von neuronalem verkapselten Gewebe, dass die Kapseln zu keinerlei Abstoßungsreaktion oder nekrotischer Veränderung führten. Innerhalb klinischer Versuche wurde bestätigt, dass Alginat für die Stabilität, Verträglichkeit und das Überleben der verkapselten Zellen sorgt (LAHAM et al.1999; SOON-SHIONG et al.1994).

Zahlreiche technische Fortschritte dieser Immunisolierungsmethode haben es unter anderem ermöglicht, eine erfolgreiche therapeutische Transplantation von allogenem Parathyroidgewebe in Patienten mit Hypoparathyroidismus durchzuführen (HASSE et al.1997).

Die Verkapselungstechnologie wird bisher bei der Behandlung einer ganzen Reihe von Erkrankungen wie Hämophilien, Anämien, Zwergwuchs, Leber- und Nierenversagen, Insuffizienzen der Hypophyse und des ZNS in präklinischen Versuchen angewendet. In einigen Anwendungen wurden bereits therapeutische Heilversuche durchgeführt, zum Beispiel bei Diabetes mellitus (SOON-SHIONG et al.1994), amyotropher Lateralsklerose (ZURN et al. 2000;

AEBISCHER et al.1996), chronischem Schmerz (BUCHSER et al.1996), Hypoparathyreodismus (HASSE et al.1997), Pankreaskarzinom (LOHR et al.

2001), Morbus Huntington (BACHOUD-LEVI et al. 2000) und bei der Behandlung maligner Gehirntumore (READ et al. 1999; BJERKVIG et al. 2003;

VISTED u. LUND-JOHANSEN 2003).

Aktuelle Publikationen befassen sich auch mit einer neuroprotektiven Therapie mittels verkapselter neurotropher Faktoren oder entsprechender Zellen, die neuroprotektive Stoffe sezernierten.

YASUHARA et al. (2005) zeigte den erfolgreichen intrazerebralen Einsatz des verkapselten neurotrophen Faktors Glial cell line-derivated neurotrophic factor (GDNF) als Neuroprotektivum bei der Behandlung der Parkinsonerkrankung.

Auch im Zusammenhang mit Morbus Huntington und Schlaganfall konnten die neuroprotektiven Effekte von GDNF bestätigt werden. Dies erfolgte mit Hilfe der intrakraniellen Implantation verkapselter, fetaler, porziner chorioidaler Plexusanteile, die in hohem Maße neurotrophe Faktoren freisetzen (BORLONGAN et al. 2004a, 2004b).

CHIANG et al. (2005) konnte durch die Transplantation von fetalen Nierenzellen, die sich durch eine hohe Expression des neurotrophen GDNF auszeichneten, hirnschützende Effekte bei neuronalen Verletzungen belegen.

Weiterhin wurde der neuroprotektive Einsatz von transplantierten, humanen Stammzellen beschrieben (HAGAN et al. 2003), die neurotrophe Faktoren zur Behandlung von Parkinson sezernieren konnten (AKERUD et al. 2001).

Der Therapieansatz des Glucagon-like Peptide-1 als Neuroprotektivum wurde in verschiedenen Veröffentlichungen untersucht. Dabei konnten protektive Effekte sowohl in einer kultivierten Tumorzelllinie (PERRY et al. 2002a) als auch nach zerebraler Injektion (PERRY et al. 2002b, 2002c; DURING et al.

2003) gezeigt werden.

Bisher liegen keine Publikationen vor, die eine Verabreichung von Glucagon-like Peptide-1 anhand GLP-1 sezernierender, verkapselter Stammzellen zur neuroprotektiven Behandlung einer traumatologischen Gehirnverletzung beschreiben.